DEINMÜNCHEN_NO LIMITS!-Magazin_02
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AUS ERSTER HAND<br />
AUS ERSTER HAND<br />
Das Wichtigste ist,<br />
dass wir hier<br />
ohne ständige<br />
Todesangst leben<br />
aufbauen könnten. Leider mussten wir unterwegs<br />
meine Mutter und ein paar meiner Geschwister<br />
zurücklassen. Das war und ist immer noch sehr<br />
schwer für mich, weil ich mir vorher nie hätte<br />
vorstellen können, auch nur einen Tag ohne meine<br />
Mutter zu sein. Jetzt sind es bereits über drei Jahre.<br />
Ich habe sie seit dem 29. April 2014 nicht mehr<br />
gesehen. Wir telefonieren jedoch täglich miteinander<br />
und ganz oft sogar zwei- bis dreimal am Tag. Sie<br />
fehlt mir sehr.<br />
Es war am Anfang schwer, sich an das Leben<br />
in Deutschland zu gewöhnen, denn hier ist alles<br />
anders: die Sprache und vor allem auch die<br />
Kultur und die Leute. Aber man muss sich daran<br />
gewöhnen und sich für alles interessieren, wenn<br />
man hier leben will. Das Wichtigste ist jedoch, dass<br />
wir hier ohne ständige Todesangst leben können.<br />
Zurzeit läuft alles ganz gut: das Leben, die Schule<br />
– und ich habe Zukunftspläne.<br />
Rahmi, 17 Jahre, aus Somalia<br />
<strong>NO</strong> <strong>LIMITS</strong>! - Teilnehmerin<br />
Ich war sechs Jahre alt, als ich meine Heimatstadt<br />
Mogadischu in Somalia verlassen musste.<br />
Das hatte gleich mehrere Gründe: erstens wegen<br />
der äthiopischen Soldaten, die unser Land besetzen<br />
wollten, und zweitens, weil mein Vater Justizminister<br />
war, also Teil der Regierung und somit in Gefahr.<br />
Die äthiopischen Soldaten wollten das ganze<br />
Land, doch dafür mussten sie zunächst die<br />
somalische Regierung aus dem Weg schaffen.<br />
Sie verschleppten oder ermordeten die Regierungsangehörigen<br />
und auch ihre Familien.<br />
Wir mussten fliehen, doch das war nicht so<br />
einfach. Alles kam so unerwartet, uns fehlten<br />
noch alle unsere Dokumente, Ausweise, Visa<br />
etc. Deswegen haben wir uns in einer anderen<br />
Wohnung in einer anderen Stadt versteckt, wo die<br />
Leute uns nicht kannten.<br />
Endlich hatten wir alle notwendigen Papiere<br />
beisammen und alles war vorbereitet, auch das<br />
Flugzeug. Wir flogen nach Nordsomalia. Hier ist eine<br />
andere Regierung als in Südsomalia an der Macht.<br />
Wir haben dort ein Jahr lang gelebt. Das war<br />
für uns sehr schwer, denn wir mussten uns<br />
verstecken, unsere Namen ändern und immer<br />
vorsichtig sein. Mein Vater war damals von uns<br />
getrennt, denn falls die Regierung dort unsere<br />
Anwesenheit mitbekommen hätte, hätte sie uns<br />
an den Norden verraten. Sie wollten keinen Konflikt<br />
mit dem Norden und kein Risiko eingehen.<br />
Wir haben ein ganzes Jahr so gelebt. Während der<br />
ganzen Zeit hatten wir immer noch die Hoffnung,<br />
dass bald alles wieder gut werden würde.<br />
Doch dann wurde alles nur noch schlimmer. Der<br />
IS ist in dieser Zeit immer stärker geworden. Das<br />
Schlimmste ist, dass sie sagen, dass sie Moslems<br />
seien, uns aber trotzdem töten wollen. Dabei<br />
sind wir doch auch Moslems. Mein Vater hat sie<br />
deshalb immer sehr kritisiert. Sie haben natürlich<br />
versucht, meinen Vater aus dem Weg zu<br />
schaffen, einmal sogar mit einer Bombe unter<br />
seinem Bett. Allah sei Dank, dass die Bombe nicht<br />
gezündet hat! Nach diesem versuchten Anschlag<br />
hat man uns gesagt, dass dieser Konflikt sehr lange<br />
dauern würde und dass es in Somalia zu gefährlich<br />
für uns alle würde. Deswegen sind wir nach Ägypten<br />
geflohen. In Ägypten war zunächst alles gut. Schon<br />
am dritten Tag konnte ich in eine Schule gehen;<br />
ich habe damals die zweite Klasse besucht. Zwar<br />
konnte ich die Kinder in der Klasse nicht verstehen,<br />
aber es gab keinen, der nicht versucht hätte, mir<br />
irgendwie zu helfen, um die Sprache zu lernen. Alle<br />
in der Schule waren sehr nett. Ich war ein Kind wie<br />
alle anderen und alle anderen behandelten mich<br />
auch so. Keiner sagte, ich sei eine Ausländerin. Am<br />
Ende des Jahres konnte ich die Sprache genauso<br />
gut wie die anderen.<br />
Ich habe dort sechs Jahre gelebt. Dann sind wir<br />
nach Deutschland gegangen, weil in Ägypten die<br />
Demonstrationen gegen die Regierung anfingen.<br />
Mein Vater sagte, dass wir ein sicheres Land<br />
bräuchten, wo wir uns unser zukünftiges Leben<br />
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<strong>NO</strong> <strong>LIMITS</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong><br />
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