DEINMÜNCHEN_NO LIMITS!-Magazin_02
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AUS ERSTER HAND<br />
AUS ERSTER HAND<br />
Unser Problem ist<br />
der schlechte Ruf<br />
der Mittelschule<br />
„41 Nationalitäten, 84 Prozent Migrationshintergrund,<br />
Unterricht auf Deutsch – das alles<br />
kriegen wir sehr gut hin. Unser Problem ist<br />
der schlechte Ruf der Mittelschule.“<br />
Angelika Thuri-Weiß setzt sich als Rektorin der<br />
Mittelschule Simmernstraße in München-Schwabing<br />
seit neun Jahren für Chancengleichheit beim Start<br />
ins Berufsleben ein. Entgegen der öffentlichen<br />
Meinung finden ihre größten Kämpfe keineswegs<br />
auf dem Schulhof statt. Vielmehr muss sie sich vor<br />
allem gegen den hartnäckig schlechten Ruf der<br />
Mittelschule zur Wehr setzen. Dabei zieht sie alle<br />
Register, nutzt jede Chance für ihre Schüler und<br />
ist genau deshalb eine intensive Partnerschaft mit<br />
DEIN MÜNCHEN eingegangen.<br />
Wir haben Frau Thuri-Weiß in ihrer Schule besucht<br />
und uns mit ihr über Bildungsgerechtigkeit und<br />
unkonventionelle Wege unterhalten.<br />
Mit welchen Herausforderungen haben es<br />
Mittelschulen heutzutage zu tun?<br />
Es sind ganz andere, als die Öffentlichkeit meint.<br />
Das Zusammenspiel unserer multikulturellen Schüler<br />
ist für uns reibungsloser Alltag. Es ist vielmehr der<br />
hartnäckig schlechte Ruf der Mittelschule, gegen<br />
den wir mit großer Energie vorgehen. Es ist extrem<br />
schwer, dieses veraltete Bild in der öffentlichen<br />
Wahrnehmung zu ändern, vor allem, wenn das<br />
Schlagwort „Hauptschule“ fällt. Auch wenn ich im<br />
Rahmen meines Vortrags bei den Eltern-Infoveranstaltungen<br />
für den Übertritt nach der 4. Klasse<br />
jedes Mal auf positiv überraschte Eltern stoße, heißt<br />
es doch: „Mein Kind soll aufs Gymnasium gehen.“<br />
Doch das Bestmögliche fürs Kind ist nicht gleichzusetzen<br />
mit dem höchstmöglichen Schulabschluss.<br />
Eine weitere Herausforderung ist der Lehrermangel,<br />
denn Mittelschullehrer erhalten eine wesentlich<br />
unattraktivere Besoldung als Realschul- oder<br />
Gymnasiallehrer. Mit Fairness hat das nichts zu<br />
tun, zumal die Studienzeit die gleiche ist. Es ist<br />
nicht verwunderlich, dass sich Lehrer bei einer auch<br />
noch niedrigeren Arbeitszeit lieber für die besser<br />
bezahlte Stelle entscheiden. Zudem bedeutet der<br />
Lehrermangel, dass das Schulamt den Schulen<br />
lediglich die Pflichtstunden zuweisen kann und<br />
für zusätzliche Angebote, wie zum Beispiel ein<br />
Streitschlichterprojekt oder andere AGs, nicht viel<br />
übrig bleibt.<br />
Was spricht für Sie für die Mittelschule?<br />
Das Konzept der Mittelschule sieht zum Beispiel<br />
als einzige Schulart einen systematischen Sprachaufbau<br />
von zwei Jahren für Schüler, die ohne<br />
deutsche Sprachkenntnisse zu uns kommen.<br />
Bevor wir einen Schüler mit Migrationshintergrund<br />
in eine Regelklasse übertreten lassen,<br />
erhält er von uns zuallererst einen fundierten<br />
Sprachunterricht im Umfang von zehn Wochenstunden<br />
und hat die Möglichkeit, bis zu sechs<br />
Jahre lang die Bewertungskriterien für Deutsch<br />
als Zweitsprache zu nutzen. Sogar die Prüfung<br />
zum Qualifizierenden Mittelschulabschluss kann<br />
in Deutsch als Zweitsprache als gleichberechtigtes<br />
Prüfungsfach abgelegt werden. Weder Realschule<br />
noch Gymnasium bieten diese Möglichkeit. Das ist<br />
mit ein Grund, weswegen der Migrationsanteil an<br />
Mittelschulen höher ist als an anderen Schultypen.<br />
Das hat erst mal gar nichts damit zu tun, wie begabt<br />
ein Kind ist. Wir als Mittelschule sind verpflichtet,<br />
diese Schüler aufzunehmen, Gymnasien und<br />
Realschulen wählen ihre Schüler aus.<br />
Ein wichtiger Punkt ist auch das Klassenlehrersystem,<br />
d. h., dass fast alle Fächer von einer<br />
Lehrkraft erteilt werden und das über zwei bis<br />
drei Schuljahre. Durch das Entstehen einer engen<br />
Beziehung zwischen Lehrer und Schüler können<br />
viele Probleme leichter gelöst werden.<br />
Zudem spricht unser praxisorientierter Unterricht<br />
für die Mittelschule. Es geht darum, Schüler auch<br />
praktisch zu fördern. Nicht alle Fähigkeiten und<br />
Kenntnisse der Schüler sind über Schulwissen<br />
abrufbar. Wir geben unseren Jugendlichen praktisches<br />
Handwerkszeug mit auf den Weg und<br />
schulen sie ganz konkret in Sachen Sozialkompetenz<br />
– das macht nicht jede Schule. Zudem sind<br />
wir nicht so hoffnungslos überlaufen und können<br />
individueller und intensiver auf die Schüler eingehen.<br />
Abgesehen davon haben wir einfach nicht diesen<br />
nicht greifbaren merkwürdigen Druck, der sich<br />
heutzutage an den Gymnasien breitmacht. Wir<br />
versuchen, unsere Schüler mit Ruhe und Konstanz<br />
zu einem Schulabschluss zu führen, und das gelingt<br />
uns sehr gut. Im Schuljahr 2016/2017 haben alle<br />
erfolgreich abgeschlossen und es steht keiner ohne<br />
Schulabschluss auf der Straße.<br />
Sie haben viele Nationalitäten im Haus.<br />
Wie begegnen Sie den Anforderungen<br />
Ihrer Schülerinnen und Schüler über den<br />
Lehrplan hinaus?<br />
Wir haben ganz klar drei Schwerpunkte, die sich<br />
in einer Vielzahl von Projekten wiederfinden: Zum<br />
einen eine intensive Sprachförderung, denn eine<br />
gemeinsame Sprache, in unserem Fall Deutsch,<br />
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