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Im Bann des Magyaren<br />
Umjubelter Jazzknödel mit dem László Demeter Quartett<br />
(tamt) Abermals eine musikalische Jazzknödel-Delikatesse<br />
wurde jüngst im Imster Gasthof Hirschen mit dem mitreißenden<br />
László Demeter Quartett aufgetischt, das mit Eigenkompositionen<br />
des Namensgebers dem Publikum im wahrsten Sinne des<br />
Wortes die Sprache raubte.<br />
Kopf und Herz des Quartetts: László<br />
Demeter, lebend im Außerfern<br />
Am Anfang war das tierhafte<br />
Schnauben des Didgeridoos, dem<br />
eigenwilligen und fordernden Holzblasinstrument<br />
der australischen Ureinwohner.<br />
Meisterhaft beherrscht von<br />
Martin Seeliger, scheint der ausgehöhlte<br />
Eukalyptusstamm eine hypnotische<br />
Ur-Kraft, weckt Assoziationen, lässt<br />
denken an Lovecraft-Schlummermonster<br />
Cthulhu oder die hinduistische<br />
Götterschlange Anantashesha, die in<br />
den Tiefen des bengalischen Golfs das<br />
Ende der Zeit erwartet. Tatsächlich ist<br />
es aber die „Kyrie“, ein Gruß an die<br />
Toten, ein Gebet für jene, die vor uns<br />
kamen und unserer unvermeidlichen<br />
Heimkehr harren, erklärt László Demeter<br />
– und er muss es wissen, stammt<br />
das Stück doch ebenso wie alle anderen<br />
Genüsse des Abends aus seiner<br />
Feder. Der in Lechaschau lebende Maestro<br />
mit dem sympathischen Akzent<br />
aus Ungarn, dem Land der Magyaren,<br />
nimmt seinen Platz am Schlagzeug<br />
ein, ist Zeremonienmeister seiner eigenen<br />
Kompositionen, verewigt auf drei<br />
Silberscheiben, gewiss nur darauf wartend,<br />
zu Standards zu werden. Neben<br />
Der Herr und Gebieter der Aerophone:<br />
Martin Seeliger<br />
dem auf allerhand Blasinstrumenten<br />
versierten Seeliger begleiten Demeter<br />
der virtuos in Sphären schwebenden<br />
Pianist Clemens Ebenbichler und<br />
Bassist Reinhard Kröss, bekannt und<br />
geschätzt in vielerlei Formationen. Zusammen<br />
nehmen sie die Zuhörer an<br />
der Hand, tanzen mit „Time Space“<br />
am Ereignishorizont des Schwarzen<br />
Lochs inmitten der Milchstraße, gehalten<br />
nur von den Fäden einprägsamer,<br />
mitreißender Melodien. Dann geht es<br />
mit „Home“ zurück an das prasselnde<br />
Kaminfeuer des eigenen Zuhauses,<br />
nur um ein Stück später anhand von<br />
„Manhattan Walk“ in die Hektik an<br />
den Ufern des Hudson River einzutauchen,<br />
wo der Tod im endlosen Verkehr<br />
an jeder Kreuzung auf Ungestüme<br />
lauert und so doch zur Lebensfreude<br />
ermahnt. Die gemeinsame Reise ist<br />
geprägt von Respekt. Das Publikum<br />
hört aufmerksam zu, hüllt sich in<br />
Schweigen, lediglich durchbrochen<br />
vom Applaus für die Solisten. Das<br />
erfreute Quartett dankt wiederum mit<br />
musikalischen Höchstleistungen und<br />
sprühender Leidenschaft.<br />
Die Protagonisten des 71. Jazzknödels: Martin Seeliger, László Demeter, Reinhard<br />
Kröss und Clemens Ebenbichler<br />
RS-Fotos: Matt<br />
ABSCHIED. Doch jede Fahrt,<br />
jede noch so in Ewigkeit schwelgende<br />
Odyssee muss irgendwann<br />
ans Ziel führen, ebenso wie dieser<br />
bescheidene Bericht eines Ohrenzeugen,<br />
der sich den tatsächlichen<br />
Begebenheiten vielleicht annähern,<br />
aber niemals gerecht werden könnte.<br />
Am Ende steht wieder das Didgeridoo,<br />
zitternd erfüllt vom Odem des<br />
Lebens. Ein Lebewohl an das Publikum,<br />
das nun das Schiff verlassen<br />
und wieder in den Alltag zurückkehren<br />
muss, während Cthulhu sich in<br />
der verlorenen Stadt R’lyeh wieder<br />
seinen Träumen hingibt und Anantashesha<br />
zufrieden den Kopf in den<br />
Sand legt. Doch auch dieses Mal<br />
ist es ein Gruß, ein Gebet für jene,<br />
die nach uns kommen und die Fackel<br />
weiter tragen werden. Demeter<br />
und sein Quartett verbeugen sich im<br />
stürmischen Beifall, danken herzlich<br />
für die Aufmerksamkeit. Doch<br />
da, eine Zugabe: Noch ein letztes<br />
Mal spielt der Schöpfer seiner eben<br />
gehörten Werke mit jeder Faser seines<br />
Körpers, seine Mitstreiter folgen<br />
ihm mit demselben Enthusiasmus,<br />
bis sich schließlich der letzte Ton im<br />
Wintergarten des Gasthofs verliert.<br />
Ein Fest für Augen und Ohren, das<br />
auch den gastgebenden Hirschen-<br />
Wirt Hannes Staggl um ein Mikrofon<br />
bitten lässt – für Worte des<br />
Dankes, des Respekts und die Einladung,<br />
doch noch ein wenig bei Wein<br />
und gutem Essen zu verweilen.<br />
Auch hier ein unverzichtbares Element:<br />
Reinhard Kröss<br />
20./21. Februar 2019<br />
Begeisternd in Solo und Begleitung:<br />
Clemens Ebenbichler<br />
RUNDSCHAU Seite 39