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EPP 10.2017

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NEWS + HIGHLIGHTS<br />

INTERVIEW<br />

„Intelligenter arbeiten”<br />

Lean Ergonomics-Experte Ulrich Fröleke erklärt, was sich hinter<br />

dem Begriff Lean Ergonomics verbirgt und wie sich Produktions -<br />

prozesse damit auf intelligente und wirtschaftliche Art und Weise<br />

reorganisieren lassen.<br />

Herr Fröleke, Sie gelten in der Branche als ein<br />

ausgesprochener Experte für Lean Production und<br />

Ergonomie und befassen sich bei Treston Deutschland<br />

mit dem Thema. Warum sind diese beiden<br />

Begriffe, die ja u. a. über das Toyota Production<br />

System weltweit bereits in den 1980er Jahren<br />

bekannt wurden, heute immer noch topaktuell?<br />

Herstellungsprozesse haben sich während der letzten zwei Jahrzehnte<br />

massiv verändert und beschleunigt. D. h. der Druck auf Produktion,<br />

Mitarbeiter und Unternehmen wächst. „Just-in-time“ oder<br />

etwa „On-demand“ sind populäre Konzepte, die in vielen Branchen<br />

auf ganz unterschiedliche Art und Weise umgesetzt wurden. Die Begriffe<br />

sind gewissermaßen eine Fortsetzung des Lean-Gedankens.<br />

Sie implizieren theoretisch das Vorhandensein von schlanken Produktionsprozessen,<br />

aber sie implizieren nicht das Vorhandensein<br />

von ergonomischen Arbeitswelten. In vielen Fällen führt diese Beschleunigung<br />

zu einer Überlastung der menschlichen Arbeitskraft.<br />

Die Frage lautet also, wie kann ich das vermeiden?<br />

„In vielen Fällen führt<br />

diese Beschleunigung zu<br />

einer Überlastung der<br />

menschlichen Arbeitskraft.<br />

Die Frage lautet also, wie<br />

kann ich das vermeiden?“<br />

Lassen Sie mich raten … durch Lean Ergonomics?<br />

Richtig. Die Aufgabe ist, intelligenter zur arbeiten, Arbeit zu reorganisieren.<br />

Menschen müssen entlastet werden, damit sie ihre Arbeit<br />

so lange und so konstant wie möglich ausüben können. Dabei bedingen<br />

diese beiden Konzepte einander. Das hat schon das Toyota<br />

Production System gezeigt. Bis heute ist diese Verbindung zwischen<br />

Lean-Prinzipien und Ergonomie und den Möglichkeiten, die<br />

sich daraus ergeben, vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen,<br />

die halbautomatisierte Herstellungsprozesse fahren – in<br />

denen also Menschen arbeiten – nicht klar, obwohl sie vielleicht<br />

schon über schlanke Produktionsstrukturen verfügen und sogar ergonomisch<br />

Arbeitswelten entworfen haben, von denen das eine allerdings<br />

nicht zum anderen passt.<br />

Foto: Treston<br />

„Die Aufgabe ist, intelligenter zu arbeiten, Arbeit zu<br />

reorganisieren.“<br />

Es kommt also auf die Sichtweise an, wie Lean<br />

Production und Ergonomie sich einerseits konzeptionell<br />

ergänzen und wie das dann praktisch in<br />

der Produktion umgesetzt wird?<br />

Ja. Denn nur wer konzeptionell von dieser Verbindung überzeugt ist,<br />

wer bereit dazu ist, wird erkennen, dass eine Integration von Lean<br />

und Ergonomie zu Lean Ergononmics enorme Potentiale für Unternehmen<br />

bietet, die sich positiv auf die Produktivität, die Wettbewerbsfähigkeit<br />

und die Mitarbeiter auswirken.<br />

Wenn Sie von Überzeugung sprechen, meinen Sie<br />

den Unternehmer?<br />

Ja. Es liegt an ihm, zu erkennen und zu entscheiden. Und zwar aus<br />

einem ganz einfachen Grund: Komparative Wettbewerbsvorteile gelten<br />

nicht ein Leben lang, sie sind ständig vom Wandel bedroht. Wer<br />

einzig und allein ans Ergebnis denkt, der wird langfristig scheitern,<br />

es sei denn, er ist bereit, auf diesen Wandel aktiv zu reagieren ihn<br />

zu gestalten. Zum Beispiel durch Prozessorganisation und Prozessoptimierung<br />

mit Lean Ergonomics. Wir vertreten allerdings die Auffassung,<br />

dass die Geschäftsführung Lean Ergonomics nicht ohne<br />

den Mitarbeiter umsetzten sollte, denn er ist es schließlich, der unter<br />

diesen Bedingungen arbeiten muss. Auch wenn Ergonomie per<br />

se gut gemeint ist, kann dieser Schuss nach hinten losgehen, wenn<br />

der Mitarbeiter außen vor bleibt.<br />

Was ist jetzt neu an dieser nicht mehr so neuen<br />

Sichtweise?<br />

Mal ganz praktisch gesprochen: Es geht um die Organisation von<br />

Produktionsprozessen. Lean Ergonomics liegt der Ansatz zu Grunde,<br />

dass sich Ergonomie und Lean perfekt ergänzen. Aus gutem<br />

Grund: Weil Ergonomie den Menschen in seiner Arbeitswelt entlastet,<br />

kann dieser besser, entspannter und kontinuierlicher arbeiten.<br />

Erstrecht unter den Bedingungen einer schlanken Produktion, die<br />

natürlich darauf abzielt, Herstellungsprozesse zu optimieren und zu<br />

beschleunigen, Gewinne zu maximieren, Kosten zu minimieren,<br />

und die Produktivität konstant zu steigern. Dieses Ziel erreichen Unternehmen<br />

aber nur, wenn eine effiziente Allokation aller erforderlichen<br />

Ressourcen stattfindet und Verschwendung vermieden wird.<br />

Dazu zählen u. a. auch Fehlzeiten der Mitarbeiter, die überwiegend<br />

auf Grund von muskuloskelettalen Erkrankungen auftreten, wie verschiedene<br />

Jahresberichte von Arbeitsschutzorganisationen zeigen.<br />

Ein Grund: Produktionsprozesse sind zwar schlank, aber nicht ergonomisch<br />

organisiert. Mitarbeiter sind durch einseitige und sich stän-<br />

Foto: Treston<br />

10 <strong>EPP</strong> Oktober 2017

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