EPP 10.2017
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BAUGRUPPENFERTIGUNG<br />
Effektives Wärmemanagement für anspruchsvolle Gerätedesigns<br />
Flüssige Wärmeleitmaterialien<br />
für stressfreie Hochleistung<br />
Einfach ausgedrückt besteht die Aufgabe aller Wärmeleitmaterialien darin, eine möglichst wirksame Wärmeableitung<br />
zu gewährleisten, indem das Wärme-generierende Gerät mit einem Kühlkörper verbunden wird.<br />
Je effizienter dieses geschieht, desto positiver die Auswirkung auf die Lebensdauer des Bauteils bzw. der<br />
Leiterplatte. Die Oberflächenstrukturen der beiden Komponenten – Wärmequelle und Kühlkörper – haben<br />
jeweils eine bestimmte Rauheit, und das Ziel des Wärmeleitmaterials ist es, diese mikroskopischen Unebenheiten<br />
auf beiden Seiten auszufüllen. Je weniger Hohlräume oder Lufteinschlüsse vorhanden sind, desto<br />
geringer der Wärmewiderstand und desto besser die Wärmeableitung.<br />
Holger Schuh, Henkel Adhesive Electronics, Düsseldorf<br />
Foto: Henkel<br />
Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher<br />
Wärmeleitmaterialien mit verschiedenen Formaten, Wärmeleitfähigkeiten<br />
sowie Verformungs- und Fließeigenschaften. Wärmeleitmaterialien<br />
sind standardmäßig verfügbar als Pads, Folien,<br />
Klebstoff, GapFiller und herkömmliche Pasten und werden häufig<br />
zur Verbindung von zwei Teilen mit weitgehend ebenen Oberflächen<br />
verwendet, z. B. ein QFN-Bauteil mit einem Kühlkörper. Die Toleranzen<br />
zwischen beiden Oberflächen sind grundsätzlich zu berücksichtigen,<br />
und es ist ein geeignetes Material zum Ausgleich dieser Toleranzen<br />
auszuwählen. Bei einer Toleranz zwischen der Oberfläche einer<br />
bestückten Leiterplatte und einem Baugruppenträger oder Gehäuse<br />
von ±0,1 mm ist zum Beispiel ein dünnes Wärmeschnittstellen-Pad,<br />
wie ein Phasen-Change-Material, ideal. Bei relativ großer<br />
Toleranz, beispielsweise zwischen 0,1 mm und 3,0 mm, gibt es jedoch<br />
kein geeignetes Pad- oder Folienmaterial, das diesen Unterschied<br />
wirksam ausgleichen würde. Bei einer derart großen Abweichung<br />
kommt nur ein flüssiges Wärmeleitmaterial in Frage.<br />
Wärmeleitmaterialien sorgen für die Wärmeableitung vom Bauteil zum<br />
Kühlkörper. Ziel ist es, alle mikroskopisch feinen Unebenheiten auf beiden<br />
Seiten auszugleichen, um maximale Effizienz zu erreichen.<br />
Flüssige Wärmeleitmaterialien füllen Hohlräume<br />
aus und reduzieren die Spannung<br />
Angesichts immer kleiner werdender Geräte und immer komplexerer<br />
Designs ist eine wirksame Wärmeableitung immer schwieriger<br />
zu erreichen, besonders mit klassischen Pads, Folien oder Wärmeleitpasten.<br />
Wenn man sich die Designs von Teilen wie den Windungen<br />
in einem Hybridmotor, der Spulen in einem Trafo oder sogar<br />
LED-Gehäusen betrachtet, erschließen sich die Vorteile flüssiger<br />
Wärmeleitmaterialien sofort.<br />
Da diese Materialien in der Lage sind, in und um eng platzierte und<br />
unterschiedlich hohe Bauteile herumzufließen und hoch variable<br />
Spalten mit großen Toleranzen zu füllen, ist eine verbesserte Wärmeleitfähigkeit<br />
einer der Hauptvorteile flüssiger Wärmeleitmaterialien.<br />
Das flüssige Medium bietet somit eine einzigartige Formanpassungsfähigkeit<br />
und sorgt für eine deutlich bessere Benetzung, die<br />
zu einem niedrigeren Kontaktwiderstand und damit zu einer effizienteren<br />
Wärmeableitung führt. Der Vergleich eines Gap Pad mit einer<br />
Wärmeleitfähigkeit von 2 W/m-K und eines flüssigen GapFiller<br />
(Cure in Place) mit einer Wärmeleitfähigkeit von 1,8 W/m-K, zeigt,<br />
dass mit dem flüssigen Wärmeleitmaterial ein niedrigerer Wärmewiderstand<br />
erzielt wird: Mit 2,05°C/W liegt dieser ca. 30 % unter dem<br />
des Pads mit 3,03°C/W.<br />
Flüssige Wärmeleitmaterialien bieten jedoch nicht nur überlegene<br />
Wärmeableiteigenschaften, sondern senken auch die Gesamtbauteilbelastung<br />
im Vergleich zu einem Wärmeleit-Pad. Der typische<br />
wirksame E-Modul eines wärmeleitfähigen Pads liegt zwischen<br />
~10 4 und 10 6 Pa, mit einer Kompression zwischen 20 % und 30 %<br />
nach dem Aufbringen. Obwohl die Pads weich sind, belastet die erforderliche<br />
Kompression das Bauteil. Dagegen hat ein wärmeleitfähiger<br />
GapFiller ein durchschnittliches Elastizitätsmodul von ~10 2 Pa<br />
und kann bis zur Größe der Füllstoffe komprimiert werden, die in der<br />
Regel bei rund 0,05 – 0,10 mm liegt. Es wird deutlich weniger Kraft<br />
benötigt, um eine gleichmäßige Benetzung mit dem flüssigen Material<br />
zu erreichen, was die Bauteilbelastung bei der Montage drastisch<br />
senkt. Darüber hinaus schützen flüssige wärmeleitfähige Materialien<br />
auch vor Belastung durch Vibrationen, Stöße, Fallen und bei<br />
thermischer Ausdehnung der beiden kontaktierten Oberflächen. Die<br />
Materialien werden aufgetragen und fließen in alle Hohlräume. Sie<br />
härten dann vor Ort aus und bilden eine feste Pad-ähnliche Struktur<br />
zum Schutz vor mechanischer Belastung. Herkömmliche Wärmeleitpasten<br />
bieten zwar eine sehr geringe Montagebelastung, neigen<br />
aber im Laufe der Zeit zur Migration oder zum „Auspumpen“, was<br />
die dauerhafte effiziente Wärmeableitung beeinträchtigt und die mechanische<br />
Belastung erhöht.<br />
32 <strong>EPP</strong> Oktober 2017