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EPP 10.2017

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dig wiederholende Bewegungsabläufe überlastet und ermüden,<br />

weil sie nicht durch entsprechende Hilfen unterstützt werden. In der<br />

Summe führt das zu Produktionsausfällen. Solche Entwicklungen<br />

sind nicht unbekannt. Für jene Wertschöpfungsprozesse, die auf<br />

menschliche Arbeitskraft angewiesen sind, ist das natürlich fatal.<br />

Welche Gegenmaßnahmen können Unternehmen<br />

hier konkret ergreifen?<br />

Der Unternehmer sollte seinen Produktionsprozess genau analysieren,<br />

sowohl unter Lean-Gesichtspunkten als auch unter ergonomischen<br />

Gesichtspunkten. Denn eine Produktion kann zwar schlank<br />

sein, aber nicht unbedingt ergonomisch, wenn Mitarbeiter sich bei<br />

Ihrer Arbeit durch Bewegungsabläufe, die nicht ihrer Physiologie<br />

entsprechen, regelrecht kaputt arbeiten. Ein Grundsatz von Lean Ergonomics<br />

ist: work smarter, not harder. Es geht also darum zu prüfen,<br />

wie etwa der Produktionsprozess organisiert und aufgebaut ist,<br />

wie die erforderlichen Materialien oder Halbfertigerzeugnisse diesem<br />

Produktionsprozess zugeführt werden und welche Hilfsmittel<br />

den Mitarbeiter in diesem Prozess unterstützen. D. h. gleichzeitig<br />

finden sowohl der schlanke Prozess als auch die Arbeit auf einer ergonomischen<br />

Grundlage statt, wonach der Mitarbeiter den Arbeitsplatz<br />

im Idealfall an seine Bedürfnisse ergonomisch zu hundert Prozent<br />

anpassen kann. Wir haben auf der Basis von diesem Denkansatz<br />

zahlreiche Unternehmen aus der Elektroindustrie, der Logistik<br />

und der Verpackungsindustrie beraten und Lean Ergonomics-Projekte<br />

auf verschiedenste Arten in unterschiedlichen Arbeitsumgebungen<br />

erfolgreich umgesetzt.<br />

Können Sie da konkreter werden?<br />

In einem Projekt haben wir beispielsweise die Materialversorgung<br />

untersucht. Es kam heraus, dass das Material vom Monteur selbst<br />

mit einem Handwagen abgeholt werden muss. Die Produktion<br />

steht während dieses Arbeitsschrittes also still. Der Mitarbeiter lädt<br />

stattdessen das Arbeitsmaterial auf den Wagen und zieht diesen zurück<br />

zu seinem Arbeitsplatz. Wir haben diesen Prozess so reorganisiert,<br />

dass der Monteur jetzt mit dem Material bedarfsgerecht beliefert<br />

wird und keine weiten Wege mehr zurücklegen muss. Anstatt<br />

Mann-zu-Ware funktioniert der Ablauf jetzt nach dem Ware-zum-<br />

Mann-Prinzip. Das haben wir durch die analytische Trennung der Arbeitsschritte<br />

Materialversorgung und Materialverarbeitung erreicht.<br />

Wie sieht das dann in der praktischen Umsetzung<br />

aus?<br />

Wir haben die Arbeitsumgebung nach ergonomischen und schlanken<br />

Kriterien neu gestaltet. Ergonomisch konfigurierte Arbeitsstationen<br />

wurden in diesem Beispiel in einer I-Linie angeordnet. Sie<br />

verfügen z. B. über ein optimiertes, spiegel- und schattenfreies Beleuchtungskonzept<br />

und lassen sich elektrisch in der Höhe verstellen<br />

oder neigen, um nur zwei Möglichkeiten zu nennen. Dadurch lassen<br />

sie sich an verschiedenste physiologische Anforderungen anpassen.<br />

Das gewährleistet ein angenehmes Arbeiten. Der Monteur verarbeitet<br />

das Material an dieser Arbeitsstation nach dem First-in-first-out-<br />

Prinzip (Fifo) an den Werkstücken, welche eines nach dem anderen<br />

über eine Rollbahn an der Arbeitsstation ankommen. Um einen<br />

schlanken und reibungslosen Arbeitsprozess zu gewährleisten, gehen<br />

leere und gekennzeichnete Materialboxen ebenfalls über eine<br />

Rollbahn direkt an das Materiallager, wo sie automatisch eine Materialbestellung<br />

auslösen, die der dortige Mitarbeiter bearbeitet, die<br />

befüllten Boxen in einen Fifo-Wagen lädt und diesen zurück zur Arbeitsstation<br />

führt. Auf diese Art und Weise vermeiden wir einen Produktionsausfall<br />

infolge der Materialbeschaffung durch den Mitarbeiter<br />

selbst und sorgen für einen schlanken Materialfluss. Durch die<br />

analytische Trennung der Prozesse, also die eigentliche Prozessoptimierung,<br />

setzen wir aber auch eine spürbare Entlastung der Mitarbeiter<br />

um, die durch den ergonomisch ausgestatteten Arbeitsplatz<br />

noch verstärkt wird. Das führt zu einer erhöhten Mitarbeiterzufriedenheit,<br />

zu deutlich reduzierten Fehlzeiten und zu einem kontinuierlichen<br />

Output.<br />

„Auch wenn Ergonomie per se gut gemeint ist, kann dieser<br />

Schuss nach hinten losgehen, wenn der Mitarbeiter außen<br />

vor bleibt.“<br />

Können Sie das mit Zahlen belegen?<br />

Rein auf die Produktion bezogen, ließen sich die Produktionskosten<br />

im beschriebenen Fall um 17 % reduzieren, wenn Lean Ergonomics<br />

richtig geplant werden. Nicht eingerechnet sind da die Einsparungen<br />

auf Grund des optimierten Lagermanagements, welche sozusagen<br />

als Komplementäreffekt durch Lean Ergonomics in dem eben beschrieben<br />

Beispiel eintreten. Volkswirtschaftlich gesehen ist der<br />

Schaden durch Produktionsausfall in Folge von Fehlzeiten beträchtlich.<br />

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)<br />

spricht für das Jahr 2014 bundesweit von 90 Milliarden Euro, die an<br />

Bruttowertschöpfung verloren gehen, weil Beschäftigte u. a. an<br />

muskuloskelettalen und anderen Schäden erkranken und arbeitsunfähig<br />

sind. Die Ursache lässt sich im Großen und Ganzen auf nichtergonomische<br />

Arbeitsumgebungen zurückführen. Diese Zahlen verdeutlichen<br />

das Potential von Lean Ergonomics.<br />

Herr Fröleke, vielen Dank für das Gespräch.<br />

www.treston.de<br />

Foto: Treston<br />

<strong>EPP</strong> Oktober 2017 11

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