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14 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 56 · 7 ./8. März 2019<br />
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Berlin<br />
Punks untermKreuz: Die West-<strong>Berliner</strong> Band Element of Crime mit Sänger Sven Regener am Mikro bei ihrem Konzertinder Zionskirche am 17. Oktober 1987.<br />
ERIK WEISS<br />
Die Szene 32 Jahre später:Statisten stellen das Konzertfür den Film nach. MATHIAS BOTHOR<br />
Als Neonazis die Zionskirche stürmten<br />
Die DDR verharmloste den brutalen Überfall auf ein Punkkonzert 1987 als Rowdytum. Nun verfilmt das ZDF diese Geschichte in einem Dreiteiler zum Mauerfall-Jubiläum<br />
VonStefan Strauß<br />
Gott hat keinen Platz in der<br />
Kirche, nicht an diesem<br />
Abend vor zwei Tagen.<br />
Ein Pulk Punks steht um<br />
das große Kreuz herum, die Luft ist<br />
verqualmt, manche rauchen. Vor<br />
dem Altar spielt eine Band. Schlagzeug,<br />
Gitarren, Gesang. „No God<br />
Anymore“ heißt der Song der <strong>Berliner</strong><br />
Band Element of Crime vonihrer<br />
ersten Platte „Try To Be Mensch“ aus<br />
dem Jahr 1987. Es gibt keinen Gott<br />
mehr. Die Zuschauer tanzen und<br />
brüllen „Zugabe“. Ein Punkkonzert<br />
in der Kirche. Inder DDR war das<br />
keine Seltenheit.<br />
Die wilde Szenerie in der Zionskirche<br />
ist eine Wiederholung, inszeniertfür<br />
das ZDF.Die Punks sind Statisten<br />
und statt Element of Crime<br />
spielt die <strong>Berliner</strong> Band Isolation den<br />
Song von damals. Die Filmemacher<br />
haben die Zionskirche einen Abend<br />
lang gemietet, um darin einenVorfall<br />
nachzuspielen, der sich am 17. Oktober<br />
1987 in Ost-Berlin ereignete und<br />
bis heute für politische Debatten<br />
sorgt. Eine Gruppe Neonazis hatte<br />
gegen 22 Uhr ein Punkkonzert mit<br />
der Ost-<strong>Berliner</strong> Band DieFirma und<br />
der West-<strong>Berliner</strong> Band Element of<br />
Crime überfallen. In der Zionskirche<br />
waren etwa 2000 Besucher.Die Neonazis<br />
brüllten „Kommunistenschweine“,<br />
„Juden raus“ und „Heil<br />
Hitler“. Sie verprügelten Zuschauer,<br />
manche wurden verletzt. „Man kann<br />
sich nicht vorstellen, was passiert<br />
wäre, wenn es eine Panik gegeben<br />
hätte“, erinnert sich Sven Regener<br />
von Element of Crime. „Da hätte es<br />
viele Tote gegeben.“<br />
Obwohl vor der Kirche Polizisten<br />
und Mitarbeiter der Stasi unterwegs<br />
waren, griff niemand ein. Erst 20 Minuten<br />
nach dem Überfall erschienen<br />
sieben Streifenwagen. Die Polizisten<br />
verhafteten einige Neonazis und<br />
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brachten sie ins Gefängnis in der<br />
Keibelstraße.<br />
Die westdeutschen Medien berichteten<br />
ausführlich über den Vorfall,<br />
<strong>Zeitung</strong>en in der DDR nur wenig.<br />
Dort wurde der Überfall verharmlost<br />
dargestellt, von Neonazis<br />
sprach niemand, schon gar nicht<br />
voneiner rechtsextremen Szene.Die<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> schrieb im Dezember<br />
1987, wegen der schweren Ausschreitungen<br />
in der Zionskirche<br />
seien die Angeklagten zu Haftstrafen<br />
vonbis zu vier Jahren verurteilt worden.<br />
VonRowdys war die Rede, die<br />
„faschistisch-terroristische Parolen“<br />
gebrüllt hätten. An den Ausschreitungen<br />
seien auch „Skinhead-Rowdys<br />
aus Berlin (West)“ beteiligt gewesen.<br />
Wassonicht stimmte.Beteiligte<br />
Neonazis berichteten später,sie hätten<br />
sich das ausgedacht, um ihre<br />
Strafen zu mildern. Der Filmregisseur<br />
Konrad Weiß schrieb im März<br />
1989 in der Untergrundzeitschrift<br />
Kontext, der sozialistische deutsche<br />
Staat sei auf dem rechten Auge blind.<br />
Neonazis durfte es in der DDR, dem<br />
antifaschistischen Staat, offiziell<br />
nicht geben. Dabei hatten die Behörden<br />
etwa 15 000 Neonazis im Blick,<br />
darunter etwa 1000 gewaltbereite.<br />
die sich in Gruppen organisiert hatten.<br />
Sie nannten sich „SS-Division<br />
Wolgast“ oder „NS-Kradstaffel Friedrichshain“.<br />
Das ZDF rekonstruiert den Überfall<br />
jetzt in einem historischen Drei-<br />
teiler, den der Sender im Herbst,<br />
zum 30. Jahrestages des Mauerfalls,<br />
zeigen wird.<br />
Mit drei Folgen von jeweils 100<br />
Minuten sei es die größte Projekt des<br />
Jahres, verkündet das ZDF, doch<br />
über die Kosten der Produktion will<br />
der öffentlich-rechtliche Sender<br />
nichts sagen.„TheWall“ heißt der Arbeitstitel,<br />
der Sender will die Geschichte<br />
über die letzten Jahre der<br />
DDR wohl auch ins Ausland verkaufen.<br />
„Wir erzählen die Vorgeschichte<br />
zum Fall der Mauer, aus einer etwas<br />
anderen Perspektive“, sagt Produzentin<br />
Gabriela Sperl. Es gehe etwa<br />
um die Wirtschaft und die Zuspitzung<br />
innerhalb des Landes.Thematisiert<br />
wird unter anderem die Kommerzielle<br />
Koordinierung (KoKo), die<br />
Devisen für die DDR erwirtschaften<br />
sollte.<br />
DerSchweizer MichaelKrummenacher<br />
führtRegie und Schauspielerin<br />
Nadja Uhl, 1972 in Stralsund geboren,<br />
gehört zu den wenigen am<br />
Film Beteiligten, die in der DDR gelebt<br />
haben. Die 46-Jährige erzählt<br />
vordem Drehbeginn in der Zionskirche,<br />
sie habe als Teenie selbst Punkrockkonzerte<br />
besucht. Ihre Mutter<br />
habe sie mit dem Trabi zu Konzerten<br />
gefahren, zum Beispiel zur Band Die<br />
Skeptiker.<br />
Nadja Uhl sagt, sie habe großen<br />
Respektvor all jenen, die wegen ihrer<br />
politischen Überzeugung in der<br />
DDR inhaftiert wurden und es gewagt<br />
hatten, deswegen ihr Leben zu<br />
ruinieren. „Diesen Menschen<br />
möchte ich mit diesem Film ein<br />
Denkmal setzen“, sagt sie. Dann<br />
muss sie zum Dreh, in dem die Neonazis<br />
die Kirche stürmen.<br />
Stefan Strauß<br />
kennt den Text von„No God<br />
Anymore“ auswendig.<br />
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