0 2 6 W E L T & S T R A T E G I E DIE EU SPIELT MILITÄRISCH FÜR KEINE CHINA ROLLE! M I L I T Ä R A K T U E L L
SEIDENSTRASSE China-Experte FRANCO ALGIERI leitet das International Relations Department an der Webster Vienna Private University. Wir haben mit ihm die ökonomischen und politischen Hintergründe der Neuen Seidenstraße und das <strong>neu</strong>e militärische Selbstbewusstsein Chinas erörtert. Interview: JÜRGEN ZACHARIAS Fotos: LUKAS ILGNER H err Algieri, China präsentiert die Neue Seidenstraße, die sogenannte „Belt and Road Initiative“ (BRI), vor allem als ökonomisches Projekt. Ist es nicht viel mehr? Es hat den Anschein, als starrten einige Akteure in Europa gebannt auf dieses Projekt und erkennen darin vor allem ein enormes wirtschaftliches Potenzial. Dabei vergessen wir aber, dass die BRI primär ein aus chinesischer Interessenlage heraus entstandenes Projekt ist. Es ist Teil eines größeren Ansatzes, bei dem es darum geht, Chinas regionale und globale Rolle zu stärken, innere Stabilität zu gewährleisten und das zuletzt gedämpfte Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Die damit verbundenen, teils sehr hohen Erwartungshaltungen in vielen zentralasiatischen und europäischen Staaten werden sich daher meiner Meinung nach nicht erfüllen. Im Gegenteil: Mit dem Projekt kann für manche Staaten die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zunehmen, parallel dazu auch die politische. Aber die bereits getätigten und geplanten Millionen- und Milliardeninvestitionen in vielen Ländern lassen sich nicht wegdiskutieren. Natürlich nicht. Es gibt durchaus positive Effekte, wenn beispielsweise Infrastrukturprojekte vorangetrieben werden wie die Modernisierung der Bahnlinie von Budapest nach Belgrad zur Hochgeschwindigkeitsstrecke oder die Weiterentwicklung des Hafens in Piräus. Aber diese Effekte werden unter dem Strich sicher nicht das Ausmaß haben, das erwartet wird. In manchen Ländern Mittelund Osteuropas sowie am Westbalkan lösen sich die großen Hoffnungen auch bereits langsam in Luft auf. Der sich durch die Projekte erhoffte Boom bleibt aus und der ganz große China-Hype hat sich dort deutlich abgeschwächt. Waren die Erwartungen vieler Regierungen zu blauäugig? Ja, das würde ich schon sagen. Zu denken, dies sei ein Projekt, das vor allem gemacht wurde, damit auch andere Länder davon umfassend profitieren, war und ist jedenfalls ein Trugschluss. Die BRI ist ein wirtschaftliches und – um auf Ihre Eingangsfrage zurückzukommen – auch politisches Projekt, das mitentscheidend dafür sein wird, wie wir China künftig verorten werden. Warum sind trotzdem derart viele Regierungen froh über chinesische Investitionen und daran interessiert, Teil der Initiative zu werden? Waren sie und sind sie möglicherweise in den Nachwehen der Wirtschaftskrise offener dafür? Die BRI wurde zwar erst 2013 vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping öffentlich präsentiert, aber schon im Verlauf der Finanzkrise einiger europäischer Staaten richteten sich Erwartungen auf China. Manch ein Unternehmen war damals auf der Suche nach Investoren und es herrschte vielfach die Meinung, dass chinesische Investitionen helfen würden. In manchen Fällen haben die Investitionen auch durchaus Wirkung gezeigt, aber natürlich stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, Teile der Hochtechnologie-Industrie oder Infrastruktur- Anlagen wie den Hafen von Piräus aus der Not heraus einfach ausländischen Investoren zu überlassen. Dass solche Ambitionen mancherorts bestanden haben, ist erklärbar. Dass es tatsächlich dazu kam, verwundert mich aber schon. Man hat damit schließlich die Kontrolle über Schlüsselbereiche teilweise aus der Hand gegeben. Hat diesbezüglich mittlerweile ein Umdenkprozess eingesetzt? Viele Regierungen sind heute hellhörig, weil sie mit der Zeit erkannt haben, dass mit diesen Investitionen das Know-how von Schlüsseltechnologien abwandern kann. Mittel- bis langfristig wird China damit diese Technologien auch selbst entwickeln, entsprechende Produkte herstellen und sogar verbessern können. Damit wird die Rolle Chinas als internatio- M I L I T Ä R A K T U E L L