Militaer_Aktuell_1_2019_neu_n_n
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
WELTGESCHEHEN<br />
<strong>Aktuell</strong>e Konflikte,<br />
Krisen und<br />
Analysen — S. 8<br />
TRUPPENBESUCH<br />
Militär <strong>Aktuell</strong> in der<br />
Auslandseinsatzbasis<br />
in Götzendorf — S. 36<br />
militär<br />
MILITÄRAKADEMIE<br />
Generalmajor Pronhagl<br />
und Brigadier Wörgötter<br />
im Interview — S. 46<br />
DAS NEUE<br />
ÖSTERREICHISCHE<br />
MILITÄRMAGAZIN<br />
AUSGABE 1|19<br />
EURO 3,80<br />
AKTUELL<br />
RUSSLAND-EXPERTE GERHARD MANGOTT:<br />
„Die Beziehungen zwischen Russland,<br />
den USA und der EU stecken in<br />
einer Sackgasse!“ — S. 66<br />
Mit dem größten<br />
Entwicklungsprogramm<br />
seit dem Marshallplan will<br />
China seine Handelswege nach<br />
Afrika und Europa ausbauen,<br />
seinen Machtbereich erweitern<br />
– und nicht zuletzt militärisch zur<br />
globalen Supermacht aufsteigen.<br />
KOMPAKT & TOPAKTUELL:<br />
PROJEKT NEUE SEIDENSTRASSE<br />
Chinas Weg<br />
an die Spitze
STUDIERE<br />
UNGEWÖHNLICH.<br />
WIR SCHÜTZEN ÖSTERREICH.<br />
STUDIUM ZUM OFFIZIER.<br />
THERESIANISCHE MILITÄRAKADEMIE.<br />
karriere.bundesheer.at<br />
bundesheer.karriere
E D I T O R I A L<br />
0 0 3<br />
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />
COV E R FOTO : 1 2 3 R F FOTO S : G U N T H E R P U S C H / H B F, B E I G E ST E L LT<br />
D<br />
er Aufstieg ist beispiellos: In nur vier Jahrzehnten<br />
hat sich China von einem riesigen<br />
Armenhaus zur zweitgrößten Volkswirtschaft<br />
der Welt entwickelt. Und der Aufstieg<br />
ist noch lange nicht zu Ende: Um das<br />
Jahr 2030 soll Chinas Wirtschaft sogar<br />
diejenige der USA überholen, und auch geopolitisch sowie<br />
militärisch meldet China immer deutlicher seine Ansprüche<br />
als Supermacht an. Augenscheinlich wird das in Chinas<br />
groß angelegtem Seidenstraßen-Projekt, der sogenannten<br />
„Belt and Road Initiative“. Mehr als eine Billion Euro sollen<br />
in den kommenden Jahren unter chinesischer Führung in<br />
unzählige Infrastrukturprojekte in knapp 100 Ländern investiert<br />
werden und das südostasiatische Land besser mit<br />
dem Rest der Welt verbinden. Damit einher geht auch eine<br />
Ausweitung des kulturellen, politischen und potenziell militärischen<br />
Einflusses des Reichs der Mitte – Grund genug,<br />
um das Thema in den Mittelpunkt unseres 16-seitigen Dossiers<br />
zu stellen. Der einleitenden Analyse von Seidenstraßen-<br />
Experte Sebastian Holler (ab Seite 16) folgen Gastkommentare,<br />
ein Vergleich der chinesischen und US-amerikanischen<br />
Streitkräfte, ein geografischer Überblick der wichtigsten<br />
Stoßrichtungen des Projekts sowie ein aufschlussreiches<br />
Militär <strong>Aktuell</strong>-Gespräch (ab Seite 26) mit Franco Algieri –<br />
in dem der Leiter des International Relations Department<br />
an der Webster Vienna Private University eine potenzielle<br />
Konfrontation des aufstrebenden China mit der Supermacht<br />
Vorschau auf die Juni-Ausgabe<br />
Ende Februar nahm das Jagdkommando wie<br />
schon in den Jahren 2016, 2017 und 2018 an<br />
der multinationalen Übung „Flintlock“ in Burkina<br />
Faso teil. Die österreichischen Soldaten trainierten<br />
dabei mit zwei Zügen burkinesischer<br />
Soldaten unter anderem das Organisieren von<br />
Patrouillen, das Annähern an Rebellenstellungen<br />
und die richtige Einsatzplanung. Wir<br />
konnten einige der Übungen vor Ort begleiten<br />
und werden darüber in aller Ausführlichkeit<br />
in unserer Juni-Ausgabe berichten.<br />
USA analysiert: „Die Wirtschaftssysteme der beiden Länder<br />
sind derart verwoben, dass sich wohl keine Seite eine militärische<br />
Auseinandersetzung leisten kann. Die Frage ist auch:<br />
Wer will tatsächlich einen Krieg? Und wer kann dadurch<br />
gewinnen? Da sehe ich keinen Gewinner, und das scheint<br />
auch allen beteiligten Akteuren klar zu sein.“<br />
Was Sie in dieser Ausgabe außerdem erwartet? Georg Mader<br />
berichtet über seinen Besuch am Luftwaffenstützpunkt<br />
Ämari in Estland und das NATO Air Policing im Baltikum<br />
(ab Seite 14). Der Luftwaffen-Experte liefert außerdem eine<br />
Übersicht der potenziellen Nachfolgekandidaten für die<br />
Saab-105Ö-Flotte des Bundesheeres (ab Seite 56) und schildert<br />
ab Seite 54 seine Eindrücke von der gerade zu Ende<br />
gegangenen IDEX <strong>2019</strong>, der größten Rüstungsmesse des<br />
Nahen und Mittleren Ostens. Stefan Tesch hat mit Militärakademie-Kommandant<br />
Generalmajor Karl Pronhagl und<br />
dem <strong>neu</strong>en Leiter des Instituts 1 der Akademie, Brigadier<br />
Jürgen Wörgötter, über Gegenwart und Zukunft der<br />
Offiziersausbildung in Österreich gesprochen (ab Seite 46),<br />
Johannes Luxner und Conny Derdak haben für ihre Reportagen<br />
die Auslandseinsatzbasis in Götzendorf (ab Seite 36)<br />
und das Impfzentrum des Heeres in Wien (ab Seite 42)<br />
besucht. Abschließend analysiert Russland-Experte Gerhard<br />
Mangott (Seite 66) das schwierige Verhältnis zwischen<br />
Russland, der EU und den USA. Sein Fazit: Die Beziehung<br />
steckt in einer Sackgasse! Droht nun die große Scheidung?<br />
Seidenstraßen-Expedition<br />
„Europe goes Silk Road“ ist eine Initiative junger<br />
europäischer Wissenschaftler, die ab Juni eine<br />
Forschungsexpedition über 33.000 Kilometer<br />
entlang der Neuen Seidenstraße unternehmen,<br />
um deren Entwicklung vor Ort zu dokumentieren,<br />
zu analysieren und um sie interdisziplinär zu<br />
untersuchen. Sebastian Holler ist Co-Founder<br />
der Initiative und gibt ab Seite 16 eine aktuelle<br />
Analyse zur Neuen Seidenstraße. Infos zum<br />
Projekt auf www.europegoessilkroad.eu<br />
imprESSum<br />
medieninhaber und Herausgeber:<br />
QMM Quality Multi Media GmbH,<br />
Mariahilfer Straße 88a/II/2a, A-1070 Wien,<br />
FN 349501 y, UID:ATU65891526,<br />
Chefredaktion: Jürgen Zacharias,<br />
j.zacharias@qmm.at<br />
key Account management:<br />
Thomas Jusko, t.jusko@qmm.at, René<br />
Niehoff, r.niehoff@qualitymultimedia.ch<br />
Artdirektion: Gottfried Halmschlager<br />
textchef: Jakob Hübner<br />
Fotoredaktion: Nati Senegacnik<br />
lektorat: Gunther Natter<br />
redaktion, Beirat und textbeiträge:<br />
Conny Derdak, Brigadier Walter Feichtinger,<br />
Kurt Hofmann, Sebastian Holler, Predrag<br />
Jureković, Johannes Luxner, Georg<br />
Mader, Gerhard Mangott, Stefan Tesch<br />
Hersteller: PrintandSmile<br />
redaktionskontakt:<br />
Brigitte Janko, b.janko@qmm.at,<br />
Tel. 01/342 242-0, Mariahilfer Straße<br />
88a/II/2a, A-1070 Wien, Österreich<br />
Geschäftsführung: Andreas Dressler,<br />
a.dressler@qmm.at<br />
www.qmm.at<br />
m i l i t ä r A k t u E l l
0 0 4 I N H A L T<br />
INHALT<br />
042<br />
Wenn es vor dem Auslandseinsatz<br />
piekst: Der medizinische Schutz für<br />
den mitteleuropäischen Raum wird bei<br />
Bedarf um weitere Impfungen ergänzt.<br />
036<br />
Dichtes<br />
010<br />
Polarisierung, nationalistische Tendenzen und autoritäre<br />
Machtverhältnisse: Der Westbalkan kommt nicht zur Ruhe.<br />
Ausbildungsprogramm: Auf der Auslandseinsatzbasis<br />
in Götzendorf werden auch die Monitore<br />
der OSZE-Mission in der Ukraine ausgebildet.<br />
003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />
006 MOMENTUM<br />
Irakische Spezialeinsatzkräfte<br />
sondieren das Gelände nach<br />
einem Bombenanschlag.<br />
008 WELTGESCHEHEN<br />
<strong>Aktuell</strong>e Kurzmeldungen<br />
aus aller Welt.<br />
010 KONFLIKTREGION<br />
Die regionale Stabilität am<br />
Westbalkan ist nicht nur durch<br />
die angespannten Beziehungen<br />
zwischen Serbien und dem<br />
Kosovo in Gefahr.<br />
014 NATO AIR POLICING<br />
Deutsche Eurofighter patrouillieren<br />
über dem Baltikum.<br />
016 DOSSIER: SEIDENSTRASSE<br />
Das Billionenprojekt soll einen<br />
boomenden Wirtschaftsraum<br />
schaffen und Chinas Rolle als<br />
globale Supermacht festigen.<br />
032 NEUES AUS DEM HEER<br />
<strong>Aktuell</strong>e Kurzmeldungen aus<br />
dem Bundesheer.<br />
036 LOKALAUGENSCHEIN<br />
Zu Besuch auf der Auslandseinsatzbasis<br />
in Götzendorf.<br />
042 FIT FÜR DEN EINSATZ?<br />
Dr. Margot Puschl und ihr Team<br />
testen im Wiener Heeresspital<br />
jährlich rund 3.600 Soldaten auf<br />
ihre Auslandseinsatztauglichkeit.<br />
044 EIN TAG MIT …<br />
… Sanitäts-Unteroffizier Marianne<br />
Fanninger.<br />
046 DOPPEL-INTERVIEW<br />
Im Gespräch mit Militärakademie-<br />
Kommandant Generalmajor<br />
Karl Pronhagl und dem Leiter der<br />
Offiziersausbildung Brigadier<br />
Jürgen Wörgötter.<br />
050 ERASMUS FÜR KADETTEN<br />
Offiziersanwärter aus acht<br />
Ländern absolvieren einen Teil<br />
ihrer Ausbildung an der Militärakademie<br />
in Wiener Neustadt.<br />
052 AM FÜHRUNGSSIMULATOR<br />
In der Theresianischen Militärakademie<br />
werden am Computer<br />
Führungsaufgaben trainiert .<br />
FOTO S : S E B AST I A N F R E I L E R , G E T T Y I M AG E S , G E O R G M A D E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N D I E S E M H E F T<br />
054 rÜsTunGsneWs<br />
Neuheiten aus der Welt der<br />
Rüstungs- und Sicherheitstechnik.<br />
056 nachFoLGe-KandidaTen<br />
Hawk, L-39NG, M-346 und Co:<br />
Die aussichtsreichsten Anwärter<br />
auf die Saab-105Ö-Nachfolge.<br />
060 Made in iTaLY<br />
Der italienische Mischkonzern<br />
Leonardo könnte dem Bundesheer<br />
<strong>neu</strong>e Hubschrauber und<br />
<strong>neu</strong>e Trainingsjets liefern.<br />
062 inTervieW<br />
Eurofighter Marketing-Chef<br />
Raffael Klaschka im Gespräch<br />
mit Militär <strong>Aktuell</strong>.<br />
064 Made in ausTria<br />
Rheinmetall liefert Tausende<br />
Lkw aus Wien Liesing an<br />
Streitkräfte weltweit.<br />
066 schLusspunKT<br />
Russland-Experte Gerhard<br />
Mangott analysiert die Spannungen<br />
zwischen Ost und West.<br />
014<br />
heikle Mission: die deutsche<br />
Luftwaffe sichert im rahmen der<br />
„verstärkung air policing Baltikum“<br />
(vapB) den Luftraum über den naTo-<br />
Mitgliedsländern des Baltikums.<br />
<strong>neu</strong><br />
dossier<br />
chinas<br />
Griff nach Macht: Wie<br />
peking mit einer alten idee eine<br />
<strong>neu</strong>e Weltordnung schaffen will.<br />
ANZEIGE<br />
Truppen-einsaTzhandschuh von esKa<br />
Schutz, Feingefühl und Treffsicherheit nimmt die Handschuhmacherei<br />
ESKA beim Truppen-Einsatzhandschuh „5015“<br />
penibel genau ins Visier. Der Schießfinger mit Bewegungsfalte<br />
und der Aramid Pulsschutz sorgen im Sinne eines<br />
perfekten Waffengebrauchs für ein sicheres Gefühl am<br />
Abzug. Auch die verstärkten Finger- und Daumenkappen<br />
sowie der Memory Schlagschutz im Hand- und Fingerknöchelbereich<br />
haben etwa die deutsche Bundeswehr<br />
überzeugt, die diesen Handschuh bereits im Einsatz hat.<br />
Der Stretchgurt im Handgelenksbereich und der praktische Gürtelschlaufentunnel ermöglichen besten Halt. Mehr zu<br />
Militärhandschuhen mit österreichischer Handschuhmacherqualität findet man auf www.eska.at
0 0 6 P A N O R A M A<br />
Schlacht um Mossul<br />
FOTO S : I VO R P R I C K E T T/ T H E N E W YO R K T I M E S / WO R L D P R E SS P H OTO<br />
Jährlich werden die besten Pressefotografien<br />
mit den World Press Photo<br />
Awards ausgezeichnet und anschließend<br />
in einer Wanderausstellung in<br />
mehr als 80 Städten weltweit gezeigt.<br />
Teil der aktuellen Ausstellung<br />
ist auch diese Aufnahme des irischen<br />
Fotografen Ivor Prickett, die während<br />
der Schlacht um Mossul Anfang<br />
des Jahres 2017 entstanden ist. Zu<br />
sehen sind irakische Spezialeinsatzkräfte<br />
nach einem Selbstmordattentat<br />
des Islamischen Staates mit einer<br />
Autobombe im Bezirk Al Andalus in<br />
der Nähe von Ost-Mossul. Prickett<br />
gewann mit seiner in der New York<br />
Times erschienenen Bilderserie (die<br />
Aufnahme ist Teil davon) den ersten<br />
Preis in der Kategorie „General News<br />
Stories“. Außerdem wurden zwei<br />
Fotos aus dieser Geschichte in der<br />
Kategorie „Picture of the Year“ nominiert.<br />
Informationen zu Ausstellungen<br />
auf www.worldpressphoto.org<br />
M I l I T ä r A K T u e l l
M O M E N T U M<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 0 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />
AFGHANISTAN:<br />
IMMER MEHR<br />
ZIVILE OPFER<br />
„Die konzertierten Cyberattacken aus Russland,<br />
aus China, dem Iran und von anderen auf zivile<br />
und militärische Infrastrukturen in den USA<br />
haben längst auch strategische Auswirkungen.“<br />
Paul Nakasone, NSA-Direktor und<br />
US-Cybercom-Kommandant im Generalstab<br />
Man kann NSA-Direktor Paul Nakasone vieles vorwerfen – eines aber bestimmt nicht: Dass<br />
er nicht regelmäßig vor den Gefahren von Cyberattacken auf die USA gewarnt habe und mehr<br />
Personal und Mittel forderte, um diesen zu begegnen. Nun ist das natürlich nicht ganz uneigennützig,<br />
ist Paul Nakasone doch auch Kommandant des US Cybercom im Generalstab und kommt<br />
mehr Geld für die Cyberabwehr damit direkt einem von ihm verwalteten Budget zugute. Allerdings<br />
scheinen höhere finanzielle Anstrengungen auch dringend notwendig, zeichnete Nakasone jüngst doch bei<br />
einer Senatsanhörung ein düsteres Bild von den US-Cyberbemühungen. Die einstige Dominanz in diesem Bereich habe man längst<br />
verloren, gegen die permanenten Angriffe aus anderen Ländern auf Infrastrukturen in den USA könne man sich nur sehr beschränkt<br />
wehren. Dazu komme, dass die Zahl potenzieller Cyberrivalen bald weiter steigen dürfte: Neben Russland, China, dem Iran und<br />
Nordkorea bauen laut Nakasone auch Bangladesch und Vietnam potente Cybertruppen auf, die den USA Probleme bereiten könnten.<br />
FOTO S : G E T T Y I M AG E S , P I C T U R E D E S K , B E I G E ST E L LT<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
W E LT G E S C H E H E N<br />
Die Zahl der bei Auseinandersetzungen<br />
in Afghanistan getöteten Zivilisten hat<br />
im vergangenen Jahr den höchsten<br />
Stand seit Beginn der Aufzeichnungen<br />
im Jahr 2009 erreicht. Laut einem kürzlich<br />
veröffentlichten Bericht der UN-<br />
Mission in Afghanistan (Unama) und<br />
des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte<br />
wurden 3.804 Zivilisten<br />
getötet (um elf Prozent mehr als 2017)<br />
und weitere 7.189 verletzt (um zwei<br />
Prozent mehr als 2017). Da die UN<br />
für jeden registrierten Fall mindestens<br />
drei unabhängige Quellen benötigt,<br />
dürften die tatsächlichen Zahlen vermutlich<br />
deutlich höher liegen. Hauptursachen<br />
für den Anstieg sind den Vereinten<br />
Nationen zufolge mehr Selbstmordanschläge<br />
und größer angelegte<br />
Angriffe vor allem durch die Terrormiliz<br />
Islamischer Staat. 42 Prozent der<br />
zivilen Opfer wurden laut der Statistik<br />
durch Bomben getötet, 1.361 Menschen<br />
kamen durch Selbstmordattentäter<br />
und Sprengsätze ums Leben.<br />
VERTEIDIGUNGSETATS STEIGEN WEITER<br />
Vereinigte<br />
Staaten<br />
China<br />
Saudi Arabien<br />
Russland<br />
Indien<br />
Großbritannien<br />
Frankreich<br />
Japan<br />
Deutschland<br />
Südkorea<br />
Brasilien<br />
Australien<br />
Italien<br />
Israel<br />
147,7<br />
72,9<br />
55,5<br />
50,9<br />
49,3<br />
47,0<br />
41,6<br />
41,9<br />
34,5<br />
24,6<br />
23,4<br />
21,9<br />
19,0<br />
564,8<br />
Die globalen Rüstungsausgaben<br />
sind im vergangenen Jahr um zwei<br />
Prozent auf 1,47 Billionen Euro<br />
angewachsen. Zu diesem Ergebnis<br />
kommt das Londoner Institut für<br />
Strategische Studien (IISS) in seinem<br />
Jahresbericht „The Military Balance“.<br />
Hauptverantwortlich für den<br />
Anstieg sind demnach die wachsenden<br />
Etats westlicher Länder und<br />
Chinas, das größte Rüstungsbudget<br />
stellen einmal mehr die USA. Mit<br />
564,8 Milliarden Euro war Washington<br />
für mehr als ein Drittel aller<br />
Aufwendungen verantwortlich.<br />
Erstaunlich ist der nominale Anstieg<br />
von 2017 auf 2018, der annähernd<br />
dem gesamten Verteidigungshaushalt<br />
Deutschlands (40,1 Milliarden<br />
Euro) entsprach. Über das größte<br />
Rüstungsbudget nach den Vereinigten<br />
Staaten verfügt China (siehe<br />
Grafik der Staaten mit den höchsten<br />
Wehretats) mit 147,7 Milliarden Euro.<br />
Damit gab die Volksrepublik 2018<br />
um sechs Prozent mehr für seine<br />
Streitkräfte aus als noch 2017.<br />
Irak<br />
17,2<br />
AUSGABEN-KAISER Die 15 Länder mit den<br />
höchsten Militärausgaben im vergangenen<br />
Jahr, Angaben in Milliarden Euro.<br />
DER IRAN HAT ES AUF<br />
US-DROHNEN ABGESEHEN<br />
Nachdem es einer iranischen Spezialeinheit zur<br />
elektronischen Kriegsführung laut Angaben<br />
Teherans bereits im Dezember 2011 gelang, eine<br />
US-Drohne zu übernehmen und zur Landung<br />
zu zwingen, will der Iran nun Ähnliches er<strong>neu</strong>t<br />
geschafft haben. General Amir Ali Hajizadeh von<br />
den Revolutionsgarden gab vor wenigen Tagen<br />
zu Protokoll, dass Teheran die Informationen<br />
und das Bildmaterial von sieben bis acht Drohnen<br />
auslesen konnte. Zum Beweis wurden einige der<br />
von den Drohnen aufgenommen Videos veröffentlicht.<br />
Darauf ist auch zu sehen, wie eines der<br />
unbemannten Flugobjekte durch eine Funktionsstörung<br />
in der Wüste abstürzt (siehe Bild). Die<br />
Drohne wurde daraufhin von US-Jets zerstört.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />
WEST<br />
BALKAN<br />
Die schleppende Annäherung an Europa, wachsende nationalistische<br />
Bewegungen und anhaltende Streitigkeiten zwischen Serbien und dem<br />
Kosovo gefährden die regionale Stabilität am Westbalkan.<br />
Eine Analyse von Predrag Jureković.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I F K - A N A LY S E<br />
FOTO : P I C T U R E D E S K<br />
N<br />
ach fast 20 Jahren,<br />
die seit dem Ende<br />
der „Jugoslawien-<br />
Zerfallskriege“ vergangen<br />
sind, bleibt<br />
der Westbalkan<br />
weiter anfällig für Nationalismus. Die<br />
regionalen Beziehungen sind sogar<br />
schlechter, als es vor zehn Jahren der<br />
Fall war. Damals gab es in diesem Teil<br />
Südosteuropas noch Vertrauen in die<br />
Konsolidierungspolitik der Europäischen<br />
Union (EU), die die EU-Mitgliedschaft<br />
für die Westbalkanländer<br />
als „Belohnung“ für rechtsstaatliche<br />
und demokratische Reformen und die<br />
Kooperation mit den Nachbarländern<br />
in Aussicht stellte. Die sogenannte Beitrittsperspektive<br />
ist zwar weiterhin aufrecht<br />
und wurde durch ein Strategiepapier<br />
der EU vom Februar 2018 formal<br />
sogar bestärkt, der Enthusiasmus ist<br />
aber auf beiden Seiten verflogen. Angesichts<br />
der Schwierigkeiten der Briten,<br />
den Brexit zu implementieren, und des<br />
Erstarkens nationalistischer und populistischer<br />
Bewegungen in der EU sind<br />
Schlüsselstaaten wie Frankreich eher<br />
abgeneigt, eine rasche Erweiterung der<br />
Union zu unterstützen.<br />
Das abnehmende Interesse wichtiger<br />
EU-Staaten an den Herausforderungen<br />
am Westbalkan begünstigt die Verhärtung<br />
nationalistischer Positionen sowie<br />
die Ausbildung autoritärer und klientelistischer<br />
Machtverhältnisse in der<br />
Region. So ist beispielsweise in<br />
Serbien, das wie Montenegro<br />
Beitrittsverhandlungen<br />
mit der EU führt, aktuell<br />
eine gefährliche Polarisierung<br />
der Beziehungen<br />
zwischen dem Präsidenten<br />
Aleksandar Vučić und der politischen<br />
Opposition im Gange. Letztere<br />
beschuldigt Vučić, zunehmend autoritär<br />
zu agieren und Serbien in seinen<br />
Feudalstaat umzuwandeln. Der serbische<br />
Präsident wiederum verweigert<br />
jeglichen Dialog mit der Opposition.<br />
Ein Wegschauen der EU bei diesen<br />
undemokratischen Entwicklungen begünstigt<br />
die Vergrößerung des Einflusses<br />
anderer internationaler Akteure, die<br />
sich, wie Russland und die Türkei, um<br />
die Sympathien der christlich-orthodoxen<br />
sowie muslimischen Bevölkerung<br />
der Balkanländer bemühen. Zusätzlich<br />
ist ein Interesse Chinas an der Einbindung<br />
Südosteuropas in seine europäischen<br />
Transport- und Infrastrukturprojekte<br />
(siehe auch Dossier ab Seite<br />
16) klar erkennbar.<br />
Das stärkste potenzielle Risiko für die<br />
regionale Stabilität geht am Westbalkan<br />
aber nach wie vor von den angespannten<br />
Beziehungen zwischen Belgrad und<br />
Priština aus. Der politische Dialog unter<br />
EU-Vermittlung befindet sich seit<br />
2016 in einer Dauerkrise. Aus Belgrad<br />
kommen seit 2017 – ungeachtet der<br />
Präsenz der Friedenstruppe KFOR –<br />
auch militärische Drohungen für den<br />
Fall, dass die kosovarische Regierung<br />
Gewalt gegen die Serben im Nord-Kosovo<br />
anwenden sollte. Besonders kritisiert<br />
wird aus Belgrad die Entscheidung<br />
des kosovarischen Parlaments, die mit<br />
Zivilschutzaufgaben betraute Kosovo<br />
Security Force in eine Armee zu transformieren.<br />
Im Gegenzug hat die kosovarische<br />
Regierung Ende 2018 hohe<br />
Strafzölle auf Waren aus Serbien verhängt.<br />
Diese sind eine Antwort der Kosovo-Albaner<br />
auf die Politik Belgrads,<br />
die Aufnahme des Kosovo in internationale<br />
Organisationen zu verhindern<br />
und UNO-Mitgliedsländer zur Rücknahme<br />
der Anerkennung der staatlichen<br />
Unabhängigkeit des Kosovo zu<br />
bewegen.<br />
Trotz des fehlenden Vertrauens<br />
zwischen den beiden Nachbarn und<br />
dem militärischen Säbelrasseln hoffen<br />
EU-Repräsentanten auf einen baldigen<br />
Durchbruch bei der „Normalisierung“<br />
der Beziehungen zwischen Belgrad und<br />
Priština. Diese Hoffnung basiert auf<br />
bisher noch vagen Andeutungen von<br />
Vučić und dem kosovarischen Präsidenten<br />
Hashim Thaci, wonach der<br />
bilaterale Konflikt durch eine Teilung<br />
des Kosovo und Gebietsabtretungen<br />
in Südserbien „gelöst“ werden könnte.<br />
Insbesondere im noch nicht konsolidierten<br />
Staat Bosnien und Herzegowina<br />
(BuH) wächst die Sorge, dass durch<br />
die größere Akzeptanz für ethnische<br />
Teilungsoptionen in Europa serbische<br />
Abspaltungstendenzen im multiethnischen<br />
BuH befeuert werden könnten.<br />
Selbst bei der optimistischen Regierung<br />
von Nordmazedonien, die durch die<br />
Umsetzung des Prespa-Abkommens<br />
vom 17. Juni 2018 im Februar dieses<br />
Jahres einen jahrzehntelangen diplomatischen<br />
Konflikt mit dem Nachbarn<br />
Griechenland erfolgreich beenden<br />
konnte und deren NATO- und EU-<br />
Beitrittsverhandlungen dadurch deblockiert<br />
wurden, bestehen Befürchtungen<br />
vor Kollateralschäden aus der aktuellen<br />
Kosovoentwicklung.<br />
Nordmazedonien hat es nach ethnischen<br />
Auseinandersetzungen im Jahr<br />
2001 erfolgreich geschafft, durch die<br />
Einbindung der Albaner (25 Prozent)<br />
in die staatlichen Institutionen, die<br />
Ausweitung ihrer Sprachenrechte und<br />
der lokalen Selbstverwaltung wieder<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 2 w e l t & s t r a t e G I e<br />
STAATSCHEF POLARISIERT Der serbische<br />
Präsident Aleksandar Vučić hat innenpolitisch<br />
mit der Opposition gebrochen.<br />
Außenpolitisch gibt er sich im Konflikt mit<br />
dem Kosovo und dessen geplanter Aufstellung<br />
eigener Streitkräfte bestimmt.<br />
ein kooperatives Verhältnis zur albanischen<br />
Volksgruppe aufzubauen. Die<br />
Propagierung ethnischer Teilungsvarianten<br />
in Bezug auf den Kosovo könnte<br />
dieses erfolgreiche Modell in Mazedonien<br />
gefährden. Auch im Falle des<br />
Kosovo bestünde mit dem im April<br />
2013 von serbischen und kosovarischen<br />
Regierungsvertretern in Brüssel unterzeichneten<br />
Abkommen grundsätzlich<br />
die Möglichkeit, das bilaterale Verhält-<br />
nis langsam zu normalisieren, ohne die<br />
Stabilität der Nachbarländer zu beeinträchtigen.<br />
Dieses bisher großteils nicht<br />
umgesetzte Abkommen sieht einerseits<br />
die Integration der Kosovo-Serben in<br />
die Kosovo-Institutionen und andererseits<br />
die Gründung eines serbischen<br />
Gemeindeverbandes innerhalb des<br />
Kosovo vor.<br />
Im Lichte der weiterhin angespannten<br />
regionalen Situation stellt die Präsenz<br />
der Friedenstruppen EUFOR ALTHEA<br />
in BuH (derzeit rund 670 Soldaten) und<br />
der KFOR im Kosovo (derzeit rund<br />
3.500 Soldaten) einen wichtigen Stabilitätsfaktor<br />
dar. Das Bundesheer leistet<br />
mit seiner Beteiligung an den beiden<br />
Operationen (EUFOR rund 290 und<br />
KFOR rund 430 Soldaten) einen substanziellen<br />
Beitrag dazu und stellt mit<br />
Generalmajor Martin Dorfer seit Ende<br />
März 2018 auch den Kommandanten<br />
der gesamten EUFOR-Mission.<br />
Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Institut für Friedenssicherung<br />
und Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie<br />
mit Forschungsschwerpunkt<br />
Südosteuropa.<br />
Licht und Schatten über dem Westbalkan<br />
BRIGADIER WALTER<br />
FEICHTINGER ist seit<br />
2002 Leiter des Instituts<br />
für Friedenssicherung und<br />
Konfliktmanagement (IFK)<br />
an der Landesverteidigungsakademie.<br />
endlich wieder ein lichtblick auf dem<br />
westbalkan. die längst überfällige einigung<br />
von Griechenland und Nordmazedonien<br />
im leidigen Namensstreit ist ein<br />
ermutigendes signal. es zeigt, dass nachhaltige<br />
lösungen möglich sind, wenn die<br />
beteiligten Parteien ernsthaft, konstruktiv<br />
und mit der erforderlichen ausdauer an<br />
ein Problem herangehen. Für Nordmazedonien<br />
ist damit der weg frei für die aufnahme<br />
in die Nato und eine beschleunigte<br />
Heranführung an die europäische<br />
Union.<br />
Ähnliches würde man sich auch an anderen<br />
orten wünschen. so kommt der dialog<br />
zwischen serbien und dem Kosovo<br />
nicht voran, sogar vor militärischen drohungen<br />
scheut man nicht zurück. Nationalistisches<br />
Gedankengut, das schon<br />
den Nährboden für die blutigen Kriege<br />
in den 1990er-jahren bot, scheint wieder<br />
salonfähig zu werden. auch Ideen<br />
hinsichtlich eines Gebietsaustausches<br />
zwischen serben und Kosovaren mögen<br />
verlockend klingen, doch bergen sie<br />
enormes Konfliktpotenzial und würden<br />
sicher nicht auf den Kosovo begrenzt<br />
bleiben. abgesehen davon wäre es<br />
eine Kehrtwendung auf dem bisherigen<br />
weg, der sich an friedlicher Koexistenz,<br />
regionaler Kooperation und Versöhnung<br />
orientierte.<br />
das sollten sich nicht nur die akteure vor<br />
ort, sondern auch die eU in erinnerung<br />
rufen. selbst wenn derzeit einerseits<br />
Brüssel an attraktivität eingebüßt und<br />
andererseits dessen erweiterungsbereitschaft<br />
gelitten hat – die europäische<br />
Union bietet unverändert die beste Perspektive<br />
und damit auch den stabilitätsanker<br />
für die region. das sollte aber<br />
nicht dazu führen, die ansprüche an<br />
Beitrittskandidaten zu reduzieren oder<br />
unkritisch zu agieren. denn der transformationsprozess<br />
ist noch nicht abgeschlossen,<br />
ein selbsttragender Friede<br />
keinesfalls garantiert! es bleibt daher zu<br />
hoffen, dass dem aktuellen lichtblick<br />
Nordmazedonien eine generelle<br />
erleuchtung folgen wird.<br />
Foto s : G e t t y I m aG e s , N a d j a m e I st e r<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Training Für Die Zukunft<br />
Aermacchi M-346: eine außerordentlich kosteneffiziente, technologisch<br />
fortgeschrittene Plattform für integrierte Trainingssysteme der nächsten Generation,<br />
Homeland Security und Air Policing. In den Luftwaffen Italiens, der Republik Singapur<br />
und Israels im Einsatz und in Produktion für die Luftwaffe Polens.<br />
Leonardo ist weltweit führend im Design, der Produktion und dem Support<br />
militärischer Flugzeuge. In den letzten 50 Jahren haben 2.000 Leonardo-Flugzeuge<br />
über 20.000 militärische und zivile Piloten in über 40 Ländern auf allen fünf<br />
Kontinenten trainiert.<br />
Inspiriert von der Vision, dem Forschungsdrang und dem Genie des großen Erfinders -<br />
Leonardo entwickelt die Technologie von morgen.<br />
leonardocompany.com<br />
Helicopters | Aeronautics | Electronics, Defence & Security Systems | Space
0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />
LUFTPOLIZEI<br />
IM BALTIKUM<br />
Im September des vergangenen Jahres übernahm die deutsche Luftwaffe<br />
wieder einen Teil des „Verstärkten Luftpolizeieinsatzes im Baltikum“.<br />
Militär <strong>Aktuell</strong>-Autor Georg Mader hat am Luftwaffenstützpunkt<br />
Ämari einen Blick hinter die Kulissen des Einsatzes geworfen.<br />
B<br />
ekommen die Piloten<br />
dann und wann russische<br />
Maschinen zu<br />
sehen?“ Der estnische<br />
Kommandant<br />
der Luftwaffenbasis<br />
Ämari, Oberstleutnant Ülar Löhmus,<br />
lächelt. „Regelmäßig“, sagt er beim Besuch<br />
von Militär <strong>Aktuell</strong>. „Wir haben<br />
hier seit dem Jahr 2014 zwei bis drei<br />
durch russische Maschinen ausgelöste<br />
LUFTAUFNAHME<br />
Die hier begleitete Iljuschin-20<br />
(NATO: Coot-A) ist eine<br />
militärische Kleinserie des alten<br />
Verkehrsflugzeuges Il-18,<br />
mit vielen Antennen und<br />
Sensoren zur Aufklärung<br />
gegnerischer Funk- und<br />
Radarsignale (SIGINT).<br />
Alarmstarts – pro Woche.“ Schon 2004<br />
übernahmen mit dem NATO-Beitritt<br />
von Estland, Lettland und Litauen<br />
Bündnis-Staaten vom litauischen Stützpunkt<br />
Zokniai aus die Überwachung<br />
und Sicherung des baltischen Luftraums.<br />
Bis 2013 verliefen die Einsätze<br />
aber weitgehend unspektakulär, damals<br />
zählten die rotierenden NATO-Kontingente<br />
von Jänner bis Dezember gerade<br />
einmal 46 „Alphas“ (echte Alarmierungen).<br />
Der Ukraine-Konflikt und der<br />
rauer gewordene Ton zwischen Ost<br />
und West ließ dann 2014 die Zahl<br />
sprunghaft auf 138 Alarmstarts steigen.<br />
Im Jahr darauf waren es dann sogar<br />
153, 2016 lag die Zahl bei 100 und 2017<br />
bei 130. Im vergangenen Jahr ging es in<br />
ähnlicher Tonart weiter: Von Jänner bis<br />
August 2018 zählten die Alliierten 85<br />
„Alphas“. Anschließend übernahm die<br />
deutsche Luftwaffe mit Eurofighter der<br />
Jagdgeschwader 74 und 71 einen Teil<br />
des „Verstärkten Luftpolizeieinsatzes<br />
im Baltikum“. Bis zum Besuch von<br />
Militär <strong>Aktuell</strong> Mitte November<br />
kamen weitere 28 „Alphas“ hinzu.<br />
Warum Estland, Lettland und Litauen<br />
ihren Luftraum nicht selbst schützen?<br />
Weil es ihnen dafür schlichtweg an<br />
Kapazitäten und Möglichkeiten fehlt.<br />
Nach dem Prinzip der kollektiven Verteidigung<br />
übernehmen die Aufgabe in<br />
so einem Fall andere NATO-Mitglieder,<br />
die betroffenen Länder müssen<br />
sich allerdings an den Kosten der<br />
alliierten Einsätze beteiligen und<br />
ihre Luftraumüberwachungs- sowie<br />
Flugverkehrsmanagementsysteme<br />
zeitgemäß adaptieren. Die Missionen<br />
werden im Rahmen des integrierten<br />
Luft- und Raketenabwehrsystems<br />
der NATO geführt, kontrolliert vom<br />
Combined Air Operations Center<br />
(CAOC) im deutschen Uedem. Die<br />
Alarmierungszeit liegt normalerweise<br />
bei 15 Minuten.<br />
FOTO S : M A D E R , LU F T WA F F E<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
N A T O A I R P O L I C I N G<br />
BEWAFFNUNG<br />
Die deutschen Eurofighter<br />
in Ämari tragen aus<br />
Gründen der symmetrischen<br />
Lastverteilung immer<br />
eine AIM-120 AMRAAM<br />
jeweils vorne konformal<br />
am Rumpf und entgegengesetzt<br />
hinten.<br />
Zu sehen bekommen die alliierten Jets<br />
in der Luft laut Auskunft von Luftwaffenpiloten<br />
von schwer veralteten Tu-<br />
134 bis hin zu brand<strong>neu</strong>en Typen wie<br />
der Su-35 praktisch das gesamte Arsenal<br />
der Vozdushno-Kosmicheskiye Sily<br />
(russische Luftstreitkräfte, kurz VKS).<br />
Diese begehen kleinere oder größere<br />
Luftraumverletzungen, fliegen „Abkürzungen“<br />
über das Hoheitsgebiet der<br />
drei baltischen Staaten oder identifizieren<br />
sich nicht ordnungsgemäß, was<br />
Zivilflugzeuge in Bedrängnis bringen<br />
könnte. Warum die Crews ihre Transponder<br />
absichtlich abschalten, ist unklar,<br />
auf den Primärradars der Militärs<br />
tauchen die Maschinen schließlich ohderen<br />
Flugzeugen unterwegs, als sie<br />
plötzlich in Richtung Westen ausscherte<br />
und ihr IRBIS-Feuerleitradar<br />
auf die NATO-Jets aufschaltete –<br />
mehrfach. Die deutschen Piloten hatten<br />
dadurch die seltene Gelegenheit<br />
wellenelektronische „Fingerabdrücke“<br />
der Su-35S zu nehmen, die sie anschließend<br />
in die Bedrohungsbibliothek<br />
eingespeichert haben. Von Interesse<br />
ist für die alliierten Militärs aber<br />
beispielsweise auch, inwiefern sich<br />
russische Maschinen mit der Zeit<br />
verändern. Ob etwa andere Antennen<br />
unter dem Rumpf verbaut werden<br />
oder andere <strong>neu</strong>e Details und<br />
Anbauten erkennbar sind.<br />
Verstärkter<br />
Luftpolizeieinsatz<br />
im Baltikum<br />
Als Reaktion auf den rasanten Anstieg<br />
der Alarmierungen und des<br />
international geächteten Vorgehens<br />
Russlands auf der Krim und in der<br />
Ostukraine verabschiedete die NATO<br />
2014 einen <strong>neu</strong>en Bereitschaftsplan<br />
(Ready-Action-Plan, kurz RAP). Um<br />
rascher und entschiedener auf sicherheitspolitische<br />
Herausforderungen<br />
an seinen Grenzen reagieren zu<br />
können, erhöhte das Bündnis die<br />
militärische Präsenz in den baltischen<br />
Staaten und in Polen – die Luftraumüberwachung<br />
wurde intensiviert.<br />
Mit Ämari in Estland nahm die NATO<br />
infolgedessen einen zweiten Luftwaffenstützpunkt<br />
in der Region in<br />
Betrieb. Von Ämari und Zokinai aus<br />
werden seitdem je vier Kampfflugzeuge<br />
eingesetzt, von denen zwei<br />
auf QRA-Bereitschaft (QRA steht<br />
für Quick Reaction Alert) sind.<br />
nehin auf. In manchen Fällen dürfte es<br />
russischen Piloten mit ihrem Verhalten<br />
aber wohl darum gehen, mit AIM-120<br />
(BVR) und IRIS-T (WVR) bewaffnete<br />
Eurofighter anzulocken, um sie aus der<br />
Nähe fotografieren zu können.<br />
Aber auch die NATO-Piloten nutzen<br />
die Einsätze, um Informationen über<br />
potenzielle Gegner zu sammeln. Konkret<br />
gelang dies beispielsweise am 14.<br />
September des Vorjahres bei einer Begegnung<br />
deutscher Jets mit einer Su-<br />
35S über dem finnischen Meerbusen.<br />
An dem Tag war die <strong>neu</strong>este Version<br />
der Flanker-Serie gemeinsam mit an-<br />
Das im September 2018 nach Ämari<br />
verlegte deutsche Kontingent umfasst<br />
übrigens rund 160 Männer und Frauen.<br />
Sie brachten 140 Tonnen Ausrüstung<br />
und Material mit und halten fünf<br />
Eurofighter-Einsitzer aus der Tranche-<br />
3A klar. Keine Auskünfte gab es auf<br />
Fragen nach einem weiteren Teil der<br />
deutschen Luftwaffenmission in Estland.<br />
Laut einem Online-Medienbericht<br />
ist im Land aktuell – wie auch<br />
bereits in den Vorjahren – ein sogenannter<br />
Luftwaffenerfassungstrupp im<br />
Einsatz. Die Sensoren und Antennen<br />
des Bataillons für elektronische<br />
Kampfführung 912 aus Nienburg<br />
sollen aber nicht in Ämari, sondern<br />
deutlich näher an der russischen<br />
Grenze aufgebaut sein. Und die Aufklärungstechnik<br />
soll nun von <strong>neu</strong>erer<br />
Bauart und Generation sein, um im<br />
Zuge des NATO Air Policings im Baltikum<br />
der eingesetzten Luftwaffe unmittelbar<br />
vor Ort ein umfassenderes<br />
und aussagekräftigeres Lagebild zur<br />
Verfügung zu stellen. Das bislang im<br />
Rahmen dieser Einsatzaufgaben eingesetzte<br />
Aufklärungssystem wäre in<br />
einigen Bereichen angeblich an seine<br />
„technologischen Grenzen“ gestoßen.<br />
Offiziellen Kommentar gibt es dazu<br />
aber wie gesagt keinen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />
FOTO : 1 2 3 R F<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
EXTRA<br />
16 SEITEN<br />
D O S S I E R<br />
DAS MILITÄR AKTUELL<br />
SCHWERPUNKT-<br />
THEMA<br />
China will mehr als eine Billion Euro in die Handelsrouten der<br />
Neuen Seidenstraße investieren, dadurch seine Wirtschaft<br />
stärken und eine <strong>neu</strong>e Ära der Globalisierung einläuten.<br />
Aber welche geopolitischen Zusammenhänge birgt dieses<br />
größte Infrastrukturprojekt der Menschheitsgeschichte?<br />
Antworten von Sebastian Holler.<br />
rönland. Die B52-Langstreckenbomberstaffeln<br />
der USamerikanischen<br />
Thule Air<br />
Base machten die größte<br />
Insel der Welt, die aufgrund<br />
ihrer Lage zwischen Nordamerika und<br />
Russland von großer strategischer Bedeutung<br />
ist, zum Sinnbild des Kalten<br />
Krieges. Heute blicken die riesigen Radaranlagen<br />
des NORAD-Frühwarnsystems<br />
über den Nordpol hinweg Richtung<br />
Eurasien und bilden das Rückgrat<br />
des US-Raketenabwehrschirms. Innenpolitisch<br />
mittlerweile von Dänemark<br />
autonom, versucht die grönländische<br />
Regierung nun die Flughafeninfrastruktur<br />
der Insel auszubauen, um ökonomisch<br />
prosperieren zu können. Als ein<br />
großes chinesisches Bauunternehmen<br />
dafür in die engere Auswahl kam,<br />
intervenierte Kopenhagen. Ein Sturm<br />
scheint am Horizont entlang der auftauenden<br />
Nordostpassage aufzuziehen.<br />
Knapp 10.000 Kilometer weit entfernt,<br />
am anderen Ende der Welt, rückt <strong>2019</strong><br />
eine andere Insel ins Zentrum der medialen<br />
Aufmerksamkeit: Taiwan. Der<br />
chinesische Präsident Xi Jinping sprach<br />
in seiner Neujahrsansprache von der<br />
Wiedervereinigung mit Festlandchina<br />
als einem zentralen Faktor, um den<br />
„Chinesischen Traum“ zu ermöglichen.<br />
Diese 2012 von Xi in Anlehnung an den<br />
„American Dream“ erstmals verkündete<br />
Vision soll zur „Wiederbelebung der<br />
chinesischen Nation“ sowie einer<br />
M I l I t Ä r A k t u E l l
0 1 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />
Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand<br />
und damit zur Vollendung des<br />
größten Armutsbekämpfungsprogramms<br />
der Menschheitsgeschichte<br />
führen.<br />
Die Atemschutzmasken tief ins Gesicht<br />
gedrückt, reiten chinesische Touristen<br />
auf Kamelen über den Dünen der Oasenstadt<br />
Dunhuang, dem Tor zur Taklamakan-Wüste,<br />
in den Sonnenuntergang.<br />
Zur gleichen Zeit drängen sich<br />
vollbeladene Lastwägen und Güterzüge<br />
durch den nahen Gansu-Korridor<br />
Richtung Westen. Dieser geopolitische<br />
Flaschenhals, der zwischen der Wüste<br />
Gobi und dem tibetischen Hochland<br />
den bevölkerungsreichen wohlhabenden<br />
Osten mit dem dünn besiedelten<br />
armen Westen Chinas verbindet,<br />
ist schon seit der Han-Dynastie die<br />
Hauptschlagader der Seidenstraße.<br />
Das sich in der Antike etablierende<br />
eurasische Handelsnetzwerk, dem der<br />
deutsche Geograf und Forschungsreisende<br />
Ferdinand von Richthofen 1877<br />
den legendären Namen verlieh, erlebte<br />
Zeiten unterschiedlicher Intensitäten<br />
und prosperierte insbesondere im Mittelalter<br />
unter den Mongolen. Durch die<br />
ökonomische Eingliederung Amerikas<br />
in die Weltwirtschaft durch Christoph<br />
Kolumbus und die Erschließung des<br />
Seewegs nach Indien und China verlor<br />
das kontinentale Handelsnetzwerk allerdings<br />
seine Bedeutung, obwohl der<br />
Handel nie vollkommen abriss und die<br />
Routen sich bis heute hielten, wie etwa<br />
der Karakorum Highway, der China<br />
und Pakistan quer über das Dach der<br />
Welt verbindet. Dieser Engpass ist<br />
mittlerweile eine entscheidende Komponente<br />
des China-Pakistan Economic<br />
Corridor (CPEC), ein Schlüsselprojekt<br />
der chinesischen Belt and Road Initiative,<br />
weithin bekannt als Neue Seidenstraße.<br />
Der Begriff ist jedoch nicht <strong>neu</strong>. Schon<br />
mehrfach wurde dieser historische<br />
Rückgriff angestrengt, um transeurasische<br />
Transportwege zu bezeichnen.<br />
So wurde ab 1990 die gerade etablierte<br />
Eisenbahnroute der <strong>neu</strong>en eurasischen<br />
Kontinentalbrücke zwischen der ostchinesischen<br />
Hafenstadt Lianyungang<br />
und dem niederländischen Rotterdam<br />
gemeinsam mit der Transsibirischen<br />
Eisenbahn als Neue Seidenstraße bezeichnet.<br />
Als die Europäische Union<br />
1993 den Bau des Transport Corridor<br />
Europe-Caucasus-Asia (TRACECA)<br />
initiierte, ein eurasischer Verkehrskorridor,<br />
der Russland über die Türkei und<br />
den Südkaukasus umgeht, wurde ebenfalls<br />
von der „Wiederherstellung der<br />
historischen Großen Seidenstraße“<br />
gesprochen. Knapp zehn Jahre später<br />
beschlossen Russland, der Iran und Indien<br />
die Errichtung des International<br />
North-South Transport Corridor<br />
(INSTC), der Mumbai mit Moskau<br />
verbinden soll. 2011 versuchten<br />
schließlich die USA mit der New Silk<br />
Road Initiative Zentralasien stärker in<br />
den Weltmarkt einzubinden. Die Pivot<br />
to Asia-Strategie und die forcierten<br />
Verhandlungen zum Freihandelsabkommen<br />
Trans-Pacific Partnership<br />
(TPP), das China ausschloss, brachten<br />
Peking nun unter Zugzwang. Zudem<br />
hatte man aus der globalen Finanzkrise<br />
2009 gelernt, dass man die Abhängigkeit<br />
vom Westen verringern muss, um<br />
die eigene Stabilität zu gewährleisten.<br />
Ende 2013 wurde von Xi Jinping<br />
schließlich One Belt, One Road aus der<br />
Taufe gehoben. Aufgrund allgemeiner<br />
Unklarheiten, wo sich dieser „eine“<br />
Gürtel und diese „eine“ Straße nun befinden<br />
sollten, wurde das Vorhaben bereits<br />
drei Jahre später in Belt and Road<br />
Initiative umbenannt. Diese Entwicklungsstrategie<br />
umfasst sechs Landkorridore,<br />
den sogenannten Silk Road<br />
Economic Belt, und einen Seeweg, die<br />
Maritime Silk Road. Durch Investitionen<br />
in Infrastruktur wie Schienen,<br />
Häfen und Pipelines sollen die Wirtschaftsräume<br />
Asiens, Europas und<br />
Afrikas enger verschränkt werden und<br />
damit über 60 Prozent der Weltbevölkerung<br />
und 35 Prozent der Weltwirtschaft.<br />
China hat dafür Investitionen in<br />
Höhe von mehr als einer Billionen Euro<br />
in Aussicht gestellt, um dadurch die<br />
wirtschaftliche Entwicklung in interes-<br />
HANDELSZENTRUM CHINA<br />
Die Neue Seidenstraße soll das zuletzt gebremste<br />
Wirtschaftswachstum Chinas wieder ankurbeln.<br />
FOTO S : 1 2 3 R F<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
sierten Ländern zu fördern, während<br />
es gleichzeitig seine eigenen<br />
Überkapazitäten an Stahl und<br />
Beton abbaut. Obwohl historisch<br />
unter völlig anderen Umständen<br />
entstanden, wird die Belt and<br />
Road Initiative oft mit dem<br />
Marshallplan nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg verglichen. Doch<br />
schon allein das versprochene<br />
Investitionsvolumen lässt einen<br />
Vergleich hinken, ist die chinesische<br />
Initiative doch knapp zehnmal<br />
so umfangreich wie das USamerikanische<br />
Wiederaufbauprogramm.<br />
Trotz dieses großen Ausmaßes<br />
der Belt and Road Initiative<br />
ist das generelle Infrastrukturinvestitionspotenzial<br />
in Asien jedoch<br />
noch 25-mal größer. Zudem<br />
hat China bislang nur einen kleinen<br />
Teil der Summe in den mehr<br />
als 65 teilnehmenden Staaten<br />
investiert und dies vorwiegend<br />
in Leuchtturmprojekte wie den<br />
griechischen Hafen von Piräus,<br />
den Trockenhafen Khorgas an<br />
der kasachisch-chinesischen<br />
Grenze sowie den Tiefseehafen<br />
im pakistanischen Gwadar.<br />
Nicht einmal 200 Kilometer<br />
westlich von Letzterem befindet<br />
sich mit dem iranischen Hafen<br />
Tschahbahar das indisch-russische<br />
Konkurrenzprojekt des<br />
INSTC. Im Juni 2017 traten<br />
sowohl Pakistan als auch Indien<br />
der Shanghaier Organisation für<br />
Zusammenarbeit bei, der weltweit<br />
größten Regionalorganisation,<br />
der auch China, Russland und<br />
mit Ausnahme Turkmenistans<br />
auch die zentralasiatischen Staaten<br />
angehören und deren Ziel die<br />
sicherheits- und wirtschaftspolitische<br />
Kooperation in Asien ist.<br />
Zur gleichen Zeit zeigte sich die<br />
dennoch bestehende geopolitische<br />
Rivalität zwischen Indien<br />
und China am Shiliguri-Korridor.<br />
Dieser teils nur 27 Kilometer<br />
breite Engpass verbindet Nordostindien<br />
mit dem großen Rest<br />
des Landes. Als China am nahen<br />
und mit Bhutan umstrittenen<br />
Doklam-Plateau mit Straßenbautätigkeiten<br />
Richtung indischer<br />
SEIDENSTRASSE<br />
Grenze begann, kam es zu einer<br />
kleinen unblutigen militärischen<br />
Konfrontation. Gleichzeitig fühlt<br />
sich Indien durch die chinesischen<br />
Hafenbauprojekte der<br />
Maritime Silk Road im Indischen<br />
Ozean, der sogenannten Perlenkettenstrategie,<br />
strategisch eingekreist.<br />
Besonders der chinesisch<br />
finanzierte Hafen von Hambantota<br />
im Süden Sri Lankas, der<br />
2017 aufgrund von Schuldenproblemen<br />
für 99 Jahre an ein<br />
chinesisches Staatsunternehmen<br />
fiel, bereitet Neu-Delhi Sorgen.<br />
Am westlichen Ausläufer der<br />
Perlenkette etablierte China in<br />
Dschibuti, das bei vielen Staaten<br />
als Standort für Militärbasen zur<br />
Kontrolle der Meerenge des Babel-Mandeb<br />
sehr beliebt ist, seine<br />
erste Marinebasis im Ausland.<br />
Insbesondere die Absicherung<br />
seiner Interessen in Afrika stellt<br />
Chinas Doktrin der Nichteinmischung<br />
in die inneren Angelegenheiten<br />
anderer Staaten, welche<br />
aus den eigenen traumatischen<br />
Erfahrungen als Spielball des<br />
europäischen Imperialismus<br />
herrührt, auf den Prüfstand. Im<br />
östlichen Bereich der Perlenkette<br />
wiederum ist Chinas Wirtschaft<br />
von der uneingeschränkten Passage<br />
durch die Straße von Malakka<br />
und das Südchinesische Meer<br />
abhängig. Letzteres versucht Peking<br />
daher verstärkt seiner Kontrolle<br />
zu unterziehen: einerseits<br />
durch historische Legitimationsversuche<br />
mit Bezug auf die Seeexpeditionen<br />
des spätmittelalterlichen<br />
chinesischen Admirals<br />
Zheng He; andererseits militärisch<br />
durch die Errichtung von<br />
Stützpunkten auf den umstrittenen<br />
Spratly-Inseln sowie den<br />
Ausbau der Marinebasis Sanya<br />
auf Hainan zum größten chinesischen<br />
U-Boot- und Flugzeugträgerstützpunkt.<br />
Dadurch versucht<br />
Peking die ursprünglich von USamerikanischen<br />
Strategen entwickelte<br />
Inselkettenstrategie umzu-
0 2 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />
setzen. Drei Inselketten begrenzen laut<br />
dieser die strategischen Operationsräume<br />
des chinesischen Militärs. Die innerste<br />
dieser Verteidigungslinien umfasst<br />
das Südchinesische Meer, das Ostchinesische<br />
Meer und das Herzstück<br />
Taiwan, die vor US-amerikanischem<br />
Einfluss gesichert werden sollen. Der<br />
US-amerikanische Geopolitikexperte<br />
Robert Kaplan vergleicht die große<br />
strategische Bedeutung dieses Raums<br />
für China mit jener der Karibik für<br />
die USA.<br />
Der aktuelle weltpolitische Rückzug<br />
Washingtons, der sich in vielerlei Hinsicht<br />
manifestiert, und der gleichzeitige<br />
Aufstieg Chinas wird von geopolitischen<br />
Kommentatoren oft mit der viel<br />
zitierten „Thucydides Trap“ in Verbindung<br />
gebracht. Nach dieser auf den Peloponnesischen<br />
Krieg zwischen Sparta<br />
und Athen zurückgreifenden Theorie<br />
führte der Niedergang der Seemacht<br />
Athen und der Aufstieg der Landmacht<br />
Sparta zwangsläufig zum Krieg. Auch<br />
heute wird dieses Szenario des kriegerischen<br />
Übergangs zwischen zwei hegemonialen<br />
Großmächten gezeichnet.<br />
Um dieser vermeintlichen Gesetzmäßigkeit<br />
entgegenzuwirken, plädiert der<br />
Politologe Joseph Nye, der „Vater“ der<br />
Soft Power, für die sogenannte Smart<br />
Power. Diese soll in Hinblick auf das<br />
Verhältnis zwischen China und den<br />
USA durch eine Kooperation der beiden<br />
Mächte und eine verstärkte Einbindung<br />
Chinas in weltweite Angelegenheiten<br />
und Verantwortlichkeiten, Frieden<br />
gewährleisten und ein Tappen in<br />
die „Thucydides Trap“ verhindern. Die<br />
Obama-Regierung verfolgte noch diesen<br />
Ansatz. Die Strategie des aktuellen<br />
US-Präsidenten Donald Trump ist<br />
hier jedoch eher undurchsichtig.<br />
Trumps Aufkündigung der Trans-Pacific<br />
Partnership und seine protektionistische<br />
Rhetorik führten 2017 zur paradoxen<br />
Situation, dass der Anführer des<br />
kommunistischen Chinas, Xi Jinping,<br />
mit seiner Eröffnungsrede beim Weltwirtschaftsforum<br />
und der Bewerbung<br />
der Belt and Road Initiative als Fürsprecher<br />
des Freihandels auftrat und nicht<br />
die USA als Mutterland des Liberalismus.<br />
Aber auch in militärischer Hinsicht<br />
zieht sich Amerika aus vielen<br />
Die Neue Seidenstraße<br />
soll die Märkte in Ost und West verbinden.<br />
Sie soll aber auch den Handel mit den<br />
Ländern Südamerikas, Ozeaniens und<br />
sogar der Karibik forcieren und damit<br />
Chinas globalen<br />
Einfluss<br />
nachhaltig<br />
stärken.<br />
Europa<br />
Die Hauptstroßrichtung: Das<br />
Seidenstraßenprojekt soll Europa<br />
näher an China rücken und den<br />
Handel ausbauen. Chinesische<br />
Produkte könnten damit deutlich<br />
schneller nach Europa transportiert<br />
werden, entlang der Seidenstraßen-Routen<br />
plant China zudem in<br />
Billiglohnländern wie Weißrussland<br />
und Kasachstan den Bau von<br />
Fabriken und Fertigungsstraßen.<br />
Afrika<br />
Einige Länder vor allem Nordostafrikas waren bereits Teil der historischen<br />
Seidenstraße. Nun wird das Engagement deutlich intensiviert.<br />
Seit vielen Jahren investiert Peking bereits Milliarden in Afrika und<br />
treibt damit den Ausbau der Infrastruktur voran. In Dschibuti<br />
unterhält China zudem am Horn von Afrika seine erste Militärbasis<br />
im Ausland, weitere könnten schon bald folgen.<br />
C H I N A<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
SEIDENSTRASSE<br />
Globales Projekt<br />
mit fünf<br />
Stoßrichtungen<br />
Karibik<br />
Sehr zum Missfallen der USA ist das<br />
Interesse an einer teilhabe am Seidenstraßen-Projekt<br />
auch bei einigen karibischen<br />
Ländern groß. China hat die<br />
Staaten der region aktiv zur teilnahme<br />
eingeladen und überlegt in Konkurrenz<br />
zum US-kontrollierten Panamakanal<br />
den Bau eines <strong>neu</strong>en Kanals in Nicaragua.<br />
Als trockene Alternative oder<br />
ergänzend könnte außerdem eine <strong>neu</strong>e<br />
Bahnlinie in Kolumbien den Handel mit<br />
karibischen Staaten stärken.<br />
Ozeanien<br />
China hat in den<br />
vergangenen Jahren seine<br />
Präsenz in den pazifischen<br />
Inselstaaten kräftig ausgebaut,<br />
viele dieser Länder<br />
(unter anderem Fidschi, Vanuatu,<br />
Samoa, Mikronesien,<br />
die Cook-Inseln, tonga und<br />
Niue) sind bereits teil der<br />
Belt and road Initiative. Nun<br />
rücken zunehmen auch<br />
Australien und Neuseeland<br />
in Pekings Fokus.<br />
Südamerika<br />
Nachdem Xi Jinping das Seidenstraßen-Projekt<br />
präsentiert<br />
hatte, wuchsen auch jenseits<br />
des Pazifiks Begehrlichkeiten.<br />
Bereits seit Jahren ist China top-<br />
Handelspartner von Argentinien,<br />
Brasilien, Chile und Peru.<br />
Für China interessant sind unter<br />
anderem die rohstoffe des<br />
Kontinents: Getreide, Holz,<br />
Sojabohnen, Diamanten, Öl<br />
und Bergbauprodukte.<br />
Foto S : 1 2 3 r F<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 2 W E L T & S T R A T E g I E<br />
Weltregionen zurück, so auch aus Afghanistan.<br />
Indessen wächst Pekings<br />
Interesse an Kabul. Insbesondere eine<br />
Kooperation bei der Terrorbekämpfung<br />
liegt in Pekings Interesse, grenzt das<br />
vom Islamismus gebeutelte Land doch<br />
an Chinas muslimisch geprägte Provinz<br />
Xinjiang. Um dortige Unruhen und<br />
Unabhängigkeitsbestrebungen zu minimieren,<br />
versucht Peking mit der Belt<br />
and Road Initiative insbesondere auch<br />
diese wirtschaftlich abgehängte Region<br />
und deren Zentren Kaschgar und<br />
Urumtschi zu entwickeln, vielfach mit<br />
Erfolg, oft aber auch zu Lasten des kulturellen<br />
Erbes der dort ansässigen muslimischen<br />
Uiguren. Um ein Übergreifen<br />
terroristischer Elemente zu verhindern,<br />
werden im afghanischen Wakhan-Korridor<br />
bereits Trainingslager für die Sicherheitskräfte<br />
Afghanistans errichtet<br />
und auch über dortige chinesische Einheiten<br />
wird bereits spekuliert, dies von<br />
Peking jedoch dementiert. Dieses abgelegene<br />
Gebirgstal ist das geopolitische<br />
Überbleibsel des letzten großen Machtkampfes<br />
in Zentralasien, dem sogenannten<br />
Great Game zwischen Russland<br />
und dem britischen Empire im<br />
19. Jahrhundert. Das Reich der Mitte ist<br />
jedoch nicht nur aufgrund Xinjiangs an<br />
Sicherheit in Afghanistan interessiert.<br />
Mit dem südlich von Kabul im Taliban-<br />
Gebiet gelegenen Mes Aynak hat sich<br />
2007 ein chinesisches Bergbauunternehmen<br />
eines der größten unerschlossenen<br />
Kupfervorkommen der Welt<br />
gesichert, dessen Erschließung das<br />
größte ausländische Investment in<br />
der afghanischen Geschichte darstellt.<br />
Doch Afghanistan soll nicht nur Rohstofflieferant<br />
für chinesische Hightech<br />
werden, sondern auch einen wichtigen<br />
Knotenpunkt der sogenannten Digital<br />
Silk Road darstellen. So errichtet der<br />
chinesische Technologiekonzern ZTE<br />
ein Glasfasernetzwerk in dem an der<br />
geografischen Schnittstelle zwischen<br />
Südasien, dem Nahen Osten und<br />
Zentralasien gelegenen Staat. Aber auch<br />
der andere Telekommunikationsriese,<br />
Huawei, ist am Ausbau von digitaler<br />
Infrastruktur beteiligt. Dieser geriet erst<br />
jüngst in die Kritik, als es um den Ausbau<br />
des europäischen 5G-Netzes ging.<br />
Europa fürchtet eine Gefährdung seiner<br />
kritischen Infrastruktur durch den<br />
Bietet die Neue Seidenstraße mehr Chancen<br />
als Risiken? Wer profitiert davon wirklich?<br />
Und was bedeutet die Initiative für die<br />
unmittelbaren Nachbarländer Chinas? Wir<br />
haben drei Experten* aus unterschiedlichen<br />
Fachrichtungen um ihre Einschätzungen<br />
gebeten.<br />
GASTKOMMENTAR<br />
PROF. DR. ALFRED GERSTL<br />
ist Spezialist für Internationale Beziehungen<br />
mit den Schwerpunkten Asien-Pazifik<br />
und Mitglied des Managementteams im<br />
EU-Projekt „Sinophone Borderlands“.<br />
FURCHT VOR EINER<br />
CHINESISCHEN HEGEMONIE<br />
Anfänglich standen die<br />
meisten Länder, mit Ausnahme<br />
vor allem der USA,<br />
Japans und Indiens, der Belt and<br />
Road Initiative sehr positiv gegenüber.<br />
In der EU, aber auch in<br />
Südostasien wächst in letzter Zeit<br />
jedoch Kritik an der drohenden<br />
wirtschaftlichen und damit möglichen<br />
politischen Abhängigkeit<br />
von China. Malaysia hat seit dem<br />
überraschenden Wahlsieg des alten<br />
und <strong>neu</strong>en Premierministers<br />
Mahathir Mohamad 2018 einige<br />
kostspielige BRI-Projekte gestoppt.<br />
In Vietnam beendete die<br />
Regierung nach Demonstrationen<br />
die Einrichtung von drei<br />
Sonderwirtschaftszonen, da viele<br />
Vietnamesen einen Ausverkauf<br />
an China befürchteten. Die Philippinen,<br />
wie Malaysia mit China<br />
in Territorialdispute im Südchinesischen<br />
Meer verwickelt, setzen<br />
hingegen unter Präsident Duterte<br />
auf eine enge ökonomische und<br />
infrastrukturelle BRI-Kooperation.<br />
Die Regionalorganisation ASEAN<br />
begrüßt zwar nach wie vor die<br />
BRI, betont jedoch ihre regionale<br />
Zentralität, das heißt den Vorrang<br />
des von ihr etablierten multilateralen<br />
Regelwerks. Die Furcht vor<br />
einer chinesischen Hegemonie<br />
nimmt in Südostasien eher zu<br />
als ab.<br />
* D I E E x P E R T E N g E H ö R E N D E M E U R O P E g O E S S I L K R OA D B E R AT E R STA B A N – I N FO R M AT I O N E N DA Z U AU F S E I T E 3<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
GASTKOMMENTAR<br />
SEIDENSTRASSE<br />
PROF. DR. SEBASTIAN KUMMER<br />
ist Vorstand des Instituts für<br />
Transportwirtschaft und<br />
Logistik an der WU Wien.<br />
EINZELNE STATIONEN RÜCKEN<br />
INS ZENTRUM<br />
Aus Sicht der logistik war bereits<br />
die historische Seidenstraße<br />
sehr vielfältig geprägt<br />
und bestand aus einem Seeweg sowie<br />
verschiedenen Karawanenrouten<br />
zu land. Dies hat sich im Vergleich zur<br />
Neuen Seidenstraße nur unwesentlich<br />
geändert und so betrifft auch<br />
diese den Seeverkehr, den Straßenund<br />
eisenbahnverkehr zu land sowie<br />
zusätzlich den luftverkehr. Die Routen<br />
gliedern sich in unterschiedliche<br />
Abschnitte und ähneln auch in dieser<br />
Hinsicht ihrem historischen Vorbild.<br />
So war auch das alte Handelsnetzwerk<br />
kein durchgängiger Weg, den<br />
man auf einmal hinter sich brachte,<br />
sondern ein Distanzhandel, bei dem<br />
von einer Station zur nächsten gehandelt<br />
wurde und so Waren über tausende<br />
Kilometer quer durch eurasien<br />
transportiert wurden. Auch die Neue<br />
Seidenstraße wird in dieser Hinsicht<br />
viel mehr sein als die beladung eines<br />
Containerschiffs in Schanghai und<br />
dessen entladung im Hamburger<br />
Hafen einige Wochen später. Stattdessen<br />
werden in Zukunft die einzelnen<br />
Stationen der Strecke wieder verstärkt<br />
ins Zentrum rücken, weswegen<br />
diese auch einer verstärkten wissenschaftlichen<br />
Auseinandersetzung<br />
bedürfen. Denn entlang dieser transportkorridore<br />
entsteht eine wirtschaftliche<br />
entwicklung, die für europa sowohl<br />
Chancen als auch Risiken birgt.<br />
GASTKOMMENTAR<br />
AUCH EUROPÄISCHE UNTERNEHMEN<br />
PROFITIEREN<br />
Foto S : b e i g e St e l lt<br />
Der öffentliche Diskurs in Politik<br />
und Wirtschaft zur chinesischen<br />
Seidenstraßeninitiative<br />
ist aktuell von der Frage geprägt,<br />
wieweit China die immensen investitionen<br />
dazu nutzt, eine alleinige<br />
Vormachtstellung in der Region aufzubauen,<br />
und zu welchem grad auch<br />
europäische Unternehmen von den<br />
investitionen profitieren können.<br />
Allen pessimistischen Annahmen zum<br />
trotz ist zunächst einmal festzustellen,<br />
dass es für eine beantwortung der<br />
Frage noch zu früh ist. grundsätzlich<br />
einmal gehen mit den investitionen<br />
auch für unsere Unternehmen große<br />
Chancen einher. Dies gilt alleine<br />
schon deswegen, da in den ländern<br />
der Region dringend benötigte<br />
infrastruktur aufgebaut wird. Was für<br />
europäische Unternehmen entlang<br />
der Seidenstraße bleibt, hängt jedoch<br />
nicht nur von der Haltung Chinas ab.<br />
Die länder der Seidenstraße sind<br />
von politischen Risiken wie Rechtsunsicherheit,<br />
einer schwachen garantie<br />
der eigentumsrechte und Klientelismus<br />
der herrschenden eliten geprägt.<br />
entscheidend ist mithin, ob die<br />
europäischen Unternehmen bereit<br />
sind, diese politischen Risiken einzugehen<br />
und geeignete instrumente<br />
des politischen Risikomanagements<br />
anzuwenden.<br />
DR. HANNES<br />
MEISSNER<br />
ist Senior Researcher<br />
und Lektor im<br />
Kompetenzzentrum<br />
Schwarzmeerregion<br />
der Fachhochschule<br />
des BFI Wien.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />
CHINAS STREITKRÄFTE<br />
IM US-VERGLEICH<br />
In den vergangenen Jahren hat China enorme Investitionen in seine<br />
Streitkräfte getätigt und damit seine Rolle als Regionalmacht mehr als<br />
nur gefestigt. Längst bietet Peking mit seiner Armee auch den USA Paroli.<br />
China<br />
USA<br />
1,4<br />
Millionen Soldaten<br />
1,6<br />
Millionen Soldaten<br />
Truppenstärke<br />
2,3<br />
Millionen Soldaten<br />
642.000<br />
Soldaten<br />
Bodentruppen<br />
8.848<br />
Fahrzeuge<br />
6.246<br />
Geschütze<br />
Bewaffnete<br />
Fahrzeuge<br />
9.150<br />
Fahrzeuge<br />
1.299<br />
Geschütze<br />
Artillerie<br />
13.000<br />
Flugzeuge<br />
802<br />
Hubschrauber<br />
Flugzeuge<br />
3.000<br />
Flugzeuge<br />
6.000<br />
Hubschrauber<br />
Hubschrauber<br />
10<br />
Träger<br />
32<br />
Zerstörer<br />
Flugzeugträger<br />
1<br />
Träger<br />
62<br />
Zerstörer<br />
Zerstörer<br />
Schiffe<br />
(insgesamt)<br />
415<br />
Schiffe<br />
714<br />
Schiffe<br />
68<br />
U-Boote<br />
75<br />
U-Boote<br />
U-Boote<br />
6.450<br />
Sprengköpfe<br />
147,7<br />
Milliarden Euro<br />
Atom-<br />
Sprengköpfe<br />
280<br />
Sprengköpfe<br />
564,8<br />
Milliarden Euro<br />
Militär-<br />
Ausgaben<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
staatsnahen chinesischen Konzern.<br />
Doch die digitale Seidenstraße geht<br />
noch weit darüber hinaus und reicht<br />
über E-Commerce und Smart Cities bis<br />
zum Weltraum. Spätestens hiermit tritt<br />
die chinesische Vorstellung von der<br />
Neuen Seidenstraße in <strong>neu</strong>e Sphären<br />
über. So auch in den sozialen Bereich.<br />
Über die Konfuzius-Institute, die mit<br />
dem deutschen Goethe-Institut oder<br />
dem spanischen Instituto Cervantes<br />
vergleichbar sind, sollen die chinesische<br />
Sprache und Kultur im Ausland gefördert<br />
und so gewissermaßen auch Soft<br />
Power ausgeübt werden. Doch im von<br />
Joseph Nye unterstützten „Soft Power<br />
30“-Ranking nimmt die Volksrepublik<br />
China nur den 27. Platz ein, Österreich<br />
Rang 17. Dennoch führen forcierte Studentenaustauschprogramme<br />
insbesondere<br />
auch mit afrikanischen Ländern zur<br />
Entstehung enger werdender kultureller<br />
und wirtschaftlicher Verflechtungen.<br />
die sich zunehmend vom Billigwaren-<br />
Produzenten zum Konsumenten am<br />
eigenen, drittgrößten Binnenmarkt<br />
der Welt wandelt. China diversifiziert<br />
seine Abhängigkeiten und schafft<br />
<strong>neu</strong>e Abhängigkeiten.<br />
Die Neue Seidenstraße ist weder <strong>neu</strong><br />
noch eine Straße. Vielmehr handelt<br />
es sich dabei um die nationalen, regionalen<br />
und globalen geopolitischen<br />
Stoßrichtungen verschiedener Staaten<br />
im Raum der historischen Seidenstraße.<br />
Chinas Version geht jedoch weit<br />
darüber hinaus und macht den Begriff<br />
zu einem welthistorischen Label<br />
für seine Innen- und Außenpolitik.<br />
Obwohl visionärer Anspruch und<br />
harte Wirklichkeit teils noch eklatant<br />
auseinanderklaffen und es zunehmend<br />
auch Rückschläge gibt, ist es<br />
verfrüht, von einem Misserfolg zu<br />
SEIDENSTRASSE<br />
sprechen. Die Belt and Road Initiative<br />
ist auf mehrere Jahrzehnte ausgelegt,<br />
während sie sich bisher zudem als<br />
sehr wandelbar bewiesen hat, sodass<br />
sie zum nächsten Jahreswechsel<br />
wieder ganz anders aussehen könnte.<br />
So vollbrachte etwa China Ende 2018<br />
in der Antarktis mit dem Bau eines<br />
Flughafens das, was es am anderen<br />
Ende der Welt in Grönland noch<br />
nicht geschafft hat: die Etablierung<br />
des südlichen Teils der Polar Silk<br />
Road. Als zur selben Zeit Panama als<br />
erstes amerikanisches Land der Belt<br />
and Road Initiative beitrat, wurde die<br />
Idee der Neuen Seidenstraße schließlich<br />
zu einem alle Kontinente erfassenden<br />
globalen Phänomen.<br />
FOTO S : 1 2 3 R F<br />
Die chinesischen Interessen in Afrika<br />
sind mit jenen anderer Staaten vergleichbar.<br />
Vielfach geht es um den Zugang<br />
zu natürlichen Ressourcen, wofür<br />
China Investitionen in dringend benötigte<br />
Infrastruktur tätigt. Diese Entwicklungshilfe<br />
fließt zudem, ohne Bedingungen<br />
im Bereich Good Governance<br />
zu stellen, und macht damit China<br />
zur attraktiven Alternative zu westlichen<br />
Geldgebern. Gleichzeitig sichert<br />
sich China die Unterstützung der Empfängerländer<br />
bei Abstimmungen in internationalen<br />
Organisationen, etwa bei<br />
den Vereinten Nationen. Obwohl der<br />
Anteil an chinesischen Direktinvestitionen<br />
in Afrika in den vergangenen<br />
Jahren stark gestiegen ist und das Land<br />
auf Rang 4 der Geldgeber katapultierte,<br />
führen Frankreich, die USA und das<br />
Vereinigte Königreich das Feld weiterhin<br />
deutlich an. Doch China errichtet<br />
nicht nur Straßen und Schienen in Afrika,<br />
sondern vor allem auch Fabriken.<br />
Damit lagert es seine vormalige Rolle als<br />
Werkbank der Welt in die Niedriglohnländer<br />
Afrikas aus, während gleichzeitig<br />
auch der Export chinesischer Arbeitskräfte<br />
für Schlagzeilen sorgt. Die eigene<br />
Industrie wird unter dem Slogan Made<br />
in China 2025 währenddessen auf Hightech-Produkte<br />
umgestellt, um zur führenden<br />
Nation in diesem Bereich aufzusteigen.<br />
Die steigenden Löhne führen<br />
zu einer aufstrebenden Mittelschicht,
0 2 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />
DIE EU SPIELT<br />
MILITÄRISCH FÜR<br />
KEINE<br />
CHINA<br />
ROLLE!<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
SEIDENSTRASSE<br />
China-Experte FRANCO ALGIERI leitet das International<br />
Relations Department an der Webster Vienna Private University.<br />
Wir haben mit ihm die ökonomischen und politischen<br />
Hintergründe der Neuen Seidenstraße und das <strong>neu</strong>e militärische<br />
Selbstbewusstsein Chinas erörtert.<br />
Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
Fotos: LUKAS ILGNER<br />
H<br />
err Algieri, China<br />
präsentiert die<br />
Neue Seidenstraße,<br />
die sogenannte<br />
„Belt and Road<br />
Initiative“ (BRI),<br />
vor allem als ökonomisches<br />
Projekt. Ist es nicht viel mehr?<br />
Es hat den Anschein, als starrten einige<br />
Akteure in Europa gebannt auf<br />
dieses Projekt und erkennen darin<br />
vor allem ein enormes wirtschaftliches<br />
Potenzial. Dabei vergessen wir<br />
aber, dass die BRI primär ein aus chinesischer<br />
Interessenlage heraus entstandenes<br />
Projekt ist. Es ist Teil eines<br />
größeren Ansatzes, bei dem es darum<br />
geht, Chinas regionale und globale<br />
Rolle zu stärken, innere Stabilität<br />
zu gewährleisten und das zuletzt<br />
gedämpfte Wirtschaftswachstum<br />
anzukurbeln. Die damit verbundenen,<br />
teils sehr hohen Erwartungshaltungen<br />
in vielen zentralasiatischen und europäischen<br />
Staaten werden sich daher<br />
meiner Meinung nach nicht erfüllen.<br />
Im Gegenteil: Mit dem Projekt kann<br />
für manche Staaten die wirtschaftliche<br />
Abhängigkeit von China zunehmen,<br />
parallel dazu auch die politische.<br />
Aber die bereits getätigten und geplanten<br />
Millionen- und Milliardeninvestitionen<br />
in vielen Ländern<br />
lassen sich nicht wegdiskutieren.<br />
Natürlich nicht. Es gibt durchaus<br />
positive Effekte, wenn beispielsweise<br />
Infrastrukturprojekte vorangetrieben<br />
werden wie die Modernisierung der<br />
Bahnlinie von Budapest nach Belgrad<br />
zur Hochgeschwindigkeitsstrecke<br />
oder die Weiterentwicklung des<br />
Hafens in Piräus. Aber diese Effekte<br />
werden unter dem Strich sicher nicht<br />
das Ausmaß haben, das erwartet<br />
wird. In manchen Ländern Mittelund<br />
Osteuropas sowie am Westbalkan<br />
lösen sich die großen Hoffnungen<br />
auch bereits langsam in Luft auf.<br />
Der sich durch die Projekte erhoffte<br />
Boom bleibt aus und der ganz große<br />
China-Hype hat sich dort deutlich<br />
abgeschwächt.<br />
Waren die Erwartungen vieler<br />
Regierungen zu blauäugig?<br />
Ja, das würde ich schon sagen. Zu<br />
denken, dies sei ein Projekt, das vor<br />
allem gemacht wurde, damit auch<br />
andere Länder davon umfassend<br />
profitieren, war und ist jedenfalls<br />
ein Trugschluss. Die BRI ist ein<br />
wirtschaftliches und – um auf Ihre<br />
Eingangsfrage zurückzukommen –<br />
auch politisches Projekt, das mitentscheidend<br />
dafür sein wird, wie<br />
wir China künftig verorten werden.<br />
Warum sind trotzdem derart viele<br />
Regierungen froh über chinesische<br />
Investitionen und daran interessiert,<br />
Teil der Initiative zu werden?<br />
Waren sie und sind sie möglicherweise<br />
in den Nachwehen der<br />
Wirtschaftskrise offener dafür?<br />
Die BRI wurde zwar erst 2013 vom<br />
chinesischen Präsidenten Xi Jinping<br />
öffentlich präsentiert, aber schon<br />
im Verlauf der Finanzkrise einiger<br />
europäischer Staaten richteten sich<br />
Erwartungen auf China. Manch ein<br />
Unternehmen war damals auf der Suche<br />
nach Investoren und es herrschte<br />
vielfach die Meinung, dass chinesische<br />
Investitionen helfen würden. In<br />
manchen Fällen haben die Investitionen<br />
auch durchaus Wirkung gezeigt,<br />
aber natürlich stellt sich die Frage, ob<br />
es sinnvoll ist, Teile der Hochtechnologie-Industrie<br />
oder Infrastruktur-<br />
Anlagen wie den Hafen von Piräus<br />
aus der Not heraus einfach ausländischen<br />
Investoren zu überlassen. Dass<br />
solche Ambitionen mancherorts<br />
bestanden haben, ist erklärbar. Dass<br />
es tatsächlich dazu kam, verwundert<br />
mich aber schon. Man hat damit<br />
schließlich die Kontrolle über<br />
Schlüsselbereiche teilweise aus<br />
der Hand gegeben.<br />
Hat diesbezüglich mittlerweile<br />
ein Umdenkprozess eingesetzt?<br />
Viele Regierungen sind heute hellhörig,<br />
weil sie mit der Zeit erkannt<br />
haben, dass mit diesen Investitionen<br />
das Know-how von Schlüsseltechnologien<br />
abwandern kann. Mittel- bis<br />
langfristig wird China damit diese<br />
Technologien auch selbst entwickeln,<br />
entsprechende Produkte herstellen<br />
und sogar verbessern können. Damit<br />
wird die Rolle Chinas als internatio-<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />
MILITÄRISCHER LERNPROZESS<br />
„Mit der Teilnahme an internationalen Missionen<br />
sammelt Chinas Armee Auslandserfahrungen“,<br />
so Franco Algieri. „Das ist<br />
beinahe wie ein Trainingsprogramm.“<br />
naler Wettbewerber stärker und europäische<br />
Technologiebereiche können<br />
darunter leiden. Dann werden manche<br />
Stimmen zwar immer noch mit<br />
dem Argument kommen, dass es sich<br />
dabei um geringere Qualität handelt<br />
und „Made in China“ nicht „Made in<br />
Germany“ oder „Made in Austria“<br />
entspricht. Aber das stimmt teilweise<br />
schon jetzt nicht mehr und es ist nur<br />
eine Frage der Zeit, bis China Technologien<br />
entwickeln und Produkte<br />
herstellen wird, die den europäischen<br />
überlegen sind.<br />
Was bedeuten die Bemühungen<br />
Chinas zum Ausbau der Neuen<br />
Seidenstraße militärisch? China<br />
unterhält seit 2017 einen ersten<br />
Marinestützpunkt in Dschibuti am<br />
Horn von Afrika. Will Peking seine<br />
Wirtschaftsinteressen und seine<br />
Investitionen in Seidenstraßen-<br />
Projekte schützen, ist wohl bald<br />
mit weiteren Militärkooperationen<br />
und -basen zu rechnen, oder?<br />
Auf jeden Fall. China hat bereits<br />
damit begonnen, seine Ingenieure,<br />
Arbeiter und Manager in einigen<br />
Ländern durch private chinesische<br />
Sicherheitsfirmen schützen zu lassen.<br />
Ebenso sind die Infrastrukturinvestitionen<br />
zu schützen. Möglich ist das<br />
einerseits, indem das Land, in dem<br />
sich entsprechende Infrastrukturprojekte<br />
befinden, für die Sicherheit<br />
sorgt. Andererseits könnte dies auch,<br />
wie beim Personal, in die Hände<br />
privater Unternehmen gelegt werden<br />
oder China kümmert sich selbst<br />
darum …<br />
… und engagiert sich militärisch.<br />
Richtig. China hat dahingehend auch<br />
bereits erste Schritte gesetzt, befindet<br />
sich aber noch inmitten eines riesigen<br />
Lernprozesses, zu dem beispielsweise<br />
auch die Teilnahme an UN-Einsätzen,<br />
an internationalen Manövern und<br />
auch an der Anti-Piraterie-Mission<br />
vor der Küste Afrikas gehören. Seite<br />
an Seite mit anderen Nationen lernt<br />
China dort Abläufe kennen und sammelt<br />
Auslandserfahrungen. Das ist<br />
beinahe wie ein Trainingsprogramm<br />
und aus Sicht Chinas unheimlich<br />
wichtig, war man doch jahrzehntelang<br />
nur auf sich selbst und auf die<br />
Verteidigung der eigenen Landesgrenzen<br />
fixiert.<br />
Gibt es konkrete Überlegungen und<br />
Pläne zum Aufbau weiterer Stützpunkte?<br />
Die gibt es bestimmt, Dschibuti wird<br />
sicher kein einmaliges Event bleiben<br />
und weitere Stützpunkte sind zu erwarten,<br />
beispielsweise in Südasien.<br />
Ganz sicher wird China in Zukunft<br />
auch im Kontext von Anti-Terror-<br />
Maßnahmen oder gemeinsamen<br />
Sicherheitsübungen noch mehr Präsenz<br />
zeigen und verstärkt zu sicherheitspolitischen<br />
Fragen Stellung<br />
beziehen. Damit kann China auch seinen<br />
regionalen und globalen Einfluss<br />
vergrößern und sein internationales<br />
Ansehen stärken.<br />
Peking setzt nun also – nach Jahrzehnten<br />
der reinen Landesverteidigung<br />
und den zuletzt immer bestimmter<br />
formulierten Ansprüchen<br />
im Südchinesischen Meer – militärisch<br />
den nächsten Schritt?<br />
Der Wandel ist eindeutig feststellbar.<br />
Die Rüstungsausgaben Chinas steigen<br />
seit Jahren, was aber – so ehrlich<br />
muss man sein – auch bei anderen<br />
Ländern der Fall ist. China modernisiert<br />
seine Armee und setzt dabei<br />
auch stark auf <strong>neu</strong>e Technologien.<br />
Das Ziel ist es, Fähigkeiten aufzubauen<br />
– und das mit allem Nachdruck.<br />
Sind die Inbetriebnahme eines<br />
ersten Flugzeugträgers vor einigen<br />
Jahren und der aktuell im Bau<br />
befindliche zweite Träger Teil<br />
dieser Entwicklung?<br />
Definitiv. Den ersten Träger hat<br />
China noch von der Ukraine gekauft<br />
und er dient vor allem zu Übungszwecken.<br />
Es geht darum, zu lernen,<br />
wie man einen Träger betreibt. Der<br />
nun im Test befindliche zweite Träger<br />
ist bereits eine Eigenentwicklung und<br />
zwei weitere Träger sind in Planung.<br />
Die Fertigstellung und Inbetriebnahme<br />
der Flugzeugträger spiegelt nicht<br />
nur Lerneffekte wider, China wird damit<br />
auch militärisch einen gewaltigen<br />
Entwicklungsschritt machen.<br />
Damit ist wohl auch zu erwarten,<br />
dass die anhaltende Konfrontation<br />
mit den USA in den kommenden<br />
Jahren weiter an Schärfe gewinnt,<br />
oder?<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Genauso wie Europa und China<br />
befinden sich auch die USA und<br />
China wirtschaftlich in einem interdependenten<br />
Verhältnis. Sie<br />
sind eng miteinander verbunden,<br />
voneinander abhängig. Die Wirtschaftssysteme<br />
der beiden Länder<br />
sind derart verwoben, dass sich<br />
wohl keine Seite eine militärische<br />
Auseinandersetzung leisten kann.<br />
Dies hätte im Übrigen auch Folgen<br />
für Europa. Stellen sie sich einen<br />
größeren militärischen Konflikt im<br />
Südchinesischen Meer vor. Handelsrouten<br />
durch die Region wären<br />
betroffen, der Warenaustausch<br />
beeinträchtigt, Rohstofflieferungen<br />
gefährdet.<br />
Ist damit ein militärischer<br />
Konflikt in der Region praktisch<br />
ausgeschlossen?<br />
Das nicht, aber ich halte diese Möglichkeit<br />
für eher unwahrscheinlich.<br />
Die Frage ist nämlich: Wer will<br />
tatsächlich einen Krieg? Wer kann<br />
dadurch gewinnen? Da sehe ich keinen<br />
Gewinner und das scheint auch<br />
allen beteiligten Akteuren klar zu<br />
sein. Es wird immer wieder Konflikte<br />
und Auseinandersetzungen geben<br />
und man testet militärisch und<br />
ökonomisch natürlich immer ab,<br />
wie die Gegenseite auf bestimmte<br />
Entwicklungen oder Vorgänge<br />
reagiert. Aber eine Eskalation<br />
kann sich keine Seite erlauben.<br />
Die teils aggressive Rhetorik ist<br />
also nichts als Säbelrasseln?<br />
Ein wiederkehrendes Säbelrasseln<br />
ist erkennbar. Man beäugt sich stets<br />
kritisch und dreht ein wenig an der<br />
Eskalationsschraube – mal in die<br />
eine Richtung, mal in die andere.<br />
Es passiert kaum zufällig, dass Flugzeuge<br />
durch Flugverbotszonen fliegen<br />
oder sich Schiffe zu nahe kommen.<br />
Da steckt immer eine Absicht<br />
dahinter und die ist unter anderem<br />
von innenpolitischen Entwicklungen<br />
bestimmt.<br />
SEIDENSTRASSE<br />
Es wird also ständig nur ausprobiert,<br />
wie weit man gehen kann?<br />
Man bewegt sich dabei natürlich<br />
manchmal auch auf dünnerem Eis,<br />
aber es ist allen Seiten bewusst, was<br />
eine echte Konfrontation bedeuten<br />
würde. Und vor allem: Was sie<br />
kosten würde.<br />
Mit der EU gibt es militärisch<br />
kaum Konfliktpotenzial, oder?<br />
Nein, die EU spielt militärisch für<br />
China keine Rolle. Wir haben keine<br />
Flugzeugträger, die im Südchinesischen<br />
Meer patrouillieren. Wir haben<br />
keine Basen in Asien und wir<br />
hegen auf globaler Ebene nur geringe<br />
militärische Ansprüche. Bei den<br />
Amerikanern ist das gänzlich anders.<br />
Washington befindet sich in einer<br />
stetigen Positionsbestimmung, wie<br />
es mit Blick auf China agieren soll.
0 3 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />
„China benötigt keine<br />
militärische Okkupation<br />
von Regionen, um eine<br />
hegemoniale Rolle<br />
einzunehmen. Ökonomisch<br />
ist das für Peking wesentlich<br />
einfacher zu erreichen.“<br />
China-Experte Franco Algieri<br />
Abhängig von den chinesischen Schritten versuchen<br />
die USA mit Partnern in der Region zusammenzuarbeiten,<br />
selbst vor Ort präsent zu sein und<br />
mit anderen Akteuren – beispielsweise der EU –<br />
gemeinsame Positionen gegenüber China zu vertreten.<br />
Konfliktpotenzial gab und gibt es beispielsweis<br />
bezüglich Taiwan und Japan, und seit einigen<br />
Jahren auch wegen territorialer Ansprüche im<br />
Südchinesischen Meer. Es wird sich zeigen müssen,<br />
was sich aus einer möglichen Erweiterung der<br />
BRI in die arktische Region oder nach Südamerika<br />
und die Karibik an Konfliktpotenzial ergeben<br />
könnte. Und das gilt übrigens völlig losgelöst von<br />
der amerikanischen Außenpolitik unter Präsident<br />
Trump. Chinas Expansionspläne werden von den<br />
USA schon lange kritisch beäugt und stehen ganz<br />
sicher auch in einer Post-Trump-Phase weit oben<br />
auf der Agenda der amerikanischen Außenpolitik.<br />
Gilt das auch für die anderen südostasiatischen<br />
Länder, mit denen sich China teils um<br />
Land- und Besitzansprüche im Südchinesischen<br />
Meer im Streit befindet? Beäugen sie<br />
die Expansionspläne auch kritisch?<br />
Natürlich gibt es kritische Stimmen, die sagen,<br />
dass Chinas Politik vor allem darauf ausgerichtet<br />
ist, langfristig der Hegemon in Südostasien zu<br />
sein. Die Frage ist, ob China diese Rolle militärisch<br />
einnehmen will, und da habe ich meine<br />
Zweifel. Ökonomisch ist das nämlich wesentlich<br />
einfacher zu erreichen. Wenn wir uns anschauen,<br />
wie stark der innerasiatische Handel jetzt schon<br />
ist, welche zentrale Rolle China dabei spielt und<br />
inwieweit diese Verzahnung im Zuge der BRI<br />
noch wachsen kann, dann benötigt Peking keine<br />
militärische Okkupation von Regionen, um eine<br />
hegemoniale Rolle einzunehmen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
SO SCHNELL WIE<br />
NOCH NIE.<br />
Mit dem <strong>neu</strong>en MPDS 2 ist eine gleichzeitige<br />
Vor-, Haupt- und Nachbehandlung möglich.<br />
Das multi-funktionale MPDS 2 ist ein Mehrzweckgerät für die<br />
Dekontamination von Material und Fahrzeugen und kann mit bis zu<br />
drei Lanzen gleichzeitig verwendet werden. Dies spart viel Zeit,<br />
da Vor-, Haupt- und Nachbehandlung simultan erfolgen können.<br />
Das MPDS 2 ist das effizienteste und umfassendste<br />
Dekontaminationsgerät seiner Klasse.<br />
www.kaercher-futuretech.com
0 3 2 H E E R & M E H R<br />
MILITÄRAKADEMIE IM<br />
WINTERKAMPF<br />
Mit dem zweiwöchigen Winterteil Anfang Februar <strong>2019</strong> am Truppenübungsplatz Hochfilzen ist der Lehrgang<br />
„Kommandant im Gebirge“ für die Fähnriche des Jahrganges „Hauptmann Neusser“ abgeschlossen.<br />
Den jungen Soldaten stellten sich dabei unterschiedliche Gefechtsaufgaben, das am Beginn des<br />
Lehrgangs Erlernte musste anschließend bei einer Übung praktisch umgesetzt werden.<br />
STARKE EINSATZ-BILANZ<br />
Im vergangenen Jahr führte der Entminungsdienst<br />
des Bundesheeres 1.104 Einsätze durch,<br />
um Kriegsrelikte zu bergen, abzutransportieren<br />
und zu vernichten. Dabei handelte es sich<br />
um insgesamt 35,3 Tonnen Kriegsmaterial verschiedenster<br />
Art, von der Infanteriemunition<br />
über Handgranaten bis zur Fliegerbombe.<br />
Das Einsatzschwergewicht lag dabei in Niederösterreich:<br />
Etwa 11,5 Tonnen Kriegsmaterial<br />
wurden bei 482 Einsätzen beseitigt; knapp<br />
dahinter Kärnten mit 11 Tonnen bei 79 Einsätzen<br />
und Wien mit 4,5 Tonnen (71 Einsätze).<br />
Schlusslicht ist Vorarlberg mit 14 Einsätzen und<br />
82 Kilogramm geborgenem Kriegsmaterial.<br />
FOTO S : B U N D E S H E E R / P U S C H , B U N D E S H E E R / E R D M A N N F R A I D L ,<br />
H B F/ T R I P P O LT
N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />
MILITÄRHUNDE GEHEN IN PENSION<br />
Mit Februar sind beim Bundesheer<br />
erstmals zwei Militärhunde in Pension<br />
gegangen: die Rottweilerhündin<br />
Fee aus Hieflau (Bild) und der<br />
belgische Schäferhund Anubis aus<br />
Graz. Dank einer im Oktober des<br />
Vorjahres durch Verteidigungsminister<br />
Mario Kunasek beschlossenen<br />
Pensionsregelung werden<br />
die Hundeführer der Vierbeiner<br />
auch nach Dienstaustritt finanziell<br />
unterstützt. Militärhundeführer<br />
bekommen 200 Euro pro Jahr und<br />
Militärhund für Tierarztkosten<br />
sowie einen Kostenzuschuss für<br />
Futter von rund 50 Prozent. „Diensthunde<br />
leisten einen erheblichen<br />
Beitrag, wenn es um die Sicherheit<br />
unserer Soldaten geht. Deshalb<br />
haben sich unsere Vierbeiner nach<br />
langen Dienstjahren einen sorglosen<br />
Ruhestand mehr als verdient“,<br />
so Minister Kunasek.
IM ERNSTFALL<br />
STETS BEREIT.<br />
WIR SCHÜTZEN ÖSTERREICH.<br />
Unvorhersehbare Ereignisse erfordern permanente Einsatzbereitschaft.<br />
Investitionen in das Bundesheer sind Investitionen in die Sicherheit Österreichs.<br />
bundesheer.at
0 3 6 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
FITMACHEN FÜRS<br />
AUSLAND<br />
Die Auslandseinsatzbasis in Götzendorf ist die Drehscheibe für<br />
alle Auslandseinsätze des Bundesheeres. Soldaten erhalten dort den<br />
fachlichen Feinschliff, es werden dort im Südosten von Wien aber auch<br />
Mitarbeiter der OSZE ausgebildet. Ein Truppenbesuch.<br />
Text: JOHANNES LUXNER<br />
Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
AU F M AC H E R B I L D : B U N D E S H E E R / W E R N E R<br />
W U KO S C H I TZ<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
ie internationale<br />
D<br />
Ausrichtung der<br />
Auslandseinsatzbasis<br />
Götzendorf ist für<br />
Besucher schon kurz<br />
nach dem Passieren<br />
des Kasernenschrankens offensichtlich.<br />
Mehrere schwere Geländefahrzeuge<br />
der OSZE bewegen sich eng<br />
hintereinander durch das im Nebel<br />
liegende Gelände der Wallenstein-<br />
AUSLANDSEINSATZ-<br />
BASIS GÖTZENDORF<br />
DIVERSE MISSIONEN Die Kurse an der<br />
Auslandseinsatzbasis richten sich in erster<br />
Linie an Angehörige des Bundesheeres.<br />
Doch auch Personal von Organisationen<br />
wie der OSZE wird dort geschult.<br />
Die Auslandseinsatzbasis<br />
Götzendorf<br />
existiert in ihrer<br />
heutigen Organisationsform<br />
seit dem<br />
Jahr 2010 und ist<br />
das Kompetenzzentrum<br />
für friedensstützende Operationen<br />
des Bundesheeres. International<br />
ist die Einrichtung als Austrian Armed<br />
Forces International Centre (AU-<br />
TINT) bekannt und hat den Status eines<br />
Partnership Training and Education<br />
Centres (PTEC). Neben der Ausbildung<br />
der Soldaten des Bundesheeres<br />
werden dort auch Mitarbeiter der<br />
OSZE für Auslandsmissionen geschult,<br />
Teile der Ausbildungen finden auch in<br />
Graz in den Abteilungen CIMIC (Civil<br />
Military Cooperation) und PSYOPS<br />
(Psychological Operations) statt. In<br />
Summe sind rund 200 Bundesheerangehörige<br />
mit der gezielten Vorbereitung<br />
für die Auslandsmissionen beschäftigt.<br />
Die angebotenen Kurse drehen<br />
sich um militärische Beobachtung<br />
und militärische Aufklärung ebenso<br />
wie um den Schutz der Zivilbevölkerung<br />
in den jeweiligen Konflikt- und<br />
Krisengebieten. Darüber hinaus werden<br />
die Soldaten von den Lehrenden –<br />
die aus dem In- und Ausland stammen<br />
– auch auf die Eigenheiten der<br />
Einsatzländer (Sprache, Kultur) vorbereitet.<br />
Aufgrund der engen Kooperation<br />
mit Organisationen wie der OSZE<br />
herrscht auch hinsichtlich der Kursteilnehmer<br />
große Internationalität.<br />
Bislang wurden in Götzendorf<br />
Personen aus 45 verschiedenen<br />
Nationen ausgebildet. Im vergangenen<br />
Jahr wurden die Kurse von rund<br />
250 Teilnehmern besucht.<br />
Kaserne. Am Steuer sitzen Mitarbeiter<br />
der OSZE, die bald in die Ukraine<br />
aufbrechen werden, um als Monitor<br />
an der dortigen OSZE-Mission<br />
teilzunehmen. Die Auszubildenden,<br />
allesamt Zivilisten,<br />
stammen aus diversen Mitgliedsländern<br />
der Organisation.<br />
Gesprochen wird daher vor allem<br />
englisch. Das sichere Manövrieren<br />
der Fahrzeuge im Gelände ist am<br />
Niederösterreich<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 8 H E E R & M E H R<br />
heutigen Ausbildungstag ebenso<br />
Thema wie das korrekte Fahrverhalten<br />
im Konvoi. In den kommenden<br />
Tagen werden die Kursteilnehmer<br />
aber auch erfahren, was es bedeutet,<br />
entführt zu werden und in Gefangenschaft<br />
zu geraten.<br />
„Willkommen im Konfliktgebiet“,<br />
beschreibt Oberst Sandor Galavics,<br />
der Leiter der Lehrabteilung im niederösterreichischen<br />
Götzendorf, einen<br />
der grundlegenden inhaltlichen<br />
Ansätze der hier angebotenen Kurse.<br />
„Die unmittelbare Erfahrung, wie<br />
sich der totale Kontrollverlust im<br />
Zuge einer Gefangennahme auf die<br />
Psyche jedes Einzelnen auswirkt, ist<br />
ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung“,<br />
sagt Galavics. „Die Kursteilnehmer<br />
lernen sich dadurch selbst<br />
besser kennen.“<br />
Gerichtet sind die in Götzendorf<br />
angebotenen Kurse in erster Linie<br />
an Soldaten des Bundesheeres, die<br />
an einem der Auslandseinsätze etwa<br />
GEBALLTE AUSLANDSERFAHRUNG<br />
V. l. n. r.: Oberstleutnant Helmut Gekle,<br />
Oberst Sandor Galavics und<br />
Major Leon Knuvelder.<br />
in Bosnien und Herzegowina, im Kosovo,<br />
im Libanon oder in Mali teilnehmen<br />
werden. Aber auch Partnerorganisationen<br />
wie eben die OSZE<br />
greifen auf das Ausbildungs-Knowhow<br />
der Auslandseinsatzbasis zurück<br />
– auf internationaler Ebene ist<br />
die Einrichtung als Austrian Armed<br />
Forces International Centre (AU-<br />
TINT) bekannt und hat den Status<br />
eines Partnership Training and Education<br />
Centres (PTEC). Galavics:<br />
„Wir sind daher auch Ansprechpartner<br />
für die UN, die NATO und die<br />
EU, und nehmen regelmäßig an<br />
internationalen Treffen auf Durchführungsebene<br />
teil, um entsprechend<br />
auf dem aktuellen Stand der<br />
Dinge zu sein. Unser Hauptaugenmerk<br />
gilt aber österreichischen<br />
Bundesheerangehörigen.“<br />
„Die Kurse sind außerordentlich intensiv“<br />
MAJOR LEON KNUVELDER ist als<br />
stellvertretender Bereichsleiter für<br />
die Ausbildung der Gesprächsaufklärung<br />
verantwortlich. Welche<br />
inhaltliche Herausforderung diese<br />
Art der Aufklärung bedeutet und<br />
wie diese Spezialkurse gestaltet<br />
sind, erklärt er im Gespräch mit<br />
Militär <strong>Aktuell</strong>.<br />
Welche Inhalte werden in Ihrem Ausbildungsbereich<br />
konkret vermittelt?<br />
Wir bilden die Einsatztechnik der Gesprächsaufklärung<br />
aus. Darunter fallen<br />
die qualifizierte Gesprächsführung und<br />
Befragung und die gezielte Beobachtung,<br />
aber es geht auch um die Wegeerkundung<br />
vor Ort. Sprich: Alles, was dazu<br />
beiträgt, um dem Force Commander ein<br />
realistisches Lagebild der Situation in der<br />
Region zu vermitteln. Die gewonnenen<br />
Infos dienen letztlich der Sicherheit des<br />
jeweiligen Kontingents vor Ort. Dafür bedienen<br />
wir uns der Quelle Mensch, denn<br />
trotz moderner Aufklärungsmittel in Form<br />
von Drohnen und Flugzeugen ergibt sich<br />
das Lagebild zu gut drei Vierteln aus den<br />
Infos, die wir von Personen im Umfeld<br />
erfragen.<br />
Wie sehen solche Gespräche aus?<br />
Es handelt sich um eine offene, gezielte<br />
Gesprächsaufklärung. Die Soldaten<br />
geben sich zwar als solche zu erkennen,<br />
was dem Gegenüber nicht vermittelt<br />
wird, sind die konkreten inhaltlichen<br />
Ziele des Gesprächs. Das erfordert eine<br />
bestimmte Art der Fragestellung.<br />
Wie laufen diese Kurse ab?<br />
Die Kurse dauern vier Wochen und<br />
sind außerordentlich intensiv. Letztlich<br />
müssen die Teilnehmer in der Lage sein,<br />
ein High-Value-Gespräch in einer Sprache<br />
zu führen, die nicht ihre Muttersprache<br />
ist. Die Kurse laufen großteils<br />
in Englisch ab, sind intellektuell sehr<br />
fordernd und verlangen von den<br />
Teilnehmern höchste Konzentration.<br />
Welche Auslandserfahrungen haben<br />
Sie selbst bereits gemacht und was<br />
hat Sie daran gereizt?<br />
Ich war unter anderem auf den Golanhöhen<br />
und im Kosovo. Mein erster Auslandseinsatz<br />
ist mittlerweile mehr als<br />
20 Jahre her. Das Reizvolle war für mich<br />
immer die Sinnhaftigkeit der Einsätze.<br />
Außerdem wollte ich das, was ich für den<br />
Krisenfall gelernt hatte, auch tatsächlich<br />
in einem Krisengebiet einsetzen und<br />
anwenden.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
Galavics weiter: „Jeder Soldat, der<br />
einen Auslandseinsatz bestreitet,<br />
macht in Götzendorf Station.“ Das<br />
allerdings nicht zwingend im Vorfeld<br />
der Mission, wo die Soldaten in den<br />
Kursen auch ihre Fremdsprachenkompetenz<br />
(in Zusammenarbeit mit<br />
dem Sprachinstitut des Bundesheeres)<br />
in Englisch steigern. Doch im<br />
Zuge der Rückkehr aus dem Auslandseinsatz<br />
führt für keinen Soldaten<br />
der Weg an der Götzendorfer<br />
Wallenstein-Kaserne vorbei. „Wir erledigen<br />
hier auch die Endadministration<br />
für alle, die von den internationalen<br />
Missionen retour nach Österreich<br />
kommen.“ Dazu gehört auch<br />
eine entsprechende medizinische<br />
Entlassungsuntersuchung inklusive<br />
einer psychologischen Befragung,<br />
um etwaige belastende Erlebnisse<br />
entsprechend aufarbeiten zu können.<br />
THEORETISCHE VORBEREITUNG Große Teile der Ausbildung spielen sich im Lehrsaal ab.<br />
Aufgrund der Internationalität vieler Kursteilnehmer ist die Unterrichtssprache meist Englisch.<br />
Die Inhalte der angebotenen Kurse<br />
sind vielfältig: Der Schutz der Zivil-
0 4 0 H E E R & M E H R<br />
„Ein hochinteressanter Einsatz“<br />
MAJOR MARTIN<br />
LEITHNER<br />
ist Mitarbeiter der<br />
Auslandseinsatzbasis<br />
Götzendorf und war im<br />
Zuge seiner militärischen<br />
Laufbahn auf Einsätzen<br />
auf dem Golan, im<br />
Kosovo, im Tschad und<br />
in Mazedonien. Seine<br />
letzte Mission hat ihn<br />
als Monitoring Officer<br />
der OSZE in die<br />
Ukraine geführt.<br />
Wie haben sich die Vorbereitungen<br />
für die OSZE-Mission in der<br />
Ukraine konkret gestaltet?<br />
Für den Einsatz als OSZE-Monitoring-Officer<br />
war das Absolvieren des<br />
Hostile Environment Awareness Trainings,<br />
des sogenannten HEAT-Kurses,<br />
hier in Götzendorf nötig. Der<br />
Kurs dauert eine Woche und ist sehr<br />
straff organisiert. Die Ausbildung<br />
beinhaltet Themen wie Funksprechverkehr,<br />
aber auch Erste Hilfe, das<br />
Fahren mit den OSZE-Fahrzeugen<br />
und natürlich Inhalte, die das<br />
Monitoring betreffen.<br />
Das klingt sehr intensiv?<br />
Das ist es auch – es handelt sich um<br />
eine Mischung aus Theorie und Praxis.<br />
Die Woche endet mit einer sehr<br />
langen Abschlussübung, in der auch<br />
Extremsituationen wie eine Gefangennahme<br />
trainiert werden. Diese<br />
Übung wird daher auch von psychologischem<br />
Fachpersonal begleitet.<br />
Wie setzen sich die Teilnehmer<br />
eines solchen Kurses zusammen?<br />
Bei der OSZE-Mission handelt es sich<br />
um eine Mission, die keinen militärischen<br />
Hintergrund hat. Daher sind<br />
es vorwiegend Zivilpersonen aus den<br />
diversesten Mitgliedsländern der OSZE.<br />
Juristen sind ebenso darunter wie Polizeiangehörige,<br />
aber etwa auch pensionierte<br />
3-Stern-Generäle. Auch das Alter<br />
ist sehr unterschiedlich, Dreißigjährige<br />
sind ebenso darunter wie Sechzigjährige.<br />
Die große Herausforderung für die<br />
Lehrenden ist daher das Finden einer<br />
entsprechenden Basislinie, was das<br />
Vermitteln der Inhalte betrifft.<br />
Wie hat sich der Einsatz vor Ort in der<br />
Ukraine gestaltet?<br />
Zunächst war ich zehn Tage lang in der<br />
Hauptstadt Kiew, um ein weiteres Training<br />
für meine Aufgabe als Deputy Operations<br />
Coordinator zu absolvieren. In<br />
der Folge war ich in dieser Rolle ein Jahr<br />
lang Teil des Donezk Monitoring Teams.<br />
Die Mission in der Ukraine war insofern<br />
hochinteressant, weil es sich dort um<br />
einen aktiven Konflikt handelt. Dort ist<br />
wirklich Krieg. Hinzu kommt, dass die<br />
OSZE ein hohes diplomatisch-politisches<br />
Schlaglicht wirft. Als OSZE-Monitor steht<br />
man dort sozusagen im Schaufenster.<br />
Jede Tätigkeit und Handlung könnte<br />
diplomatisch-politisch instrumentalisiert<br />
werden. Und demensprechend sensibel<br />
gilt es zu agieren.<br />
GUT GERÜSTET Die Sicherheit der<br />
Teilnehmer an Auslandseinsätzen ist<br />
oberstes Gebot. Und sie wollen als<br />
solche erkannt werden – wie etwa im<br />
Fall der UN-Missionen in Form der<br />
typischen blauen Kopfbedeckungen.<br />
bevölkerung ist ein großes Thema.<br />
Aber auch der Bereich Liaison Communication,<br />
der sich etwa mit der<br />
Informationsgewinnung zur Lage im<br />
jeweiligen Krisen- oder Konfliktgebiet<br />
in Form von Verbindungsteams<br />
zur ansässigen Bevölkerung befasst.<br />
„Wichtig ist aber auch, wie sich Soldaten<br />
bei Einsätzen generell zu verhalten<br />
haben. Das geht hin bis zur<br />
Mimik in bestimmten Situationen,<br />
um Missverständnisse auszuschließen“,<br />
erklärt Galavics die Sensibilität,<br />
die im Rahmen von Auslandsmissionen<br />
gefragt ist. „Falsches Verhalten<br />
kann als Provokation aufgefasst<br />
werden. Etwa wenn Soldaten<br />
im Einsatz fotografieren.“<br />
Die Auslandseinsatzbasis spielt aber<br />
auch eine wichtige Rolle, was die<br />
Logistik im Zusammenhang mit der<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
Ausrüstung der Soldaten für die<br />
Auslandsmissionen anbelangt. Je<br />
nach Art des Auslandseinsatzes ist<br />
eine Sonderausrüstung nötig, wie<br />
etwa der Militärbeobachter-Satz.<br />
Galavics: „Dieser beinhaltet unter<br />
anderem ein Wasserfiltergerät, einen<br />
Gaskocher, eine Hängematte, ein<br />
Feldbett und ein Moskitonetz.“ Auf<br />
dem Areal der Wallenstein-Kaserne<br />
befindet sich daher auch ein großes<br />
Lager für diese Ausrüstungsgegenstände<br />
– in diesem Gebäude erfolgt<br />
auch das Aushändigen der Sonderausrüstung<br />
vor dem Einsatz an die<br />
Soldaten, und hier werden die Gegenstände<br />
nach den Auslandseinsätzen<br />
im Zuge der Endadministration<br />
retourniert. Die Bündelung der vielfältigen<br />
Aufgaben von Ausbildung<br />
über die Logistik bis hin zu medizinischen<br />
und administrativen Belangen<br />
macht die Auslandseinsatzbasis<br />
zu einer Einrichtung, die international<br />
ihresgleichen sucht.<br />
Und die Auslandseinsatzbasis hat<br />
noch eine weitere inhaltliche Besonderheit<br />
zu bieten, die in den Bereich<br />
Kunst, Kultur und Musik fällt. Für<br />
die Auslandstruppen vor Ort werden<br />
regelmäßig bekannte Künstler in<br />
die Krisengebiete geflogen, die dort<br />
Auftritte für die Soldaten absolvieren.<br />
Koordiniert und administriert<br />
werden diese Aktivitäten ebenso von<br />
der Auslandseinsatzbasis aus.<br />
LOGISTISCHE DREHSCHEIBE Die Auslandseinsatzbasis besitzt auch eine logistische Komponente<br />
mit Sonderausrüstungsgegenständen. Neben der Bekleidung werden hier an die Soldaten<br />
auch Gegenstände wie Gaskocher, Hängematte, Feldbett und Moskitonetz ausgegeben.
0 4 2 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
EINMAL IMPFEN,<br />
BITTE!<br />
Knapp 1.000 österreichische Soldaten stehen aktuell<br />
im Auslandseinsatz – eine Frau kennt sie fast alle:<br />
Dr. Margot Puschl, ärztliche Leiterin des Instituts für<br />
International Medical Support und Impfchefin des<br />
Bundesheers. Text: CONNY DERDAK Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
A<br />
uslandseinsatz! Das<br />
stellt für die meisten<br />
Soldaten eine Ausnahmesituation<br />
dar. Monatelang<br />
fern der Heimat<br />
den Dienst unter anderen klimatischen<br />
Bedingungen in einer Krisenregion<br />
zu versehen ist eine Herausforderung,<br />
die nicht unterschätzt werden<br />
sollte. Die Vorbereitungen dafür dauern<br />
daher meist auch mehrere Monate,<br />
schließen Übungen ebenso mit ein wie<br />
unterschiedliche Tests und Gesundheitsuntersuchungen.<br />
Bei letzteren gilt<br />
es drei verschiedene Komponenten zu<br />
testen: Psychologie, Sport und Medizin.<br />
Während die beiden erstgenannten Bereiche<br />
anderswo abgeklärt werden, liegt<br />
alles medizinische in der Verantwortung<br />
von Dr. Puschl, ärztliche Leiterin<br />
des Instituts für International Medical<br />
Support & Impfzentrum (kurz: IMS).<br />
Bei ihr im Wiener Heeresspital lassen<br />
sich jedes Jahr rund 3.600 Soldaten,<br />
aber auch Polizisten auf ihre Auslandstauglichkeit<br />
testen und gegen die gängigsten<br />
gesundheitlichen Gefahren<br />
schützen. Auf dem Programm stehen<br />
Laboruntersuchungen, Innere Medizin<br />
inklusive EKG, ein Besuch beim HNO-,<br />
Augen- und Zahnarzt, beim Urologen<br />
und Dermatologen. „Die Eignung ist<br />
dann für drei Jahre gültig“, sagt Dr.<br />
Puschl im Gespräch mit Militär <strong>Aktuell</strong>.<br />
„Wir vergeben drei Kalküle: ,geeignet‘,<br />
,vorübergehend ungeeignet‘ oder<br />
,ungeeignet‘. Bei ,vorübergehend ungeeignet‘<br />
handelt es sich um kleinere<br />
Mängel, die in der Regel leicht zu beheben<br />
sind. Der Proband braucht etwa<br />
eine <strong>neu</strong>e Brille, muss einen Zahn<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
A U S L A N D S E I N S AT Z<br />
ALLTAG IM IMS Oben: Ein Besuch beim Augenarzt,<br />
ein EKG sowie das Abhören der Lunge<br />
lassen darauf schließen, ob ein Soldat fit für<br />
einen Auslandseinsatz ist. Unten: Dr. Margot<br />
Puschl und ihr Team, Offiziersstellvertreter Günther<br />
Schreiner (links) und Dr. Wolfgang Kroboth.<br />
plombieren oder einen Nierenstein entfernen<br />
lassen. Gänzlich ungeeignet sind<br />
nur weniger als ein Prozent aller, die zu<br />
uns kommen.“ Nicht nur bevorstehende<br />
mehrmonatige Einsätze fallen in Dr.<br />
Puschls Aufgabengebiet, sie führt auch<br />
täglich Kurzuntersuchungen durch.<br />
„Für Führungspersonal, das Konferenzen<br />
oder Kurse im Ausland besucht.<br />
Da reichen Anamneseerhebung, ein<br />
internistischer Status und ein EKG<br />
sowie die nötigen Impfungen.“<br />
Auslandseinsatz ist nicht gleich Auslandseinsatz.<br />
Oft weiß man bei der medizinischen<br />
Testung noch nicht, in welches<br />
Gebiet es den Soldaten verschlagen<br />
wird. Gibt es also ein Basispaket,<br />
das man allen künftigen Auslandsgehern<br />
pro forma impfen kann? „Nein“,<br />
sagt Dr. Puschl. „Alle Soldaten des Bundesheers<br />
verfügen nämlich ohnehin<br />
über einen aufrechten Impfschutz für<br />
den mitteleuropäischen Raum. Der<br />
wird durch weitere Impfungen ergänzt,<br />
sobald das Zielland bekannt ist.“ KIOP-<br />
Soldaten (Kräfte für internationale<br />
Operationen) haben stets einen aktuellen<br />
Impfstatus für alle Standardmissionen<br />
des Bundesheeres (im Kosovo, Libanon<br />
und in Bosnien) um bei Bedarf<br />
innerhalb weniger Tage in den Einsatzraum<br />
verlegt werden zu können. Noch<br />
besser geschützt sind die Kräfte des<br />
Jagdkommandos: Sie verfügen immer<br />
über einen weltweiten Impfschutz.<br />
„Ausnahmslos alle Impfungen, die für<br />
einen weltweiten Impfstatus erforder-<br />
lich sind, haben wir vorrätig“, erklärt<br />
Dr. Puschl. Das sind die Impfungen gegen<br />
Diphtherie-Tetanus-Polio-Pertussis,<br />
FSME, Hepatitis A & B, Masern-<br />
Mumps-Röteln, Meningokokken, Japan-<br />
Enzephalitis, Cholera, Tollwut, Typhus,<br />
HiB, Varizellen und P<strong>neu</strong>mokokken<br />
sowie die saisonale Influenzaimpfung.<br />
Auch die Gelbfieberimpfung, die nur an<br />
vom Gesundheitsministerium zertifizierten<br />
Stellen geimpft werden darf,<br />
erhalten die künftigen Auslandsgeher<br />
im Heeresspital. Fährt jemand etwa<br />
zu einem Auslandseinsatz nach Afrika,<br />
kommt er am IMS nicht vorbei. „Die<br />
Lebendimpfung gegen Gelbfieber gibt’s<br />
nur hier, sie darf in keiner anderen<br />
Truppenambulanz in ganz Österreich<br />
geimpft werden“, ergänzt Dr. Puschl.<br />
Egal, wohin die Soldaten geschickt werden,<br />
die Untersuchungen sind für alle<br />
gleich. „Lediglich die Impfungen und<br />
reisemedizinische Beratung sind individuell.<br />
In Ländern, in denen es Malaria<br />
und andere durch Mücken übertragbare<br />
Krankheiten gibt, ist es wichtig, nicht<br />
nur täglich die Malaria-Prophylaxe einzunehmen,<br />
sondern auch zu wissen, wie<br />
man sich schützt. Gegen Krankheiten<br />
wie Zika, Dengue oder Chikungunya<br />
gibt es keine Prophylaxe. Ganz wichtig<br />
ist es dann, Mückenschutz zu verwenden<br />
und zum Beispiel stehende Gewässer<br />
vor allem in der Dämmerung zu<br />
meiden“, warnt Dr. Puschl. Auch die<br />
Tollwut ist in vielen Einsatzgebieten,<br />
etwa am Balkan, noch ein großes Thema.<br />
Besonders freilaufende Hunde und<br />
Fledermäuse stellen ein Risiko dar, in<br />
den Tropen auch Affen. „Tollwut ist<br />
eine Erkrankung, die, wenn sie einmal<br />
ausgebrochen ist, zu hundert Prozent<br />
tödlich verläuft“, erklärt die ärztliche<br />
Leiterin. Kein Wunder also, dass die<br />
Impfung dagegen beim Bundesheer<br />
für Auslandseinsätze Standard ist.<br />
Immer auf dem <strong>neu</strong>esten Stand ist das<br />
IMS übrigens beim Thema „Medical<br />
Intelligence“. Dafür sorgt ein österreichischer<br />
Verbindungsoffizier bei der<br />
Deutschen Bundeswehr in München.<br />
Alle Infos über weltweite gesundheitliche<br />
Bedrohungen und medizinische<br />
Infrastrukturen meldet er regelmäßig<br />
nach Wien. Damit unsere Soldaten<br />
im Ausland bestens geschützt sind.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 4 H E E R & M E H R<br />
„Ich habe bereits<br />
Auslandseinsätze in<br />
Bosnien und im<br />
Kosovo hinter mir,<br />
zwei Mal war ich<br />
auf dem Golan.“<br />
Oberstabswachtmeister<br />
Marianne Fanninger<br />
DIE<br />
NOTFALL<br />
SANITÄTERIN<br />
Oberstabswachtmeister Marianne Fanninger ist Sanitäts-Unteroffizier im<br />
Sanitätszentrum Süd in Klagenfurt. Wir haben die Notfallsanitäterin und<br />
Krankenpflegerin einen Tag lang bei ihrer Arbeit begleitet.<br />
Text & Fotos: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
INTERVIEW<br />
„Meine Entscheidung, zum<br />
Heer zu gehen, war richtig!“<br />
TEAMARBEIT Bei Einsätzen ist ebenso wie bei Übungen<br />
(auf den Bildern zu sehen ist die Rettung eines verletzten<br />
Soldaten aus einer Haubitze M109 nach einem simulierten<br />
Unfall) die enge Zusammenarbeit mit Kameraden<br />
entscheidend. „Da muss jeder Handgriff sitzen, muss<br />
sich jeder auf den anderen verlassen können.“<br />
Oberstabswachtmeister Marianne Fanninger<br />
im Gespräch über ihre Anfangszeit<br />
beim Bundesheer, die schönen Seiten<br />
ihres Berufes und Auslandseinsätze.<br />
Warum haben Sie sich für eine Karriere<br />
beim Bundesheer entschieden?<br />
Ich wollte immer schon ins Ausland gehen,<br />
<strong>neu</strong>e Erfahrungen machen und die Welt<br />
kennenlernen. In meinem ursprünglichen<br />
Beruf als Altenpflegerin wäre das für mich<br />
aber nur bedingt möglich gewesen. Also<br />
kündigte ich im Jahr 2001 meinen Job und<br />
ging zum Bundesheer.<br />
Und beim Bundesheer konnten Sie sich<br />
den Traum vom Ausland erfüllen?<br />
Ja, ich kann heute auf Auslandseinsätze in<br />
Bosnien und Herzegowina sowie im Kosovo<br />
zurückblicken und ich war zwei Mal am<br />
Golan. Meine Entscheidung, zum Bundesheer<br />
zu gehen, war also goldrichtig.<br />
Was schätzen Sie an Ihrem Beruf?<br />
Die Abwechslung. Meine Arbeit ist zugleich<br />
spannend, herausfordernd und abwechslungsreich,<br />
die Verantwortung groß. Ich bin<br />
praktisch immer in Alarmbereitschaft und<br />
muss mein Wissen im Anlassfall auch unter<br />
Druck sofort abrufen können. Unsere Ausbildung<br />
ist dementsprechend hart und gut<br />
und für mich auch ein ganz wesentlicher<br />
Reiz an meinem Beruf. Durch die ständige<br />
Aus- und Weiterbildung lernt man immer<br />
Neues, bleibt dadurch frisch im Kopf.<br />
Wie waren Ihre ersten Eindrücke, als<br />
Sie eingerückt sind? War da für Sie<br />
gleich klar, dass Sie sich richtig<br />
entschieden haben?<br />
Das schon, definitiv. Aber natürlich war es<br />
anfangs ein Schritt ins Ungewisse. Damals<br />
waren noch nicht so viele Frauen wie heute<br />
beim Heer, ich begab mich in eine Männerdomäne<br />
und musste mich jeden Tag <strong>neu</strong><br />
beweisen, um anerkannt zu werden. Ich<br />
habe das aber als Herausforderung gesehen,<br />
wollte immer meinen Beitrag leisten, für<br />
mein Können und meine Leistungsbereitschaft<br />
anerkannt werden und das ist mir,<br />
glaube ich, ganz gut gelungen. Ich bin<br />
jedenfalls rundum zufrieden.<br />
AUFGABENGEBIET<br />
Zu den Tätigkeiten von Marianne<br />
Fanninger gehören auch Journaldienste<br />
als Krankenpflegerin<br />
beim Jägerbataillon 25 in der<br />
Khevenhüller-Kaserne. Zudem<br />
bildet sie Grundwehrdiener aus<br />
und hält Erste-Hilfe-Kurse.<br />
KAMERADSCHAFT<br />
„Dass der Zusammenhalt unter<br />
den Kameraden beim Bundesheer<br />
derart groß ist, hätte ich mir anfangs<br />
nicht gedacht“, sagt Marianne<br />
Fanninger. „Ich habe das aber<br />
sehr zu schätzen gelernt.“<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
WIR MÜSSEN UNS WE<br />
0 4 6 H E E R & M E H R<br />
Warum alle Fähnriche ein Auslandssemester<br />
machen sollen und was<br />
autonome Gefechtsfelder und<br />
künstliche Intelligenz mit der Zukunft<br />
der Theresianischen Militärakademie<br />
zu tun haben. Militär <strong>Aktuell</strong> hat<br />
Akademiekommandant Generalmajor<br />
Karl Pronhagl und Brigadier<br />
Jürgen Wörgötter, Leiter<br />
des Instituts 1 (Offiziersausbildung)<br />
zum Interview getroffen.<br />
Interview: STEFAN TESCH Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
Herr Generalmajor<br />
Pronhagl, im vergangenen<br />
Jahr wurden an<br />
der Militärakademie<br />
nur 23 Offiziere ausgemustert,<br />
aktuell<br />
befinden sich im ersten Jahrgang aber<br />
78 Fähnriche. Der Aufwärtstrend<br />
ist unübersehbar, oder?<br />
Pronhagl: Für den nächsten Jahrgang<br />
haben wir vom Ministerium sogar 105<br />
Plätze vorgegeben bekommen und ich<br />
glaube, dass wir uns auch in den nächsten<br />
Jahren auf diesem Niveau bewegen<br />
werden, es steht schließlich eine große<br />
Pensionierungswelle bevor.<br />
Wie schwierig ist es, dafür ausreichend<br />
Offiziersanwärter zu finden?<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N T E R V I E W<br />
EITER ENTWICKELN<br />
Wörgötter: Die Frage ist nicht nur, ob<br />
man genügend Offiziersanwärter bekommt,<br />
sondern auch, ob man ausreichend<br />
qualifizierte Anwärter gewinnen<br />
kann. Wir wollen daher für die jährlichen<br />
Auswahlverfahren so viele Bewerber<br />
wie möglich, um dann die besten<br />
abschöpfen zu können. Beim derzeit<br />
ersten Jahrgang war das Verhältnis Bewerber<br />
versus Studienplätze 131 zu 78.<br />
Viel erhoffen wir uns von der Schule für<br />
Führung und Sicherheit als Nachfolger<br />
des Militär-Realgymnasiums. Wenn<br />
wir damit bis zu 50 Bewerber mehr<br />
bekommen, wäre uns sehr geholfen.<br />
Pronhagl: Natürlich ist es schwer, ausreichend<br />
gute Bewerber zu bekommen,<br />
aber wir kämpfen um die klugen Köpfe.<br />
Augenblicklich bekommen wir dabei<br />
große Unterstützung aus dem Ressort<br />
und dem Heerespersonalamt, wo massiv<br />
– unter anderem auch über Social-<br />
Media-Kampagnen – das Zielpublikum<br />
für potenzielle Offiziersanwärter<br />
angeworben wird. Offensichtlich mit<br />
Erfolg, denn derzeit haben wir 250<br />
Mann in der Kaderanwärter-Ausbildung<br />
(kurz KAAusb).<br />
Die hat früher Einjährig-Freiwillig<br />
(EF) geheißen. Welche Unterschiede<br />
beobachten Sie bei der Qualität der<br />
Ausbildung?<br />
Pronhagl: Es ist noch zu früh, um<br />
darüber zu urteilen. Wir haben erst den<br />
zweiten Jahrgang aus der Kaderanwärterausbildung<br />
bei uns und die Meinungen<br />
sind unterschiedlich. Die einen<br />
sagen, früher war es mit EF besser,<br />
andere bevorzugen die KAAusb.<br />
Wie ist Ihre Meinung dazu?<br />
Pronhagl: Ich bin ein großer Freund<br />
desKAAusb-Modells. Damit können<br />
wir Soldaten sagen, „nach 18 Monaten<br />
bist du Wachmeister“. Das war früher<br />
nicht so klar geregelt.<br />
Musste man hinsichtlich KAAusb am<br />
Curriculum des Studienganges etwas<br />
aktualisieren?<br />
Wörgötter: Nein. Ich finde die Qualität,<br />
die wir bekommen, durchaus vergleichbar<br />
mit EF. Die Heerestruppenschule<br />
macht eine sehr gute Arbeit. Schade<br />
ist, dass der Begriff EF langsam am<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 8 H E E R & M E H R<br />
Verschwinden ist. Das war immer eine<br />
Art Benchmark, die man vielleicht<br />
reaktiveren sollte. Allerdings bemerken<br />
wir zusehends – aber das ist nicht dem<br />
Militär geschuldet –, dass die körperliche<br />
Fitness abnimmt. Und auch die<br />
Kenntnisse über die deutsche Sprache<br />
sind nicht sonderlich gut. Wenn<br />
ich mir so manche Seminararbeit anschaue,<br />
frage ich mich, ob manche die<br />
Matura geschenkt bekommen haben.<br />
Das sind Qualitätsunterschiede zu<br />
Jahren davor und in diesem Bereich<br />
müssen wir unbedingt nachjustieren.<br />
Wird ab jetzt an der Militärakademie<br />
also auch Rechtschreibung gelehrt?<br />
Wörgötter: Nein, aber ich lege Wert auf<br />
korrekte Rechtschreibung. Und wenn<br />
jemand eine Arbeit mit mangelhafter<br />
Rechtschreibung abgibt, dann wird sie<br />
entsprechend schlecht bewertet oder<br />
sogar gänzlich abgelehnt und eine Neubearbeitung<br />
beauftragt. Jeder Computer<br />
hat doch ein Rechtschreibprogramm.<br />
Es kann nicht sein, dass eine<br />
angehende Führungskraft das Rechtschreibtool<br />
auf seinem Computer nicht<br />
verwendet.<br />
Seit 2007 wird an der Militärakademie<br />
der Studentenaustausch mit<br />
ausländischen Akademien gepflegt,<br />
sozusagen das „militärische Erasmus“.<br />
Welchen Nutzen bringt das<br />
den Fähnrichen?<br />
Wörgötter: Einer unserer Hauptaufträge<br />
lautet „Ausbilden für den Einsatz“. Die<br />
fertigen Offiziere gehen alle innerhalb<br />
eines Jahres in den Einsatz, entweder<br />
Auslandseinsatz oder in den Assistenzeinsatz.<br />
Und dabei operiert das Bundesheer<br />
oft Seite an Seite mit zivilen<br />
Partnern, mit NGOs und mit anderen<br />
Armeen. Wir müssen daher die Führungskräfte<br />
in Richtung Cultural Awareness<br />
ausbilden, damit sie Konflikte<br />
verstehen und mit anderen Akteuren<br />
Krisen richtig managen. Gerade in Auslandseinsätzen<br />
ist die Interoperabilität<br />
mit anderen Armeen essenziell. Und<br />
das kann ich nur ausbilden, indem wir<br />
an der Militärakademie „Go International“<br />
leben. Wir haben die Erfahrung<br />
gemacht, dass jene Studenten, die im<br />
Ausland waren, sich in der Ausbildung<br />
besser entwickeln als jene, die nicht im<br />
Ausland waren. Das hat gar nichts mit<br />
BRIGADIER JÜRGEN WÖRGÖTTER, LEITER DES INSTITUTS 1 (OFFIZIERSAUSBILDUNG) „Wir bieten<br />
künftigen Führungskräften hier eine möglichst breite Plattform, damit sie sich in Zukunft entwickeln können!“.<br />
dem Militärischen zu tun, das ist in der<br />
gesamten Hochschullandschaft der Fall.<br />
Es gehen aber nicht nur österreichische<br />
Fähnriche für ein paar Monate<br />
nach Polen, Tschechien, Deutschland<br />
sowie in die USA, sondern es<br />
kommen auch Kadetten von diesen<br />
Staaten an die Militärakademie. An<br />
welchen Schrauben hat man im Haus<br />
drehen müssen, um ausländische<br />
Kadetten unterrichten zu können?<br />
Pronhagl: Größtenteils geht es einfach<br />
um den Willen, es zu tun. Die Organisation<br />
hinter dem europäischen Kadettenaustauschprogramm<br />
„EMILYO“ (Anm.:<br />
European Initiative for the Exchange of<br />
young Officers) unterstützt massiv.<br />
Wörgötter: Gegenseitige Anerkennung<br />
ist die wesentliche Stellschraube. Wir<br />
vertrauen uns gegenseitig Kadetten an<br />
und rechnen ihnen ECTS (Anm.: European<br />
Credit Transfer and Accumulation<br />
System) an. Das heißt, wir müssen im<br />
Curriculum der anderen Akademien<br />
prüfen, ob das für uns stimmig ist.<br />
Schließlich erkennen wir ja die Inhalte<br />
dieser Akademien an. Es war schon eine<br />
große Aufgabe, gemeinsame Module<br />
wie beispielsweise Völkerrecht und<br />
Politikwissenschaft zu entwickeln<br />
und die Rahmen der Akkreditierung<br />
anzuerkennen.<br />
Parallel zu dem bereits seit Jahren<br />
gelebten Austauschprogramm gibt es<br />
aktuell auch ein Ausbildungsprojekt<br />
mit Bosnien. Was steckt da dahinter?<br />
Pronhagl: In Bosnien gibt es keine Offiziersschule<br />
für eine einheitliche Ausbildung.<br />
Ein Teil der Offiziere bekommt<br />
daher seine Ausbildung in Kroatien, ein<br />
anderer Teil in der Türkei, ein weiterer<br />
Teil in Serbien und nun haben wir aktuell<br />
zehn bosnische Soldaten in der KAAusb,<br />
die heuer im ersten Jahrgang an der Militärakademie<br />
beginnen werden. Österreich<br />
unterstützt damit die Offiziersausbildung<br />
in Bosnien. Das ist kein bilaterales<br />
Austauschprogramm. Das Ressort<br />
hat schon ein bisschen Geld dafür in die<br />
Hand genommen, um der bosnischen<br />
Armee zu helfen.<br />
Kommen wir wieder zurück nach<br />
Österreich. Wolfgang Baumann, Generalsekretär<br />
im Verteidigungsministerium,<br />
hat im Interview mit Militär<br />
<strong>Aktuell</strong> im vergangenen Oktober erklärt,<br />
dass künftig 15 Plätze an der<br />
Militärakademie für Unteroffiziere<br />
reserviert sein sollen. Was bedeutet<br />
das konkret?<br />
Wörgötter: Die Möglichkeit, als Unteroffizier<br />
an der Militärakademie zu studieren,<br />
hat es grundsätzlich immer schon<br />
gegeben. Wer fünf Jahre Berufsunteroffizier<br />
ist, kann den Antrag auf einen<br />
sechsmonatigen Ausbildungslehrgang<br />
mit abschließender Zulassungsprüfung<br />
zum Studiengang „Militärische Führung“<br />
stellen. Eine Matura light quasi.<br />
Wenn das positiv ausfällt, dann dürfen<br />
Unteroffiziere sich dem Aufnahmeverfahren<br />
an der Militärakademie stellen.<br />
Ich begrüße, dass Generalsekretär Baumann<br />
diese Möglichkeit für Unteroffiziere<br />
nun hervorhebt, denn aus meiner<br />
Sicht muss das noch viel bekannter<br />
werden.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N T E R V I E W<br />
Die Frauenquote an der Militärakademie<br />
liegt aktuell bei elf Frauen unter<br />
rund 160 Studenten. Wie viel Luft ist<br />
diesbezüglich nach oben?<br />
Pronhagl: Bis dato haben wir 32 Frauen<br />
ausgebildet. Definitiv ist da noch viel<br />
Potenzial, wo wir uns weiterentwickeln<br />
müssen. Uns fehlt es an ausreichend<br />
„Role Models“ im Haus, also Frauen in<br />
verantwortungsvollen Positionen. Ein<br />
paar gibt es zwar schon, aber es müssen<br />
noch mehr werden.<br />
Die geopolitische und sicherheitspolitische<br />
Lage ändert sich ständig. Wie<br />
reagiert man an der Militärakademie<br />
darauf?<br />
Wörgötter: Wir bieten künftigen Führungskräften<br />
eine möglichst breite Plattform,<br />
damit sie sich in Zukunft entwickeln<br />
können. Wichtig dabei ist, dass<br />
Unterrichtsfächer nicht alleine stehen,<br />
sondern immer „in den Einsatz hineinreichen“<br />
und vernetzt unterrichtet<br />
werden. Zum Beispiel: Wenn wir in Geschichte<br />
über den Einsatz der britischen<br />
Armee in Falludscha im Irak sprechen,<br />
dann stellen wir die Verbindung zu unserer<br />
Taktikausbildung her und vergleichen<br />
sie mit den Briten. Wir ziehen<br />
Rückschlüsse aus den Fehlern der Briten<br />
auf unsere Ausbildung.<br />
Prozent der Änderung nehme ich von<br />
Jahr zu Jahr vor, um am Puls der Zeit zu<br />
bleiben. Kleine Änderungen sind also<br />
schon morgen umgesetzt. Wenn es aber<br />
militärstrategisch notwendig ist, einen<br />
Richtungswechsel einzuleiten, dann<br />
dauert das bis zu zwei Jahre.<br />
An der Militärakademie gibt es<br />
neben den Instituten für Offiziersausbildung<br />
und Offiziersweiterbindung<br />
auch die sogenannte Entwicklungsabteilung.<br />
Sie stellt die Forschungseinrichtung<br />
dar. An welchen<br />
Projekten arbeitet man dort aktuell<br />
gerade?<br />
Pronhagl: Wir befassen uns mit dem<br />
Amt für Rüstung und Wehrtechnik mit<br />
dem Thema „autonomes Gefechtsfeld“.<br />
Die Frage ist, wie funktionieren automatisierte<br />
Verbände, dazu gehören unter<br />
anderem Drohnen und Roboter. Anhand<br />
von Simulation erforschen wir,<br />
was man von diesem Zukunftsthema erwarten<br />
kann. Gerade in der künstlichen<br />
Intelligenz liegt sehr viel Potenzial, aber<br />
wir befinden uns noch am Beginn dieser<br />
Entwicklung.<br />
Wie lange dauert es, bis eine <strong>neu</strong>e<br />
Erkenntnis beim Fähnrich ankommt?<br />
Wörgötter: Das Curriculum muss sich<br />
ständig weiterentwickeln. Zehn bis 15<br />
GENERALMAJOR KARL PRONHAGL, KOMMANDANT DER THERESIANISCHEN MILITÄRAKADEMIE<br />
„Ich bin ein großer Freund desKAAusb-Modells. Damit können wir Soldaten sagen, ,nach 18 Monaten bist du Wachmeister‘.<br />
Das war früher nicht so klar geregelt.“
0 5 0 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
BUNTES BILD Insgesamt<br />
35 ausländische Kadetten<br />
absolvierten zuletzt einen<br />
Teil ihrer Ausbildung an der<br />
Militärakademie in Wiener<br />
Neustadt und lernten dort<br />
gemeinsam mit ihren österreichischen<br />
Kameraden.<br />
KADETTEN<br />
TAUSCH<br />
Nicht nur die Fähnriche der Militärakademie absolvieren ein Auslandssemester, es<br />
kommen auch Kadetten aus acht Nationen zum Austausch nach Wiener Neustadt.<br />
Damit sollen die jungen Soldaten auf internationale Missionen vorbereitet werden.<br />
Text: STEFAN TESCH<br />
Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
o viele unterschiedliche<br />
Uniformen an der<br />
S<br />
Militärakademie sind<br />
für Außenstehende ein<br />
seltenes Bild. Für die<br />
Fähnriche aber Teil des<br />
Studentenalltages. Als Militär <strong>Aktuell</strong><br />
zu Besuch an der Militärakademie ist,<br />
sitzen mit den Studenten des Jahrgangs<br />
„Freiherr von Reischach“ 35 ausländische<br />
Kadetten im Lehrsaal und lauschen<br />
dem Vortrag über weltweite<br />
internationale Missionen. Rund 140<br />
Offiziersansänwärter aus acht Ländern<br />
– darunter Griechenland, Italien,<br />
Rumänien, Ungarn und die USA – verbringen<br />
aktuell drei Monate in Wiener<br />
Neustadt. Praktiziert wird diese internationale<br />
Vernetzung seit 2007, unter<br />
anderem gestützt durch das europäische<br />
Austauschprogramm EMILYO<br />
(European Initiative for the Exchange<br />
of young Officers), dem „Erasmus“ für<br />
Kadetten.<br />
Im Gegenzug verbringen alle österreichischen<br />
Offiziersanwärter im vierten<br />
oder fünften Semester ein Quartal an<br />
ausländischen Offiziersschulen, vorwiegend<br />
in den USA, in Deutschland,<br />
Frankreich, Tschechien und Polen.<br />
Dabei lernen sie nicht Gefechtstechnik<br />
oder militärische Führung, sondern<br />
Fächer wie Politikwissenschaft, Crisis<br />
Management, Völkerrecht sowie<br />
Fremdsprachen. Das macht die Inhalte<br />
zwischen den Akademien wechselseitig<br />
anrechenbar.<br />
Und auch sonst können die Kadetten<br />
bei ihren Auslandsaufenthalten viel<br />
lernen, wie uns Pawal Bezubik, Levente<br />
Kovács und Jason Brodeur aus Polen,<br />
Ungarn und den USA (siehe Interviews<br />
auf der rechten Seite) erählen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
M I L I TÄ R A K A D E M I E<br />
Jason Brodeur (20), USA<br />
Warum haben Sie Österreich für Ihr Austauschsemester<br />
gewählt?<br />
Ich befinde mich im dritten Jahr in Westpoint und<br />
studiere dort Business Management und Deutsch.<br />
Während meiner Zeit in Österreich möchte ich<br />
unter anderem meine Deutschkenntnisse verbessern.<br />
Das funktioniert gut, viele Unterrichtsein -<br />
heiten mache ich mit den österreichischen<br />
Offiziersanwärtern auf Deutsch, etwa Geländeanalyse.<br />
Nächstes Jahr muss ich in den USA<br />
meine Waffengattung wählen, ich möchte<br />
Hubschrauberpilot werden.<br />
Worin unterscheidet sich die Offiziersausbildung<br />
in den USA und in Österreich?<br />
Die Militärakademie in Wiener Neustadt ist viel<br />
kleiner, familiärer und historischer als Westpoint.<br />
Ich habe das Gefühl, die Menschen hier agieren<br />
mit sehr viel Selbstdisziplin und Verantwortung,<br />
denn die Kadetten haben wesentlich mehr Freiraum<br />
als in den USA. Wir dürfen etwa jeden Tag<br />
die Akademie nach Ende des Unterrichts verlassen<br />
und haben am Wochenende frei. In Westpoint<br />
ist das anders: nach dem Unterricht sitzen alle<br />
in ihren Zimmern und lernen. An den meisten<br />
Wochenenden dürfen wir die Akademie nicht<br />
verlassen. In puncto Unterricht wechseln in<br />
Wiener Neustadt die Themen von Woche zu<br />
Woche. in Westpoint haben wir die Fächer<br />
das ganze Semester lang.<br />
Pawel Bezubik (22), Polen<br />
An welcher Akademie studieren Sie in<br />
Polen?<br />
Nach einem Gap Year bin ich zu den Landstreitkräften<br />
gegangen und studiere jetzt im<br />
dritten Jahr in Breslau. Wenn ich fertig bin,<br />
möchte ich Kommandant eines Aufklärungs -<br />
zuges werden. Soldat zu sein ist für mich ein<br />
Abenteuer. Es ist ein Job, der nie langweilig ist.<br />
War es für Sie schwer, einen Platz im Austauschprogramm<br />
zu bekommen?<br />
In meinem Jahrgang in Polen sind wir etwa 200<br />
Personen, davon dürfen aber nur die besten<br />
50 an einem Austauschprogramm teilnehmen.<br />
Wir mussten dafür ein Auswahlverfahren<br />
machen und eine Prüfung in Englisch ablegen.<br />
Ich möchte an der österreichischen Militärakademie<br />
mein Englisch noch weiter verbessern,<br />
denn alle Unterrichtseinheiten sind auf Englisch<br />
und die Vortragenden sprechen diese<br />
Sprache sehr gut. Manche Inhalte machen wir<br />
gemeinsam mit österreichischen Kadetten,<br />
etwa „Law of armed Conflicts“. Aber es gibt<br />
auch Themen, die nur für die Austausch-Studenten<br />
unterrichtet werden. Englisch ist für<br />
mich als angehenden Offizier wichtig, denn<br />
unsere Armee operiert in vielen internationalen<br />
Einsätzen zusammen mit anderen Streitkräften.<br />
Da muss man auf Englisch<br />
kommunizieren können.<br />
Levente Kovács (21), Ungarn<br />
Wo studieren Sie und wie sieht Ihre militärische<br />
Karriere aus?<br />
Ich bin Kadett an der Universität für Public Services<br />
in Budapest und befinde mich im zweiten<br />
von vier Jahren bis zum Leutnant. Ich möchte<br />
Aufklärer werden, weil mich diese Waffengattung<br />
am meisten interessiert. Dort gehören<br />
viele spannende Bereiche zum Alltag und zur<br />
Ausbildung, beispielsweise Fallschirmspringen.<br />
Das ist genau meines, ich liebe Action.<br />
Wie unterscheidet sich die österreichische<br />
Militärakademie von jener in Ungarn?<br />
Der Unterricht an der Militärakademie in Wiener<br />
Neustadt ist für mich interessant, weil hier<br />
sehr viel Aktivität und Diskussion unter den<br />
Offiziersanwärtern herrscht. Bei uns in Ungarn<br />
sind wir über 100 Studenten und der Unterricht<br />
erfolgt in den meisten Fällen frontal. Hier<br />
arbeiten wir außerdem oft in kleinen Gruppen<br />
zusammen. In Österreich hat das System außerdem<br />
nicht so strikte Regeln wie in Ungarn,<br />
aber trotzdem gibt es Disziplin und Respekt.<br />
So können wir zum Beispiel individuell zum<br />
Essen gehen. In Ungarn passiert das alles in<br />
Formation und im Schritt und wir haben nur<br />
wenig Zeit zum Essen. Übrigens ist das Essen<br />
an der Militärakademie gut und man hat drei<br />
Mal pro Tag ein Buffet, wo man so viel essen<br />
kann, wie man will.
0 5 2 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
MIT JOYSTICK & COMPUTER:<br />
ÜBUNG FÜR DEN ERNSTFALL<br />
Der Führungssimulator an der Militärakademie in Wiener Neustadt ermöglicht<br />
nicht nur Soldaten, sondern auch Polizisten und zivilen Behörden das Üben<br />
kniffliger Führungsaufgaben im Trockentraining. Text: STEFAN TESCH Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
VOM PLAN ZUR ACTION Die Regie spielt unterschiedlichste<br />
Szenarien wie vorrückende feindliche Panzer oder<br />
eingestürzte und damit unpassierbare Brücken ein (Bilder<br />
links und oben), die Übungsteilnehmer müssen darauf<br />
reagieren und führen per Funk ihre Einheiten.<br />
K<br />
ampfpanzer bei<br />
Deutsch-Brodersdorf<br />
gesichtet“, lautet der<br />
Funkspruch. Der Aufklärungszugskommandant<br />
zieht seine<br />
Fahrzeuge zügig ab. Aber nicht im Gelände<br />
mit Sturmgewehr und Feldstecher,<br />
sondern im Keller der Militärakademie<br />
per Joystick am Computer. Er ist<br />
eines von vielen kleinen Zahnrädchen,<br />
die bei dieser Simulatorübung ineinandergreifen.<br />
Was ihm sein Kompaniekommandant<br />
weitergibt, entsteht weiter<br />
oben. Im wahrsten Sinne des Wortes,<br />
denn der Bataillonsstab befindet<br />
sich im Containerdorf am hallenartigen<br />
Dachboden desselben Gebäudes. Dort<br />
üben gerade angehende Stabsoffiziere,<br />
wie es im Stab unter Stress und blitzschnellen<br />
Lageentwicklungen zugehen<br />
kann. Sie sind die einzigen in dieser<br />
virtuellen Übung, die ihre Karten auf<br />
Basis der Lageentwicklung über Funk<br />
führen müssen. Alle anderen Ebenen,<br />
darunter Brigaden und Kompanien,<br />
haben eine „Echtzeit-Ansicht“ über<br />
Bildschirme. Das ist nämlich das Wesen<br />
dieses Führungssimulators. Es gilt<br />
herauszufinden, wie gut Verbände, Einheiten<br />
und Teileinheiten zusammenspielen,<br />
wie präzise die Meldungen zu<br />
Bewegung und Standort durchgegeben<br />
werden. Der Simulator deckt Abweichungen<br />
zwischen der „Echtzeit-Ansicht“<br />
und der mit Folienstift mitgezeichneten<br />
Lagekarte sofort auf.<br />
Erst im vergangenen Jahr wurde der<br />
Führungssimulator einem technischen<br />
Facelift unterzogen. Er kann seitdem<br />
von bis zu 400 Übungsteilnehmern<br />
„bespielt“ werden, vom Brigadekommandanten<br />
bis zum Trupp. Genauso<br />
nutzen ihn die Polizei und zivile Einsatzkräfte<br />
wie die Krisenstäbe der<br />
Bezirkshauptmannschaften. Ein „gern<br />
gespieltes“ fiktives Szenario ist der<br />
Besuch des russischen Präsidenten<br />
Wladimir Putin, der anlässlich eines<br />
Eishockeyspiels eine Stippvisite nach<br />
Österreich macht. Es lassen sich aber<br />
auch Naturkatastrophen und Ausnahmezustände<br />
am Führungssimulator<br />
durchspielen. Vom Kampfpanzer an<br />
der burgenländischen Leitha bis zur<br />
eingestürzten Brücke an der Drau –<br />
das Regieteam versetzt durch Videos<br />
und Bilder aus dem Archiv die übenden<br />
Einsatzkräfte möglichst realitätsnah<br />
in die Situation. Und das kommt bei<br />
der Truppe gut an, der Führungssimulator<br />
in Wr. Neustadt ist daher ebenso<br />
wie der zweite Führungssimulator in<br />
der Kuenringer-Kaserne in Weitra fast<br />
das ganze Jahr über in Verwendung.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
The Mortar Company.<br />
60MM KOMMANDO SYSTEM<br />
Das 60mm Kommandowerfer-System von Hirtenberger Defence Systems (HDS) ist ein<br />
Vorderlader-Steilfeuersystem, ausgelegt für Kommandooperationen im Kaliber 60mm, bestehend<br />
aus dem Waffensystem, einer umfassende Munitionsfamilie mit High Explosive, verschiedenen<br />
Rauchtypen sowie sichtbarer und IR-Beleuchtungsmunition und digitalem sowie analogem Richtmittel.<br />
Das hochmobile Waffensystem mit einer Reichweite von 2.3 km und einem Gewicht<br />
von 6.5 kg bietet eine massive Verstärkung der Bewaffnung einer Infanteriegruppe.<br />
Das umfangreiche Leistungsprofil der Waffe wird durch das elektronische Richtmittel, bekannt als GRid<br />
Aiming Mode (GRAM), revolutioniert, da der Schütze damit auch Ziele ohne direkte ‚ Sichtverbindung<br />
bekämpfen kann. Weiters wird das Waffensystem durch den <strong>neu</strong>en Zielvorgang mittels digitaler Zielvorgabe<br />
präziser im Ziel und reduziert dadurch den Munitionsverbrauch und im Weiteren auch den Trainingsaufwand.<br />
hds.hirtenberger.com
0 5 4<br />
S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
Am 21. Februar ist in Abu Dhabi mit der IDEX die größte Rüstungsmesse des Nahen und Mittleren Ostens mit einem Rekordauftragsvolumen<br />
von rund fünf Milliarden Euro zu Ende gegangen. Dabei bestätigte sich ein schon länger anhaltender Trend zur<br />
Wertschöpfungs-Verlagerung in den arabischen Raum. Die Rüstungsindustrien der VAE und Saudi-Arabiens stellen – autonom<br />
oder in Joint Ventures mit Weltmarktführern – einen immer größer werdenden Teil der von den nationalen Streitkräften benötigten<br />
Güter selbst her. Besonders umtriebig sind dabei französische (Naval und Dassault) sowie US-Konzerne (Boeing, Raytheon<br />
und viele andere), zunehmend ins Hintertreffen gerät die deutsche Konkurrenz. Grund dafür: Berlin steht Rüstungsgeschäften in<br />
der Region nicht erst seit dem „Fall Khashoggi“ ablehnend gegenüber, viele Länder weichen mit ihren Aufträgen daher auf andere<br />
Staaten aus. So zum Beispiel Saudi-Arabien: Um den verhängten Exportstopp für bereits bestellte Schiffe zu umgehen, kauft die<br />
saudische Marine nun Korvetten bei der staatlichen spanischen Werft Navantia. Da Berlin das Angebot von BAE Systems über<br />
48 weitere Eurofighter für Saudi-Arabien blockiert – ein Anteil in der dazu gewünschten Meteor-Lenkwaffe stammt von Bayern-<br />
Chemie – wird nun auch das von Deutschland und Frankreich gemeinsam geplante Kampflugzeug der 6. Generation hinterfragt.<br />
Ein hoher französischer Offizier meinte gegenüber Militär <strong>Aktuell</strong> jedenfalls: „Unter diesen Voraussetzungen wird das wenig<br />
Sinn machen.“ Angela Merkel wurde Tage später in Sharm el Sheik genau darauf medial angesprochen – mit vager Reaktion.<br />
IM FOKUS<br />
DER KONZERN<br />
IM ÜBERBLICK<br />
3.000<br />
Mitarbeiter<br />
rund 1 Mrd. Euro<br />
Umsatz (2017)<br />
Top-Produkte<br />
Fahrzeuge Maverick,<br />
Mbombe, Matador<br />
und Marauder sowie<br />
Flugzeug Mwari.<br />
PARAMOUNT GROUP<br />
Das größte private afrikanische Sicherheits- und Rüstungsunternehmen mit Hauptsitz in Sandton (Südafrika),<br />
Niederlassungen auf fünf Kontinenten sowie Fertigungen in Jordanien, Kasachstan und Aserbaidschan<br />
wurde vor allem durch seine Allschutzfahrzeuge Maverick, Mbombe (4-, 6- und 8-Rad, siehe Bild) Matador<br />
und Marauder bekannt. Darüber hinaus ist das<br />
Unternehmen aber auch im Marine- und Luftsektor<br />
aktiv. Seine modernisierten Mi-24G Super Hind fliegen<br />
beispielsweise in Algerien und Aserbaidschan,<br />
das leichte Aufklärungs- und Kampfflugzeug Mwari<br />
hat bereits Produktionsstatus für bislang nicht genannte<br />
Kunden erlangt und wird als Bronco auch<br />
von Boeing unterstützt. Paramount nutzt das in Südafrika<br />
vorhandene Know-how <strong>neu</strong>erdings auch für<br />
die Bereitstellung von mehr als 50 ex-spanischen<br />
sowie ex-französischen Mirage F.1 für die US-Feinddarsteller-Firmen<br />
Attac und Draken.<br />
FOTO S : G E O R G M A D E R , PA R A M O U N T<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
„DER 429 WÄRE PERFEKT GEEIGNET“<br />
SAMEER A.<br />
REHMAN<br />
ist Regionalmanager<br />
von<br />
Bell-Textron<br />
Im Rahmen der Bahrain-Airshow konnte Militär<br />
<strong>Aktuell</strong> mit einem der Konzern-Regionalmanager<br />
von Bell-Textron über die in Österreich geplante<br />
Hubschrauberbeschaffung und den dabei<br />
diskutierten Bell-429 sprechen.<br />
Herr Rehman, wie ist der aktuelle Status des Bell-429?<br />
Wir konnten bis jetzt mehr als 300 Stück des 429 ausliefern,<br />
die es inzwischen auf rund 330.000 Flugstunden<br />
gebracht haben. Alleinstellungsmerkmale sind die<br />
fortschrittliche Technologie, ein vierachsiger Autopilot<br />
und ein sehr leistungsfähiges P&W-207-Triebwerkspaket.<br />
Die Maschine kann mit Seilwinde, Hecktüren und<br />
einer Vielzahl kundenspezifischer Ausrüstung konfiguriert<br />
werden. Am wichtigsten ist jedoch, dass es sich<br />
dabei um einen vollständig IFR-tauglichen Hubschrauber<br />
handelt, der von nur einem Piloten unter Instrumentenflugbedingungen<br />
der Kategorie A und mit<br />
einem integrierten Avionik/Bildschirmcockpit sicher<br />
bedient werden kann.<br />
kanadische Küstenwache verwendet eine Mischung aus<br />
429 und 412 unter extremen klimatischen Bedingungen.<br />
Wie der 407 ist der 429 aber im Grunde eine zivile Plattform.<br />
Das stimmt, aber wie schon der 407, der etwa bereits im Irak<br />
flog und aktuell bei den VAE im Einsatz ist, kann auch der<br />
429 dafür ausgerüstet werden. Er war eigentlich immer für<br />
mehrere Missionen konzipiert, nicht nur für Konzernführungen,<br />
sondern auch für die Polizei, Küstenwache und<br />
andere Bereiche. Die heutige Flotte ist eine Mischung aus<br />
Corporate-, Parapublic- und ein wenig militärischer Nutzung.<br />
Die australische Marine nützt den 429 beispielsweise<br />
als Trainingshubschrauber.<br />
Welche Länder verwenden sonst noch den 429?<br />
Nennen kann man auch die indonesische Polizei, die<br />
schwedische Nationalpolizei, die Philippine Police, die<br />
Royal Thai Police, das NYPD, die türkische Jandarma, die<br />
slowakische Polizei (siehe Foto) sowie das Militär von<br />
Jamaika. Und natürlich haben wir auch ein Konzept für<br />
eine pur militarisierte Version. Sollte man das kundenseitig<br />
konkret nachfragen, werden wir das in jedem Fall anbieten<br />
und abdecken können.<br />
In Österreich würde der 429er die 50 Jahre alte Alouette<br />
III ersetzen. Neben vollem IFR sind dabei aus topografischen<br />
Gründen auch zwei Triebwerke Grundvoraussetzung.<br />
Das ist uns bewusst und kein Problem, der 429 wird<br />
exakt in so einem Umfeld bereits betrieben – von der<br />
Schweizer Flugrettungsfirma Air Zermatt. Auch die
0 5 6 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
WELCHE TRAINER<br />
KOMMEN NUN INFRAGE?<br />
Analyse: GEORG MADER<br />
Mit 1. Jänner 2021 erfolgt eine Zäsur in der rot-weiß-roten Luftraumüberwachung:<br />
Spätestens dann müssen die Saab-105Ö außer Dienst gestellt werden.<br />
Nachfolgekandidaten gäbe es einige, ein Typenentscheid ist so schnell aber<br />
nicht zu erwarten – zuerst will man die Eurofighter-Zukunft geklärt haben.<br />
E<br />
igentlich wollte man<br />
die Entscheidung spätestens<br />
mit Ende des<br />
vergangenen Jahres<br />
getroffen haben – wie<br />
es mit der Luftraumüberwachung<br />
in Österreich weitergeht,<br />
steht aber auch heute noch in<br />
den Sternen. Laut Bundeskanzler<br />
Sebastian Kurz sollten – bevor man<br />
sich auf Typen und Ausrichtung festlege<br />
– jedenfalls der Ausgang des<br />
dritten Eurofighter-U-Ausschusses<br />
und die 2017 begonnen Gerichtsverfahren<br />
abgewartet werden. Nachdem<br />
der Ausschuss bereits Ladungen bis<br />
September verschickt hat und wohl<br />
auch die Auseinandersetzung vor<br />
Gericht eher länger als kürzer dauern<br />
wird, ist mit keiner zeitnahen Entscheidung<br />
zu rechnen. Für den Weiterbetrieb<br />
der rot-weiß-roten Abfangjägerflotte<br />
ist diese aber auch nicht<br />
zwingend notwendig. Bis zum Ja oder<br />
Nein für einen möglichen Ersatz (Kostenpunkt<br />
zumindest zwei Milliarden<br />
Euro) kann der Eurofighter problem-<br />
BAE HAWK<br />
Der britische Klassiker flog erstmals 1974 unter dem Namen Hawker Siddeley HS 1182 und ist heute noch weltweit in 19 Luftwaffen im<br />
Einsatz. Mit mehr als 600 Stück (nicht mitgezählt die rund 200 Stück der US Marine-Trainingsversion T-45 Goshawk) ist der leichte<br />
Strahltrainer ein bewährtes Muster, das auch als Luftnahunterstützungsflugzeug verwendet werden kann und sich mit den „langnasigen“<br />
100er-Serien sowie in der RAF-Version Hawk T.2 als durchaus zeitgemäßes und grundsolides Ausbildungssystem samt Simulationsanteil<br />
präsentiert. Auf Letzterem trainieren unter anderem die angehenden britischen Eurofighter-Piloten. Flugeigenschaften und<br />
Manövrierbarkeit erlauben Pilotenschülern sämtliche Flugmanöver, die auch auf Kampfflugzeugen möglich sind. Obwohl die Hawk<br />
regulär nur im Unterschallbereich fliegt, ist die Konstruktion bis maximal Mach 1,2 ausgelegt. Damit kann im Bahnneigungsflug zumindest<br />
der Übergang in den Überschallbereich erfahren werden. Weltweit bekannt ist das Muster auch durch das Kunstflugteam der<br />
RAF, die Red Arrows, die seit 1980 <strong>neu</strong>n rote Hawks fliegen. Zudem setzen auch die finnischen Midnight Hawks und die Saudi Hawks<br />
auf den Typen. Gegenüber dem Autor äußerten Vertreter von BAE-Systems übrigens die Überlegung,<br />
dass der Ankauf von zehn Stück Hawk T.2 mit einer österreichischen Teilhabe am (durchaus erfolgreichen)<br />
RAF-Kostensenkungsprogramm „TyTan“ für den Eurofighter einhergehen könnte.<br />
FOTO S : M A D E R , H E R ST E L L E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
S A A B - 1 0 5 Ö - N A C H F O L G E<br />
los mehrere Jahre in der Luft gehalten<br />
werden. Der EADS-Spross zählt<br />
allen Unkenrufen zum Trotz nach<br />
wie vor zu den besten Kampfjets der<br />
Welt und um so wie heute weiter betrieben<br />
zu werden, ist bis 2021 lediglich<br />
die Einrüstung eines Abfrage-<br />
Transponders gemäß IFF-Mode<br />
5/Mode S zwingend. Kein klassisch<br />
militärisches Erfordernis, sondern<br />
einer adaptierten europäischen Flugsicherungsrichtlinie<br />
geschuldet und<br />
auch pro Maschine „nur“ rund eine<br />
halbe Million Euro teuer. Alle anderen<br />
im ersten Kommissionsbericht<br />
2017 (Doskozil/Gruber) genannten<br />
Ausrüstungsdefizite kann man, muss<br />
man aber nicht sofort ausgleichen –<br />
in Summe wären dafür wohl maximal<br />
100 Millionen Euro notwendig.<br />
Gravierende Auswirkungen hat die<br />
aufgeschobene Entscheidung allerdings<br />
für die seit vielen Jahren überfällige<br />
Nachfolgelösung für die rund<br />
zwölf (von aktuell 28 Maschinen,<br />
ursprünglich wurden 40 angekauft)<br />
noch fliegenden Saab-105Ö. Die<br />
Trainer Baujahr 1970 müssen am<br />
1. Jänner 2021 außer Dienst gestellt<br />
werden und hinterlassen ein vorerst<br />
völlig ungeklärtes Loch in der Pilotenausbildung.<br />
Dazu kommt: Einstweilen<br />
schultern sie – ganz ohne<br />
Radar und Lenkwaffen – 14-täglich<br />
alternierend auch rund 40 Prozent<br />
der luftpolizeilichen Tagesarbeit. Aber<br />
was heißt das für 2021? Lassen sich<br />
dann ohne Nachfolger die Luftraumüberwachungs-Aufgaben<br />
der Saab-<br />
105Ö einfach auf die 15 Eurofighter<br />
übertragen? Sind die aktuell gerade<br />
einmal 16 verfügbaren Piloten für<br />
den dann deutlich intensiveren Betrieb<br />
ausreichend? Und was bedeutet<br />
all das für das Bundesheer-Budget,<br />
wenn man dann pro Jahr wohl auf<br />
bis zu 2.000 Eurofighter-Flugstunden<br />
im Vergleich zu aktuell nur 1.100<br />
kommt? Je nach Berechnung wird<br />
eine Stunde mit 60.000 bis 80.000<br />
Euro angegeben, die dem Heer an<br />
anderer Stelle fehlen. Zum Vergleich:<br />
Eine Stunde mit den alten Saab-105Ö<br />
schlägt angeblich mit „nur“ 18.000<br />
Euro zu Buche. Nicht klar ist allerdings,<br />
was alles in die einzelnen Zahlen<br />
miteingerechnet wird: Anteilig<br />
LEONARDO M-345 & M-346<br />
Die italienische Alenia-Aermacchi-Gruppe gehört heute zum staatlichen Rüstungskonzern<br />
Leonardo und die Italiener sind der einzigen Anbieter, der aktuell beide<br />
möglichen Segmente abdecken kann. Flaggschiff ist der Hochleistungstrainer<br />
M-346 Master, welcher zusammen mit Jakowlew entwickelt wurde. Nach dem<br />
Erstflug im Jahr 1996 ging man im Jahr 2000 allerdings wieder getrennte Wege.<br />
Die Weiterentwicklung flog erstmals im Juli 2004, das um rund 700 Kilogramm<br />
leichtere Serienflugzeug dann 2008. Seit damals folgten 18 Orders für Italiens<br />
Ausbildungseinheit in Lecce, wo auch österreichische Eurofighter-Piloten schulen,<br />
sowie Singapur (12 Maschinen), Israel (30) und Polen (16). Dank seiner beiden<br />
Honeywell/Avio F124 Turbofans ist die M-346 sicher der stärkste, wohl auch<br />
modernste zur Diskussion stehende Entwurf.<br />
Deutlich billiger (laut Hersteller vermutlich sogar günstiger als die L-39NG) gibt<br />
sich der kleinere einstrahlige „Bruder“ der Master, der M-345HET. Die Abkürzung<br />
steht für Hocheffizienz-Trainer, gemeint sind hohe Ausbildungsleistung bei deutlich<br />
geringeren Kosten. Angetrieben wird der erstmals am 21. Dezember 2018 als<br />
Serienmaschine geflogene Italiener mit demselben Williams FJ44-Triebwerk wie<br />
der L-39NG. Mit der Höchstgeschwindigkeit von 740 km/h und der Steigleistung<br />
von acht Minuten auf etwa 12.000 m Gipfelhöhe ist jedoch kein Luftraumüberwachungsanteil<br />
denkbar. Zum Vergleich: Die Saab-105Ö erreicht dieselbe<br />
Höhe nach bereits drei Minuten. Ab 2020 gehen 45 Stück M-345HET an die<br />
italienische Luftwaffe nach Lecce.<br />
Räder und Bremsen von anderen<br />
Flugzeugen? Kabinenhauben aus der<br />
Schweiz? Die Werft?<br />
Fix ist: Man kann das alles heute mit<br />
<strong>neu</strong>en Modellen auch wesentlich<br />
günstiger haben. Vor allem wenn<br />
man die Lebenszyklus-Kosten als Referez<br />
heranzieht. Alle auf diesen Seiten<br />
besprochenen Nachfolgekandidaten<br />
für die Saab-105Ö werben mit<br />
dem sogenannten „Download“ von<br />
teuren Stunden aus der Speerspitze<br />
bis hinunter zu angeblich 2.000 Euro<br />
pro Stunde. Die beschriebene Rechnung<br />
ist einfach: Weniger Flüge in<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 5 8 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
teuren Hightech-Jets plus mehr Training<br />
in den vergleichsweise günstigen<br />
Trainern ergibt eine Millionen-Ersparnis.<br />
Erste Nutzer bestätigen diese<br />
Rechnung inzwischen auch. Aber<br />
bevor man in den Genuss günstigerer<br />
Flugstunden kommt, muss man<br />
zuerst einmal investieren – kaufen<br />
oder leasen. Und diese Entscheidung<br />
wird bekanntlich wohl noch ein<br />
wenig auf sich warten lassen.<br />
Da nicht klar ist, ob der Saab-105Ö-<br />
Nachfolger einen Teil der aktiven<br />
Luftraumüberwachung mitübernehmen<br />
soll oder ein reiner Trainer wäre<br />
(der aber in der Luftraumsicherung<br />
natürlich auch untere Segmente<br />
abdecken kann), treffen in unserer<br />
Übersicht leistungsmäßig durchaus<br />
unterschiedliche Muster aufeinander.<br />
Nicht jeweils extra erwähnt sind alle<br />
Typen in ein – graduell mehr oder<br />
weniger ausgefeiltes – „Integrated<br />
Training System“ mit virtuellen,<br />
sprich Boden- und On-Board-Simulationsanteilen<br />
eingebettet. Jenes<br />
mitberechnet, bewegen sich die<br />
Beschaffungskosten von rund<br />
30 Millionen Euro pro Stück abwärts,<br />
bei mehreren Modellen sollte auch<br />
eine Leasingvariante möglich sein.<br />
AERO L-39NG<br />
Der tschechische Strahltrainer L-39 Albatros war das Militärpiloten-Ausbildungsgerät<br />
der – bis auf Polen – gesamten Warschauer-Pakt- sowie Dritte-Welt-Länder,<br />
allein 2.000 von knapp 3.000 gebauten Maschinen gingen in die UdSSR.<br />
Nach deren Ende begann für das Werk in Odolena Vody eine lange Durststrecke.<br />
Vom leichten Jagdbomber L-159 wurden mehr Stück produziert, als vom<br />
Markt nachgefragt, anschließend brachte nach 13 Jahren Pause erst ein Auftrag<br />
des Irak für <strong>neu</strong>e Maschinen wieder Leben in die Fabrik. Die damit verbundenen<br />
Einnahmen erlaubten Aero – übrigens unter Führung der ehemaligen<br />
Manager von Alenia-Aermacchi – mit dem L-39NG (Next Generation) eine<br />
grundlegende Neuentwicklung. Mit westlichem Triebwerk, <strong>neu</strong>em Flügel und<br />
top-modernem Cockpit wurde die erste Maschine im vergangenen Oktober –<br />
im Beisein auch von Militär <strong>Aktuell</strong> – ausgerollt, am 22. Dezember folgte der<br />
Erstflug. Mit Senegal, Tschechien und zwei Feinddarsteller-Firmen gibt es bereits<br />
mehr als 30 Orders, gute Chancen rechnet man sich bei Aero in Österreich<br />
vor allem aufgrund des deutlich unter den Konkurrenzprodukten liegenden<br />
Stückpreises von zehn bis zwölf Millionen Euro aus. Ein Anbot über 18 Stück<br />
wurde dem Bundesheer laut Firmenangaben jedenfalls bereits unterbreitet.<br />
JAK-130, KAI T-50 & CO<br />
Neben Aero L-39NG, Leonardo M-345<br />
und M-346 sowie der Hawk von BAE<br />
gibt es auch weitere Kandidaten für<br />
die Saab-105Ö-Nachfolge, die aus<br />
diversen Gründen (geografisch, politisch<br />
sowie leistungsmäßig) für Österreich<br />
nicht infrage kommen. Nachdem<br />
damals bei der Draken-Nachfolge das Angebot über<br />
russische MiG-29 nicht einmal entgegengenommen wurde,<br />
werden wohl auch jetzt keine Jak-130 zum Zug kommen, obwohl<br />
die Maschine als deutlich billigerer Zwilling von Leonardos M-346<br />
gilt. Ebenso wenig wahrscheinlich ist der südkoreanische Jet-Trainer KAI<br />
T-50 beziehungsweise dessen bewaffnete Version FA-50. Das auch in den<br />
Irak, Indonesien und die Phillipinen exportierte Muster wäre in Europa ein<br />
absoluter Exote, damit würde man allerdings ein der F-16 ähnliches Modell mit<br />
Nachbrenner bekommen. Noch stärker und zugleich auch unwahrscheinlicher ist der von der USAF mit bis zu 450 Stück<br />
beauftragte T-38-Ersatz Boeing/Saab T-X. Denkbar ist auch, dass – wie im Doskozil-Bericht von 2017 angedacht – die Saab-<br />
105Ö gar nicht ersetzt wird. Zumindest nicht durch einen Jet. Zum Zug könnte dann der hochmoderne Schweizer Turboprop-<br />
Trainer Pilatus PC-21 kommen. In diesem Fall kämen allerdings auf die rot-weiß-roten Eurofighter deutlich mehr Flugstunden<br />
zu, bei Airbus hat man vorsorglich jedenfalls um Zahlen für bis zu 2.000 Flugstunden pro Jahr angefragt.<br />
FOTO S : M A D E R , H E R ST E L L E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Freitag, 31.05.<strong>2019</strong><br />
Samstag, 01.06.<strong>2019</strong><br />
Sonntag, 02.06.<strong>2019</strong><br />
12. Oldtimertreffen im Arsenal<br />
Auf Rädern & Ketten<br />
www.hgm.at
0 6 0 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
ITALIENISCHES DOPPEL<br />
FÜR ÖSTERREICH?<br />
Kommen die Nachfolger für Saab-105Ö und Alouette III beide aus dem Süden?<br />
Der italienische Mischkonzern Leonardo hätte jedenfalls für die zwei dringenden<br />
Beschaffungen laut eigener Ansicht optimale Lösungen im Portfolio. Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
GROSSE FLEXIBILITÄT<br />
Militärische Varianten<br />
des AW109 sind unter<br />
anderem in Argentinien,<br />
Belgien, Ghana, Lettland,<br />
Paraguay, Peru, Südafrika,<br />
Großbritannien und wie<br />
hier im Bild zu sehen in<br />
Schweden im Einsatz. Bei<br />
der AW109 Trekker ist anstelle<br />
des hier zu sehenden<br />
Einziehfahrwerkes ein<br />
Landegestell verbaut.<br />
D<br />
ie italienischen<br />
Rüstungsschmiede<br />
Leonardo könnte für<br />
das Bundesheer zum<br />
großen Problemlöser<br />
werden. Nachdem der<br />
Mischkonzern schon in den vergangenen<br />
Jahren immer wieder Aufträge für<br />
die rot-weiß-roten Streitkräfte abge -<br />
wickelt hat (die Agusta Bell 212 etwa<br />
wurde in Lizenz von dem jetzt zum<br />
Leonardo-Konzern gehörenden Vorgängerunternehmen<br />
Alenia Aermacchi<br />
gebaut, zuletzt wurde der Mehrzweckhubschrauber<br />
mit einem Glascockpit,<br />
Nachtsichtbrillen und Basis-Selbstschutz<br />
in Italien modernisiert), rechnet<br />
man sich nun auch bei der Nachfolgebeschaffung<br />
für die nahezu musealen<br />
Saab-105Ö (ab 1970) und die noch<br />
älteren Alouette III (ab 1967) gute<br />
Chancen aus.<br />
Während die Italiener für einen mög -<br />
lichen Saab-105Ö-Ersatz mit der<br />
M-346 Master als auch der kleineren<br />
M-345HET gleich zwei Modelle am<br />
Start haben (siehe Analyse ab Seite 56),<br />
geht man ins Hubschrauber-Rennen<br />
eher als Außenseiter. Die Italiener liefern<br />
zwar derzeit jährlich zwischen 100 und<br />
200 Hubschrauber aus und übergaben<br />
weltweit bereits mehr als 5.000 Maschinen<br />
an 1.400 Kunden, Favorit für die<br />
Nachfolge der Alouette III, die spätestens<br />
2023 außer Dienst gestellt werden muss,<br />
ist in Heereskreisen aber der H-145 von<br />
Airbus. Bei Leonardo sieht man sich mit<br />
der AW109 Trekker aber ebenfalls gut<br />
aufgestellt, wie uns bei einem Besuch am<br />
ehemaligen Alenia-Sitz in Venegono im<br />
Nordosten Mailands versichert wurde.<br />
Der mit zwei 207C-Triebwerken von<br />
Pratt & Whitney ausgestattete Heli bietet<br />
bis zu acht Personen Platz und entspreche<br />
voll und ganz dem von Österreich<br />
an mehrere Unternehmen übermittelten<br />
militärischen Pflichtenheft.<br />
In Venegono rechnet man in den kommenden<br />
Wochen mit der Ausschreibung<br />
und will dann in jedem Fall ein Angebot<br />
legen. Die geplante Beschaffung ist –<br />
ebenso wie der bereits fixierte Ankauf<br />
von drei zusätzlichen S-70A Black<br />
Hawk – Teil des Ende August 2018 im<br />
Ministerrat beschlossenen sogenannten<br />
Katastrophenschutzpakets und umfasst<br />
neben zwölf Mehrzweckhubschraubern<br />
auch bis zu sechs Schulhubschrauber.<br />
Eine mögliche Bundesheer-Zukunft<br />
sieht man bei Leonardo neben der<br />
AW109 Trekker übrigens auch beim<br />
bis zu 15 Passagiere fassenden, deutlich<br />
größeren AW139, der aber wohl erst<br />
einige Jahre später als möglicher<br />
Nachfolger der AB 212 (Zulauf ab<br />
1980) Thema werden wird.<br />
Lauf Informationen aus dem Büro von<br />
Verteidigungsminister Mario Kunasek<br />
wolle man sich derzeit auf keinen Typen<br />
festlegen. Es laufen Sondierungen, eine<br />
Entscheidung über den Ankauf ist daher<br />
wohl für frühestens Mitte des Jahres zu<br />
erwarten, eher später. Fix ist bis dahin<br />
nur, dass man ein Government-to-Government-Geschäft<br />
anstrebt, um Transparenz<br />
zu sichern. Gegengeschäfte wie<br />
damals beim umstrittenen Kauf der Eurofighter<br />
wird es damit also keine geben.<br />
FOTO : L E O N A R D O<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 6 2 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
„DER EUROFIGHTER<br />
STELLT SEIN POTENZIAL<br />
TÄGLICH UNTER BEWEIS!“<br />
Von wegen Auslaufmodell: Der Eurofighter wird laut Ansicht von Eurofighter-<br />
Marketingchef Raffael Klaschka noch jahrzehntelang eine ganz wesentliche<br />
Rolle im sogenannten „Future Battlespace“ spielen. Ein Gespräch über<br />
Weiterentwicklungspotenziale, Kunden-Feedback und <strong>neu</strong>e Aufträge.<br />
Interview: KURT HOFMANN<br />
N<br />
achdem es vor einigen<br />
Jahren nicht gar so<br />
gut um <strong>neu</strong>e Aufträge<br />
für den Eurofighter<br />
bestellt schien, ging<br />
es zuletzt Schlag auf<br />
Schlag. Zunächst meldete Saudi-Arabien<br />
den Wunsch nach 48 Jets an (der<br />
Deal könnte nach dem Mord an dem<br />
regierungskritischen Journalisten Jamal<br />
Khashoggi allerdings noch scheitern,<br />
Deutschland hat infolgedessen<br />
die Rüstungsexportgenehmigungen für<br />
Saudi-Arabien ausgesetzt), anschließend<br />
kam eine Order der deutschen<br />
Luftwaffe. Möglichst zeitnah sollen<br />
33 Jets der Bestandsflotte (Tranche-1)<br />
durch <strong>neu</strong>e Eurofighter (Tranche-4)<br />
ersetzt werden. Als Ersatz für den veralteten<br />
Jagdbomber Tornado sind 50<br />
weitere Maschinen im Gespräch und<br />
auch beim Auftrag über 40 Ersatzflie-<br />
ger für jene Tornados, mit denen die<br />
Bundeswehr im Bündnisfall theoretisch<br />
US-Atombomben einsetzen<br />
könnte, kommt der Eurofighter möglicherweise<br />
ins Spiel. Für Raffael Klaschka,<br />
Head of Marketing bei der Eurofighter<br />
Jagdflugzeug GmbH, kommen<br />
diese Aufträge nicht überraschend.<br />
Herr Klaschka, die Bundeswehr ersetzt<br />
33 ihrer 143 Eurofighter durch<br />
<strong>neu</strong>e Maschinen, <strong>2019</strong> starten zudem<br />
Auslieferungen von Tranche-3-<br />
Jets an Katar (24 Stück) und Kuwait<br />
(28 Stück) und auch andere Nationen<br />
überlegen gegenwärtig ihre Luft -<br />
kapazitäten aufzustocken.<br />
Welches Potenzial sehen Sie für<br />
den Eurofighter in den kommenden<br />
Jahren noch?<br />
Es besteht großes Interesse am Eurofighter<br />
und wir sind zuversichtlich, weiterhin<br />
substanzielle Aufträge zu erhalten.<br />
Das gilt sowohl für aktuelle Kunden<br />
als auch für potenzielle Neukunden.<br />
Dieses große Interesse zeigt, dass<br />
die aktuellen Fähigkeiten des Eurofighters,<br />
aber auch sein langfristiges<br />
Weiterentwicklungspotenzial ein überzeugendes<br />
Angebot darstellen. Besonders<br />
die Tatsache, dass der Eurofighter<br />
über ein sehr breites Fähigkeitsspektrum<br />
verfügt, macht ihn interessant<br />
für Nutzer, welche die Domäne Luft<br />
vielfältig bedienen möchten.<br />
Mit der Einrüstung <strong>neu</strong>er Sensoren,<br />
Radars und technischen Verbesserungen<br />
wird der Jet immer wieder<br />
an aktuelle Herausforderungen angepasst.<br />
Provokant gefragt: Wie lange<br />
ist das noch möglich? Wie lange<br />
genügt die Grundkonstruktion des<br />
Eurofighter modernen Ansprüchen?<br />
FOTO S : B U N D E S H E E R / M A R KU S Z I N N E R , E U R O F I G H T E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N T E R V I E W<br />
Seine hohe Anpassungsfähigkeit an<br />
<strong>neu</strong>e Herausforderungen und sein<br />
großes Weiterentwicklungspotenzial<br />
sorgen dafür, dass der Eurofighter noch<br />
jahrzehntelang eine ganz wesentliche<br />
Rolle im sogenannten „Future Battlespace“<br />
spielen wird, sicherlich über das<br />
Jahr 2050 und darüber hinaus. Die stetige<br />
Weiterentwicklung und Integration<br />
von Waffen sowie Systemlösungen<br />
sind ein wichtiger Bestandteil seiner<br />
Zukunftsfähigkeit; auch hier sehen wir<br />
den Eurofighter mit dem Rückhalt von<br />
bisher <strong>neu</strong>n Kundennationen in einer<br />
starken Position. Die von Ihnen genannte<br />
Grundkonstruktion, in welcher<br />
der Eurofighter sehr gute Parameter<br />
zum Beispiel im Bereich seiner Flugeigenschaften<br />
oder seiner Traglast aufweist,<br />
bildet ein solides Fundament,<br />
um auch in der Zukunft die passenden<br />
Fähigkeiten einsetzen zu können.<br />
In Österreich wird dem Eurofighter<br />
in der öffentlichen Wahrnehmung<br />
trotzdem gerne jegliche Qualität<br />
abgesprochen. Was antworten Sie<br />
auf derartige Kommentare?<br />
Meist gar nichts, da solche Behauptungen<br />
üblicherweise unsachlich und losgelöst<br />
von den tatsächlichen Gegebenheiten<br />
vorgebracht werden. Tatsache ist,<br />
dass der Eurofighter im täglichen<br />
Betrieb seine Leistungsfähigkeit und<br />
Zuverlässigkeit unter Beweis stellt und<br />
die Betreiber das auch immer wieder<br />
bestätigen – das gilt auch für die österreichischen<br />
Luftstreitkräfte (Anm.:<br />
Beim WEF-Davos waren 8 der 15 im<br />
Einsatz). Als ehemaliger Eurofighter-<br />
Pilot mit mehrjähriger Erfahrung auf<br />
der F-18 kann ich Ihnen sagen, dass der<br />
Eurofighter in vielen Fähigkeitsbereichen<br />
seinesgleichen sucht und diese<br />
Einschätzung teilen auch viele Experten.<br />
GESPRÄCHSPARTNER Raffael Klaschka ist ehemaliger<br />
Eurofighter-Pilot der deutschen Luftwaffe und nun Head<br />
of Marketing bei der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH.
0 6 4 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
GLOBAL<br />
Rheinmetall produziert in seinem Liesinger Lkw-Werk jährlich 2.000 bis 3.000<br />
Fahrzeuge für zahlreiche Armeen weltweit. Nach längerer Pause gehört <strong>neu</strong>erdings<br />
auch das Bundesheer wieder zu den Auftraggebern. Text & Foto: GEORG MADER<br />
as zählt, sind be-<br />
die in-<br />
Wkanntlich<br />
neren Werte. Das<br />
gilt auch für die<br />
von außen recht<br />
unscheinbar<br />
wirkende Fabrik von MAN Military<br />
Vehicles Österreich (RMMV) auf<br />
der Brunner Straße im Süden Wiens,<br />
hinter deren Kulisse aber recht Erstaunliches<br />
passiert. Pro Tag werden<br />
dort von der 1.000-köpfigen Belegschaft<br />
bis zu elf Militär-Lkw vom<br />
Band gelassen. Rund 10.000 zwei-,<br />
drei-, vier- und fünfachsige Fahrzeuge<br />
gingen seit der 51-prozentigen Übernahme<br />
der MAN-Nutzfahrzeuge<br />
AG durch die deutsche Rheinmetall-<br />
Gruppe im Jahr 2011 aus Liesing<br />
an rund 30 Armeen weltweit.<br />
Ende Dezember hatte RMMV im<br />
Rahmen der Rheinmetall Defence<br />
Talks 2018 die internationale Fachpresse<br />
und damit auch Militär <strong>Aktuell</strong><br />
nach Wien geladen. Teil der mehrtägigen<br />
Veranstaltung war auch eine<br />
Werksbesichtigung in Liesing mit<br />
Geschäftsführer Bernhard Pöltl, der<br />
dabei weitere Zahlen nannte. Demnach<br />
können im Werk aktuell bis<br />
zu 3.000 verschiedene ungeschützte<br />
TGM/S- und gehärtete HX-Systeme<br />
pro Jahr gefertigt werden – und das<br />
mit teils sehr unterschiedlichen größeren<br />
und kleineren Spezifikationen.<br />
Spezialwünsche gäbe es von Streitkräften<br />
jedenfalls jede Menge, so<br />
Pöltl, der als eine Stärke seines Betriebs<br />
die Planung, Entwicklung und<br />
Realisierung dieser Sonderwünsche<br />
beschreibt.<br />
Zu sehen gab es im Werk zahlreiche<br />
schwere Lkw mit teils exotischen<br />
Tarnmustern, vor allem aber für die<br />
australische Armee bestimmte Fahrzeuge.<br />
„Down Under“ hat 2013 insgesamt<br />
2.536 HX-Laster bis 2020<br />
zum Preis von 1,25 Milliarden Euro<br />
bestellt und vergangenen Juli in einer<br />
zweiten Tranche um 430 Millionen<br />
Euro nochmals 1.044 Stück bis 2024.<br />
Parallel dazu werden in Liesing derzeit<br />
2.408 HX2-Fahrzeuge für die<br />
deutsche Bundeswehr (bis 2023) gefertigt,<br />
215 Lkw für Schweden und<br />
bis zu 2.000 für Norwegen (bis 2026).<br />
Zudem werden vom größten einzelnen<br />
Eurofighter-Gegengeschäft aus<br />
dem Jahr 2005 über 7.500 HX- und<br />
SX-Modelle für die britische Armee<br />
momentan 382 Fahrzeuge auf ein<br />
Hakenladesystem-Kit umgerüstet.<br />
Auch das Bundesheer zählt in Liesing<br />
<strong>neu</strong>erdings wieder zu den Auftraggebern.<br />
Nachdem die Flotte jahrelang<br />
ausgedünnt wurde, laufen nun<br />
Aufträge zur Beschaffung von gehärteten<br />
schweren Bergefahrzeugen,<br />
geländegängigen gehärteten Lkw,<br />
von Mannschaftstransport-, Fahrschul-<br />
sowie Tanklöschfahrzeugen.<br />
Die ersten 50 von insgesamt 140<br />
TGM 14.280 4×4 mit Fahrschulausstattung<br />
und Wechselaufbausystem<br />
wurden bereits am 12. Dezember<br />
durch Verteidigungsminister Mario<br />
Kunasek an die Truppe übergeben.<br />
Darunter auch einige Mammut-<br />
Fahrzeuge. Diese auch als TEP90<br />
bekannten ABC-Dekontaminationssysteme<br />
hat das Heer mit zwei unterschiedlichen<br />
Trägersystemen bestellt.<br />
Acht Fahrzeuge werden auf TGS 8×8<br />
(ungeschützt) aufgebaut, zwei auf<br />
HX244M 8×8 (gehärtet). Im Rahmen<br />
des sogenannten Mobilitätspakets,<br />
das Teil des im August 2018 verabschiedeten<br />
Katastrophenschutzpakets<br />
ist, sollen bis zum Jahr 2020<br />
weitere 65 TGM 14.280 4×4, Schwerlastschlepper<br />
und ein mittleres Bergefahrzeug<br />
zum Preis von insgesamt<br />
30 Millionen Euro zulaufen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
EINSATZ MIT<br />
WEITBLICK.<br />
WIR SCHÜTZEN ÖSTERREICH.
0 6 6 s c h l u s s p u n k t<br />
RUSSLAND VS. EU & USA<br />
FERNBEZIEHUNG<br />
Militärische Großmanöver in Grenznähe, brisante Diskussionen über Abrüstungsverträge und<br />
wüste Tweets aus dem Weißen Haus . Wie zerrüttet ist die Beziehung zwischen Russland und dem<br />
Westen wirklich? Eine vermeintlich schwierige Frage, auf die Russland-Experte Gerhard Mangott,<br />
Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck, eine eindeutige Antwort<br />
hat: „Welche Beziehung? Das Verhältnis des Westens zu Russland ist auf der Nulllinie angelangt!“<br />
Die beziehungen zwischen Russland<br />
und den usa, aber auch der eu,<br />
sind in eine sackgasse geraten.<br />
Die eu hat im märz 2014 nach der besetzung<br />
der krim den institutionalisierten<br />
Dialog mit Russland abgebrochen und ab<br />
Juli 2014 sektorale – handel, Finanzen und<br />
Investitionen betreffende – sanktionen<br />
gegen Russland verhängt. ein ende dieser<br />
sanktionen wird es nur geben, wenn<br />
Russland die bestimmungen des minsker<br />
abkommens von 2015 umsetzt. Davon ist<br />
allerdings Russland wie die ukraine weit<br />
entfernt. Die eu droht in der sackgasse<br />
dauerhafter sanktionen festzustecken.<br />
In den usa hat sich die russlandfreundliche<br />
linie von präsident trump nicht durchgesetzt.<br />
trump hatte wiederholt betont,<br />
wie gut es wäre, mit Russland auszukommen.<br />
trump hatte allerdings nie ein konzept,<br />
wie das Verhältnis zu Russland verbessert<br />
werden könnte; eine Roadmap<br />
fehlte von anfang an. Dazu kam, dass sich<br />
trump angesichts der zahlreichen untersuchungen<br />
über eine mögliche Zusammenarbeit<br />
seiner mitarbeiter mit russischen<br />
behörden und personen (collusion)<br />
keine entgegenkommenden Gesten an<br />
Russland erlauben konnte. Jedes entgegenkommen<br />
hätte den chor derer bestärkt,<br />
die ihn als von Russland abhängig<br />
einstufen. Der wichtigste Faktor aber, warum<br />
es trotz der ankündigungen trumps<br />
keine annäherung zwischen Russland und<br />
den usa gegeben hat, ist das Wirken von<br />
Vetoakteuren im sicherheitskabinett<br />
trumps (pompeo, bolton, mattis) und darüber<br />
hinaus. Vor allem eine breite überparteiliche<br />
koalition im kongress stemmte<br />
sich hartnäckig dagegen. Im august 2017<br />
wurden mit dem countering american<br />
adversaries through sanctions act die<br />
sanktionen gegen Russland verschärft<br />
und die bisherigen sanktionen erlangten<br />
„In der EU, in den USA<br />
und in Russland gibt es<br />
derzeit kein Rezept,<br />
wie die Beziehungen<br />
aus der Sackgasse<br />
geführt werden<br />
können.“<br />
Gesetzeskraft. sie können von trump nur<br />
mit Zustimmung des kongresses aufgehoben<br />
werden. Derzeit wird im kongress<br />
der Defending american security against<br />
kremlin aggression act diskutiert, der<br />
unter anderem harsche Finanzsanktionen<br />
gegen russische banken vorsieht – wie<br />
auch verpflichtende sekundäre sanktionen<br />
gegen unternehmen aus der eu, die<br />
mit Russland im energiesektor zusammenarbeiten.<br />
betroffen davon wäre vor allem<br />
der bau der Gasleitung nord stream 2.<br />
Im Raum steht ein <strong>neu</strong>es nukleares Wettrüsten<br />
der usa und Russland. Die beiden<br />
verbliebenen Rüstungskontrollabkommen<br />
stehen vor dem aus. Die usa kündigten<br />
am 2. Februar den InF-Vertrag, der<br />
bodengestützte marschflugkörper und<br />
ballistische Raketen mit einer Reichweite<br />
von 500 bis 5.500 kilometer verboten<br />
hatte. Russland kündigte den Vertrag am<br />
tag danach. beide seiten werfen einander<br />
die Verletzung des Vertrages vor. eine<br />
einigung in den verbleibenden monaten<br />
der kündigungsfrist scheint nahezu ausgeschlossen.<br />
Gefährdet ist auch der Fortbestand des<br />
new start aus 2010, der strategische<br />
offensivsysteme reduziert hat. Die usa<br />
scheinen, anders als Russland, nicht geneigt,<br />
den 2021 auslaufenden Vertrag um<br />
fünf Jahre zu verlängern. läuft auch dieser<br />
Vertrag aus, gäbe es erstmals seit 1972<br />
kein rechtsverbindliches Rüstungskontrollabkommen<br />
zwischen beiden staaten.<br />
nach der jüngsten qualitativen nuklearen<br />
aufrüstung könnte dann eine quantitative<br />
aufrüstung die Folge sein.<br />
Weder in der eu noch in den usa, aber<br />
auch nicht in Russland gibt es derzeit ein<br />
konzept, wie die beziehungen aus der<br />
sackgasse geführt werden könnten.<br />
es fehlen Vertrauen, aber auch der mut,<br />
durch einen „grand bargain“ aus dieser<br />
sackgasse auszubrechen.<br />
Foto s : G e t t y I m aG e s , b e I G e st e l lt<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
TAG DER MILIZ<br />
15. Juni <strong>2019</strong><br />
Festveranstaltung<br />
Rathausplatz St. Pölten<br />
ab 1000 Uhr<br />
MILIZ. STOLZ, DABEI ZU SEIN!
GLOCK<br />
Safe Action ® Pistols<br />
www.glock.com