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Militaer_Aktuell_1_2019_neu_n_n

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WELTGESCHEHEN<br />

<strong>Aktuell</strong>e Konflikte,<br />

Krisen und<br />

Analysen — S. 8<br />

TRUPPENBESUCH<br />

Militär <strong>Aktuell</strong> in der<br />

Auslandseinsatzbasis<br />

in Götzendorf — S. 36<br />

militär<br />

MILITÄRAKADEMIE<br />

Generalmajor Pronhagl<br />

und Brigadier Wörgötter<br />

im Interview — S. 46<br />

DAS NEUE<br />

ÖSTERREICHISCHE<br />

MILITÄRMAGAZIN<br />

AUSGABE 1|19<br />

EURO 3,80<br />

AKTUELL<br />

RUSSLAND-EXPERTE GERHARD MANGOTT:<br />

„Die Beziehungen zwischen Russland,<br />

den USA und der EU stecken in<br />

einer Sackgasse!“ — S. 66<br />

Mit dem größten<br />

Entwicklungsprogramm<br />

seit dem Marshallplan will<br />

China seine Handelswege nach<br />

Afrika und Europa ausbauen,<br />

seinen Machtbereich erweitern<br />

– und nicht zuletzt militärisch zur<br />

globalen Supermacht aufsteigen.<br />

KOMPAKT & TOPAKTUELL:<br />

PROJEKT NEUE SEIDENSTRASSE<br />

Chinas Weg<br />

an die Spitze


STUDIERE<br />

UNGEWÖHNLICH.<br />

WIR SCHÜTZEN ÖSTERREICH.<br />

STUDIUM ZUM OFFIZIER.<br />

THERESIANISCHE MILITÄRAKADEMIE.<br />

karriere.bundesheer.at<br />

bundesheer.karriere


E D I T O R I A L<br />

0 0 3<br />

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />

COV E R FOTO : 1 2 3 R F FOTO S : G U N T H E R P U S C H / H B F, B E I G E ST E L LT<br />

D<br />

er Aufstieg ist beispiellos: In nur vier Jahrzehnten<br />

hat sich China von einem riesigen<br />

Armenhaus zur zweitgrößten Volkswirtschaft<br />

der Welt entwickelt. Und der Aufstieg<br />

ist noch lange nicht zu Ende: Um das<br />

Jahr 2030 soll Chinas Wirtschaft sogar<br />

diejenige der USA überholen, und auch geopolitisch sowie<br />

militärisch meldet China immer deutlicher seine Ansprüche<br />

als Supermacht an. Augenscheinlich wird das in Chinas<br />

groß angelegtem Seidenstraßen-Projekt, der sogenannten<br />

„Belt and Road Initiative“. Mehr als eine Billion Euro sollen<br />

in den kommenden Jahren unter chinesischer Führung in<br />

unzählige Infrastrukturprojekte in knapp 100 Ländern investiert<br />

werden und das südostasiatische Land besser mit<br />

dem Rest der Welt verbinden. Damit einher geht auch eine<br />

Ausweitung des kulturellen, politischen und potenziell militärischen<br />

Einflusses des Reichs der Mitte – Grund genug,<br />

um das Thema in den Mittelpunkt unseres 16-seitigen Dossiers<br />

zu stellen. Der einleitenden Analyse von Seidenstraßen-<br />

Experte Sebastian Holler (ab Seite 16) folgen Gastkommentare,<br />

ein Vergleich der chinesischen und US-amerikanischen<br />

Streitkräfte, ein geografischer Überblick der wichtigsten<br />

Stoßrichtungen des Projekts sowie ein aufschlussreiches<br />

Militär <strong>Aktuell</strong>-Gespräch (ab Seite 26) mit Franco Algieri –<br />

in dem der Leiter des International Relations Department<br />

an der Webster Vienna Private University eine potenzielle<br />

Konfrontation des aufstrebenden China mit der Supermacht<br />

Vorschau auf die Juni-Ausgabe<br />

Ende Februar nahm das Jagdkommando wie<br />

schon in den Jahren 2016, 2017 und 2018 an<br />

der multinationalen Übung „Flintlock“ in Burkina<br />

Faso teil. Die österreichischen Soldaten trainierten<br />

dabei mit zwei Zügen burkinesischer<br />

Soldaten unter anderem das Organisieren von<br />

Patrouillen, das Annähern an Rebellenstellungen<br />

und die richtige Einsatzplanung. Wir<br />

konnten einige der Übungen vor Ort begleiten<br />

und werden darüber in aller Ausführlichkeit<br />

in unserer Juni-Ausgabe berichten.<br />

USA analysiert: „Die Wirtschaftssysteme der beiden Länder<br />

sind derart verwoben, dass sich wohl keine Seite eine militärische<br />

Auseinandersetzung leisten kann. Die Frage ist auch:<br />

Wer will tatsächlich einen Krieg? Und wer kann dadurch<br />

gewinnen? Da sehe ich keinen Gewinner, und das scheint<br />

auch allen beteiligten Akteuren klar zu sein.“<br />

Was Sie in dieser Ausgabe außerdem erwartet? Georg Mader<br />

berichtet über seinen Besuch am Luftwaffenstützpunkt<br />

Ämari in Estland und das NATO Air Policing im Baltikum<br />

(ab Seite 14). Der Luftwaffen-Experte liefert außerdem eine<br />

Übersicht der potenziellen Nachfolgekandidaten für die<br />

Saab-105Ö-Flotte des Bundesheeres (ab Seite 56) und schildert<br />

ab Seite 54 seine Eindrücke von der gerade zu Ende<br />

gegangenen IDEX <strong>2019</strong>, der größten Rüstungsmesse des<br />

Nahen und Mittleren Ostens. Stefan Tesch hat mit Militärakademie-Kommandant<br />

Generalmajor Karl Pronhagl und<br />

dem <strong>neu</strong>en Leiter des Instituts 1 der Akademie, Brigadier<br />

Jürgen Wörgötter, über Gegenwart und Zukunft der<br />

Offiziersausbildung in Österreich gesprochen (ab Seite 46),<br />

Johannes Luxner und Conny Derdak haben für ihre Reportagen<br />

die Auslandseinsatzbasis in Götzendorf (ab Seite 36)<br />

und das Impfzentrum des Heeres in Wien (ab Seite 42)<br />

besucht. Abschließend analysiert Russland-Experte Gerhard<br />

Mangott (Seite 66) das schwierige Verhältnis zwischen<br />

Russland, der EU und den USA. Sein Fazit: Die Beziehung<br />

steckt in einer Sackgasse! Droht nun die große Scheidung?<br />

Seidenstraßen-Expedition<br />

„Europe goes Silk Road“ ist eine Initiative junger<br />

europäischer Wissenschaftler, die ab Juni eine<br />

Forschungsexpedition über 33.000 Kilometer<br />

entlang der Neuen Seidenstraße unternehmen,<br />

um deren Entwicklung vor Ort zu dokumentieren,<br />

zu analysieren und um sie interdisziplinär zu<br />

untersuchen. Sebastian Holler ist Co-Founder<br />

der Initiative und gibt ab Seite 16 eine aktuelle<br />

Analyse zur Neuen Seidenstraße. Infos zum<br />

Projekt auf www.europegoessilkroad.eu<br />

imprESSum<br />

medieninhaber und Herausgeber:<br />

QMM Quality Multi Media GmbH,<br />

Mariahilfer Straße 88a/II/2a, A-1070 Wien,<br />

FN 349501 y, UID:ATU65891526,<br />

Chefredaktion: Jürgen Zacharias,<br />

j.zacharias@qmm.at<br />

key Account management:<br />

Thomas Jusko, t.jusko@qmm.at, René<br />

Niehoff, r.niehoff@qualitymultimedia.ch<br />

Artdirektion: Gottfried Halmschlager<br />

textchef: Jakob Hübner<br />

Fotoredaktion: Nati Senegacnik<br />

lektorat: Gunther Natter<br />

redaktion, Beirat und textbeiträge:<br />

Conny Derdak, Brigadier Walter Feichtinger,<br />

Kurt Hofmann, Sebastian Holler, Predrag<br />

Jureković, Johannes Luxner, Georg<br />

Mader, Gerhard Mangott, Stefan Tesch<br />

Hersteller: PrintandSmile<br />

redaktionskontakt:<br />

Brigitte Janko, b.janko@qmm.at,<br />

Tel. 01/342 242-0, Mariahilfer Straße<br />

88a/II/2a, A-1070 Wien, Österreich<br />

Geschäftsführung: Andreas Dressler,<br />

a.dressler@qmm.at<br />

www.qmm.at<br />

m i l i t ä r A k t u E l l


0 0 4 I N H A L T<br />

INHALT<br />

042<br />

Wenn es vor dem Auslandseinsatz<br />

piekst: Der medizinische Schutz für<br />

den mitteleuropäischen Raum wird bei<br />

Bedarf um weitere Impfungen ergänzt.<br />

036<br />

Dichtes<br />

010<br />

Polarisierung, nationalistische Tendenzen und autoritäre<br />

Machtverhältnisse: Der Westbalkan kommt nicht zur Ruhe.<br />

Ausbildungsprogramm: Auf der Auslandseinsatzbasis<br />

in Götzendorf werden auch die Monitore<br />

der OSZE-Mission in der Ukraine ausgebildet.<br />

003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />

006 MOMENTUM<br />

Irakische Spezialeinsatzkräfte<br />

sondieren das Gelände nach<br />

einem Bombenanschlag.<br />

008 WELTGESCHEHEN<br />

<strong>Aktuell</strong>e Kurzmeldungen<br />

aus aller Welt.<br />

010 KONFLIKTREGION<br />

Die regionale Stabilität am<br />

Westbalkan ist nicht nur durch<br />

die angespannten Beziehungen<br />

zwischen Serbien und dem<br />

Kosovo in Gefahr.<br />

014 NATO AIR POLICING<br />

Deutsche Eurofighter patrouillieren<br />

über dem Baltikum.<br />

016 DOSSIER: SEIDENSTRASSE<br />

Das Billionenprojekt soll einen<br />

boomenden Wirtschaftsraum<br />

schaffen und Chinas Rolle als<br />

globale Supermacht festigen.<br />

032 NEUES AUS DEM HEER<br />

<strong>Aktuell</strong>e Kurzmeldungen aus<br />

dem Bundesheer.<br />

036 LOKALAUGENSCHEIN<br />

Zu Besuch auf der Auslandseinsatzbasis<br />

in Götzendorf.<br />

042 FIT FÜR DEN EINSATZ?<br />

Dr. Margot Puschl und ihr Team<br />

testen im Wiener Heeresspital<br />

jährlich rund 3.600 Soldaten auf<br />

ihre Auslandseinsatztauglichkeit.<br />

044 EIN TAG MIT …<br />

… Sanitäts-Unteroffizier Marianne<br />

Fanninger.<br />

046 DOPPEL-INTERVIEW<br />

Im Gespräch mit Militärakademie-<br />

Kommandant Generalmajor<br />

Karl Pronhagl und dem Leiter der<br />

Offiziersausbildung Brigadier<br />

Jürgen Wörgötter.<br />

050 ERASMUS FÜR KADETTEN<br />

Offiziersanwärter aus acht<br />

Ländern absolvieren einen Teil<br />

ihrer Ausbildung an der Militärakademie<br />

in Wiener Neustadt.<br />

052 AM FÜHRUNGSSIMULATOR<br />

In der Theresianischen Militärakademie<br />

werden am Computer<br />

Führungsaufgaben trainiert .<br />

FOTO S : S E B AST I A N F R E I L E R , G E T T Y I M AG E S , G E O R G M A D E R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N D I E S E M H E F T<br />

054 rÜsTunGsneWs<br />

Neuheiten aus der Welt der<br />

Rüstungs- und Sicherheitstechnik.<br />

056 nachFoLGe-KandidaTen<br />

Hawk, L-39NG, M-346 und Co:<br />

Die aussichtsreichsten Anwärter<br />

auf die Saab-105Ö-Nachfolge.<br />

060 Made in iTaLY<br />

Der italienische Mischkonzern<br />

Leonardo könnte dem Bundesheer<br />

<strong>neu</strong>e Hubschrauber und<br />

<strong>neu</strong>e Trainingsjets liefern.<br />

062 inTervieW<br />

Eurofighter Marketing-Chef<br />

Raffael Klaschka im Gespräch<br />

mit Militär <strong>Aktuell</strong>.<br />

064 Made in ausTria<br />

Rheinmetall liefert Tausende<br />

Lkw aus Wien Liesing an<br />

Streitkräfte weltweit.<br />

066 schLusspunKT<br />

Russland-Experte Gerhard<br />

Mangott analysiert die Spannungen<br />

zwischen Ost und West.<br />

014<br />

heikle Mission: die deutsche<br />

Luftwaffe sichert im rahmen der<br />

„verstärkung air policing Baltikum“<br />

(vapB) den Luftraum über den naTo-<br />

Mitgliedsländern des Baltikums.<br />

<strong>neu</strong><br />

dossier<br />

chinas<br />

Griff nach Macht: Wie<br />

peking mit einer alten idee eine<br />

<strong>neu</strong>e Weltordnung schaffen will.<br />

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Schutz, Feingefühl und Treffsicherheit nimmt die Handschuhmacherei<br />

ESKA beim Truppen-Einsatzhandschuh „5015“<br />

penibel genau ins Visier. Der Schießfinger mit Bewegungsfalte<br />

und der Aramid Pulsschutz sorgen im Sinne eines<br />

perfekten Waffengebrauchs für ein sicheres Gefühl am<br />

Abzug. Auch die verstärkten Finger- und Daumenkappen<br />

sowie der Memory Schlagschutz im Hand- und Fingerknöchelbereich<br />

haben etwa die deutsche Bundeswehr<br />

überzeugt, die diesen Handschuh bereits im Einsatz hat.<br />

Der Stretchgurt im Handgelenksbereich und der praktische Gürtelschlaufentunnel ermöglichen besten Halt. Mehr zu<br />

Militärhandschuhen mit österreichischer Handschuhmacherqualität findet man auf www.eska.at


0 0 6 P A N O R A M A<br />

Schlacht um Mossul<br />

FOTO S : I VO R P R I C K E T T/ T H E N E W YO R K T I M E S / WO R L D P R E SS P H OTO<br />

Jährlich werden die besten Pressefotografien<br />

mit den World Press Photo<br />

Awards ausgezeichnet und anschließend<br />

in einer Wanderausstellung in<br />

mehr als 80 Städten weltweit gezeigt.<br />

Teil der aktuellen Ausstellung<br />

ist auch diese Aufnahme des irischen<br />

Fotografen Ivor Prickett, die während<br />

der Schlacht um Mossul Anfang<br />

des Jahres 2017 entstanden ist. Zu<br />

sehen sind irakische Spezialeinsatzkräfte<br />

nach einem Selbstmordattentat<br />

des Islamischen Staates mit einer<br />

Autobombe im Bezirk Al Andalus in<br />

der Nähe von Ost-Mossul. Prickett<br />

gewann mit seiner in der New York<br />

Times erschienenen Bilderserie (die<br />

Aufnahme ist Teil davon) den ersten<br />

Preis in der Kategorie „General News<br />

Stories“. Außerdem wurden zwei<br />

Fotos aus dieser Geschichte in der<br />

Kategorie „Picture of the Year“ nominiert.<br />

Informationen zu Ausstellungen<br />

auf www.worldpressphoto.org<br />

M I l I T ä r A K T u e l l


M O M E N T U M<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 0 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />

AFGHANISTAN:<br />

IMMER MEHR<br />

ZIVILE OPFER<br />

„Die konzertierten Cyberattacken aus Russland,<br />

aus China, dem Iran und von anderen auf zivile<br />

und militärische Infrastrukturen in den USA<br />

haben längst auch strategische Auswirkungen.“<br />

Paul Nakasone, NSA-Direktor und<br />

US-Cybercom-Kommandant im Generalstab<br />

Man kann NSA-Direktor Paul Nakasone vieles vorwerfen – eines aber bestimmt nicht: Dass<br />

er nicht regelmäßig vor den Gefahren von Cyberattacken auf die USA gewarnt habe und mehr<br />

Personal und Mittel forderte, um diesen zu begegnen. Nun ist das natürlich nicht ganz uneigennützig,<br />

ist Paul Nakasone doch auch Kommandant des US Cybercom im Generalstab und kommt<br />

mehr Geld für die Cyberabwehr damit direkt einem von ihm verwalteten Budget zugute. Allerdings<br />

scheinen höhere finanzielle Anstrengungen auch dringend notwendig, zeichnete Nakasone jüngst doch bei<br />

einer Senatsanhörung ein düsteres Bild von den US-Cyberbemühungen. Die einstige Dominanz in diesem Bereich habe man längst<br />

verloren, gegen die permanenten Angriffe aus anderen Ländern auf Infrastrukturen in den USA könne man sich nur sehr beschränkt<br />

wehren. Dazu komme, dass die Zahl potenzieller Cyberrivalen bald weiter steigen dürfte: Neben Russland, China, dem Iran und<br />

Nordkorea bauen laut Nakasone auch Bangladesch und Vietnam potente Cybertruppen auf, die den USA Probleme bereiten könnten.<br />

FOTO S : G E T T Y I M AG E S , P I C T U R E D E S K , B E I G E ST E L LT<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


W E LT G E S C H E H E N<br />

Die Zahl der bei Auseinandersetzungen<br />

in Afghanistan getöteten Zivilisten hat<br />

im vergangenen Jahr den höchsten<br />

Stand seit Beginn der Aufzeichnungen<br />

im Jahr 2009 erreicht. Laut einem kürzlich<br />

veröffentlichten Bericht der UN-<br />

Mission in Afghanistan (Unama) und<br />

des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte<br />

wurden 3.804 Zivilisten<br />

getötet (um elf Prozent mehr als 2017)<br />

und weitere 7.189 verletzt (um zwei<br />

Prozent mehr als 2017). Da die UN<br />

für jeden registrierten Fall mindestens<br />

drei unabhängige Quellen benötigt,<br />

dürften die tatsächlichen Zahlen vermutlich<br />

deutlich höher liegen. Hauptursachen<br />

für den Anstieg sind den Vereinten<br />

Nationen zufolge mehr Selbstmordanschläge<br />

und größer angelegte<br />

Angriffe vor allem durch die Terrormiliz<br />

Islamischer Staat. 42 Prozent der<br />

zivilen Opfer wurden laut der Statistik<br />

durch Bomben getötet, 1.361 Menschen<br />

kamen durch Selbstmordattentäter<br />

und Sprengsätze ums Leben.<br />

VERTEIDIGUNGSETATS STEIGEN WEITER<br />

Vereinigte<br />

Staaten<br />

China<br />

Saudi Arabien<br />

Russland<br />

Indien<br />

Großbritannien<br />

Frankreich<br />

Japan<br />

Deutschland<br />

Südkorea<br />

Brasilien<br />

Australien<br />

Italien<br />

Israel<br />

147,7<br />

72,9<br />

55,5<br />

50,9<br />

49,3<br />

47,0<br />

41,6<br />

41,9<br />

34,5<br />

24,6<br />

23,4<br />

21,9<br />

19,0<br />

564,8<br />

Die globalen Rüstungsausgaben<br />

sind im vergangenen Jahr um zwei<br />

Prozent auf 1,47 Billionen Euro<br />

angewachsen. Zu diesem Ergebnis<br />

kommt das Londoner Institut für<br />

Strategische Studien (IISS) in seinem<br />

Jahresbericht „The Military Balance“.<br />

Hauptverantwortlich für den<br />

Anstieg sind demnach die wachsenden<br />

Etats westlicher Länder und<br />

Chinas, das größte Rüstungsbudget<br />

stellen einmal mehr die USA. Mit<br />

564,8 Milliarden Euro war Washington<br />

für mehr als ein Drittel aller<br />

Aufwendungen verantwortlich.<br />

Erstaunlich ist der nominale Anstieg<br />

von 2017 auf 2018, der annähernd<br />

dem gesamten Verteidigungshaushalt<br />

Deutschlands (40,1 Milliarden<br />

Euro) entsprach. Über das größte<br />

Rüstungsbudget nach den Vereinigten<br />

Staaten verfügt China (siehe<br />

Grafik der Staaten mit den höchsten<br />

Wehretats) mit 147,7 Milliarden Euro.<br />

Damit gab die Volksrepublik 2018<br />

um sechs Prozent mehr für seine<br />

Streitkräfte aus als noch 2017.<br />

Irak<br />

17,2<br />

AUSGABEN-KAISER Die 15 Länder mit den<br />

höchsten Militärausgaben im vergangenen<br />

Jahr, Angaben in Milliarden Euro.<br />

DER IRAN HAT ES AUF<br />

US-DROHNEN ABGESEHEN<br />

Nachdem es einer iranischen Spezialeinheit zur<br />

elektronischen Kriegsführung laut Angaben<br />

Teherans bereits im Dezember 2011 gelang, eine<br />

US-Drohne zu übernehmen und zur Landung<br />

zu zwingen, will der Iran nun Ähnliches er<strong>neu</strong>t<br />

geschafft haben. General Amir Ali Hajizadeh von<br />

den Revolutionsgarden gab vor wenigen Tagen<br />

zu Protokoll, dass Teheran die Informationen<br />

und das Bildmaterial von sieben bis acht Drohnen<br />

auslesen konnte. Zum Beweis wurden einige der<br />

von den Drohnen aufgenommen Videos veröffentlicht.<br />

Darauf ist auch zu sehen, wie eines der<br />

unbemannten Flugobjekte durch eine Funktionsstörung<br />

in der Wüste abstürzt (siehe Bild). Die<br />

Drohne wurde daraufhin von US-Jets zerstört.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

WEST<br />

BALKAN<br />

Die schleppende Annäherung an Europa, wachsende nationalistische<br />

Bewegungen und anhaltende Streitigkeiten zwischen Serbien und dem<br />

Kosovo gefährden die regionale Stabilität am Westbalkan.<br />

Eine Analyse von Predrag Jureković.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I F K - A N A LY S E<br />

FOTO : P I C T U R E D E S K<br />

N<br />

ach fast 20 Jahren,<br />

die seit dem Ende<br />

der „Jugoslawien-<br />

Zerfallskriege“ vergangen<br />

sind, bleibt<br />

der Westbalkan<br />

weiter anfällig für Nationalismus. Die<br />

regionalen Beziehungen sind sogar<br />

schlechter, als es vor zehn Jahren der<br />

Fall war. Damals gab es in diesem Teil<br />

Südosteuropas noch Vertrauen in die<br />

Konsolidierungspolitik der Europäischen<br />

Union (EU), die die EU-Mitgliedschaft<br />

für die Westbalkanländer<br />

als „Belohnung“ für rechtsstaatliche<br />

und demokratische Reformen und die<br />

Kooperation mit den Nachbarländern<br />

in Aussicht stellte. Die sogenannte Beitrittsperspektive<br />

ist zwar weiterhin aufrecht<br />

und wurde durch ein Strategiepapier<br />

der EU vom Februar 2018 formal<br />

sogar bestärkt, der Enthusiasmus ist<br />

aber auf beiden Seiten verflogen. Angesichts<br />

der Schwierigkeiten der Briten,<br />

den Brexit zu implementieren, und des<br />

Erstarkens nationalistischer und populistischer<br />

Bewegungen in der EU sind<br />

Schlüsselstaaten wie Frankreich eher<br />

abgeneigt, eine rasche Erweiterung der<br />

Union zu unterstützen.<br />

Das abnehmende Interesse wichtiger<br />

EU-Staaten an den Herausforderungen<br />

am Westbalkan begünstigt die Verhärtung<br />

nationalistischer Positionen sowie<br />

die Ausbildung autoritärer und klientelistischer<br />

Machtverhältnisse in der<br />

Region. So ist beispielsweise in<br />

Serbien, das wie Montenegro<br />

Beitrittsverhandlungen<br />

mit der EU führt, aktuell<br />

eine gefährliche Polarisierung<br />

der Beziehungen<br />

zwischen dem Präsidenten<br />

Aleksandar Vučić und der politischen<br />

Opposition im Gange. Letztere<br />

beschuldigt Vučić, zunehmend autoritär<br />

zu agieren und Serbien in seinen<br />

Feudalstaat umzuwandeln. Der serbische<br />

Präsident wiederum verweigert<br />

jeglichen Dialog mit der Opposition.<br />

Ein Wegschauen der EU bei diesen<br />

undemokratischen Entwicklungen begünstigt<br />

die Vergrößerung des Einflusses<br />

anderer internationaler Akteure, die<br />

sich, wie Russland und die Türkei, um<br />

die Sympathien der christlich-orthodoxen<br />

sowie muslimischen Bevölkerung<br />

der Balkanländer bemühen. Zusätzlich<br />

ist ein Interesse Chinas an der Einbindung<br />

Südosteuropas in seine europäischen<br />

Transport- und Infrastrukturprojekte<br />

(siehe auch Dossier ab Seite<br />

16) klar erkennbar.<br />

Das stärkste potenzielle Risiko für die<br />

regionale Stabilität geht am Westbalkan<br />

aber nach wie vor von den angespannten<br />

Beziehungen zwischen Belgrad und<br />

Priština aus. Der politische Dialog unter<br />

EU-Vermittlung befindet sich seit<br />

2016 in einer Dauerkrise. Aus Belgrad<br />

kommen seit 2017 – ungeachtet der<br />

Präsenz der Friedenstruppe KFOR –<br />

auch militärische Drohungen für den<br />

Fall, dass die kosovarische Regierung<br />

Gewalt gegen die Serben im Nord-Kosovo<br />

anwenden sollte. Besonders kritisiert<br />

wird aus Belgrad die Entscheidung<br />

des kosovarischen Parlaments, die mit<br />

Zivilschutzaufgaben betraute Kosovo<br />

Security Force in eine Armee zu transformieren.<br />

Im Gegenzug hat die kosovarische<br />

Regierung Ende 2018 hohe<br />

Strafzölle auf Waren aus Serbien verhängt.<br />

Diese sind eine Antwort der Kosovo-Albaner<br />

auf die Politik Belgrads,<br />

die Aufnahme des Kosovo in internationale<br />

Organisationen zu verhindern<br />

und UNO-Mitgliedsländer zur Rücknahme<br />

der Anerkennung der staatlichen<br />

Unabhängigkeit des Kosovo zu<br />

bewegen.<br />

Trotz des fehlenden Vertrauens<br />

zwischen den beiden Nachbarn und<br />

dem militärischen Säbelrasseln hoffen<br />

EU-Repräsentanten auf einen baldigen<br />

Durchbruch bei der „Normalisierung“<br />

der Beziehungen zwischen Belgrad und<br />

Priština. Diese Hoffnung basiert auf<br />

bisher noch vagen Andeutungen von<br />

Vučić und dem kosovarischen Präsidenten<br />

Hashim Thaci, wonach der<br />

bilaterale Konflikt durch eine Teilung<br />

des Kosovo und Gebietsabtretungen<br />

in Südserbien „gelöst“ werden könnte.<br />

Insbesondere im noch nicht konsolidierten<br />

Staat Bosnien und Herzegowina<br />

(BuH) wächst die Sorge, dass durch<br />

die größere Akzeptanz für ethnische<br />

Teilungsoptionen in Europa serbische<br />

Abspaltungstendenzen im multiethnischen<br />

BuH befeuert werden könnten.<br />

Selbst bei der optimistischen Regierung<br />

von Nordmazedonien, die durch die<br />

Umsetzung des Prespa-Abkommens<br />

vom 17. Juni 2018 im Februar dieses<br />

Jahres einen jahrzehntelangen diplomatischen<br />

Konflikt mit dem Nachbarn<br />

Griechenland erfolgreich beenden<br />

konnte und deren NATO- und EU-<br />

Beitrittsverhandlungen dadurch deblockiert<br />

wurden, bestehen Befürchtungen<br />

vor Kollateralschäden aus der aktuellen<br />

Kosovoentwicklung.<br />

Nordmazedonien hat es nach ethnischen<br />

Auseinandersetzungen im Jahr<br />

2001 erfolgreich geschafft, durch die<br />

Einbindung der Albaner (25 Prozent)<br />

in die staatlichen Institutionen, die<br />

Ausweitung ihrer Sprachenrechte und<br />

der lokalen Selbstverwaltung wieder<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 2 w e l t & s t r a t e G I e<br />

STAATSCHEF POLARISIERT Der serbische<br />

Präsident Aleksandar Vučić hat innenpolitisch<br />

mit der Opposition gebrochen.<br />

Außenpolitisch gibt er sich im Konflikt mit<br />

dem Kosovo und dessen geplanter Aufstellung<br />

eigener Streitkräfte bestimmt.<br />

ein kooperatives Verhältnis zur albanischen<br />

Volksgruppe aufzubauen. Die<br />

Propagierung ethnischer Teilungsvarianten<br />

in Bezug auf den Kosovo könnte<br />

dieses erfolgreiche Modell in Mazedonien<br />

gefährden. Auch im Falle des<br />

Kosovo bestünde mit dem im April<br />

2013 von serbischen und kosovarischen<br />

Regierungsvertretern in Brüssel unterzeichneten<br />

Abkommen grundsätzlich<br />

die Möglichkeit, das bilaterale Verhält-<br />

nis langsam zu normalisieren, ohne die<br />

Stabilität der Nachbarländer zu beeinträchtigen.<br />

Dieses bisher großteils nicht<br />

umgesetzte Abkommen sieht einerseits<br />

die Integration der Kosovo-Serben in<br />

die Kosovo-Institutionen und andererseits<br />

die Gründung eines serbischen<br />

Gemeindeverbandes innerhalb des<br />

Kosovo vor.<br />

Im Lichte der weiterhin angespannten<br />

regionalen Situation stellt die Präsenz<br />

der Friedenstruppen EUFOR ALTHEA<br />

in BuH (derzeit rund 670 Soldaten) und<br />

der KFOR im Kosovo (derzeit rund<br />

3.500 Soldaten) einen wichtigen Stabilitätsfaktor<br />

dar. Das Bundesheer leistet<br />

mit seiner Beteiligung an den beiden<br />

Operationen (EUFOR rund 290 und<br />

KFOR rund 430 Soldaten) einen substanziellen<br />

Beitrag dazu und stellt mit<br />

Generalmajor Martin Dorfer seit Ende<br />

März 2018 auch den Kommandanten<br />

der gesamten EUFOR-Mission.<br />

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Institut für Friedenssicherung<br />

und Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie<br />

mit Forschungsschwerpunkt<br />

Südosteuropa.<br />

Licht und Schatten über dem Westbalkan<br />

BRIGADIER WALTER<br />

FEICHTINGER ist seit<br />

2002 Leiter des Instituts<br />

für Friedenssicherung und<br />

Konfliktmanagement (IFK)<br />

an der Landesverteidigungsakademie.<br />

endlich wieder ein lichtblick auf dem<br />

westbalkan. die längst überfällige einigung<br />

von Griechenland und Nordmazedonien<br />

im leidigen Namensstreit ist ein<br />

ermutigendes signal. es zeigt, dass nachhaltige<br />

lösungen möglich sind, wenn die<br />

beteiligten Parteien ernsthaft, konstruktiv<br />

und mit der erforderlichen ausdauer an<br />

ein Problem herangehen. Für Nordmazedonien<br />

ist damit der weg frei für die aufnahme<br />

in die Nato und eine beschleunigte<br />

Heranführung an die europäische<br />

Union.<br />

Ähnliches würde man sich auch an anderen<br />

orten wünschen. so kommt der dialog<br />

zwischen serbien und dem Kosovo<br />

nicht voran, sogar vor militärischen drohungen<br />

scheut man nicht zurück. Nationalistisches<br />

Gedankengut, das schon<br />

den Nährboden für die blutigen Kriege<br />

in den 1990er-jahren bot, scheint wieder<br />

salonfähig zu werden. auch Ideen<br />

hinsichtlich eines Gebietsaustausches<br />

zwischen serben und Kosovaren mögen<br />

verlockend klingen, doch bergen sie<br />

enormes Konfliktpotenzial und würden<br />

sicher nicht auf den Kosovo begrenzt<br />

bleiben. abgesehen davon wäre es<br />

eine Kehrtwendung auf dem bisherigen<br />

weg, der sich an friedlicher Koexistenz,<br />

regionaler Kooperation und Versöhnung<br />

orientierte.<br />

das sollten sich nicht nur die akteure vor<br />

ort, sondern auch die eU in erinnerung<br />

rufen. selbst wenn derzeit einerseits<br />

Brüssel an attraktivität eingebüßt und<br />

andererseits dessen erweiterungsbereitschaft<br />

gelitten hat – die europäische<br />

Union bietet unverändert die beste Perspektive<br />

und damit auch den stabilitätsanker<br />

für die region. das sollte aber<br />

nicht dazu führen, die ansprüche an<br />

Beitrittskandidaten zu reduzieren oder<br />

unkritisch zu agieren. denn der transformationsprozess<br />

ist noch nicht abgeschlossen,<br />

ein selbsttragender Friede<br />

keinesfalls garantiert! es bleibt daher zu<br />

hoffen, dass dem aktuellen lichtblick<br />

Nordmazedonien eine generelle<br />

erleuchtung folgen wird.<br />

Foto s : G e t t y I m aG e s , N a d j a m e I st e r<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


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über 20.000 militärische und zivile Piloten in über 40 Ländern auf allen fünf<br />

Kontinenten trainiert.<br />

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0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />

LUFTPOLIZEI<br />

IM BALTIKUM<br />

Im September des vergangenen Jahres übernahm die deutsche Luftwaffe<br />

wieder einen Teil des „Verstärkten Luftpolizeieinsatzes im Baltikum“.<br />

Militär <strong>Aktuell</strong>-Autor Georg Mader hat am Luftwaffenstützpunkt<br />

Ämari einen Blick hinter die Kulissen des Einsatzes geworfen.<br />

B<br />

ekommen die Piloten<br />

dann und wann russische<br />

Maschinen zu<br />

sehen?“ Der estnische<br />

Kommandant<br />

der Luftwaffenbasis<br />

Ämari, Oberstleutnant Ülar Löhmus,<br />

lächelt. „Regelmäßig“, sagt er beim Besuch<br />

von Militär <strong>Aktuell</strong>. „Wir haben<br />

hier seit dem Jahr 2014 zwei bis drei<br />

durch russische Maschinen ausgelöste<br />

LUFTAUFNAHME<br />

Die hier begleitete Iljuschin-20<br />

(NATO: Coot-A) ist eine<br />

militärische Kleinserie des alten<br />

Verkehrsflugzeuges Il-18,<br />

mit vielen Antennen und<br />

Sensoren zur Aufklärung<br />

gegnerischer Funk- und<br />

Radarsignale (SIGINT).<br />

Alarmstarts – pro Woche.“ Schon 2004<br />

übernahmen mit dem NATO-Beitritt<br />

von Estland, Lettland und Litauen<br />

Bündnis-Staaten vom litauischen Stützpunkt<br />

Zokniai aus die Überwachung<br />

und Sicherung des baltischen Luftraums.<br />

Bis 2013 verliefen die Einsätze<br />

aber weitgehend unspektakulär, damals<br />

zählten die rotierenden NATO-Kontingente<br />

von Jänner bis Dezember gerade<br />

einmal 46 „Alphas“ (echte Alarmierungen).<br />

Der Ukraine-Konflikt und der<br />

rauer gewordene Ton zwischen Ost<br />

und West ließ dann 2014 die Zahl<br />

sprunghaft auf 138 Alarmstarts steigen.<br />

Im Jahr darauf waren es dann sogar<br />

153, 2016 lag die Zahl bei 100 und 2017<br />

bei 130. Im vergangenen Jahr ging es in<br />

ähnlicher Tonart weiter: Von Jänner bis<br />

August 2018 zählten die Alliierten 85<br />

„Alphas“. Anschließend übernahm die<br />

deutsche Luftwaffe mit Eurofighter der<br />

Jagdgeschwader 74 und 71 einen Teil<br />

des „Verstärkten Luftpolizeieinsatzes<br />

im Baltikum“. Bis zum Besuch von<br />

Militär <strong>Aktuell</strong> Mitte November<br />

kamen weitere 28 „Alphas“ hinzu.<br />

Warum Estland, Lettland und Litauen<br />

ihren Luftraum nicht selbst schützen?<br />

Weil es ihnen dafür schlichtweg an<br />

Kapazitäten und Möglichkeiten fehlt.<br />

Nach dem Prinzip der kollektiven Verteidigung<br />

übernehmen die Aufgabe in<br />

so einem Fall andere NATO-Mitglieder,<br />

die betroffenen Länder müssen<br />

sich allerdings an den Kosten der<br />

alliierten Einsätze beteiligen und<br />

ihre Luftraumüberwachungs- sowie<br />

Flugverkehrsmanagementsysteme<br />

zeitgemäß adaptieren. Die Missionen<br />

werden im Rahmen des integrierten<br />

Luft- und Raketenabwehrsystems<br />

der NATO geführt, kontrolliert vom<br />

Combined Air Operations Center<br />

(CAOC) im deutschen Uedem. Die<br />

Alarmierungszeit liegt normalerweise<br />

bei 15 Minuten.<br />

FOTO S : M A D E R , LU F T WA F F E<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


N A T O A I R P O L I C I N G<br />

BEWAFFNUNG<br />

Die deutschen Eurofighter<br />

in Ämari tragen aus<br />

Gründen der symmetrischen<br />

Lastverteilung immer<br />

eine AIM-120 AMRAAM<br />

jeweils vorne konformal<br />

am Rumpf und entgegengesetzt<br />

hinten.<br />

Zu sehen bekommen die alliierten Jets<br />

in der Luft laut Auskunft von Luftwaffenpiloten<br />

von schwer veralteten Tu-<br />

134 bis hin zu brand<strong>neu</strong>en Typen wie<br />

der Su-35 praktisch das gesamte Arsenal<br />

der Vozdushno-Kosmicheskiye Sily<br />

(russische Luftstreitkräfte, kurz VKS).<br />

Diese begehen kleinere oder größere<br />

Luftraumverletzungen, fliegen „Abkürzungen“<br />

über das Hoheitsgebiet der<br />

drei baltischen Staaten oder identifizieren<br />

sich nicht ordnungsgemäß, was<br />

Zivilflugzeuge in Bedrängnis bringen<br />

könnte. Warum die Crews ihre Transponder<br />

absichtlich abschalten, ist unklar,<br />

auf den Primärradars der Militärs<br />

tauchen die Maschinen schließlich ohderen<br />

Flugzeugen unterwegs, als sie<br />

plötzlich in Richtung Westen ausscherte<br />

und ihr IRBIS-Feuerleitradar<br />

auf die NATO-Jets aufschaltete –<br />

mehrfach. Die deutschen Piloten hatten<br />

dadurch die seltene Gelegenheit<br />

wellenelektronische „Fingerabdrücke“<br />

der Su-35S zu nehmen, die sie anschließend<br />

in die Bedrohungsbibliothek<br />

eingespeichert haben. Von Interesse<br />

ist für die alliierten Militärs aber<br />

beispielsweise auch, inwiefern sich<br />

russische Maschinen mit der Zeit<br />

verändern. Ob etwa andere Antennen<br />

unter dem Rumpf verbaut werden<br />

oder andere <strong>neu</strong>e Details und<br />

Anbauten erkennbar sind.<br />

Verstärkter<br />

Luftpolizeieinsatz<br />

im Baltikum<br />

Als Reaktion auf den rasanten Anstieg<br />

der Alarmierungen und des<br />

international geächteten Vorgehens<br />

Russlands auf der Krim und in der<br />

Ostukraine verabschiedete die NATO<br />

2014 einen <strong>neu</strong>en Bereitschaftsplan<br />

(Ready-Action-Plan, kurz RAP). Um<br />

rascher und entschiedener auf sicherheitspolitische<br />

Herausforderungen<br />

an seinen Grenzen reagieren zu<br />

können, erhöhte das Bündnis die<br />

militärische Präsenz in den baltischen<br />

Staaten und in Polen – die Luftraumüberwachung<br />

wurde intensiviert.<br />

Mit Ämari in Estland nahm die NATO<br />

infolgedessen einen zweiten Luftwaffenstützpunkt<br />

in der Region in<br />

Betrieb. Von Ämari und Zokinai aus<br />

werden seitdem je vier Kampfflugzeuge<br />

eingesetzt, von denen zwei<br />

auf QRA-Bereitschaft (QRA steht<br />

für Quick Reaction Alert) sind.<br />

nehin auf. In manchen Fällen dürfte es<br />

russischen Piloten mit ihrem Verhalten<br />

aber wohl darum gehen, mit AIM-120<br />

(BVR) und IRIS-T (WVR) bewaffnete<br />

Eurofighter anzulocken, um sie aus der<br />

Nähe fotografieren zu können.<br />

Aber auch die NATO-Piloten nutzen<br />

die Einsätze, um Informationen über<br />

potenzielle Gegner zu sammeln. Konkret<br />

gelang dies beispielsweise am 14.<br />

September des Vorjahres bei einer Begegnung<br />

deutscher Jets mit einer Su-<br />

35S über dem finnischen Meerbusen.<br />

An dem Tag war die <strong>neu</strong>este Version<br />

der Flanker-Serie gemeinsam mit an-<br />

Das im September 2018 nach Ämari<br />

verlegte deutsche Kontingent umfasst<br />

übrigens rund 160 Männer und Frauen.<br />

Sie brachten 140 Tonnen Ausrüstung<br />

und Material mit und halten fünf<br />

Eurofighter-Einsitzer aus der Tranche-<br />

3A klar. Keine Auskünfte gab es auf<br />

Fragen nach einem weiteren Teil der<br />

deutschen Luftwaffenmission in Estland.<br />

Laut einem Online-Medienbericht<br />

ist im Land aktuell – wie auch<br />

bereits in den Vorjahren – ein sogenannter<br />

Luftwaffenerfassungstrupp im<br />

Einsatz. Die Sensoren und Antennen<br />

des Bataillons für elektronische<br />

Kampfführung 912 aus Nienburg<br />

sollen aber nicht in Ämari, sondern<br />

deutlich näher an der russischen<br />

Grenze aufgebaut sein. Und die Aufklärungstechnik<br />

soll nun von <strong>neu</strong>erer<br />

Bauart und Generation sein, um im<br />

Zuge des NATO Air Policings im Baltikum<br />

der eingesetzten Luftwaffe unmittelbar<br />

vor Ort ein umfassenderes<br />

und aussagekräftigeres Lagebild zur<br />

Verfügung zu stellen. Das bislang im<br />

Rahmen dieser Einsatzaufgaben eingesetzte<br />

Aufklärungssystem wäre in<br />

einigen Bereichen angeblich an seine<br />

„technologischen Grenzen“ gestoßen.<br />

Offiziellen Kommentar gibt es dazu<br />

aber wie gesagt keinen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />

FOTO : 1 2 3 R F<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


EXTRA<br />

16 SEITEN<br />

D O S S I E R<br />

DAS MILITÄR AKTUELL<br />

SCHWERPUNKT-<br />

THEMA<br />

China will mehr als eine Billion Euro in die Handelsrouten der<br />

Neuen Seidenstraße investieren, dadurch seine Wirtschaft<br />

stärken und eine <strong>neu</strong>e Ära der Globalisierung einläuten.<br />

Aber welche geopolitischen Zusammenhänge birgt dieses<br />

größte Infrastrukturprojekt der Menschheitsgeschichte?<br />

Antworten von Sebastian Holler.<br />

rönland. Die B52-Langstreckenbomberstaffeln<br />

der USamerikanischen<br />

Thule Air<br />

Base machten die größte<br />

Insel der Welt, die aufgrund<br />

ihrer Lage zwischen Nordamerika und<br />

Russland von großer strategischer Bedeutung<br />

ist, zum Sinnbild des Kalten<br />

Krieges. Heute blicken die riesigen Radaranlagen<br />

des NORAD-Frühwarnsystems<br />

über den Nordpol hinweg Richtung<br />

Eurasien und bilden das Rückgrat<br />

des US-Raketenabwehrschirms. Innenpolitisch<br />

mittlerweile von Dänemark<br />

autonom, versucht die grönländische<br />

Regierung nun die Flughafeninfrastruktur<br />

der Insel auszubauen, um ökonomisch<br />

prosperieren zu können. Als ein<br />

großes chinesisches Bauunternehmen<br />

dafür in die engere Auswahl kam,<br />

intervenierte Kopenhagen. Ein Sturm<br />

scheint am Horizont entlang der auftauenden<br />

Nordostpassage aufzuziehen.<br />

Knapp 10.000 Kilometer weit entfernt,<br />

am anderen Ende der Welt, rückt <strong>2019</strong><br />

eine andere Insel ins Zentrum der medialen<br />

Aufmerksamkeit: Taiwan. Der<br />

chinesische Präsident Xi Jinping sprach<br />

in seiner Neujahrsansprache von der<br />

Wiedervereinigung mit Festlandchina<br />

als einem zentralen Faktor, um den<br />

„Chinesischen Traum“ zu ermöglichen.<br />

Diese 2012 von Xi in Anlehnung an den<br />

„American Dream“ erstmals verkündete<br />

Vision soll zur „Wiederbelebung der<br />

chinesischen Nation“ sowie einer<br />

M I l I t Ä r A k t u E l l


0 1 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />

Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand<br />

und damit zur Vollendung des<br />

größten Armutsbekämpfungsprogramms<br />

der Menschheitsgeschichte<br />

führen.<br />

Die Atemschutzmasken tief ins Gesicht<br />

gedrückt, reiten chinesische Touristen<br />

auf Kamelen über den Dünen der Oasenstadt<br />

Dunhuang, dem Tor zur Taklamakan-Wüste,<br />

in den Sonnenuntergang.<br />

Zur gleichen Zeit drängen sich<br />

vollbeladene Lastwägen und Güterzüge<br />

durch den nahen Gansu-Korridor<br />

Richtung Westen. Dieser geopolitische<br />

Flaschenhals, der zwischen der Wüste<br />

Gobi und dem tibetischen Hochland<br />

den bevölkerungsreichen wohlhabenden<br />

Osten mit dem dünn besiedelten<br />

armen Westen Chinas verbindet,<br />

ist schon seit der Han-Dynastie die<br />

Hauptschlagader der Seidenstraße.<br />

Das sich in der Antike etablierende<br />

eurasische Handelsnetzwerk, dem der<br />

deutsche Geograf und Forschungsreisende<br />

Ferdinand von Richthofen 1877<br />

den legendären Namen verlieh, erlebte<br />

Zeiten unterschiedlicher Intensitäten<br />

und prosperierte insbesondere im Mittelalter<br />

unter den Mongolen. Durch die<br />

ökonomische Eingliederung Amerikas<br />

in die Weltwirtschaft durch Christoph<br />

Kolumbus und die Erschließung des<br />

Seewegs nach Indien und China verlor<br />

das kontinentale Handelsnetzwerk allerdings<br />

seine Bedeutung, obwohl der<br />

Handel nie vollkommen abriss und die<br />

Routen sich bis heute hielten, wie etwa<br />

der Karakorum Highway, der China<br />

und Pakistan quer über das Dach der<br />

Welt verbindet. Dieser Engpass ist<br />

mittlerweile eine entscheidende Komponente<br />

des China-Pakistan Economic<br />

Corridor (CPEC), ein Schlüsselprojekt<br />

der chinesischen Belt and Road Initiative,<br />

weithin bekannt als Neue Seidenstraße.<br />

Der Begriff ist jedoch nicht <strong>neu</strong>. Schon<br />

mehrfach wurde dieser historische<br />

Rückgriff angestrengt, um transeurasische<br />

Transportwege zu bezeichnen.<br />

So wurde ab 1990 die gerade etablierte<br />

Eisenbahnroute der <strong>neu</strong>en eurasischen<br />

Kontinentalbrücke zwischen der ostchinesischen<br />

Hafenstadt Lianyungang<br />

und dem niederländischen Rotterdam<br />

gemeinsam mit der Transsibirischen<br />

Eisenbahn als Neue Seidenstraße bezeichnet.<br />

Als die Europäische Union<br />

1993 den Bau des Transport Corridor<br />

Europe-Caucasus-Asia (TRACECA)<br />

initiierte, ein eurasischer Verkehrskorridor,<br />

der Russland über die Türkei und<br />

den Südkaukasus umgeht, wurde ebenfalls<br />

von der „Wiederherstellung der<br />

historischen Großen Seidenstraße“<br />

gesprochen. Knapp zehn Jahre später<br />

beschlossen Russland, der Iran und Indien<br />

die Errichtung des International<br />

North-South Transport Corridor<br />

(INSTC), der Mumbai mit Moskau<br />

verbinden soll. 2011 versuchten<br />

schließlich die USA mit der New Silk<br />

Road Initiative Zentralasien stärker in<br />

den Weltmarkt einzubinden. Die Pivot<br />

to Asia-Strategie und die forcierten<br />

Verhandlungen zum Freihandelsabkommen<br />

Trans-Pacific Partnership<br />

(TPP), das China ausschloss, brachten<br />

Peking nun unter Zugzwang. Zudem<br />

hatte man aus der globalen Finanzkrise<br />

2009 gelernt, dass man die Abhängigkeit<br />

vom Westen verringern muss, um<br />

die eigene Stabilität zu gewährleisten.<br />

Ende 2013 wurde von Xi Jinping<br />

schließlich One Belt, One Road aus der<br />

Taufe gehoben. Aufgrund allgemeiner<br />

Unklarheiten, wo sich dieser „eine“<br />

Gürtel und diese „eine“ Straße nun befinden<br />

sollten, wurde das Vorhaben bereits<br />

drei Jahre später in Belt and Road<br />

Initiative umbenannt. Diese Entwicklungsstrategie<br />

umfasst sechs Landkorridore,<br />

den sogenannten Silk Road<br />

Economic Belt, und einen Seeweg, die<br />

Maritime Silk Road. Durch Investitionen<br />

in Infrastruktur wie Schienen,<br />

Häfen und Pipelines sollen die Wirtschaftsräume<br />

Asiens, Europas und<br />

Afrikas enger verschränkt werden und<br />

damit über 60 Prozent der Weltbevölkerung<br />

und 35 Prozent der Weltwirtschaft.<br />

China hat dafür Investitionen in<br />

Höhe von mehr als einer Billionen Euro<br />

in Aussicht gestellt, um dadurch die<br />

wirtschaftliche Entwicklung in interes-<br />

HANDELSZENTRUM CHINA<br />

Die Neue Seidenstraße soll das zuletzt gebremste<br />

Wirtschaftswachstum Chinas wieder ankurbeln.<br />

FOTO S : 1 2 3 R F<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


sierten Ländern zu fördern, während<br />

es gleichzeitig seine eigenen<br />

Überkapazitäten an Stahl und<br />

Beton abbaut. Obwohl historisch<br />

unter völlig anderen Umständen<br />

entstanden, wird die Belt and<br />

Road Initiative oft mit dem<br />

Marshallplan nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg verglichen. Doch<br />

schon allein das versprochene<br />

Investitionsvolumen lässt einen<br />

Vergleich hinken, ist die chinesische<br />

Initiative doch knapp zehnmal<br />

so umfangreich wie das USamerikanische<br />

Wiederaufbauprogramm.<br />

Trotz dieses großen Ausmaßes<br />

der Belt and Road Initiative<br />

ist das generelle Infrastrukturinvestitionspotenzial<br />

in Asien jedoch<br />

noch 25-mal größer. Zudem<br />

hat China bislang nur einen kleinen<br />

Teil der Summe in den mehr<br />

als 65 teilnehmenden Staaten<br />

investiert und dies vorwiegend<br />

in Leuchtturmprojekte wie den<br />

griechischen Hafen von Piräus,<br />

den Trockenhafen Khorgas an<br />

der kasachisch-chinesischen<br />

Grenze sowie den Tiefseehafen<br />

im pakistanischen Gwadar.<br />

Nicht einmal 200 Kilometer<br />

westlich von Letzterem befindet<br />

sich mit dem iranischen Hafen<br />

Tschahbahar das indisch-russische<br />

Konkurrenzprojekt des<br />

INSTC. Im Juni 2017 traten<br />

sowohl Pakistan als auch Indien<br />

der Shanghaier Organisation für<br />

Zusammenarbeit bei, der weltweit<br />

größten Regionalorganisation,<br />

der auch China, Russland und<br />

mit Ausnahme Turkmenistans<br />

auch die zentralasiatischen Staaten<br />

angehören und deren Ziel die<br />

sicherheits- und wirtschaftspolitische<br />

Kooperation in Asien ist.<br />

Zur gleichen Zeit zeigte sich die<br />

dennoch bestehende geopolitische<br />

Rivalität zwischen Indien<br />

und China am Shiliguri-Korridor.<br />

Dieser teils nur 27 Kilometer<br />

breite Engpass verbindet Nordostindien<br />

mit dem großen Rest<br />

des Landes. Als China am nahen<br />

und mit Bhutan umstrittenen<br />

Doklam-Plateau mit Straßenbautätigkeiten<br />

Richtung indischer<br />

SEIDENSTRASSE<br />

Grenze begann, kam es zu einer<br />

kleinen unblutigen militärischen<br />

Konfrontation. Gleichzeitig fühlt<br />

sich Indien durch die chinesischen<br />

Hafenbauprojekte der<br />

Maritime Silk Road im Indischen<br />

Ozean, der sogenannten Perlenkettenstrategie,<br />

strategisch eingekreist.<br />

Besonders der chinesisch<br />

finanzierte Hafen von Hambantota<br />

im Süden Sri Lankas, der<br />

2017 aufgrund von Schuldenproblemen<br />

für 99 Jahre an ein<br />

chinesisches Staatsunternehmen<br />

fiel, bereitet Neu-Delhi Sorgen.<br />

Am westlichen Ausläufer der<br />

Perlenkette etablierte China in<br />

Dschibuti, das bei vielen Staaten<br />

als Standort für Militärbasen zur<br />

Kontrolle der Meerenge des Babel-Mandeb<br />

sehr beliebt ist, seine<br />

erste Marinebasis im Ausland.<br />

Insbesondere die Absicherung<br />

seiner Interessen in Afrika stellt<br />

Chinas Doktrin der Nichteinmischung<br />

in die inneren Angelegenheiten<br />

anderer Staaten, welche<br />

aus den eigenen traumatischen<br />

Erfahrungen als Spielball des<br />

europäischen Imperialismus<br />

herrührt, auf den Prüfstand. Im<br />

östlichen Bereich der Perlenkette<br />

wiederum ist Chinas Wirtschaft<br />

von der uneingeschränkten Passage<br />

durch die Straße von Malakka<br />

und das Südchinesische Meer<br />

abhängig. Letzteres versucht Peking<br />

daher verstärkt seiner Kontrolle<br />

zu unterziehen: einerseits<br />

durch historische Legitimationsversuche<br />

mit Bezug auf die Seeexpeditionen<br />

des spätmittelalterlichen<br />

chinesischen Admirals<br />

Zheng He; andererseits militärisch<br />

durch die Errichtung von<br />

Stützpunkten auf den umstrittenen<br />

Spratly-Inseln sowie den<br />

Ausbau der Marinebasis Sanya<br />

auf Hainan zum größten chinesischen<br />

U-Boot- und Flugzeugträgerstützpunkt.<br />

Dadurch versucht<br />

Peking die ursprünglich von USamerikanischen<br />

Strategen entwickelte<br />

Inselkettenstrategie umzu-


0 2 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

setzen. Drei Inselketten begrenzen laut<br />

dieser die strategischen Operationsräume<br />

des chinesischen Militärs. Die innerste<br />

dieser Verteidigungslinien umfasst<br />

das Südchinesische Meer, das Ostchinesische<br />

Meer und das Herzstück<br />

Taiwan, die vor US-amerikanischem<br />

Einfluss gesichert werden sollen. Der<br />

US-amerikanische Geopolitikexperte<br />

Robert Kaplan vergleicht die große<br />

strategische Bedeutung dieses Raums<br />

für China mit jener der Karibik für<br />

die USA.<br />

Der aktuelle weltpolitische Rückzug<br />

Washingtons, der sich in vielerlei Hinsicht<br />

manifestiert, und der gleichzeitige<br />

Aufstieg Chinas wird von geopolitischen<br />

Kommentatoren oft mit der viel<br />

zitierten „Thucydides Trap“ in Verbindung<br />

gebracht. Nach dieser auf den Peloponnesischen<br />

Krieg zwischen Sparta<br />

und Athen zurückgreifenden Theorie<br />

führte der Niedergang der Seemacht<br />

Athen und der Aufstieg der Landmacht<br />

Sparta zwangsläufig zum Krieg. Auch<br />

heute wird dieses Szenario des kriegerischen<br />

Übergangs zwischen zwei hegemonialen<br />

Großmächten gezeichnet.<br />

Um dieser vermeintlichen Gesetzmäßigkeit<br />

entgegenzuwirken, plädiert der<br />

Politologe Joseph Nye, der „Vater“ der<br />

Soft Power, für die sogenannte Smart<br />

Power. Diese soll in Hinblick auf das<br />

Verhältnis zwischen China und den<br />

USA durch eine Kooperation der beiden<br />

Mächte und eine verstärkte Einbindung<br />

Chinas in weltweite Angelegenheiten<br />

und Verantwortlichkeiten, Frieden<br />

gewährleisten und ein Tappen in<br />

die „Thucydides Trap“ verhindern. Die<br />

Obama-Regierung verfolgte noch diesen<br />

Ansatz. Die Strategie des aktuellen<br />

US-Präsidenten Donald Trump ist<br />

hier jedoch eher undurchsichtig.<br />

Trumps Aufkündigung der Trans-Pacific<br />

Partnership und seine protektionistische<br />

Rhetorik führten 2017 zur paradoxen<br />

Situation, dass der Anführer des<br />

kommunistischen Chinas, Xi Jinping,<br />

mit seiner Eröffnungsrede beim Weltwirtschaftsforum<br />

und der Bewerbung<br />

der Belt and Road Initiative als Fürsprecher<br />

des Freihandels auftrat und nicht<br />

die USA als Mutterland des Liberalismus.<br />

Aber auch in militärischer Hinsicht<br />

zieht sich Amerika aus vielen<br />

Die Neue Seidenstraße<br />

soll die Märkte in Ost und West verbinden.<br />

Sie soll aber auch den Handel mit den<br />

Ländern Südamerikas, Ozeaniens und<br />

sogar der Karibik forcieren und damit<br />

Chinas globalen<br />

Einfluss<br />

nachhaltig<br />

stärken.<br />

Europa<br />

Die Hauptstroßrichtung: Das<br />

Seidenstraßenprojekt soll Europa<br />

näher an China rücken und den<br />

Handel ausbauen. Chinesische<br />

Produkte könnten damit deutlich<br />

schneller nach Europa transportiert<br />

werden, entlang der Seidenstraßen-Routen<br />

plant China zudem in<br />

Billiglohnländern wie Weißrussland<br />

und Kasachstan den Bau von<br />

Fabriken und Fertigungsstraßen.<br />

Afrika<br />

Einige Länder vor allem Nordostafrikas waren bereits Teil der historischen<br />

Seidenstraße. Nun wird das Engagement deutlich intensiviert.<br />

Seit vielen Jahren investiert Peking bereits Milliarden in Afrika und<br />

treibt damit den Ausbau der Infrastruktur voran. In Dschibuti<br />

unterhält China zudem am Horn von Afrika seine erste Militärbasis<br />

im Ausland, weitere könnten schon bald folgen.<br />

C H I N A<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


SEIDENSTRASSE<br />

Globales Projekt<br />

mit fünf<br />

Stoßrichtungen<br />

Karibik<br />

Sehr zum Missfallen der USA ist das<br />

Interesse an einer teilhabe am Seidenstraßen-Projekt<br />

auch bei einigen karibischen<br />

Ländern groß. China hat die<br />

Staaten der region aktiv zur teilnahme<br />

eingeladen und überlegt in Konkurrenz<br />

zum US-kontrollierten Panamakanal<br />

den Bau eines <strong>neu</strong>en Kanals in Nicaragua.<br />

Als trockene Alternative oder<br />

ergänzend könnte außerdem eine <strong>neu</strong>e<br />

Bahnlinie in Kolumbien den Handel mit<br />

karibischen Staaten stärken.<br />

Ozeanien<br />

China hat in den<br />

vergangenen Jahren seine<br />

Präsenz in den pazifischen<br />

Inselstaaten kräftig ausgebaut,<br />

viele dieser Länder<br />

(unter anderem Fidschi, Vanuatu,<br />

Samoa, Mikronesien,<br />

die Cook-Inseln, tonga und<br />

Niue) sind bereits teil der<br />

Belt and road Initiative. Nun<br />

rücken zunehmen auch<br />

Australien und Neuseeland<br />

in Pekings Fokus.<br />

Südamerika<br />

Nachdem Xi Jinping das Seidenstraßen-Projekt<br />

präsentiert<br />

hatte, wuchsen auch jenseits<br />

des Pazifiks Begehrlichkeiten.<br />

Bereits seit Jahren ist China top-<br />

Handelspartner von Argentinien,<br />

Brasilien, Chile und Peru.<br />

Für China interessant sind unter<br />

anderem die rohstoffe des<br />

Kontinents: Getreide, Holz,<br />

Sojabohnen, Diamanten, Öl<br />

und Bergbauprodukte.<br />

Foto S : 1 2 3 r F<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 2 W E L T & S T R A T E g I E<br />

Weltregionen zurück, so auch aus Afghanistan.<br />

Indessen wächst Pekings<br />

Interesse an Kabul. Insbesondere eine<br />

Kooperation bei der Terrorbekämpfung<br />

liegt in Pekings Interesse, grenzt das<br />

vom Islamismus gebeutelte Land doch<br />

an Chinas muslimisch geprägte Provinz<br />

Xinjiang. Um dortige Unruhen und<br />

Unabhängigkeitsbestrebungen zu minimieren,<br />

versucht Peking mit der Belt<br />

and Road Initiative insbesondere auch<br />

diese wirtschaftlich abgehängte Region<br />

und deren Zentren Kaschgar und<br />

Urumtschi zu entwickeln, vielfach mit<br />

Erfolg, oft aber auch zu Lasten des kulturellen<br />

Erbes der dort ansässigen muslimischen<br />

Uiguren. Um ein Übergreifen<br />

terroristischer Elemente zu verhindern,<br />

werden im afghanischen Wakhan-Korridor<br />

bereits Trainingslager für die Sicherheitskräfte<br />

Afghanistans errichtet<br />

und auch über dortige chinesische Einheiten<br />

wird bereits spekuliert, dies von<br />

Peking jedoch dementiert. Dieses abgelegene<br />

Gebirgstal ist das geopolitische<br />

Überbleibsel des letzten großen Machtkampfes<br />

in Zentralasien, dem sogenannten<br />

Great Game zwischen Russland<br />

und dem britischen Empire im<br />

19. Jahrhundert. Das Reich der Mitte ist<br />

jedoch nicht nur aufgrund Xinjiangs an<br />

Sicherheit in Afghanistan interessiert.<br />

Mit dem südlich von Kabul im Taliban-<br />

Gebiet gelegenen Mes Aynak hat sich<br />

2007 ein chinesisches Bergbauunternehmen<br />

eines der größten unerschlossenen<br />

Kupfervorkommen der Welt<br />

gesichert, dessen Erschließung das<br />

größte ausländische Investment in<br />

der afghanischen Geschichte darstellt.<br />

Doch Afghanistan soll nicht nur Rohstofflieferant<br />

für chinesische Hightech<br />

werden, sondern auch einen wichtigen<br />

Knotenpunkt der sogenannten Digital<br />

Silk Road darstellen. So errichtet der<br />

chinesische Technologiekonzern ZTE<br />

ein Glasfasernetzwerk in dem an der<br />

geografischen Schnittstelle zwischen<br />

Südasien, dem Nahen Osten und<br />

Zentralasien gelegenen Staat. Aber auch<br />

der andere Telekommunikationsriese,<br />

Huawei, ist am Ausbau von digitaler<br />

Infrastruktur beteiligt. Dieser geriet erst<br />

jüngst in die Kritik, als es um den Ausbau<br />

des europäischen 5G-Netzes ging.<br />

Europa fürchtet eine Gefährdung seiner<br />

kritischen Infrastruktur durch den<br />

Bietet die Neue Seidenstraße mehr Chancen<br />

als Risiken? Wer profitiert davon wirklich?<br />

Und was bedeutet die Initiative für die<br />

unmittelbaren Nachbarländer Chinas? Wir<br />

haben drei Experten* aus unterschiedlichen<br />

Fachrichtungen um ihre Einschätzungen<br />

gebeten.<br />

GASTKOMMENTAR<br />

PROF. DR. ALFRED GERSTL<br />

ist Spezialist für Internationale Beziehungen<br />

mit den Schwerpunkten Asien-Pazifik<br />

und Mitglied des Managementteams im<br />

EU-Projekt „Sinophone Borderlands“.<br />

FURCHT VOR EINER<br />

CHINESISCHEN HEGEMONIE<br />

Anfänglich standen die<br />

meisten Länder, mit Ausnahme<br />

vor allem der USA,<br />

Japans und Indiens, der Belt and<br />

Road Initiative sehr positiv gegenüber.<br />

In der EU, aber auch in<br />

Südostasien wächst in letzter Zeit<br />

jedoch Kritik an der drohenden<br />

wirtschaftlichen und damit möglichen<br />

politischen Abhängigkeit<br />

von China. Malaysia hat seit dem<br />

überraschenden Wahlsieg des alten<br />

und <strong>neu</strong>en Premierministers<br />

Mahathir Mohamad 2018 einige<br />

kostspielige BRI-Projekte gestoppt.<br />

In Vietnam beendete die<br />

Regierung nach Demonstrationen<br />

die Einrichtung von drei<br />

Sonderwirtschaftszonen, da viele<br />

Vietnamesen einen Ausverkauf<br />

an China befürchteten. Die Philippinen,<br />

wie Malaysia mit China<br />

in Territorialdispute im Südchinesischen<br />

Meer verwickelt, setzen<br />

hingegen unter Präsident Duterte<br />

auf eine enge ökonomische und<br />

infrastrukturelle BRI-Kooperation.<br />

Die Regionalorganisation ASEAN<br />

begrüßt zwar nach wie vor die<br />

BRI, betont jedoch ihre regionale<br />

Zentralität, das heißt den Vorrang<br />

des von ihr etablierten multilateralen<br />

Regelwerks. Die Furcht vor<br />

einer chinesischen Hegemonie<br />

nimmt in Südostasien eher zu<br />

als ab.<br />

* D I E E x P E R T E N g E H ö R E N D E M E U R O P E g O E S S I L K R OA D B E R AT E R STA B A N – I N FO R M AT I O N E N DA Z U AU F S E I T E 3<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


GASTKOMMENTAR<br />

SEIDENSTRASSE<br />

PROF. DR. SEBASTIAN KUMMER<br />

ist Vorstand des Instituts für<br />

Transportwirtschaft und<br />

Logistik an der WU Wien.<br />

EINZELNE STATIONEN RÜCKEN<br />

INS ZENTRUM<br />

Aus Sicht der logistik war bereits<br />

die historische Seidenstraße<br />

sehr vielfältig geprägt<br />

und bestand aus einem Seeweg sowie<br />

verschiedenen Karawanenrouten<br />

zu land. Dies hat sich im Vergleich zur<br />

Neuen Seidenstraße nur unwesentlich<br />

geändert und so betrifft auch<br />

diese den Seeverkehr, den Straßenund<br />

eisenbahnverkehr zu land sowie<br />

zusätzlich den luftverkehr. Die Routen<br />

gliedern sich in unterschiedliche<br />

Abschnitte und ähneln auch in dieser<br />

Hinsicht ihrem historischen Vorbild.<br />

So war auch das alte Handelsnetzwerk<br />

kein durchgängiger Weg, den<br />

man auf einmal hinter sich brachte,<br />

sondern ein Distanzhandel, bei dem<br />

von einer Station zur nächsten gehandelt<br />

wurde und so Waren über tausende<br />

Kilometer quer durch eurasien<br />

transportiert wurden. Auch die Neue<br />

Seidenstraße wird in dieser Hinsicht<br />

viel mehr sein als die beladung eines<br />

Containerschiffs in Schanghai und<br />

dessen entladung im Hamburger<br />

Hafen einige Wochen später. Stattdessen<br />

werden in Zukunft die einzelnen<br />

Stationen der Strecke wieder verstärkt<br />

ins Zentrum rücken, weswegen<br />

diese auch einer verstärkten wissenschaftlichen<br />

Auseinandersetzung<br />

bedürfen. Denn entlang dieser transportkorridore<br />

entsteht eine wirtschaftliche<br />

entwicklung, die für europa sowohl<br />

Chancen als auch Risiken birgt.<br />

GASTKOMMENTAR<br />

AUCH EUROPÄISCHE UNTERNEHMEN<br />

PROFITIEREN<br />

Foto S : b e i g e St e l lt<br />

Der öffentliche Diskurs in Politik<br />

und Wirtschaft zur chinesischen<br />

Seidenstraßeninitiative<br />

ist aktuell von der Frage geprägt,<br />

wieweit China die immensen investitionen<br />

dazu nutzt, eine alleinige<br />

Vormachtstellung in der Region aufzubauen,<br />

und zu welchem grad auch<br />

europäische Unternehmen von den<br />

investitionen profitieren können.<br />

Allen pessimistischen Annahmen zum<br />

trotz ist zunächst einmal festzustellen,<br />

dass es für eine beantwortung der<br />

Frage noch zu früh ist. grundsätzlich<br />

einmal gehen mit den investitionen<br />

auch für unsere Unternehmen große<br />

Chancen einher. Dies gilt alleine<br />

schon deswegen, da in den ländern<br />

der Region dringend benötigte<br />

infrastruktur aufgebaut wird. Was für<br />

europäische Unternehmen entlang<br />

der Seidenstraße bleibt, hängt jedoch<br />

nicht nur von der Haltung Chinas ab.<br />

Die länder der Seidenstraße sind<br />

von politischen Risiken wie Rechtsunsicherheit,<br />

einer schwachen garantie<br />

der eigentumsrechte und Klientelismus<br />

der herrschenden eliten geprägt.<br />

entscheidend ist mithin, ob die<br />

europäischen Unternehmen bereit<br />

sind, diese politischen Risiken einzugehen<br />

und geeignete instrumente<br />

des politischen Risikomanagements<br />

anzuwenden.<br />

DR. HANNES<br />

MEISSNER<br />

ist Senior Researcher<br />

und Lektor im<br />

Kompetenzzentrum<br />

Schwarzmeerregion<br />

der Fachhochschule<br />

des BFI Wien.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />

CHINAS STREITKRÄFTE<br />

IM US-VERGLEICH<br />

In den vergangenen Jahren hat China enorme Investitionen in seine<br />

Streitkräfte getätigt und damit seine Rolle als Regionalmacht mehr als<br />

nur gefestigt. Längst bietet Peking mit seiner Armee auch den USA Paroli.<br />

China<br />

USA<br />

1,4<br />

Millionen Soldaten<br />

1,6<br />

Millionen Soldaten<br />

Truppenstärke<br />

2,3<br />

Millionen Soldaten<br />

642.000<br />

Soldaten<br />

Bodentruppen<br />

8.848<br />

Fahrzeuge<br />

6.246<br />

Geschütze<br />

Bewaffnete<br />

Fahrzeuge<br />

9.150<br />

Fahrzeuge<br />

1.299<br />

Geschütze<br />

Artillerie<br />

13.000<br />

Flugzeuge<br />

802<br />

Hubschrauber<br />

Flugzeuge<br />

3.000<br />

Flugzeuge<br />

6.000<br />

Hubschrauber<br />

Hubschrauber<br />

10<br />

Träger<br />

32<br />

Zerstörer<br />

Flugzeugträger<br />

1<br />

Träger<br />

62<br />

Zerstörer<br />

Zerstörer<br />

Schiffe<br />

(insgesamt)<br />

415<br />

Schiffe<br />

714<br />

Schiffe<br />

68<br />

U-Boote<br />

75<br />

U-Boote<br />

U-Boote<br />

6.450<br />

Sprengköpfe<br />

147,7<br />

Milliarden Euro<br />

Atom-<br />

Sprengköpfe<br />

280<br />

Sprengköpfe<br />

564,8<br />

Milliarden Euro<br />

Militär-<br />

Ausgaben<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


staatsnahen chinesischen Konzern.<br />

Doch die digitale Seidenstraße geht<br />

noch weit darüber hinaus und reicht<br />

über E-Commerce und Smart Cities bis<br />

zum Weltraum. Spätestens hiermit tritt<br />

die chinesische Vorstellung von der<br />

Neuen Seidenstraße in <strong>neu</strong>e Sphären<br />

über. So auch in den sozialen Bereich.<br />

Über die Konfuzius-Institute, die mit<br />

dem deutschen Goethe-Institut oder<br />

dem spanischen Instituto Cervantes<br />

vergleichbar sind, sollen die chinesische<br />

Sprache und Kultur im Ausland gefördert<br />

und so gewissermaßen auch Soft<br />

Power ausgeübt werden. Doch im von<br />

Joseph Nye unterstützten „Soft Power<br />

30“-Ranking nimmt die Volksrepublik<br />

China nur den 27. Platz ein, Österreich<br />

Rang 17. Dennoch führen forcierte Studentenaustauschprogramme<br />

insbesondere<br />

auch mit afrikanischen Ländern zur<br />

Entstehung enger werdender kultureller<br />

und wirtschaftlicher Verflechtungen.<br />

die sich zunehmend vom Billigwaren-<br />

Produzenten zum Konsumenten am<br />

eigenen, drittgrößten Binnenmarkt<br />

der Welt wandelt. China diversifiziert<br />

seine Abhängigkeiten und schafft<br />

<strong>neu</strong>e Abhängigkeiten.<br />

Die Neue Seidenstraße ist weder <strong>neu</strong><br />

noch eine Straße. Vielmehr handelt<br />

es sich dabei um die nationalen, regionalen<br />

und globalen geopolitischen<br />

Stoßrichtungen verschiedener Staaten<br />

im Raum der historischen Seidenstraße.<br />

Chinas Version geht jedoch weit<br />

darüber hinaus und macht den Begriff<br />

zu einem welthistorischen Label<br />

für seine Innen- und Außenpolitik.<br />

Obwohl visionärer Anspruch und<br />

harte Wirklichkeit teils noch eklatant<br />

auseinanderklaffen und es zunehmend<br />

auch Rückschläge gibt, ist es<br />

verfrüht, von einem Misserfolg zu<br />

SEIDENSTRASSE<br />

sprechen. Die Belt and Road Initiative<br />

ist auf mehrere Jahrzehnte ausgelegt,<br />

während sie sich bisher zudem als<br />

sehr wandelbar bewiesen hat, sodass<br />

sie zum nächsten Jahreswechsel<br />

wieder ganz anders aussehen könnte.<br />

So vollbrachte etwa China Ende 2018<br />

in der Antarktis mit dem Bau eines<br />

Flughafens das, was es am anderen<br />

Ende der Welt in Grönland noch<br />

nicht geschafft hat: die Etablierung<br />

des südlichen Teils der Polar Silk<br />

Road. Als zur selben Zeit Panama als<br />

erstes amerikanisches Land der Belt<br />

and Road Initiative beitrat, wurde die<br />

Idee der Neuen Seidenstraße schließlich<br />

zu einem alle Kontinente erfassenden<br />

globalen Phänomen.<br />

FOTO S : 1 2 3 R F<br />

Die chinesischen Interessen in Afrika<br />

sind mit jenen anderer Staaten vergleichbar.<br />

Vielfach geht es um den Zugang<br />

zu natürlichen Ressourcen, wofür<br />

China Investitionen in dringend benötigte<br />

Infrastruktur tätigt. Diese Entwicklungshilfe<br />

fließt zudem, ohne Bedingungen<br />

im Bereich Good Governance<br />

zu stellen, und macht damit China<br />

zur attraktiven Alternative zu westlichen<br />

Geldgebern. Gleichzeitig sichert<br />

sich China die Unterstützung der Empfängerländer<br />

bei Abstimmungen in internationalen<br />

Organisationen, etwa bei<br />

den Vereinten Nationen. Obwohl der<br />

Anteil an chinesischen Direktinvestitionen<br />

in Afrika in den vergangenen<br />

Jahren stark gestiegen ist und das Land<br />

auf Rang 4 der Geldgeber katapultierte,<br />

führen Frankreich, die USA und das<br />

Vereinigte Königreich das Feld weiterhin<br />

deutlich an. Doch China errichtet<br />

nicht nur Straßen und Schienen in Afrika,<br />

sondern vor allem auch Fabriken.<br />

Damit lagert es seine vormalige Rolle als<br />

Werkbank der Welt in die Niedriglohnländer<br />

Afrikas aus, während gleichzeitig<br />

auch der Export chinesischer Arbeitskräfte<br />

für Schlagzeilen sorgt. Die eigene<br />

Industrie wird unter dem Slogan Made<br />

in China 2025 währenddessen auf Hightech-Produkte<br />

umgestellt, um zur führenden<br />

Nation in diesem Bereich aufzusteigen.<br />

Die steigenden Löhne führen<br />

zu einer aufstrebenden Mittelschicht,


0 2 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />

DIE EU SPIELT<br />

MILITÄRISCH FÜR<br />

KEINE<br />

CHINA<br />

ROLLE!<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


SEIDENSTRASSE<br />

China-Experte FRANCO ALGIERI leitet das International<br />

Relations Department an der Webster Vienna Private University.<br />

Wir haben mit ihm die ökonomischen und politischen<br />

Hintergründe der Neuen Seidenstraße und das <strong>neu</strong>e militärische<br />

Selbstbewusstsein Chinas erörtert.<br />

Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

Fotos: LUKAS ILGNER<br />

H<br />

err Algieri, China<br />

präsentiert die<br />

Neue Seidenstraße,<br />

die sogenannte<br />

„Belt and Road<br />

Initiative“ (BRI),<br />

vor allem als ökonomisches<br />

Projekt. Ist es nicht viel mehr?<br />

Es hat den Anschein, als starrten einige<br />

Akteure in Europa gebannt auf<br />

dieses Projekt und erkennen darin<br />

vor allem ein enormes wirtschaftliches<br />

Potenzial. Dabei vergessen wir<br />

aber, dass die BRI primär ein aus chinesischer<br />

Interessenlage heraus entstandenes<br />

Projekt ist. Es ist Teil eines<br />

größeren Ansatzes, bei dem es darum<br />

geht, Chinas regionale und globale<br />

Rolle zu stärken, innere Stabilität<br />

zu gewährleisten und das zuletzt<br />

gedämpfte Wirtschaftswachstum<br />

anzukurbeln. Die damit verbundenen,<br />

teils sehr hohen Erwartungshaltungen<br />

in vielen zentralasiatischen und europäischen<br />

Staaten werden sich daher<br />

meiner Meinung nach nicht erfüllen.<br />

Im Gegenteil: Mit dem Projekt kann<br />

für manche Staaten die wirtschaftliche<br />

Abhängigkeit von China zunehmen,<br />

parallel dazu auch die politische.<br />

Aber die bereits getätigten und geplanten<br />

Millionen- und Milliardeninvestitionen<br />

in vielen Ländern<br />

lassen sich nicht wegdiskutieren.<br />

Natürlich nicht. Es gibt durchaus<br />

positive Effekte, wenn beispielsweise<br />

Infrastrukturprojekte vorangetrieben<br />

werden wie die Modernisierung der<br />

Bahnlinie von Budapest nach Belgrad<br />

zur Hochgeschwindigkeitsstrecke<br />

oder die Weiterentwicklung des<br />

Hafens in Piräus. Aber diese Effekte<br />

werden unter dem Strich sicher nicht<br />

das Ausmaß haben, das erwartet<br />

wird. In manchen Ländern Mittelund<br />

Osteuropas sowie am Westbalkan<br />

lösen sich die großen Hoffnungen<br />

auch bereits langsam in Luft auf.<br />

Der sich durch die Projekte erhoffte<br />

Boom bleibt aus und der ganz große<br />

China-Hype hat sich dort deutlich<br />

abgeschwächt.<br />

Waren die Erwartungen vieler<br />

Regierungen zu blauäugig?<br />

Ja, das würde ich schon sagen. Zu<br />

denken, dies sei ein Projekt, das vor<br />

allem gemacht wurde, damit auch<br />

andere Länder davon umfassend<br />

profitieren, war und ist jedenfalls<br />

ein Trugschluss. Die BRI ist ein<br />

wirtschaftliches und – um auf Ihre<br />

Eingangsfrage zurückzukommen –<br />

auch politisches Projekt, das mitentscheidend<br />

dafür sein wird, wie<br />

wir China künftig verorten werden.<br />

Warum sind trotzdem derart viele<br />

Regierungen froh über chinesische<br />

Investitionen und daran interessiert,<br />

Teil der Initiative zu werden?<br />

Waren sie und sind sie möglicherweise<br />

in den Nachwehen der<br />

Wirtschaftskrise offener dafür?<br />

Die BRI wurde zwar erst 2013 vom<br />

chinesischen Präsidenten Xi Jinping<br />

öffentlich präsentiert, aber schon<br />

im Verlauf der Finanzkrise einiger<br />

europäischer Staaten richteten sich<br />

Erwartungen auf China. Manch ein<br />

Unternehmen war damals auf der Suche<br />

nach Investoren und es herrschte<br />

vielfach die Meinung, dass chinesische<br />

Investitionen helfen würden. In<br />

manchen Fällen haben die Investitionen<br />

auch durchaus Wirkung gezeigt,<br />

aber natürlich stellt sich die Frage, ob<br />

es sinnvoll ist, Teile der Hochtechnologie-Industrie<br />

oder Infrastruktur-<br />

Anlagen wie den Hafen von Piräus<br />

aus der Not heraus einfach ausländischen<br />

Investoren zu überlassen. Dass<br />

solche Ambitionen mancherorts<br />

bestanden haben, ist erklärbar. Dass<br />

es tatsächlich dazu kam, verwundert<br />

mich aber schon. Man hat damit<br />

schließlich die Kontrolle über<br />

Schlüsselbereiche teilweise aus<br />

der Hand gegeben.<br />

Hat diesbezüglich mittlerweile<br />

ein Umdenkprozess eingesetzt?<br />

Viele Regierungen sind heute hellhörig,<br />

weil sie mit der Zeit erkannt<br />

haben, dass mit diesen Investitionen<br />

das Know-how von Schlüsseltechnologien<br />

abwandern kann. Mittel- bis<br />

langfristig wird China damit diese<br />

Technologien auch selbst entwickeln,<br />

entsprechende Produkte herstellen<br />

und sogar verbessern können. Damit<br />

wird die Rolle Chinas als internatio-<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />

MILITÄRISCHER LERNPROZESS<br />

„Mit der Teilnahme an internationalen Missionen<br />

sammelt Chinas Armee Auslandserfahrungen“,<br />

so Franco Algieri. „Das ist<br />

beinahe wie ein Trainingsprogramm.“<br />

naler Wettbewerber stärker und europäische<br />

Technologiebereiche können<br />

darunter leiden. Dann werden manche<br />

Stimmen zwar immer noch mit<br />

dem Argument kommen, dass es sich<br />

dabei um geringere Qualität handelt<br />

und „Made in China“ nicht „Made in<br />

Germany“ oder „Made in Austria“<br />

entspricht. Aber das stimmt teilweise<br />

schon jetzt nicht mehr und es ist nur<br />

eine Frage der Zeit, bis China Technologien<br />

entwickeln und Produkte<br />

herstellen wird, die den europäischen<br />

überlegen sind.<br />

Was bedeuten die Bemühungen<br />

Chinas zum Ausbau der Neuen<br />

Seidenstraße militärisch? China<br />

unterhält seit 2017 einen ersten<br />

Marinestützpunkt in Dschibuti am<br />

Horn von Afrika. Will Peking seine<br />

Wirtschaftsinteressen und seine<br />

Investitionen in Seidenstraßen-<br />

Projekte schützen, ist wohl bald<br />

mit weiteren Militärkooperationen<br />

und -basen zu rechnen, oder?<br />

Auf jeden Fall. China hat bereits<br />

damit begonnen, seine Ingenieure,<br />

Arbeiter und Manager in einigen<br />

Ländern durch private chinesische<br />

Sicherheitsfirmen schützen zu lassen.<br />

Ebenso sind die Infrastrukturinvestitionen<br />

zu schützen. Möglich ist das<br />

einerseits, indem das Land, in dem<br />

sich entsprechende Infrastrukturprojekte<br />

befinden, für die Sicherheit<br />

sorgt. Andererseits könnte dies auch,<br />

wie beim Personal, in die Hände<br />

privater Unternehmen gelegt werden<br />

oder China kümmert sich selbst<br />

darum …<br />

… und engagiert sich militärisch.<br />

Richtig. China hat dahingehend auch<br />

bereits erste Schritte gesetzt, befindet<br />

sich aber noch inmitten eines riesigen<br />

Lernprozesses, zu dem beispielsweise<br />

auch die Teilnahme an UN-Einsätzen,<br />

an internationalen Manövern und<br />

auch an der Anti-Piraterie-Mission<br />

vor der Küste Afrikas gehören. Seite<br />

an Seite mit anderen Nationen lernt<br />

China dort Abläufe kennen und sammelt<br />

Auslandserfahrungen. Das ist<br />

beinahe wie ein Trainingsprogramm<br />

und aus Sicht Chinas unheimlich<br />

wichtig, war man doch jahrzehntelang<br />

nur auf sich selbst und auf die<br />

Verteidigung der eigenen Landesgrenzen<br />

fixiert.<br />

Gibt es konkrete Überlegungen und<br />

Pläne zum Aufbau weiterer Stützpunkte?<br />

Die gibt es bestimmt, Dschibuti wird<br />

sicher kein einmaliges Event bleiben<br />

und weitere Stützpunkte sind zu erwarten,<br />

beispielsweise in Südasien.<br />

Ganz sicher wird China in Zukunft<br />

auch im Kontext von Anti-Terror-<br />

Maßnahmen oder gemeinsamen<br />

Sicherheitsübungen noch mehr Präsenz<br />

zeigen und verstärkt zu sicherheitspolitischen<br />

Fragen Stellung<br />

beziehen. Damit kann China auch seinen<br />

regionalen und globalen Einfluss<br />

vergrößern und sein internationales<br />

Ansehen stärken.<br />

Peking setzt nun also – nach Jahrzehnten<br />

der reinen Landesverteidigung<br />

und den zuletzt immer bestimmter<br />

formulierten Ansprüchen<br />

im Südchinesischen Meer – militärisch<br />

den nächsten Schritt?<br />

Der Wandel ist eindeutig feststellbar.<br />

Die Rüstungsausgaben Chinas steigen<br />

seit Jahren, was aber – so ehrlich<br />

muss man sein – auch bei anderen<br />

Ländern der Fall ist. China modernisiert<br />

seine Armee und setzt dabei<br />

auch stark auf <strong>neu</strong>e Technologien.<br />

Das Ziel ist es, Fähigkeiten aufzubauen<br />

– und das mit allem Nachdruck.<br />

Sind die Inbetriebnahme eines<br />

ersten Flugzeugträgers vor einigen<br />

Jahren und der aktuell im Bau<br />

befindliche zweite Träger Teil<br />

dieser Entwicklung?<br />

Definitiv. Den ersten Träger hat<br />

China noch von der Ukraine gekauft<br />

und er dient vor allem zu Übungszwecken.<br />

Es geht darum, zu lernen,<br />

wie man einen Träger betreibt. Der<br />

nun im Test befindliche zweite Träger<br />

ist bereits eine Eigenentwicklung und<br />

zwei weitere Träger sind in Planung.<br />

Die Fertigstellung und Inbetriebnahme<br />

der Flugzeugträger spiegelt nicht<br />

nur Lerneffekte wider, China wird damit<br />

auch militärisch einen gewaltigen<br />

Entwicklungsschritt machen.<br />

Damit ist wohl auch zu erwarten,<br />

dass die anhaltende Konfrontation<br />

mit den USA in den kommenden<br />

Jahren weiter an Schärfe gewinnt,<br />

oder?<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Genauso wie Europa und China<br />

befinden sich auch die USA und<br />

China wirtschaftlich in einem interdependenten<br />

Verhältnis. Sie<br />

sind eng miteinander verbunden,<br />

voneinander abhängig. Die Wirtschaftssysteme<br />

der beiden Länder<br />

sind derart verwoben, dass sich<br />

wohl keine Seite eine militärische<br />

Auseinandersetzung leisten kann.<br />

Dies hätte im Übrigen auch Folgen<br />

für Europa. Stellen sie sich einen<br />

größeren militärischen Konflikt im<br />

Südchinesischen Meer vor. Handelsrouten<br />

durch die Region wären<br />

betroffen, der Warenaustausch<br />

beeinträchtigt, Rohstofflieferungen<br />

gefährdet.<br />

Ist damit ein militärischer<br />

Konflikt in der Region praktisch<br />

ausgeschlossen?<br />

Das nicht, aber ich halte diese Möglichkeit<br />

für eher unwahrscheinlich.<br />

Die Frage ist nämlich: Wer will<br />

tatsächlich einen Krieg? Wer kann<br />

dadurch gewinnen? Da sehe ich keinen<br />

Gewinner und das scheint auch<br />

allen beteiligten Akteuren klar zu<br />

sein. Es wird immer wieder Konflikte<br />

und Auseinandersetzungen geben<br />

und man testet militärisch und<br />

ökonomisch natürlich immer ab,<br />

wie die Gegenseite auf bestimmte<br />

Entwicklungen oder Vorgänge<br />

reagiert. Aber eine Eskalation<br />

kann sich keine Seite erlauben.<br />

Die teils aggressive Rhetorik ist<br />

also nichts als Säbelrasseln?<br />

Ein wiederkehrendes Säbelrasseln<br />

ist erkennbar. Man beäugt sich stets<br />

kritisch und dreht ein wenig an der<br />

Eskalationsschraube – mal in die<br />

eine Richtung, mal in die andere.<br />

Es passiert kaum zufällig, dass Flugzeuge<br />

durch Flugverbotszonen fliegen<br />

oder sich Schiffe zu nahe kommen.<br />

Da steckt immer eine Absicht<br />

dahinter und die ist unter anderem<br />

von innenpolitischen Entwicklungen<br />

bestimmt.<br />

SEIDENSTRASSE<br />

Es wird also ständig nur ausprobiert,<br />

wie weit man gehen kann?<br />

Man bewegt sich dabei natürlich<br />

manchmal auch auf dünnerem Eis,<br />

aber es ist allen Seiten bewusst, was<br />

eine echte Konfrontation bedeuten<br />

würde. Und vor allem: Was sie<br />

kosten würde.<br />

Mit der EU gibt es militärisch<br />

kaum Konfliktpotenzial, oder?<br />

Nein, die EU spielt militärisch für<br />

China keine Rolle. Wir haben keine<br />

Flugzeugträger, die im Südchinesischen<br />

Meer patrouillieren. Wir haben<br />

keine Basen in Asien und wir<br />

hegen auf globaler Ebene nur geringe<br />

militärische Ansprüche. Bei den<br />

Amerikanern ist das gänzlich anders.<br />

Washington befindet sich in einer<br />

stetigen Positionsbestimmung, wie<br />

es mit Blick auf China agieren soll.


0 3 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

„China benötigt keine<br />

militärische Okkupation<br />

von Regionen, um eine<br />

hegemoniale Rolle<br />

einzunehmen. Ökonomisch<br />

ist das für Peking wesentlich<br />

einfacher zu erreichen.“<br />

China-Experte Franco Algieri<br />

Abhängig von den chinesischen Schritten versuchen<br />

die USA mit Partnern in der Region zusammenzuarbeiten,<br />

selbst vor Ort präsent zu sein und<br />

mit anderen Akteuren – beispielsweise der EU –<br />

gemeinsame Positionen gegenüber China zu vertreten.<br />

Konfliktpotenzial gab und gibt es beispielsweis<br />

bezüglich Taiwan und Japan, und seit einigen<br />

Jahren auch wegen territorialer Ansprüche im<br />

Südchinesischen Meer. Es wird sich zeigen müssen,<br />

was sich aus einer möglichen Erweiterung der<br />

BRI in die arktische Region oder nach Südamerika<br />

und die Karibik an Konfliktpotenzial ergeben<br />

könnte. Und das gilt übrigens völlig losgelöst von<br />

der amerikanischen Außenpolitik unter Präsident<br />

Trump. Chinas Expansionspläne werden von den<br />

USA schon lange kritisch beäugt und stehen ganz<br />

sicher auch in einer Post-Trump-Phase weit oben<br />

auf der Agenda der amerikanischen Außenpolitik.<br />

Gilt das auch für die anderen südostasiatischen<br />

Länder, mit denen sich China teils um<br />

Land- und Besitzansprüche im Südchinesischen<br />

Meer im Streit befindet? Beäugen sie<br />

die Expansionspläne auch kritisch?<br />

Natürlich gibt es kritische Stimmen, die sagen,<br />

dass Chinas Politik vor allem darauf ausgerichtet<br />

ist, langfristig der Hegemon in Südostasien zu<br />

sein. Die Frage ist, ob China diese Rolle militärisch<br />

einnehmen will, und da habe ich meine<br />

Zweifel. Ökonomisch ist das nämlich wesentlich<br />

einfacher zu erreichen. Wenn wir uns anschauen,<br />

wie stark der innerasiatische Handel jetzt schon<br />

ist, welche zentrale Rolle China dabei spielt und<br />

inwieweit diese Verzahnung im Zuge der BRI<br />

noch wachsen kann, dann benötigt Peking keine<br />

militärische Okkupation von Regionen, um eine<br />

hegemoniale Rolle einzunehmen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


SO SCHNELL WIE<br />

NOCH NIE.<br />

Mit dem <strong>neu</strong>en MPDS 2 ist eine gleichzeitige<br />

Vor-, Haupt- und Nachbehandlung möglich.<br />

Das multi-funktionale MPDS 2 ist ein Mehrzweckgerät für die<br />

Dekontamination von Material und Fahrzeugen und kann mit bis zu<br />

drei Lanzen gleichzeitig verwendet werden. Dies spart viel Zeit,<br />

da Vor-, Haupt- und Nachbehandlung simultan erfolgen können.<br />

Das MPDS 2 ist das effizienteste und umfassendste<br />

Dekontaminationsgerät seiner Klasse.<br />

www.kaercher-futuretech.com


0 3 2 H E E R & M E H R<br />

MILITÄRAKADEMIE IM<br />

WINTERKAMPF<br />

Mit dem zweiwöchigen Winterteil Anfang Februar <strong>2019</strong> am Truppenübungsplatz Hochfilzen ist der Lehrgang<br />

„Kommandant im Gebirge“ für die Fähnriche des Jahrganges „Hauptmann Neusser“ abgeschlossen.<br />

Den jungen Soldaten stellten sich dabei unterschiedliche Gefechtsaufgaben, das am Beginn des<br />

Lehrgangs Erlernte musste anschließend bei einer Übung praktisch umgesetzt werden.<br />

STARKE EINSATZ-BILANZ<br />

Im vergangenen Jahr führte der Entminungsdienst<br />

des Bundesheeres 1.104 Einsätze durch,<br />

um Kriegsrelikte zu bergen, abzutransportieren<br />

und zu vernichten. Dabei handelte es sich<br />

um insgesamt 35,3 Tonnen Kriegsmaterial verschiedenster<br />

Art, von der Infanteriemunition<br />

über Handgranaten bis zur Fliegerbombe.<br />

Das Einsatzschwergewicht lag dabei in Niederösterreich:<br />

Etwa 11,5 Tonnen Kriegsmaterial<br />

wurden bei 482 Einsätzen beseitigt; knapp<br />

dahinter Kärnten mit 11 Tonnen bei 79 Einsätzen<br />

und Wien mit 4,5 Tonnen (71 Einsätze).<br />

Schlusslicht ist Vorarlberg mit 14 Einsätzen und<br />

82 Kilogramm geborgenem Kriegsmaterial.<br />

FOTO S : B U N D E S H E E R / P U S C H , B U N D E S H E E R / E R D M A N N F R A I D L ,<br />

H B F/ T R I P P O LT


N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />

MILITÄRHUNDE GEHEN IN PENSION<br />

Mit Februar sind beim Bundesheer<br />

erstmals zwei Militärhunde in Pension<br />

gegangen: die Rottweilerhündin<br />

Fee aus Hieflau (Bild) und der<br />

belgische Schäferhund Anubis aus<br />

Graz. Dank einer im Oktober des<br />

Vorjahres durch Verteidigungsminister<br />

Mario Kunasek beschlossenen<br />

Pensionsregelung werden<br />

die Hundeführer der Vierbeiner<br />

auch nach Dienstaustritt finanziell<br />

unterstützt. Militärhundeführer<br />

bekommen 200 Euro pro Jahr und<br />

Militärhund für Tierarztkosten<br />

sowie einen Kostenzuschuss für<br />

Futter von rund 50 Prozent. „Diensthunde<br />

leisten einen erheblichen<br />

Beitrag, wenn es um die Sicherheit<br />

unserer Soldaten geht. Deshalb<br />

haben sich unsere Vierbeiner nach<br />

langen Dienstjahren einen sorglosen<br />

Ruhestand mehr als verdient“,<br />

so Minister Kunasek.


IM ERNSTFALL<br />

STETS BEREIT.<br />

WIR SCHÜTZEN ÖSTERREICH.<br />

Unvorhersehbare Ereignisse erfordern permanente Einsatzbereitschaft.<br />

Investitionen in das Bundesheer sind Investitionen in die Sicherheit Österreichs.<br />

bundesheer.at


0 3 6 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

FITMACHEN FÜRS<br />

AUSLAND<br />

Die Auslandseinsatzbasis in Götzendorf ist die Drehscheibe für<br />

alle Auslandseinsätze des Bundesheeres. Soldaten erhalten dort den<br />

fachlichen Feinschliff, es werden dort im Südosten von Wien aber auch<br />

Mitarbeiter der OSZE ausgebildet. Ein Truppenbesuch.<br />

Text: JOHANNES LUXNER<br />

Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

AU F M AC H E R B I L D : B U N D E S H E E R / W E R N E R<br />

W U KO S C H I TZ<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

ie internationale<br />

D<br />

Ausrichtung der<br />

Auslandseinsatzbasis<br />

Götzendorf ist für<br />

Besucher schon kurz<br />

nach dem Passieren<br />

des Kasernenschrankens offensichtlich.<br />

Mehrere schwere Geländefahrzeuge<br />

der OSZE bewegen sich eng<br />

hintereinander durch das im Nebel<br />

liegende Gelände der Wallenstein-<br />

AUSLANDSEINSATZ-<br />

BASIS GÖTZENDORF<br />

DIVERSE MISSIONEN Die Kurse an der<br />

Auslandseinsatzbasis richten sich in erster<br />

Linie an Angehörige des Bundesheeres.<br />

Doch auch Personal von Organisationen<br />

wie der OSZE wird dort geschult.<br />

Die Auslandseinsatzbasis<br />

Götzendorf<br />

existiert in ihrer<br />

heutigen Organisationsform<br />

seit dem<br />

Jahr 2010 und ist<br />

das Kompetenzzentrum<br />

für friedensstützende Operationen<br />

des Bundesheeres. International<br />

ist die Einrichtung als Austrian Armed<br />

Forces International Centre (AU-<br />

TINT) bekannt und hat den Status eines<br />

Partnership Training and Education<br />

Centres (PTEC). Neben der Ausbildung<br />

der Soldaten des Bundesheeres<br />

werden dort auch Mitarbeiter der<br />

OSZE für Auslandsmissionen geschult,<br />

Teile der Ausbildungen finden auch in<br />

Graz in den Abteilungen CIMIC (Civil<br />

Military Cooperation) und PSYOPS<br />

(Psychological Operations) statt. In<br />

Summe sind rund 200 Bundesheerangehörige<br />

mit der gezielten Vorbereitung<br />

für die Auslandsmissionen beschäftigt.<br />

Die angebotenen Kurse drehen<br />

sich um militärische Beobachtung<br />

und militärische Aufklärung ebenso<br />

wie um den Schutz der Zivilbevölkerung<br />

in den jeweiligen Konflikt- und<br />

Krisengebieten. Darüber hinaus werden<br />

die Soldaten von den Lehrenden –<br />

die aus dem In- und Ausland stammen<br />

– auch auf die Eigenheiten der<br />

Einsatzländer (Sprache, Kultur) vorbereitet.<br />

Aufgrund der engen Kooperation<br />

mit Organisationen wie der OSZE<br />

herrscht auch hinsichtlich der Kursteilnehmer<br />

große Internationalität.<br />

Bislang wurden in Götzendorf<br />

Personen aus 45 verschiedenen<br />

Nationen ausgebildet. Im vergangenen<br />

Jahr wurden die Kurse von rund<br />

250 Teilnehmern besucht.<br />

Kaserne. Am Steuer sitzen Mitarbeiter<br />

der OSZE, die bald in die Ukraine<br />

aufbrechen werden, um als Monitor<br />

an der dortigen OSZE-Mission<br />

teilzunehmen. Die Auszubildenden,<br />

allesamt Zivilisten,<br />

stammen aus diversen Mitgliedsländern<br />

der Organisation.<br />

Gesprochen wird daher vor allem<br />

englisch. Das sichere Manövrieren<br />

der Fahrzeuge im Gelände ist am<br />

Niederösterreich<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 8 H E E R & M E H R<br />

heutigen Ausbildungstag ebenso<br />

Thema wie das korrekte Fahrverhalten<br />

im Konvoi. In den kommenden<br />

Tagen werden die Kursteilnehmer<br />

aber auch erfahren, was es bedeutet,<br />

entführt zu werden und in Gefangenschaft<br />

zu geraten.<br />

„Willkommen im Konfliktgebiet“,<br />

beschreibt Oberst Sandor Galavics,<br />

der Leiter der Lehrabteilung im niederösterreichischen<br />

Götzendorf, einen<br />

der grundlegenden inhaltlichen<br />

Ansätze der hier angebotenen Kurse.<br />

„Die unmittelbare Erfahrung, wie<br />

sich der totale Kontrollverlust im<br />

Zuge einer Gefangennahme auf die<br />

Psyche jedes Einzelnen auswirkt, ist<br />

ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung“,<br />

sagt Galavics. „Die Kursteilnehmer<br />

lernen sich dadurch selbst<br />

besser kennen.“<br />

Gerichtet sind die in Götzendorf<br />

angebotenen Kurse in erster Linie<br />

an Soldaten des Bundesheeres, die<br />

an einem der Auslandseinsätze etwa<br />

GEBALLTE AUSLANDSERFAHRUNG<br />

V. l. n. r.: Oberstleutnant Helmut Gekle,<br />

Oberst Sandor Galavics und<br />

Major Leon Knuvelder.<br />

in Bosnien und Herzegowina, im Kosovo,<br />

im Libanon oder in Mali teilnehmen<br />

werden. Aber auch Partnerorganisationen<br />

wie eben die OSZE<br />

greifen auf das Ausbildungs-Knowhow<br />

der Auslandseinsatzbasis zurück<br />

– auf internationaler Ebene ist<br />

die Einrichtung als Austrian Armed<br />

Forces International Centre (AU-<br />

TINT) bekannt und hat den Status<br />

eines Partnership Training and Education<br />

Centres (PTEC). Galavics:<br />

„Wir sind daher auch Ansprechpartner<br />

für die UN, die NATO und die<br />

EU, und nehmen regelmäßig an<br />

internationalen Treffen auf Durchführungsebene<br />

teil, um entsprechend<br />

auf dem aktuellen Stand der<br />

Dinge zu sein. Unser Hauptaugenmerk<br />

gilt aber österreichischen<br />

Bundesheerangehörigen.“<br />

„Die Kurse sind außerordentlich intensiv“<br />

MAJOR LEON KNUVELDER ist als<br />

stellvertretender Bereichsleiter für<br />

die Ausbildung der Gesprächsaufklärung<br />

verantwortlich. Welche<br />

inhaltliche Herausforderung diese<br />

Art der Aufklärung bedeutet und<br />

wie diese Spezialkurse gestaltet<br />

sind, erklärt er im Gespräch mit<br />

Militär <strong>Aktuell</strong>.<br />

Welche Inhalte werden in Ihrem Ausbildungsbereich<br />

konkret vermittelt?<br />

Wir bilden die Einsatztechnik der Gesprächsaufklärung<br />

aus. Darunter fallen<br />

die qualifizierte Gesprächsführung und<br />

Befragung und die gezielte Beobachtung,<br />

aber es geht auch um die Wegeerkundung<br />

vor Ort. Sprich: Alles, was dazu<br />

beiträgt, um dem Force Commander ein<br />

realistisches Lagebild der Situation in der<br />

Region zu vermitteln. Die gewonnenen<br />

Infos dienen letztlich der Sicherheit des<br />

jeweiligen Kontingents vor Ort. Dafür bedienen<br />

wir uns der Quelle Mensch, denn<br />

trotz moderner Aufklärungsmittel in Form<br />

von Drohnen und Flugzeugen ergibt sich<br />

das Lagebild zu gut drei Vierteln aus den<br />

Infos, die wir von Personen im Umfeld<br />

erfragen.<br />

Wie sehen solche Gespräche aus?<br />

Es handelt sich um eine offene, gezielte<br />

Gesprächsaufklärung. Die Soldaten<br />

geben sich zwar als solche zu erkennen,<br />

was dem Gegenüber nicht vermittelt<br />

wird, sind die konkreten inhaltlichen<br />

Ziele des Gesprächs. Das erfordert eine<br />

bestimmte Art der Fragestellung.<br />

Wie laufen diese Kurse ab?<br />

Die Kurse dauern vier Wochen und<br />

sind außerordentlich intensiv. Letztlich<br />

müssen die Teilnehmer in der Lage sein,<br />

ein High-Value-Gespräch in einer Sprache<br />

zu führen, die nicht ihre Muttersprache<br />

ist. Die Kurse laufen großteils<br />

in Englisch ab, sind intellektuell sehr<br />

fordernd und verlangen von den<br />

Teilnehmern höchste Konzentration.<br />

Welche Auslandserfahrungen haben<br />

Sie selbst bereits gemacht und was<br />

hat Sie daran gereizt?<br />

Ich war unter anderem auf den Golanhöhen<br />

und im Kosovo. Mein erster Auslandseinsatz<br />

ist mittlerweile mehr als<br />

20 Jahre her. Das Reizvolle war für mich<br />

immer die Sinnhaftigkeit der Einsätze.<br />

Außerdem wollte ich das, was ich für den<br />

Krisenfall gelernt hatte, auch tatsächlich<br />

in einem Krisengebiet einsetzen und<br />

anwenden.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

Galavics weiter: „Jeder Soldat, der<br />

einen Auslandseinsatz bestreitet,<br />

macht in Götzendorf Station.“ Das<br />

allerdings nicht zwingend im Vorfeld<br />

der Mission, wo die Soldaten in den<br />

Kursen auch ihre Fremdsprachenkompetenz<br />

(in Zusammenarbeit mit<br />

dem Sprachinstitut des Bundesheeres)<br />

in Englisch steigern. Doch im<br />

Zuge der Rückkehr aus dem Auslandseinsatz<br />

führt für keinen Soldaten<br />

der Weg an der Götzendorfer<br />

Wallenstein-Kaserne vorbei. „Wir erledigen<br />

hier auch die Endadministration<br />

für alle, die von den internationalen<br />

Missionen retour nach Österreich<br />

kommen.“ Dazu gehört auch<br />

eine entsprechende medizinische<br />

Entlassungsuntersuchung inklusive<br />

einer psychologischen Befragung,<br />

um etwaige belastende Erlebnisse<br />

entsprechend aufarbeiten zu können.<br />

THEORETISCHE VORBEREITUNG Große Teile der Ausbildung spielen sich im Lehrsaal ab.<br />

Aufgrund der Internationalität vieler Kursteilnehmer ist die Unterrichtssprache meist Englisch.<br />

Die Inhalte der angebotenen Kurse<br />

sind vielfältig: Der Schutz der Zivil-


0 4 0 H E E R & M E H R<br />

„Ein hochinteressanter Einsatz“<br />

MAJOR MARTIN<br />

LEITHNER<br />

ist Mitarbeiter der<br />

Auslandseinsatzbasis<br />

Götzendorf und war im<br />

Zuge seiner militärischen<br />

Laufbahn auf Einsätzen<br />

auf dem Golan, im<br />

Kosovo, im Tschad und<br />

in Mazedonien. Seine<br />

letzte Mission hat ihn<br />

als Monitoring Officer<br />

der OSZE in die<br />

Ukraine geführt.<br />

Wie haben sich die Vorbereitungen<br />

für die OSZE-Mission in der<br />

Ukraine konkret gestaltet?<br />

Für den Einsatz als OSZE-Monitoring-Officer<br />

war das Absolvieren des<br />

Hostile Environment Awareness Trainings,<br />

des sogenannten HEAT-Kurses,<br />

hier in Götzendorf nötig. Der<br />

Kurs dauert eine Woche und ist sehr<br />

straff organisiert. Die Ausbildung<br />

beinhaltet Themen wie Funksprechverkehr,<br />

aber auch Erste Hilfe, das<br />

Fahren mit den OSZE-Fahrzeugen<br />

und natürlich Inhalte, die das<br />

Monitoring betreffen.<br />

Das klingt sehr intensiv?<br />

Das ist es auch – es handelt sich um<br />

eine Mischung aus Theorie und Praxis.<br />

Die Woche endet mit einer sehr<br />

langen Abschlussübung, in der auch<br />

Extremsituationen wie eine Gefangennahme<br />

trainiert werden. Diese<br />

Übung wird daher auch von psychologischem<br />

Fachpersonal begleitet.<br />

Wie setzen sich die Teilnehmer<br />

eines solchen Kurses zusammen?<br />

Bei der OSZE-Mission handelt es sich<br />

um eine Mission, die keinen militärischen<br />

Hintergrund hat. Daher sind<br />

es vorwiegend Zivilpersonen aus den<br />

diversesten Mitgliedsländern der OSZE.<br />

Juristen sind ebenso darunter wie Polizeiangehörige,<br />

aber etwa auch pensionierte<br />

3-Stern-Generäle. Auch das Alter<br />

ist sehr unterschiedlich, Dreißigjährige<br />

sind ebenso darunter wie Sechzigjährige.<br />

Die große Herausforderung für die<br />

Lehrenden ist daher das Finden einer<br />

entsprechenden Basislinie, was das<br />

Vermitteln der Inhalte betrifft.<br />

Wie hat sich der Einsatz vor Ort in der<br />

Ukraine gestaltet?<br />

Zunächst war ich zehn Tage lang in der<br />

Hauptstadt Kiew, um ein weiteres Training<br />

für meine Aufgabe als Deputy Operations<br />

Coordinator zu absolvieren. In<br />

der Folge war ich in dieser Rolle ein Jahr<br />

lang Teil des Donezk Monitoring Teams.<br />

Die Mission in der Ukraine war insofern<br />

hochinteressant, weil es sich dort um<br />

einen aktiven Konflikt handelt. Dort ist<br />

wirklich Krieg. Hinzu kommt, dass die<br />

OSZE ein hohes diplomatisch-politisches<br />

Schlaglicht wirft. Als OSZE-Monitor steht<br />

man dort sozusagen im Schaufenster.<br />

Jede Tätigkeit und Handlung könnte<br />

diplomatisch-politisch instrumentalisiert<br />

werden. Und demensprechend sensibel<br />

gilt es zu agieren.<br />

GUT GERÜSTET Die Sicherheit der<br />

Teilnehmer an Auslandseinsätzen ist<br />

oberstes Gebot. Und sie wollen als<br />

solche erkannt werden – wie etwa im<br />

Fall der UN-Missionen in Form der<br />

typischen blauen Kopfbedeckungen.<br />

bevölkerung ist ein großes Thema.<br />

Aber auch der Bereich Liaison Communication,<br />

der sich etwa mit der<br />

Informationsgewinnung zur Lage im<br />

jeweiligen Krisen- oder Konfliktgebiet<br />

in Form von Verbindungsteams<br />

zur ansässigen Bevölkerung befasst.<br />

„Wichtig ist aber auch, wie sich Soldaten<br />

bei Einsätzen generell zu verhalten<br />

haben. Das geht hin bis zur<br />

Mimik in bestimmten Situationen,<br />

um Missverständnisse auszuschließen“,<br />

erklärt Galavics die Sensibilität,<br />

die im Rahmen von Auslandsmissionen<br />

gefragt ist. „Falsches Verhalten<br />

kann als Provokation aufgefasst<br />

werden. Etwa wenn Soldaten<br />

im Einsatz fotografieren.“<br />

Die Auslandseinsatzbasis spielt aber<br />

auch eine wichtige Rolle, was die<br />

Logistik im Zusammenhang mit der<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

Ausrüstung der Soldaten für die<br />

Auslandsmissionen anbelangt. Je<br />

nach Art des Auslandseinsatzes ist<br />

eine Sonderausrüstung nötig, wie<br />

etwa der Militärbeobachter-Satz.<br />

Galavics: „Dieser beinhaltet unter<br />

anderem ein Wasserfiltergerät, einen<br />

Gaskocher, eine Hängematte, ein<br />

Feldbett und ein Moskitonetz.“ Auf<br />

dem Areal der Wallenstein-Kaserne<br />

befindet sich daher auch ein großes<br />

Lager für diese Ausrüstungsgegenstände<br />

– in diesem Gebäude erfolgt<br />

auch das Aushändigen der Sonderausrüstung<br />

vor dem Einsatz an die<br />

Soldaten, und hier werden die Gegenstände<br />

nach den Auslandseinsätzen<br />

im Zuge der Endadministration<br />

retourniert. Die Bündelung der vielfältigen<br />

Aufgaben von Ausbildung<br />

über die Logistik bis hin zu medizinischen<br />

und administrativen Belangen<br />

macht die Auslandseinsatzbasis<br />

zu einer Einrichtung, die international<br />

ihresgleichen sucht.<br />

Und die Auslandseinsatzbasis hat<br />

noch eine weitere inhaltliche Besonderheit<br />

zu bieten, die in den Bereich<br />

Kunst, Kultur und Musik fällt. Für<br />

die Auslandstruppen vor Ort werden<br />

regelmäßig bekannte Künstler in<br />

die Krisengebiete geflogen, die dort<br />

Auftritte für die Soldaten absolvieren.<br />

Koordiniert und administriert<br />

werden diese Aktivitäten ebenso von<br />

der Auslandseinsatzbasis aus.<br />

LOGISTISCHE DREHSCHEIBE Die Auslandseinsatzbasis besitzt auch eine logistische Komponente<br />

mit Sonderausrüstungsgegenständen. Neben der Bekleidung werden hier an die Soldaten<br />

auch Gegenstände wie Gaskocher, Hängematte, Feldbett und Moskitonetz ausgegeben.


0 4 2 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

EINMAL IMPFEN,<br />

BITTE!<br />

Knapp 1.000 österreichische Soldaten stehen aktuell<br />

im Auslandseinsatz – eine Frau kennt sie fast alle:<br />

Dr. Margot Puschl, ärztliche Leiterin des Instituts für<br />

International Medical Support und Impfchefin des<br />

Bundesheers. Text: CONNY DERDAK Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

A<br />

uslandseinsatz! Das<br />

stellt für die meisten<br />

Soldaten eine Ausnahmesituation<br />

dar. Monatelang<br />

fern der Heimat<br />

den Dienst unter anderen klimatischen<br />

Bedingungen in einer Krisenregion<br />

zu versehen ist eine Herausforderung,<br />

die nicht unterschätzt werden<br />

sollte. Die Vorbereitungen dafür dauern<br />

daher meist auch mehrere Monate,<br />

schließen Übungen ebenso mit ein wie<br />

unterschiedliche Tests und Gesundheitsuntersuchungen.<br />

Bei letzteren gilt<br />

es drei verschiedene Komponenten zu<br />

testen: Psychologie, Sport und Medizin.<br />

Während die beiden erstgenannten Bereiche<br />

anderswo abgeklärt werden, liegt<br />

alles medizinische in der Verantwortung<br />

von Dr. Puschl, ärztliche Leiterin<br />

des Instituts für International Medical<br />

Support & Impfzentrum (kurz: IMS).<br />

Bei ihr im Wiener Heeresspital lassen<br />

sich jedes Jahr rund 3.600 Soldaten,<br />

aber auch Polizisten auf ihre Auslandstauglichkeit<br />

testen und gegen die gängigsten<br />

gesundheitlichen Gefahren<br />

schützen. Auf dem Programm stehen<br />

Laboruntersuchungen, Innere Medizin<br />

inklusive EKG, ein Besuch beim HNO-,<br />

Augen- und Zahnarzt, beim Urologen<br />

und Dermatologen. „Die Eignung ist<br />

dann für drei Jahre gültig“, sagt Dr.<br />

Puschl im Gespräch mit Militär <strong>Aktuell</strong>.<br />

„Wir vergeben drei Kalküle: ,geeignet‘,<br />

,vorübergehend ungeeignet‘ oder<br />

,ungeeignet‘. Bei ,vorübergehend ungeeignet‘<br />

handelt es sich um kleinere<br />

Mängel, die in der Regel leicht zu beheben<br />

sind. Der Proband braucht etwa<br />

eine <strong>neu</strong>e Brille, muss einen Zahn<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


A U S L A N D S E I N S AT Z<br />

ALLTAG IM IMS Oben: Ein Besuch beim Augenarzt,<br />

ein EKG sowie das Abhören der Lunge<br />

lassen darauf schließen, ob ein Soldat fit für<br />

einen Auslandseinsatz ist. Unten: Dr. Margot<br />

Puschl und ihr Team, Offiziersstellvertreter Günther<br />

Schreiner (links) und Dr. Wolfgang Kroboth.<br />

plombieren oder einen Nierenstein entfernen<br />

lassen. Gänzlich ungeeignet sind<br />

nur weniger als ein Prozent aller, die zu<br />

uns kommen.“ Nicht nur bevorstehende<br />

mehrmonatige Einsätze fallen in Dr.<br />

Puschls Aufgabengebiet, sie führt auch<br />

täglich Kurzuntersuchungen durch.<br />

„Für Führungspersonal, das Konferenzen<br />

oder Kurse im Ausland besucht.<br />

Da reichen Anamneseerhebung, ein<br />

internistischer Status und ein EKG<br />

sowie die nötigen Impfungen.“<br />

Auslandseinsatz ist nicht gleich Auslandseinsatz.<br />

Oft weiß man bei der medizinischen<br />

Testung noch nicht, in welches<br />

Gebiet es den Soldaten verschlagen<br />

wird. Gibt es also ein Basispaket,<br />

das man allen künftigen Auslandsgehern<br />

pro forma impfen kann? „Nein“,<br />

sagt Dr. Puschl. „Alle Soldaten des Bundesheers<br />

verfügen nämlich ohnehin<br />

über einen aufrechten Impfschutz für<br />

den mitteleuropäischen Raum. Der<br />

wird durch weitere Impfungen ergänzt,<br />

sobald das Zielland bekannt ist.“ KIOP-<br />

Soldaten (Kräfte für internationale<br />

Operationen) haben stets einen aktuellen<br />

Impfstatus für alle Standardmissionen<br />

des Bundesheeres (im Kosovo, Libanon<br />

und in Bosnien) um bei Bedarf<br />

innerhalb weniger Tage in den Einsatzraum<br />

verlegt werden zu können. Noch<br />

besser geschützt sind die Kräfte des<br />

Jagdkommandos: Sie verfügen immer<br />

über einen weltweiten Impfschutz.<br />

„Ausnahmslos alle Impfungen, die für<br />

einen weltweiten Impfstatus erforder-<br />

lich sind, haben wir vorrätig“, erklärt<br />

Dr. Puschl. Das sind die Impfungen gegen<br />

Diphtherie-Tetanus-Polio-Pertussis,<br />

FSME, Hepatitis A & B, Masern-<br />

Mumps-Röteln, Meningokokken, Japan-<br />

Enzephalitis, Cholera, Tollwut, Typhus,<br />

HiB, Varizellen und P<strong>neu</strong>mokokken<br />

sowie die saisonale Influenzaimpfung.<br />

Auch die Gelbfieberimpfung, die nur an<br />

vom Gesundheitsministerium zertifizierten<br />

Stellen geimpft werden darf,<br />

erhalten die künftigen Auslandsgeher<br />

im Heeresspital. Fährt jemand etwa<br />

zu einem Auslandseinsatz nach Afrika,<br />

kommt er am IMS nicht vorbei. „Die<br />

Lebendimpfung gegen Gelbfieber gibt’s<br />

nur hier, sie darf in keiner anderen<br />

Truppenambulanz in ganz Österreich<br />

geimpft werden“, ergänzt Dr. Puschl.<br />

Egal, wohin die Soldaten geschickt werden,<br />

die Untersuchungen sind für alle<br />

gleich. „Lediglich die Impfungen und<br />

reisemedizinische Beratung sind individuell.<br />

In Ländern, in denen es Malaria<br />

und andere durch Mücken übertragbare<br />

Krankheiten gibt, ist es wichtig, nicht<br />

nur täglich die Malaria-Prophylaxe einzunehmen,<br />

sondern auch zu wissen, wie<br />

man sich schützt. Gegen Krankheiten<br />

wie Zika, Dengue oder Chikungunya<br />

gibt es keine Prophylaxe. Ganz wichtig<br />

ist es dann, Mückenschutz zu verwenden<br />

und zum Beispiel stehende Gewässer<br />

vor allem in der Dämmerung zu<br />

meiden“, warnt Dr. Puschl. Auch die<br />

Tollwut ist in vielen Einsatzgebieten,<br />

etwa am Balkan, noch ein großes Thema.<br />

Besonders freilaufende Hunde und<br />

Fledermäuse stellen ein Risiko dar, in<br />

den Tropen auch Affen. „Tollwut ist<br />

eine Erkrankung, die, wenn sie einmal<br />

ausgebrochen ist, zu hundert Prozent<br />

tödlich verläuft“, erklärt die ärztliche<br />

Leiterin. Kein Wunder also, dass die<br />

Impfung dagegen beim Bundesheer<br />

für Auslandseinsätze Standard ist.<br />

Immer auf dem <strong>neu</strong>esten Stand ist das<br />

IMS übrigens beim Thema „Medical<br />

Intelligence“. Dafür sorgt ein österreichischer<br />

Verbindungsoffizier bei der<br />

Deutschen Bundeswehr in München.<br />

Alle Infos über weltweite gesundheitliche<br />

Bedrohungen und medizinische<br />

Infrastrukturen meldet er regelmäßig<br />

nach Wien. Damit unsere Soldaten<br />

im Ausland bestens geschützt sind.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 4 H E E R & M E H R<br />

„Ich habe bereits<br />

Auslandseinsätze in<br />

Bosnien und im<br />

Kosovo hinter mir,<br />

zwei Mal war ich<br />

auf dem Golan.“<br />

Oberstabswachtmeister<br />

Marianne Fanninger<br />

DIE<br />

NOTFALL<br />

SANITÄTERIN<br />

Oberstabswachtmeister Marianne Fanninger ist Sanitäts-Unteroffizier im<br />

Sanitätszentrum Süd in Klagenfurt. Wir haben die Notfallsanitäterin und<br />

Krankenpflegerin einen Tag lang bei ihrer Arbeit begleitet.<br />

Text & Fotos: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

INTERVIEW<br />

„Meine Entscheidung, zum<br />

Heer zu gehen, war richtig!“<br />

TEAMARBEIT Bei Einsätzen ist ebenso wie bei Übungen<br />

(auf den Bildern zu sehen ist die Rettung eines verletzten<br />

Soldaten aus einer Haubitze M109 nach einem simulierten<br />

Unfall) die enge Zusammenarbeit mit Kameraden<br />

entscheidend. „Da muss jeder Handgriff sitzen, muss<br />

sich jeder auf den anderen verlassen können.“<br />

Oberstabswachtmeister Marianne Fanninger<br />

im Gespräch über ihre Anfangszeit<br />

beim Bundesheer, die schönen Seiten<br />

ihres Berufes und Auslandseinsätze.<br />

Warum haben Sie sich für eine Karriere<br />

beim Bundesheer entschieden?<br />

Ich wollte immer schon ins Ausland gehen,<br />

<strong>neu</strong>e Erfahrungen machen und die Welt<br />

kennenlernen. In meinem ursprünglichen<br />

Beruf als Altenpflegerin wäre das für mich<br />

aber nur bedingt möglich gewesen. Also<br />

kündigte ich im Jahr 2001 meinen Job und<br />

ging zum Bundesheer.<br />

Und beim Bundesheer konnten Sie sich<br />

den Traum vom Ausland erfüllen?<br />

Ja, ich kann heute auf Auslandseinsätze in<br />

Bosnien und Herzegowina sowie im Kosovo<br />

zurückblicken und ich war zwei Mal am<br />

Golan. Meine Entscheidung, zum Bundesheer<br />

zu gehen, war also goldrichtig.<br />

Was schätzen Sie an Ihrem Beruf?<br />

Die Abwechslung. Meine Arbeit ist zugleich<br />

spannend, herausfordernd und abwechslungsreich,<br />

die Verantwortung groß. Ich bin<br />

praktisch immer in Alarmbereitschaft und<br />

muss mein Wissen im Anlassfall auch unter<br />

Druck sofort abrufen können. Unsere Ausbildung<br />

ist dementsprechend hart und gut<br />

und für mich auch ein ganz wesentlicher<br />

Reiz an meinem Beruf. Durch die ständige<br />

Aus- und Weiterbildung lernt man immer<br />

Neues, bleibt dadurch frisch im Kopf.<br />

Wie waren Ihre ersten Eindrücke, als<br />

Sie eingerückt sind? War da für Sie<br />

gleich klar, dass Sie sich richtig<br />

entschieden haben?<br />

Das schon, definitiv. Aber natürlich war es<br />

anfangs ein Schritt ins Ungewisse. Damals<br />

waren noch nicht so viele Frauen wie heute<br />

beim Heer, ich begab mich in eine Männerdomäne<br />

und musste mich jeden Tag <strong>neu</strong><br />

beweisen, um anerkannt zu werden. Ich<br />

habe das aber als Herausforderung gesehen,<br />

wollte immer meinen Beitrag leisten, für<br />

mein Können und meine Leistungsbereitschaft<br />

anerkannt werden und das ist mir,<br />

glaube ich, ganz gut gelungen. Ich bin<br />

jedenfalls rundum zufrieden.<br />

AUFGABENGEBIET<br />

Zu den Tätigkeiten von Marianne<br />

Fanninger gehören auch Journaldienste<br />

als Krankenpflegerin<br />

beim Jägerbataillon 25 in der<br />

Khevenhüller-Kaserne. Zudem<br />

bildet sie Grundwehrdiener aus<br />

und hält Erste-Hilfe-Kurse.<br />

KAMERADSCHAFT<br />

„Dass der Zusammenhalt unter<br />

den Kameraden beim Bundesheer<br />

derart groß ist, hätte ich mir anfangs<br />

nicht gedacht“, sagt Marianne<br />

Fanninger. „Ich habe das aber<br />

sehr zu schätzen gelernt.“<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


WIR MÜSSEN UNS WE<br />

0 4 6 H E E R & M E H R<br />

Warum alle Fähnriche ein Auslandssemester<br />

machen sollen und was<br />

autonome Gefechtsfelder und<br />

künstliche Intelligenz mit der Zukunft<br />

der Theresianischen Militärakademie<br />

zu tun haben. Militär <strong>Aktuell</strong> hat<br />

Akademiekommandant Generalmajor<br />

Karl Pronhagl und Brigadier<br />

Jürgen Wörgötter, Leiter<br />

des Instituts 1 (Offiziersausbildung)<br />

zum Interview getroffen.<br />

Interview: STEFAN TESCH Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

Herr Generalmajor<br />

Pronhagl, im vergangenen<br />

Jahr wurden an<br />

der Militärakademie<br />

nur 23 Offiziere ausgemustert,<br />

aktuell<br />

befinden sich im ersten Jahrgang aber<br />

78 Fähnriche. Der Aufwärtstrend<br />

ist unübersehbar, oder?<br />

Pronhagl: Für den nächsten Jahrgang<br />

haben wir vom Ministerium sogar 105<br />

Plätze vorgegeben bekommen und ich<br />

glaube, dass wir uns auch in den nächsten<br />

Jahren auf diesem Niveau bewegen<br />

werden, es steht schließlich eine große<br />

Pensionierungswelle bevor.<br />

Wie schwierig ist es, dafür ausreichend<br />

Offiziersanwärter zu finden?<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N T E R V I E W<br />

EITER ENTWICKELN<br />

Wörgötter: Die Frage ist nicht nur, ob<br />

man genügend Offiziersanwärter bekommt,<br />

sondern auch, ob man ausreichend<br />

qualifizierte Anwärter gewinnen<br />

kann. Wir wollen daher für die jährlichen<br />

Auswahlverfahren so viele Bewerber<br />

wie möglich, um dann die besten<br />

abschöpfen zu können. Beim derzeit<br />

ersten Jahrgang war das Verhältnis Bewerber<br />

versus Studienplätze 131 zu 78.<br />

Viel erhoffen wir uns von der Schule für<br />

Führung und Sicherheit als Nachfolger<br />

des Militär-Realgymnasiums. Wenn<br />

wir damit bis zu 50 Bewerber mehr<br />

bekommen, wäre uns sehr geholfen.<br />

Pronhagl: Natürlich ist es schwer, ausreichend<br />

gute Bewerber zu bekommen,<br />

aber wir kämpfen um die klugen Köpfe.<br />

Augenblicklich bekommen wir dabei<br />

große Unterstützung aus dem Ressort<br />

und dem Heerespersonalamt, wo massiv<br />

– unter anderem auch über Social-<br />

Media-Kampagnen – das Zielpublikum<br />

für potenzielle Offiziersanwärter<br />

angeworben wird. Offensichtlich mit<br />

Erfolg, denn derzeit haben wir 250<br />

Mann in der Kaderanwärter-Ausbildung<br />

(kurz KAAusb).<br />

Die hat früher Einjährig-Freiwillig<br />

(EF) geheißen. Welche Unterschiede<br />

beobachten Sie bei der Qualität der<br />

Ausbildung?<br />

Pronhagl: Es ist noch zu früh, um<br />

darüber zu urteilen. Wir haben erst den<br />

zweiten Jahrgang aus der Kaderanwärterausbildung<br />

bei uns und die Meinungen<br />

sind unterschiedlich. Die einen<br />

sagen, früher war es mit EF besser,<br />

andere bevorzugen die KAAusb.<br />

Wie ist Ihre Meinung dazu?<br />

Pronhagl: Ich bin ein großer Freund<br />

desKAAusb-Modells. Damit können<br />

wir Soldaten sagen, „nach 18 Monaten<br />

bist du Wachmeister“. Das war früher<br />

nicht so klar geregelt.<br />

Musste man hinsichtlich KAAusb am<br />

Curriculum des Studienganges etwas<br />

aktualisieren?<br />

Wörgötter: Nein. Ich finde die Qualität,<br />

die wir bekommen, durchaus vergleichbar<br />

mit EF. Die Heerestruppenschule<br />

macht eine sehr gute Arbeit. Schade<br />

ist, dass der Begriff EF langsam am<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 8 H E E R & M E H R<br />

Verschwinden ist. Das war immer eine<br />

Art Benchmark, die man vielleicht<br />

reaktiveren sollte. Allerdings bemerken<br />

wir zusehends – aber das ist nicht dem<br />

Militär geschuldet –, dass die körperliche<br />

Fitness abnimmt. Und auch die<br />

Kenntnisse über die deutsche Sprache<br />

sind nicht sonderlich gut. Wenn<br />

ich mir so manche Seminararbeit anschaue,<br />

frage ich mich, ob manche die<br />

Matura geschenkt bekommen haben.<br />

Das sind Qualitätsunterschiede zu<br />

Jahren davor und in diesem Bereich<br />

müssen wir unbedingt nachjustieren.<br />

Wird ab jetzt an der Militärakademie<br />

also auch Rechtschreibung gelehrt?<br />

Wörgötter: Nein, aber ich lege Wert auf<br />

korrekte Rechtschreibung. Und wenn<br />

jemand eine Arbeit mit mangelhafter<br />

Rechtschreibung abgibt, dann wird sie<br />

entsprechend schlecht bewertet oder<br />

sogar gänzlich abgelehnt und eine Neubearbeitung<br />

beauftragt. Jeder Computer<br />

hat doch ein Rechtschreibprogramm.<br />

Es kann nicht sein, dass eine<br />

angehende Führungskraft das Rechtschreibtool<br />

auf seinem Computer nicht<br />

verwendet.<br />

Seit 2007 wird an der Militärakademie<br />

der Studentenaustausch mit<br />

ausländischen Akademien gepflegt,<br />

sozusagen das „militärische Erasmus“.<br />

Welchen Nutzen bringt das<br />

den Fähnrichen?<br />

Wörgötter: Einer unserer Hauptaufträge<br />

lautet „Ausbilden für den Einsatz“. Die<br />

fertigen Offiziere gehen alle innerhalb<br />

eines Jahres in den Einsatz, entweder<br />

Auslandseinsatz oder in den Assistenzeinsatz.<br />

Und dabei operiert das Bundesheer<br />

oft Seite an Seite mit zivilen<br />

Partnern, mit NGOs und mit anderen<br />

Armeen. Wir müssen daher die Führungskräfte<br />

in Richtung Cultural Awareness<br />

ausbilden, damit sie Konflikte<br />

verstehen und mit anderen Akteuren<br />

Krisen richtig managen. Gerade in Auslandseinsätzen<br />

ist die Interoperabilität<br />

mit anderen Armeen essenziell. Und<br />

das kann ich nur ausbilden, indem wir<br />

an der Militärakademie „Go International“<br />

leben. Wir haben die Erfahrung<br />

gemacht, dass jene Studenten, die im<br />

Ausland waren, sich in der Ausbildung<br />

besser entwickeln als jene, die nicht im<br />

Ausland waren. Das hat gar nichts mit<br />

BRIGADIER JÜRGEN WÖRGÖTTER, LEITER DES INSTITUTS 1 (OFFIZIERSAUSBILDUNG) „Wir bieten<br />

künftigen Führungskräften hier eine möglichst breite Plattform, damit sie sich in Zukunft entwickeln können!“.<br />

dem Militärischen zu tun, das ist in der<br />

gesamten Hochschullandschaft der Fall.<br />

Es gehen aber nicht nur österreichische<br />

Fähnriche für ein paar Monate<br />

nach Polen, Tschechien, Deutschland<br />

sowie in die USA, sondern es<br />

kommen auch Kadetten von diesen<br />

Staaten an die Militärakademie. An<br />

welchen Schrauben hat man im Haus<br />

drehen müssen, um ausländische<br />

Kadetten unterrichten zu können?<br />

Pronhagl: Größtenteils geht es einfach<br />

um den Willen, es zu tun. Die Organisation<br />

hinter dem europäischen Kadettenaustauschprogramm<br />

„EMILYO“ (Anm.:<br />

European Initiative for the Exchange of<br />

young Officers) unterstützt massiv.<br />

Wörgötter: Gegenseitige Anerkennung<br />

ist die wesentliche Stellschraube. Wir<br />

vertrauen uns gegenseitig Kadetten an<br />

und rechnen ihnen ECTS (Anm.: European<br />

Credit Transfer and Accumulation<br />

System) an. Das heißt, wir müssen im<br />

Curriculum der anderen Akademien<br />

prüfen, ob das für uns stimmig ist.<br />

Schließlich erkennen wir ja die Inhalte<br />

dieser Akademien an. Es war schon eine<br />

große Aufgabe, gemeinsame Module<br />

wie beispielsweise Völkerrecht und<br />

Politikwissenschaft zu entwickeln<br />

und die Rahmen der Akkreditierung<br />

anzuerkennen.<br />

Parallel zu dem bereits seit Jahren<br />

gelebten Austauschprogramm gibt es<br />

aktuell auch ein Ausbildungsprojekt<br />

mit Bosnien. Was steckt da dahinter?<br />

Pronhagl: In Bosnien gibt es keine Offiziersschule<br />

für eine einheitliche Ausbildung.<br />

Ein Teil der Offiziere bekommt<br />

daher seine Ausbildung in Kroatien, ein<br />

anderer Teil in der Türkei, ein weiterer<br />

Teil in Serbien und nun haben wir aktuell<br />

zehn bosnische Soldaten in der KAAusb,<br />

die heuer im ersten Jahrgang an der Militärakademie<br />

beginnen werden. Österreich<br />

unterstützt damit die Offiziersausbildung<br />

in Bosnien. Das ist kein bilaterales<br />

Austauschprogramm. Das Ressort<br />

hat schon ein bisschen Geld dafür in die<br />

Hand genommen, um der bosnischen<br />

Armee zu helfen.<br />

Kommen wir wieder zurück nach<br />

Österreich. Wolfgang Baumann, Generalsekretär<br />

im Verteidigungsministerium,<br />

hat im Interview mit Militär<br />

<strong>Aktuell</strong> im vergangenen Oktober erklärt,<br />

dass künftig 15 Plätze an der<br />

Militärakademie für Unteroffiziere<br />

reserviert sein sollen. Was bedeutet<br />

das konkret?<br />

Wörgötter: Die Möglichkeit, als Unteroffizier<br />

an der Militärakademie zu studieren,<br />

hat es grundsätzlich immer schon<br />

gegeben. Wer fünf Jahre Berufsunteroffizier<br />

ist, kann den Antrag auf einen<br />

sechsmonatigen Ausbildungslehrgang<br />

mit abschließender Zulassungsprüfung<br />

zum Studiengang „Militärische Führung“<br />

stellen. Eine Matura light quasi.<br />

Wenn das positiv ausfällt, dann dürfen<br />

Unteroffiziere sich dem Aufnahmeverfahren<br />

an der Militärakademie stellen.<br />

Ich begrüße, dass Generalsekretär Baumann<br />

diese Möglichkeit für Unteroffiziere<br />

nun hervorhebt, denn aus meiner<br />

Sicht muss das noch viel bekannter<br />

werden.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N T E R V I E W<br />

Die Frauenquote an der Militärakademie<br />

liegt aktuell bei elf Frauen unter<br />

rund 160 Studenten. Wie viel Luft ist<br />

diesbezüglich nach oben?<br />

Pronhagl: Bis dato haben wir 32 Frauen<br />

ausgebildet. Definitiv ist da noch viel<br />

Potenzial, wo wir uns weiterentwickeln<br />

müssen. Uns fehlt es an ausreichend<br />

„Role Models“ im Haus, also Frauen in<br />

verantwortungsvollen Positionen. Ein<br />

paar gibt es zwar schon, aber es müssen<br />

noch mehr werden.<br />

Die geopolitische und sicherheitspolitische<br />

Lage ändert sich ständig. Wie<br />

reagiert man an der Militärakademie<br />

darauf?<br />

Wörgötter: Wir bieten künftigen Führungskräften<br />

eine möglichst breite Plattform,<br />

damit sie sich in Zukunft entwickeln<br />

können. Wichtig dabei ist, dass<br />

Unterrichtsfächer nicht alleine stehen,<br />

sondern immer „in den Einsatz hineinreichen“<br />

und vernetzt unterrichtet<br />

werden. Zum Beispiel: Wenn wir in Geschichte<br />

über den Einsatz der britischen<br />

Armee in Falludscha im Irak sprechen,<br />

dann stellen wir die Verbindung zu unserer<br />

Taktikausbildung her und vergleichen<br />

sie mit den Briten. Wir ziehen<br />

Rückschlüsse aus den Fehlern der Briten<br />

auf unsere Ausbildung.<br />

Prozent der Änderung nehme ich von<br />

Jahr zu Jahr vor, um am Puls der Zeit zu<br />

bleiben. Kleine Änderungen sind also<br />

schon morgen umgesetzt. Wenn es aber<br />

militärstrategisch notwendig ist, einen<br />

Richtungswechsel einzuleiten, dann<br />

dauert das bis zu zwei Jahre.<br />

An der Militärakademie gibt es<br />

neben den Instituten für Offiziersausbildung<br />

und Offiziersweiterbindung<br />

auch die sogenannte Entwicklungsabteilung.<br />

Sie stellt die Forschungseinrichtung<br />

dar. An welchen<br />

Projekten arbeitet man dort aktuell<br />

gerade?<br />

Pronhagl: Wir befassen uns mit dem<br />

Amt für Rüstung und Wehrtechnik mit<br />

dem Thema „autonomes Gefechtsfeld“.<br />

Die Frage ist, wie funktionieren automatisierte<br />

Verbände, dazu gehören unter<br />

anderem Drohnen und Roboter. Anhand<br />

von Simulation erforschen wir,<br />

was man von diesem Zukunftsthema erwarten<br />

kann. Gerade in der künstlichen<br />

Intelligenz liegt sehr viel Potenzial, aber<br />

wir befinden uns noch am Beginn dieser<br />

Entwicklung.<br />

Wie lange dauert es, bis eine <strong>neu</strong>e<br />

Erkenntnis beim Fähnrich ankommt?<br />

Wörgötter: Das Curriculum muss sich<br />

ständig weiterentwickeln. Zehn bis 15<br />

GENERALMAJOR KARL PRONHAGL, KOMMANDANT DER THERESIANISCHEN MILITÄRAKADEMIE<br />

„Ich bin ein großer Freund desKAAusb-Modells. Damit können wir Soldaten sagen, ,nach 18 Monaten bist du Wachmeister‘.<br />

Das war früher nicht so klar geregelt.“


0 5 0 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

BUNTES BILD Insgesamt<br />

35 ausländische Kadetten<br />

absolvierten zuletzt einen<br />

Teil ihrer Ausbildung an der<br />

Militärakademie in Wiener<br />

Neustadt und lernten dort<br />

gemeinsam mit ihren österreichischen<br />

Kameraden.<br />

KADETTEN<br />

TAUSCH<br />

Nicht nur die Fähnriche der Militärakademie absolvieren ein Auslandssemester, es<br />

kommen auch Kadetten aus acht Nationen zum Austausch nach Wiener Neustadt.<br />

Damit sollen die jungen Soldaten auf internationale Missionen vorbereitet werden.<br />

Text: STEFAN TESCH<br />

Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

o viele unterschiedliche<br />

Uniformen an der<br />

S<br />

Militärakademie sind<br />

für Außenstehende ein<br />

seltenes Bild. Für die<br />

Fähnriche aber Teil des<br />

Studentenalltages. Als Militär <strong>Aktuell</strong><br />

zu Besuch an der Militärakademie ist,<br />

sitzen mit den Studenten des Jahrgangs<br />

„Freiherr von Reischach“ 35 ausländische<br />

Kadetten im Lehrsaal und lauschen<br />

dem Vortrag über weltweite<br />

internationale Missionen. Rund 140<br />

Offiziersansänwärter aus acht Ländern<br />

– darunter Griechenland, Italien,<br />

Rumänien, Ungarn und die USA – verbringen<br />

aktuell drei Monate in Wiener<br />

Neustadt. Praktiziert wird diese internationale<br />

Vernetzung seit 2007, unter<br />

anderem gestützt durch das europäische<br />

Austauschprogramm EMILYO<br />

(European Initiative for the Exchange<br />

of young Officers), dem „Erasmus“ für<br />

Kadetten.<br />

Im Gegenzug verbringen alle österreichischen<br />

Offiziersanwärter im vierten<br />

oder fünften Semester ein Quartal an<br />

ausländischen Offiziersschulen, vorwiegend<br />

in den USA, in Deutschland,<br />

Frankreich, Tschechien und Polen.<br />

Dabei lernen sie nicht Gefechtstechnik<br />

oder militärische Führung, sondern<br />

Fächer wie Politikwissenschaft, Crisis<br />

Management, Völkerrecht sowie<br />

Fremdsprachen. Das macht die Inhalte<br />

zwischen den Akademien wechselseitig<br />

anrechenbar.<br />

Und auch sonst können die Kadetten<br />

bei ihren Auslandsaufenthalten viel<br />

lernen, wie uns Pawal Bezubik, Levente<br />

Kovács und Jason Brodeur aus Polen,<br />

Ungarn und den USA (siehe Interviews<br />

auf der rechten Seite) erählen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


M I L I TÄ R A K A D E M I E<br />

Jason Brodeur (20), USA<br />

Warum haben Sie Österreich für Ihr Austauschsemester<br />

gewählt?<br />

Ich befinde mich im dritten Jahr in Westpoint und<br />

studiere dort Business Management und Deutsch.<br />

Während meiner Zeit in Österreich möchte ich<br />

unter anderem meine Deutschkenntnisse verbessern.<br />

Das funktioniert gut, viele Unterrichtsein -<br />

heiten mache ich mit den österreichischen<br />

Offiziersanwärtern auf Deutsch, etwa Geländeanalyse.<br />

Nächstes Jahr muss ich in den USA<br />

meine Waffengattung wählen, ich möchte<br />

Hubschrauberpilot werden.<br />

Worin unterscheidet sich die Offiziersausbildung<br />

in den USA und in Österreich?<br />

Die Militärakademie in Wiener Neustadt ist viel<br />

kleiner, familiärer und historischer als Westpoint.<br />

Ich habe das Gefühl, die Menschen hier agieren<br />

mit sehr viel Selbstdisziplin und Verantwortung,<br />

denn die Kadetten haben wesentlich mehr Freiraum<br />

als in den USA. Wir dürfen etwa jeden Tag<br />

die Akademie nach Ende des Unterrichts verlassen<br />

und haben am Wochenende frei. In Westpoint<br />

ist das anders: nach dem Unterricht sitzen alle<br />

in ihren Zimmern und lernen. An den meisten<br />

Wochenenden dürfen wir die Akademie nicht<br />

verlassen. In puncto Unterricht wechseln in<br />

Wiener Neustadt die Themen von Woche zu<br />

Woche. in Westpoint haben wir die Fächer<br />

das ganze Semester lang.<br />

Pawel Bezubik (22), Polen<br />

An welcher Akademie studieren Sie in<br />

Polen?<br />

Nach einem Gap Year bin ich zu den Landstreitkräften<br />

gegangen und studiere jetzt im<br />

dritten Jahr in Breslau. Wenn ich fertig bin,<br />

möchte ich Kommandant eines Aufklärungs -<br />

zuges werden. Soldat zu sein ist für mich ein<br />

Abenteuer. Es ist ein Job, der nie langweilig ist.<br />

War es für Sie schwer, einen Platz im Austauschprogramm<br />

zu bekommen?<br />

In meinem Jahrgang in Polen sind wir etwa 200<br />

Personen, davon dürfen aber nur die besten<br />

50 an einem Austauschprogramm teilnehmen.<br />

Wir mussten dafür ein Auswahlverfahren<br />

machen und eine Prüfung in Englisch ablegen.<br />

Ich möchte an der österreichischen Militärakademie<br />

mein Englisch noch weiter verbessern,<br />

denn alle Unterrichtseinheiten sind auf Englisch<br />

und die Vortragenden sprechen diese<br />

Sprache sehr gut. Manche Inhalte machen wir<br />

gemeinsam mit österreichischen Kadetten,<br />

etwa „Law of armed Conflicts“. Aber es gibt<br />

auch Themen, die nur für die Austausch-Studenten<br />

unterrichtet werden. Englisch ist für<br />

mich als angehenden Offizier wichtig, denn<br />

unsere Armee operiert in vielen internationalen<br />

Einsätzen zusammen mit anderen Streitkräften.<br />

Da muss man auf Englisch<br />

kommunizieren können.<br />

Levente Kovács (21), Ungarn<br />

Wo studieren Sie und wie sieht Ihre militärische<br />

Karriere aus?<br />

Ich bin Kadett an der Universität für Public Services<br />

in Budapest und befinde mich im zweiten<br />

von vier Jahren bis zum Leutnant. Ich möchte<br />

Aufklärer werden, weil mich diese Waffengattung<br />

am meisten interessiert. Dort gehören<br />

viele spannende Bereiche zum Alltag und zur<br />

Ausbildung, beispielsweise Fallschirmspringen.<br />

Das ist genau meines, ich liebe Action.<br />

Wie unterscheidet sich die österreichische<br />

Militärakademie von jener in Ungarn?<br />

Der Unterricht an der Militärakademie in Wiener<br />

Neustadt ist für mich interessant, weil hier<br />

sehr viel Aktivität und Diskussion unter den<br />

Offiziersanwärtern herrscht. Bei uns in Ungarn<br />

sind wir über 100 Studenten und der Unterricht<br />

erfolgt in den meisten Fällen frontal. Hier<br />

arbeiten wir außerdem oft in kleinen Gruppen<br />

zusammen. In Österreich hat das System außerdem<br />

nicht so strikte Regeln wie in Ungarn,<br />

aber trotzdem gibt es Disziplin und Respekt.<br />

So können wir zum Beispiel individuell zum<br />

Essen gehen. In Ungarn passiert das alles in<br />

Formation und im Schritt und wir haben nur<br />

wenig Zeit zum Essen. Übrigens ist das Essen<br />

an der Militärakademie gut und man hat drei<br />

Mal pro Tag ein Buffet, wo man so viel essen<br />

kann, wie man will.


0 5 2 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

MIT JOYSTICK & COMPUTER:<br />

ÜBUNG FÜR DEN ERNSTFALL<br />

Der Führungssimulator an der Militärakademie in Wiener Neustadt ermöglicht<br />

nicht nur Soldaten, sondern auch Polizisten und zivilen Behörden das Üben<br />

kniffliger Führungsaufgaben im Trockentraining. Text: STEFAN TESCH Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

VOM PLAN ZUR ACTION Die Regie spielt unterschiedlichste<br />

Szenarien wie vorrückende feindliche Panzer oder<br />

eingestürzte und damit unpassierbare Brücken ein (Bilder<br />

links und oben), die Übungsteilnehmer müssen darauf<br />

reagieren und führen per Funk ihre Einheiten.<br />

K<br />

ampfpanzer bei<br />

Deutsch-Brodersdorf<br />

gesichtet“, lautet der<br />

Funkspruch. Der Aufklärungszugskommandant<br />

zieht seine<br />

Fahrzeuge zügig ab. Aber nicht im Gelände<br />

mit Sturmgewehr und Feldstecher,<br />

sondern im Keller der Militärakademie<br />

per Joystick am Computer. Er ist<br />

eines von vielen kleinen Zahnrädchen,<br />

die bei dieser Simulatorübung ineinandergreifen.<br />

Was ihm sein Kompaniekommandant<br />

weitergibt, entsteht weiter<br />

oben. Im wahrsten Sinne des Wortes,<br />

denn der Bataillonsstab befindet<br />

sich im Containerdorf am hallenartigen<br />

Dachboden desselben Gebäudes. Dort<br />

üben gerade angehende Stabsoffiziere,<br />

wie es im Stab unter Stress und blitzschnellen<br />

Lageentwicklungen zugehen<br />

kann. Sie sind die einzigen in dieser<br />

virtuellen Übung, die ihre Karten auf<br />

Basis der Lageentwicklung über Funk<br />

führen müssen. Alle anderen Ebenen,<br />

darunter Brigaden und Kompanien,<br />

haben eine „Echtzeit-Ansicht“ über<br />

Bildschirme. Das ist nämlich das Wesen<br />

dieses Führungssimulators. Es gilt<br />

herauszufinden, wie gut Verbände, Einheiten<br />

und Teileinheiten zusammenspielen,<br />

wie präzise die Meldungen zu<br />

Bewegung und Standort durchgegeben<br />

werden. Der Simulator deckt Abweichungen<br />

zwischen der „Echtzeit-Ansicht“<br />

und der mit Folienstift mitgezeichneten<br />

Lagekarte sofort auf.<br />

Erst im vergangenen Jahr wurde der<br />

Führungssimulator einem technischen<br />

Facelift unterzogen. Er kann seitdem<br />

von bis zu 400 Übungsteilnehmern<br />

„bespielt“ werden, vom Brigadekommandanten<br />

bis zum Trupp. Genauso<br />

nutzen ihn die Polizei und zivile Einsatzkräfte<br />

wie die Krisenstäbe der<br />

Bezirkshauptmannschaften. Ein „gern<br />

gespieltes“ fiktives Szenario ist der<br />

Besuch des russischen Präsidenten<br />

Wladimir Putin, der anlässlich eines<br />

Eishockeyspiels eine Stippvisite nach<br />

Österreich macht. Es lassen sich aber<br />

auch Naturkatastrophen und Ausnahmezustände<br />

am Führungssimulator<br />

durchspielen. Vom Kampfpanzer an<br />

der burgenländischen Leitha bis zur<br />

eingestürzten Brücke an der Drau –<br />

das Regieteam versetzt durch Videos<br />

und Bilder aus dem Archiv die übenden<br />

Einsatzkräfte möglichst realitätsnah<br />

in die Situation. Und das kommt bei<br />

der Truppe gut an, der Führungssimulator<br />

in Wr. Neustadt ist daher ebenso<br />

wie der zweite Führungssimulator in<br />

der Kuenringer-Kaserne in Weitra fast<br />

das ganze Jahr über in Verwendung.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


The Mortar Company.<br />

60MM KOMMANDO SYSTEM<br />

Das 60mm Kommandowerfer-System von Hirtenberger Defence Systems (HDS) ist ein<br />

Vorderlader-Steilfeuersystem, ausgelegt für Kommandooperationen im Kaliber 60mm, bestehend<br />

aus dem Waffensystem, einer umfassende Munitionsfamilie mit High Explosive, verschiedenen<br />

Rauchtypen sowie sichtbarer und IR-Beleuchtungsmunition und digitalem sowie analogem Richtmittel.<br />

Das hochmobile Waffensystem mit einer Reichweite von 2.3 km und einem Gewicht<br />

von 6.5 kg bietet eine massive Verstärkung der Bewaffnung einer Infanteriegruppe.<br />

Das umfangreiche Leistungsprofil der Waffe wird durch das elektronische Richtmittel, bekannt als GRid<br />

Aiming Mode (GRAM), revolutioniert, da der Schütze damit auch Ziele ohne direkte ‚ Sichtverbindung<br />

bekämpfen kann. Weiters wird das Waffensystem durch den <strong>neu</strong>en Zielvorgang mittels digitaler Zielvorgabe<br />

präziser im Ziel und reduziert dadurch den Munitionsverbrauch und im Weiteren auch den Trainingsaufwand.<br />

hds.hirtenberger.com


0 5 4<br />

S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

Am 21. Februar ist in Abu Dhabi mit der IDEX die größte Rüstungsmesse des Nahen und Mittleren Ostens mit einem Rekordauftragsvolumen<br />

von rund fünf Milliarden Euro zu Ende gegangen. Dabei bestätigte sich ein schon länger anhaltender Trend zur<br />

Wertschöpfungs-Verlagerung in den arabischen Raum. Die Rüstungsindustrien der VAE und Saudi-Arabiens stellen – autonom<br />

oder in Joint Ventures mit Weltmarktführern – einen immer größer werdenden Teil der von den nationalen Streitkräften benötigten<br />

Güter selbst her. Besonders umtriebig sind dabei französische (Naval und Dassault) sowie US-Konzerne (Boeing, Raytheon<br />

und viele andere), zunehmend ins Hintertreffen gerät die deutsche Konkurrenz. Grund dafür: Berlin steht Rüstungsgeschäften in<br />

der Region nicht erst seit dem „Fall Khashoggi“ ablehnend gegenüber, viele Länder weichen mit ihren Aufträgen daher auf andere<br />

Staaten aus. So zum Beispiel Saudi-Arabien: Um den verhängten Exportstopp für bereits bestellte Schiffe zu umgehen, kauft die<br />

saudische Marine nun Korvetten bei der staatlichen spanischen Werft Navantia. Da Berlin das Angebot von BAE Systems über<br />

48 weitere Eurofighter für Saudi-Arabien blockiert – ein Anteil in der dazu gewünschten Meteor-Lenkwaffe stammt von Bayern-<br />

Chemie – wird nun auch das von Deutschland und Frankreich gemeinsam geplante Kampflugzeug der 6. Generation hinterfragt.<br />

Ein hoher französischer Offizier meinte gegenüber Militär <strong>Aktuell</strong> jedenfalls: „Unter diesen Voraussetzungen wird das wenig<br />

Sinn machen.“ Angela Merkel wurde Tage später in Sharm el Sheik genau darauf medial angesprochen – mit vager Reaktion.<br />

IM FOKUS<br />

DER KONZERN<br />

IM ÜBERBLICK<br />

3.000<br />

Mitarbeiter<br />

rund 1 Mrd. Euro<br />

Umsatz (2017)<br />

Top-Produkte<br />

Fahrzeuge Maverick,<br />

Mbombe, Matador<br />

und Marauder sowie<br />

Flugzeug Mwari.<br />

PARAMOUNT GROUP<br />

Das größte private afrikanische Sicherheits- und Rüstungsunternehmen mit Hauptsitz in Sandton (Südafrika),<br />

Niederlassungen auf fünf Kontinenten sowie Fertigungen in Jordanien, Kasachstan und Aserbaidschan<br />

wurde vor allem durch seine Allschutzfahrzeuge Maverick, Mbombe (4-, 6- und 8-Rad, siehe Bild) Matador<br />

und Marauder bekannt. Darüber hinaus ist das<br />

Unternehmen aber auch im Marine- und Luftsektor<br />

aktiv. Seine modernisierten Mi-24G Super Hind fliegen<br />

beispielsweise in Algerien und Aserbaidschan,<br />

das leichte Aufklärungs- und Kampfflugzeug Mwari<br />

hat bereits Produktionsstatus für bislang nicht genannte<br />

Kunden erlangt und wird als Bronco auch<br />

von Boeing unterstützt. Paramount nutzt das in Südafrika<br />

vorhandene Know-how <strong>neu</strong>erdings auch für<br />

die Bereitstellung von mehr als 50 ex-spanischen<br />

sowie ex-französischen Mirage F.1 für die US-Feinddarsteller-Firmen<br />

Attac und Draken.<br />

FOTO S : G E O R G M A D E R , PA R A M O U N T<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


„DER 429 WÄRE PERFEKT GEEIGNET“<br />

SAMEER A.<br />

REHMAN<br />

ist Regionalmanager<br />

von<br />

Bell-Textron<br />

Im Rahmen der Bahrain-Airshow konnte Militär<br />

<strong>Aktuell</strong> mit einem der Konzern-Regionalmanager<br />

von Bell-Textron über die in Österreich geplante<br />

Hubschrauberbeschaffung und den dabei<br />

diskutierten Bell-429 sprechen.<br />

Herr Rehman, wie ist der aktuelle Status des Bell-429?<br />

Wir konnten bis jetzt mehr als 300 Stück des 429 ausliefern,<br />

die es inzwischen auf rund 330.000 Flugstunden<br />

gebracht haben. Alleinstellungsmerkmale sind die<br />

fortschrittliche Technologie, ein vierachsiger Autopilot<br />

und ein sehr leistungsfähiges P&W-207-Triebwerkspaket.<br />

Die Maschine kann mit Seilwinde, Hecktüren und<br />

einer Vielzahl kundenspezifischer Ausrüstung konfiguriert<br />

werden. Am wichtigsten ist jedoch, dass es sich<br />

dabei um einen vollständig IFR-tauglichen Hubschrauber<br />

handelt, der von nur einem Piloten unter Instrumentenflugbedingungen<br />

der Kategorie A und mit<br />

einem integrierten Avionik/Bildschirmcockpit sicher<br />

bedient werden kann.<br />

kanadische Küstenwache verwendet eine Mischung aus<br />

429 und 412 unter extremen klimatischen Bedingungen.<br />

Wie der 407 ist der 429 aber im Grunde eine zivile Plattform.<br />

Das stimmt, aber wie schon der 407, der etwa bereits im Irak<br />

flog und aktuell bei den VAE im Einsatz ist, kann auch der<br />

429 dafür ausgerüstet werden. Er war eigentlich immer für<br />

mehrere Missionen konzipiert, nicht nur für Konzernführungen,<br />

sondern auch für die Polizei, Küstenwache und<br />

andere Bereiche. Die heutige Flotte ist eine Mischung aus<br />

Corporate-, Parapublic- und ein wenig militärischer Nutzung.<br />

Die australische Marine nützt den 429 beispielsweise<br />

als Trainingshubschrauber.<br />

Welche Länder verwenden sonst noch den 429?<br />

Nennen kann man auch die indonesische Polizei, die<br />

schwedische Nationalpolizei, die Philippine Police, die<br />

Royal Thai Police, das NYPD, die türkische Jandarma, die<br />

slowakische Polizei (siehe Foto) sowie das Militär von<br />

Jamaika. Und natürlich haben wir auch ein Konzept für<br />

eine pur militarisierte Version. Sollte man das kundenseitig<br />

konkret nachfragen, werden wir das in jedem Fall anbieten<br />

und abdecken können.<br />

In Österreich würde der 429er die 50 Jahre alte Alouette<br />

III ersetzen. Neben vollem IFR sind dabei aus topografischen<br />

Gründen auch zwei Triebwerke Grundvoraussetzung.<br />

Das ist uns bewusst und kein Problem, der 429 wird<br />

exakt in so einem Umfeld bereits betrieben – von der<br />

Schweizer Flugrettungsfirma Air Zermatt. Auch die


0 5 6 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

WELCHE TRAINER<br />

KOMMEN NUN INFRAGE?<br />

Analyse: GEORG MADER<br />

Mit 1. Jänner 2021 erfolgt eine Zäsur in der rot-weiß-roten Luftraumüberwachung:<br />

Spätestens dann müssen die Saab-105Ö außer Dienst gestellt werden.<br />

Nachfolgekandidaten gäbe es einige, ein Typenentscheid ist so schnell aber<br />

nicht zu erwarten – zuerst will man die Eurofighter-Zukunft geklärt haben.<br />

E<br />

igentlich wollte man<br />

die Entscheidung spätestens<br />

mit Ende des<br />

vergangenen Jahres<br />

getroffen haben – wie<br />

es mit der Luftraumüberwachung<br />

in Österreich weitergeht,<br />

steht aber auch heute noch in<br />

den Sternen. Laut Bundeskanzler<br />

Sebastian Kurz sollten – bevor man<br />

sich auf Typen und Ausrichtung festlege<br />

– jedenfalls der Ausgang des<br />

dritten Eurofighter-U-Ausschusses<br />

und die 2017 begonnen Gerichtsverfahren<br />

abgewartet werden. Nachdem<br />

der Ausschuss bereits Ladungen bis<br />

September verschickt hat und wohl<br />

auch die Auseinandersetzung vor<br />

Gericht eher länger als kürzer dauern<br />

wird, ist mit keiner zeitnahen Entscheidung<br />

zu rechnen. Für den Weiterbetrieb<br />

der rot-weiß-roten Abfangjägerflotte<br />

ist diese aber auch nicht<br />

zwingend notwendig. Bis zum Ja oder<br />

Nein für einen möglichen Ersatz (Kostenpunkt<br />

zumindest zwei Milliarden<br />

Euro) kann der Eurofighter problem-<br />

BAE HAWK<br />

Der britische Klassiker flog erstmals 1974 unter dem Namen Hawker Siddeley HS 1182 und ist heute noch weltweit in 19 Luftwaffen im<br />

Einsatz. Mit mehr als 600 Stück (nicht mitgezählt die rund 200 Stück der US Marine-Trainingsversion T-45 Goshawk) ist der leichte<br />

Strahltrainer ein bewährtes Muster, das auch als Luftnahunterstützungsflugzeug verwendet werden kann und sich mit den „langnasigen“<br />

100er-Serien sowie in der RAF-Version Hawk T.2 als durchaus zeitgemäßes und grundsolides Ausbildungssystem samt Simulationsanteil<br />

präsentiert. Auf Letzterem trainieren unter anderem die angehenden britischen Eurofighter-Piloten. Flugeigenschaften und<br />

Manövrierbarkeit erlauben Pilotenschülern sämtliche Flugmanöver, die auch auf Kampfflugzeugen möglich sind. Obwohl die Hawk<br />

regulär nur im Unterschallbereich fliegt, ist die Konstruktion bis maximal Mach 1,2 ausgelegt. Damit kann im Bahnneigungsflug zumindest<br />

der Übergang in den Überschallbereich erfahren werden. Weltweit bekannt ist das Muster auch durch das Kunstflugteam der<br />

RAF, die Red Arrows, die seit 1980 <strong>neu</strong>n rote Hawks fliegen. Zudem setzen auch die finnischen Midnight Hawks und die Saudi Hawks<br />

auf den Typen. Gegenüber dem Autor äußerten Vertreter von BAE-Systems übrigens die Überlegung,<br />

dass der Ankauf von zehn Stück Hawk T.2 mit einer österreichischen Teilhabe am (durchaus erfolgreichen)<br />

RAF-Kostensenkungsprogramm „TyTan“ für den Eurofighter einhergehen könnte.<br />

FOTO S : M A D E R , H E R ST E L L E R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


S A A B - 1 0 5 Ö - N A C H F O L G E<br />

los mehrere Jahre in der Luft gehalten<br />

werden. Der EADS-Spross zählt<br />

allen Unkenrufen zum Trotz nach<br />

wie vor zu den besten Kampfjets der<br />

Welt und um so wie heute weiter betrieben<br />

zu werden, ist bis 2021 lediglich<br />

die Einrüstung eines Abfrage-<br />

Transponders gemäß IFF-Mode<br />

5/Mode S zwingend. Kein klassisch<br />

militärisches Erfordernis, sondern<br />

einer adaptierten europäischen Flugsicherungsrichtlinie<br />

geschuldet und<br />

auch pro Maschine „nur“ rund eine<br />

halbe Million Euro teuer. Alle anderen<br />

im ersten Kommissionsbericht<br />

2017 (Doskozil/Gruber) genannten<br />

Ausrüstungsdefizite kann man, muss<br />

man aber nicht sofort ausgleichen –<br />

in Summe wären dafür wohl maximal<br />

100 Millionen Euro notwendig.<br />

Gravierende Auswirkungen hat die<br />

aufgeschobene Entscheidung allerdings<br />

für die seit vielen Jahren überfällige<br />

Nachfolgelösung für die rund<br />

zwölf (von aktuell 28 Maschinen,<br />

ursprünglich wurden 40 angekauft)<br />

noch fliegenden Saab-105Ö. Die<br />

Trainer Baujahr 1970 müssen am<br />

1. Jänner 2021 außer Dienst gestellt<br />

werden und hinterlassen ein vorerst<br />

völlig ungeklärtes Loch in der Pilotenausbildung.<br />

Dazu kommt: Einstweilen<br />

schultern sie – ganz ohne<br />

Radar und Lenkwaffen – 14-täglich<br />

alternierend auch rund 40 Prozent<br />

der luftpolizeilichen Tagesarbeit. Aber<br />

was heißt das für 2021? Lassen sich<br />

dann ohne Nachfolger die Luftraumüberwachungs-Aufgaben<br />

der Saab-<br />

105Ö einfach auf die 15 Eurofighter<br />

übertragen? Sind die aktuell gerade<br />

einmal 16 verfügbaren Piloten für<br />

den dann deutlich intensiveren Betrieb<br />

ausreichend? Und was bedeutet<br />

all das für das Bundesheer-Budget,<br />

wenn man dann pro Jahr wohl auf<br />

bis zu 2.000 Eurofighter-Flugstunden<br />

im Vergleich zu aktuell nur 1.100<br />

kommt? Je nach Berechnung wird<br />

eine Stunde mit 60.000 bis 80.000<br />

Euro angegeben, die dem Heer an<br />

anderer Stelle fehlen. Zum Vergleich:<br />

Eine Stunde mit den alten Saab-105Ö<br />

schlägt angeblich mit „nur“ 18.000<br />

Euro zu Buche. Nicht klar ist allerdings,<br />

was alles in die einzelnen Zahlen<br />

miteingerechnet wird: Anteilig<br />

LEONARDO M-345 & M-346<br />

Die italienische Alenia-Aermacchi-Gruppe gehört heute zum staatlichen Rüstungskonzern<br />

Leonardo und die Italiener sind der einzigen Anbieter, der aktuell beide<br />

möglichen Segmente abdecken kann. Flaggschiff ist der Hochleistungstrainer<br />

M-346 Master, welcher zusammen mit Jakowlew entwickelt wurde. Nach dem<br />

Erstflug im Jahr 1996 ging man im Jahr 2000 allerdings wieder getrennte Wege.<br />

Die Weiterentwicklung flog erstmals im Juli 2004, das um rund 700 Kilogramm<br />

leichtere Serienflugzeug dann 2008. Seit damals folgten 18 Orders für Italiens<br />

Ausbildungseinheit in Lecce, wo auch österreichische Eurofighter-Piloten schulen,<br />

sowie Singapur (12 Maschinen), Israel (30) und Polen (16). Dank seiner beiden<br />

Honeywell/Avio F124 Turbofans ist die M-346 sicher der stärkste, wohl auch<br />

modernste zur Diskussion stehende Entwurf.<br />

Deutlich billiger (laut Hersteller vermutlich sogar günstiger als die L-39NG) gibt<br />

sich der kleinere einstrahlige „Bruder“ der Master, der M-345HET. Die Abkürzung<br />

steht für Hocheffizienz-Trainer, gemeint sind hohe Ausbildungsleistung bei deutlich<br />

geringeren Kosten. Angetrieben wird der erstmals am 21. Dezember 2018 als<br />

Serienmaschine geflogene Italiener mit demselben Williams FJ44-Triebwerk wie<br />

der L-39NG. Mit der Höchstgeschwindigkeit von 740 km/h und der Steigleistung<br />

von acht Minuten auf etwa 12.000 m Gipfelhöhe ist jedoch kein Luftraumüberwachungsanteil<br />

denkbar. Zum Vergleich: Die Saab-105Ö erreicht dieselbe<br />

Höhe nach bereits drei Minuten. Ab 2020 gehen 45 Stück M-345HET an die<br />

italienische Luftwaffe nach Lecce.<br />

Räder und Bremsen von anderen<br />

Flugzeugen? Kabinenhauben aus der<br />

Schweiz? Die Werft?<br />

Fix ist: Man kann das alles heute mit<br />

<strong>neu</strong>en Modellen auch wesentlich<br />

günstiger haben. Vor allem wenn<br />

man die Lebenszyklus-Kosten als Referez<br />

heranzieht. Alle auf diesen Seiten<br />

besprochenen Nachfolgekandidaten<br />

für die Saab-105Ö werben mit<br />

dem sogenannten „Download“ von<br />

teuren Stunden aus der Speerspitze<br />

bis hinunter zu angeblich 2.000 Euro<br />

pro Stunde. Die beschriebene Rechnung<br />

ist einfach: Weniger Flüge in<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 5 8 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

teuren Hightech-Jets plus mehr Training<br />

in den vergleichsweise günstigen<br />

Trainern ergibt eine Millionen-Ersparnis.<br />

Erste Nutzer bestätigen diese<br />

Rechnung inzwischen auch. Aber<br />

bevor man in den Genuss günstigerer<br />

Flugstunden kommt, muss man<br />

zuerst einmal investieren – kaufen<br />

oder leasen. Und diese Entscheidung<br />

wird bekanntlich wohl noch ein<br />

wenig auf sich warten lassen.<br />

Da nicht klar ist, ob der Saab-105Ö-<br />

Nachfolger einen Teil der aktiven<br />

Luftraumüberwachung mitübernehmen<br />

soll oder ein reiner Trainer wäre<br />

(der aber in der Luftraumsicherung<br />

natürlich auch untere Segmente<br />

abdecken kann), treffen in unserer<br />

Übersicht leistungsmäßig durchaus<br />

unterschiedliche Muster aufeinander.<br />

Nicht jeweils extra erwähnt sind alle<br />

Typen in ein – graduell mehr oder<br />

weniger ausgefeiltes – „Integrated<br />

Training System“ mit virtuellen,<br />

sprich Boden- und On-Board-Simulationsanteilen<br />

eingebettet. Jenes<br />

mitberechnet, bewegen sich die<br />

Beschaffungskosten von rund<br />

30 Millionen Euro pro Stück abwärts,<br />

bei mehreren Modellen sollte auch<br />

eine Leasingvariante möglich sein.<br />

AERO L-39NG<br />

Der tschechische Strahltrainer L-39 Albatros war das Militärpiloten-Ausbildungsgerät<br />

der – bis auf Polen – gesamten Warschauer-Pakt- sowie Dritte-Welt-Länder,<br />

allein 2.000 von knapp 3.000 gebauten Maschinen gingen in die UdSSR.<br />

Nach deren Ende begann für das Werk in Odolena Vody eine lange Durststrecke.<br />

Vom leichten Jagdbomber L-159 wurden mehr Stück produziert, als vom<br />

Markt nachgefragt, anschließend brachte nach 13 Jahren Pause erst ein Auftrag<br />

des Irak für <strong>neu</strong>e Maschinen wieder Leben in die Fabrik. Die damit verbundenen<br />

Einnahmen erlaubten Aero – übrigens unter Führung der ehemaligen<br />

Manager von Alenia-Aermacchi – mit dem L-39NG (Next Generation) eine<br />

grundlegende Neuentwicklung. Mit westlichem Triebwerk, <strong>neu</strong>em Flügel und<br />

top-modernem Cockpit wurde die erste Maschine im vergangenen Oktober –<br />

im Beisein auch von Militär <strong>Aktuell</strong> – ausgerollt, am 22. Dezember folgte der<br />

Erstflug. Mit Senegal, Tschechien und zwei Feinddarsteller-Firmen gibt es bereits<br />

mehr als 30 Orders, gute Chancen rechnet man sich bei Aero in Österreich<br />

vor allem aufgrund des deutlich unter den Konkurrenzprodukten liegenden<br />

Stückpreises von zehn bis zwölf Millionen Euro aus. Ein Anbot über 18 Stück<br />

wurde dem Bundesheer laut Firmenangaben jedenfalls bereits unterbreitet.<br />

JAK-130, KAI T-50 & CO<br />

Neben Aero L-39NG, Leonardo M-345<br />

und M-346 sowie der Hawk von BAE<br />

gibt es auch weitere Kandidaten für<br />

die Saab-105Ö-Nachfolge, die aus<br />

diversen Gründen (geografisch, politisch<br />

sowie leistungsmäßig) für Österreich<br />

nicht infrage kommen. Nachdem<br />

damals bei der Draken-Nachfolge das Angebot über<br />

russische MiG-29 nicht einmal entgegengenommen wurde,<br />

werden wohl auch jetzt keine Jak-130 zum Zug kommen, obwohl<br />

die Maschine als deutlich billigerer Zwilling von Leonardos M-346<br />

gilt. Ebenso wenig wahrscheinlich ist der südkoreanische Jet-Trainer KAI<br />

T-50 beziehungsweise dessen bewaffnete Version FA-50. Das auch in den<br />

Irak, Indonesien und die Phillipinen exportierte Muster wäre in Europa ein<br />

absoluter Exote, damit würde man allerdings ein der F-16 ähnliches Modell mit<br />

Nachbrenner bekommen. Noch stärker und zugleich auch unwahrscheinlicher ist der von der USAF mit bis zu 450 Stück<br />

beauftragte T-38-Ersatz Boeing/Saab T-X. Denkbar ist auch, dass – wie im Doskozil-Bericht von 2017 angedacht – die Saab-<br />

105Ö gar nicht ersetzt wird. Zumindest nicht durch einen Jet. Zum Zug könnte dann der hochmoderne Schweizer Turboprop-<br />

Trainer Pilatus PC-21 kommen. In diesem Fall kämen allerdings auf die rot-weiß-roten Eurofighter deutlich mehr Flugstunden<br />

zu, bei Airbus hat man vorsorglich jedenfalls um Zahlen für bis zu 2.000 Flugstunden pro Jahr angefragt.<br />

FOTO S : M A D E R , H E R ST E L L E R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Freitag, 31.05.<strong>2019</strong><br />

Samstag, 01.06.<strong>2019</strong><br />

Sonntag, 02.06.<strong>2019</strong><br />

12. Oldtimertreffen im Arsenal<br />

Auf Rädern & Ketten<br />

www.hgm.at


0 6 0 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

ITALIENISCHES DOPPEL<br />

FÜR ÖSTERREICH?<br />

Kommen die Nachfolger für Saab-105Ö und Alouette III beide aus dem Süden?<br />

Der italienische Mischkonzern Leonardo hätte jedenfalls für die zwei dringenden<br />

Beschaffungen laut eigener Ansicht optimale Lösungen im Portfolio. Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

GROSSE FLEXIBILITÄT<br />

Militärische Varianten<br />

des AW109 sind unter<br />

anderem in Argentinien,<br />

Belgien, Ghana, Lettland,<br />

Paraguay, Peru, Südafrika,<br />

Großbritannien und wie<br />

hier im Bild zu sehen in<br />

Schweden im Einsatz. Bei<br />

der AW109 Trekker ist anstelle<br />

des hier zu sehenden<br />

Einziehfahrwerkes ein<br />

Landegestell verbaut.<br />

D<br />

ie italienischen<br />

Rüstungsschmiede<br />

Leonardo könnte für<br />

das Bundesheer zum<br />

großen Problemlöser<br />

werden. Nachdem der<br />

Mischkonzern schon in den vergangenen<br />

Jahren immer wieder Aufträge für<br />

die rot-weiß-roten Streitkräfte abge -<br />

wickelt hat (die Agusta Bell 212 etwa<br />

wurde in Lizenz von dem jetzt zum<br />

Leonardo-Konzern gehörenden Vorgängerunternehmen<br />

Alenia Aermacchi<br />

gebaut, zuletzt wurde der Mehrzweckhubschrauber<br />

mit einem Glascockpit,<br />

Nachtsichtbrillen und Basis-Selbstschutz<br />

in Italien modernisiert), rechnet<br />

man sich nun auch bei der Nachfolgebeschaffung<br />

für die nahezu musealen<br />

Saab-105Ö (ab 1970) und die noch<br />

älteren Alouette III (ab 1967) gute<br />

Chancen aus.<br />

Während die Italiener für einen mög -<br />

lichen Saab-105Ö-Ersatz mit der<br />

M-346 Master als auch der kleineren<br />

M-345HET gleich zwei Modelle am<br />

Start haben (siehe Analyse ab Seite 56),<br />

geht man ins Hubschrauber-Rennen<br />

eher als Außenseiter. Die Italiener liefern<br />

zwar derzeit jährlich zwischen 100 und<br />

200 Hubschrauber aus und übergaben<br />

weltweit bereits mehr als 5.000 Maschinen<br />

an 1.400 Kunden, Favorit für die<br />

Nachfolge der Alouette III, die spätestens<br />

2023 außer Dienst gestellt werden muss,<br />

ist in Heereskreisen aber der H-145 von<br />

Airbus. Bei Leonardo sieht man sich mit<br />

der AW109 Trekker aber ebenfalls gut<br />

aufgestellt, wie uns bei einem Besuch am<br />

ehemaligen Alenia-Sitz in Venegono im<br />

Nordosten Mailands versichert wurde.<br />

Der mit zwei 207C-Triebwerken von<br />

Pratt & Whitney ausgestattete Heli bietet<br />

bis zu acht Personen Platz und entspreche<br />

voll und ganz dem von Österreich<br />

an mehrere Unternehmen übermittelten<br />

militärischen Pflichtenheft.<br />

In Venegono rechnet man in den kommenden<br />

Wochen mit der Ausschreibung<br />

und will dann in jedem Fall ein Angebot<br />

legen. Die geplante Beschaffung ist –<br />

ebenso wie der bereits fixierte Ankauf<br />

von drei zusätzlichen S-70A Black<br />

Hawk – Teil des Ende August 2018 im<br />

Ministerrat beschlossenen sogenannten<br />

Katastrophenschutzpakets und umfasst<br />

neben zwölf Mehrzweckhubschraubern<br />

auch bis zu sechs Schulhubschrauber.<br />

Eine mögliche Bundesheer-Zukunft<br />

sieht man bei Leonardo neben der<br />

AW109 Trekker übrigens auch beim<br />

bis zu 15 Passagiere fassenden, deutlich<br />

größeren AW139, der aber wohl erst<br />

einige Jahre später als möglicher<br />

Nachfolger der AB 212 (Zulauf ab<br />

1980) Thema werden wird.<br />

Lauf Informationen aus dem Büro von<br />

Verteidigungsminister Mario Kunasek<br />

wolle man sich derzeit auf keinen Typen<br />

festlegen. Es laufen Sondierungen, eine<br />

Entscheidung über den Ankauf ist daher<br />

wohl für frühestens Mitte des Jahres zu<br />

erwarten, eher später. Fix ist bis dahin<br />

nur, dass man ein Government-to-Government-Geschäft<br />

anstrebt, um Transparenz<br />

zu sichern. Gegengeschäfte wie<br />

damals beim umstrittenen Kauf der Eurofighter<br />

wird es damit also keine geben.<br />

FOTO : L E O N A R D O<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 6 2 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

„DER EUROFIGHTER<br />

STELLT SEIN POTENZIAL<br />

TÄGLICH UNTER BEWEIS!“<br />

Von wegen Auslaufmodell: Der Eurofighter wird laut Ansicht von Eurofighter-<br />

Marketingchef Raffael Klaschka noch jahrzehntelang eine ganz wesentliche<br />

Rolle im sogenannten „Future Battlespace“ spielen. Ein Gespräch über<br />

Weiterentwicklungspotenziale, Kunden-Feedback und <strong>neu</strong>e Aufträge.<br />

Interview: KURT HOFMANN<br />

N<br />

achdem es vor einigen<br />

Jahren nicht gar so<br />

gut um <strong>neu</strong>e Aufträge<br />

für den Eurofighter<br />

bestellt schien, ging<br />

es zuletzt Schlag auf<br />

Schlag. Zunächst meldete Saudi-Arabien<br />

den Wunsch nach 48 Jets an (der<br />

Deal könnte nach dem Mord an dem<br />

regierungskritischen Journalisten Jamal<br />

Khashoggi allerdings noch scheitern,<br />

Deutschland hat infolgedessen<br />

die Rüstungsexportgenehmigungen für<br />

Saudi-Arabien ausgesetzt), anschließend<br />

kam eine Order der deutschen<br />

Luftwaffe. Möglichst zeitnah sollen<br />

33 Jets der Bestandsflotte (Tranche-1)<br />

durch <strong>neu</strong>e Eurofighter (Tranche-4)<br />

ersetzt werden. Als Ersatz für den veralteten<br />

Jagdbomber Tornado sind 50<br />

weitere Maschinen im Gespräch und<br />

auch beim Auftrag über 40 Ersatzflie-<br />

ger für jene Tornados, mit denen die<br />

Bundeswehr im Bündnisfall theoretisch<br />

US-Atombomben einsetzen<br />

könnte, kommt der Eurofighter möglicherweise<br />

ins Spiel. Für Raffael Klaschka,<br />

Head of Marketing bei der Eurofighter<br />

Jagdflugzeug GmbH, kommen<br />

diese Aufträge nicht überraschend.<br />

Herr Klaschka, die Bundeswehr ersetzt<br />

33 ihrer 143 Eurofighter durch<br />

<strong>neu</strong>e Maschinen, <strong>2019</strong> starten zudem<br />

Auslieferungen von Tranche-3-<br />

Jets an Katar (24 Stück) und Kuwait<br />

(28 Stück) und auch andere Nationen<br />

überlegen gegenwärtig ihre Luft -<br />

kapazitäten aufzustocken.<br />

Welches Potenzial sehen Sie für<br />

den Eurofighter in den kommenden<br />

Jahren noch?<br />

Es besteht großes Interesse am Eurofighter<br />

und wir sind zuversichtlich, weiterhin<br />

substanzielle Aufträge zu erhalten.<br />

Das gilt sowohl für aktuelle Kunden<br />

als auch für potenzielle Neukunden.<br />

Dieses große Interesse zeigt, dass<br />

die aktuellen Fähigkeiten des Eurofighters,<br />

aber auch sein langfristiges<br />

Weiterentwicklungspotenzial ein überzeugendes<br />

Angebot darstellen. Besonders<br />

die Tatsache, dass der Eurofighter<br />

über ein sehr breites Fähigkeitsspektrum<br />

verfügt, macht ihn interessant<br />

für Nutzer, welche die Domäne Luft<br />

vielfältig bedienen möchten.<br />

Mit der Einrüstung <strong>neu</strong>er Sensoren,<br />

Radars und technischen Verbesserungen<br />

wird der Jet immer wieder<br />

an aktuelle Herausforderungen angepasst.<br />

Provokant gefragt: Wie lange<br />

ist das noch möglich? Wie lange<br />

genügt die Grundkonstruktion des<br />

Eurofighter modernen Ansprüchen?<br />

FOTO S : B U N D E S H E E R / M A R KU S Z I N N E R , E U R O F I G H T E R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N T E R V I E W<br />

Seine hohe Anpassungsfähigkeit an<br />

<strong>neu</strong>e Herausforderungen und sein<br />

großes Weiterentwicklungspotenzial<br />

sorgen dafür, dass der Eurofighter noch<br />

jahrzehntelang eine ganz wesentliche<br />

Rolle im sogenannten „Future Battlespace“<br />

spielen wird, sicherlich über das<br />

Jahr 2050 und darüber hinaus. Die stetige<br />

Weiterentwicklung und Integration<br />

von Waffen sowie Systemlösungen<br />

sind ein wichtiger Bestandteil seiner<br />

Zukunftsfähigkeit; auch hier sehen wir<br />

den Eurofighter mit dem Rückhalt von<br />

bisher <strong>neu</strong>n Kundennationen in einer<br />

starken Position. Die von Ihnen genannte<br />

Grundkonstruktion, in welcher<br />

der Eurofighter sehr gute Parameter<br />

zum Beispiel im Bereich seiner Flugeigenschaften<br />

oder seiner Traglast aufweist,<br />

bildet ein solides Fundament,<br />

um auch in der Zukunft die passenden<br />

Fähigkeiten einsetzen zu können.<br />

In Österreich wird dem Eurofighter<br />

in der öffentlichen Wahrnehmung<br />

trotzdem gerne jegliche Qualität<br />

abgesprochen. Was antworten Sie<br />

auf derartige Kommentare?<br />

Meist gar nichts, da solche Behauptungen<br />

üblicherweise unsachlich und losgelöst<br />

von den tatsächlichen Gegebenheiten<br />

vorgebracht werden. Tatsache ist,<br />

dass der Eurofighter im täglichen<br />

Betrieb seine Leistungsfähigkeit und<br />

Zuverlässigkeit unter Beweis stellt und<br />

die Betreiber das auch immer wieder<br />

bestätigen – das gilt auch für die österreichischen<br />

Luftstreitkräfte (Anm.:<br />

Beim WEF-Davos waren 8 der 15 im<br />

Einsatz). Als ehemaliger Eurofighter-<br />

Pilot mit mehrjähriger Erfahrung auf<br />

der F-18 kann ich Ihnen sagen, dass der<br />

Eurofighter in vielen Fähigkeitsbereichen<br />

seinesgleichen sucht und diese<br />

Einschätzung teilen auch viele Experten.<br />

GESPRÄCHSPARTNER Raffael Klaschka ist ehemaliger<br />

Eurofighter-Pilot der deutschen Luftwaffe und nun Head<br />

of Marketing bei der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH.


0 6 4 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

GLOBAL<br />

Rheinmetall produziert in seinem Liesinger Lkw-Werk jährlich 2.000 bis 3.000<br />

Fahrzeuge für zahlreiche Armeen weltweit. Nach längerer Pause gehört <strong>neu</strong>erdings<br />

auch das Bundesheer wieder zu den Auftraggebern. Text & Foto: GEORG MADER<br />

as zählt, sind be-<br />

die in-<br />

Wkanntlich<br />

neren Werte. Das<br />

gilt auch für die<br />

von außen recht<br />

unscheinbar<br />

wirkende Fabrik von MAN Military<br />

Vehicles Österreich (RMMV) auf<br />

der Brunner Straße im Süden Wiens,<br />

hinter deren Kulisse aber recht Erstaunliches<br />

passiert. Pro Tag werden<br />

dort von der 1.000-köpfigen Belegschaft<br />

bis zu elf Militär-Lkw vom<br />

Band gelassen. Rund 10.000 zwei-,<br />

drei-, vier- und fünfachsige Fahrzeuge<br />

gingen seit der 51-prozentigen Übernahme<br />

der MAN-Nutzfahrzeuge<br />

AG durch die deutsche Rheinmetall-<br />

Gruppe im Jahr 2011 aus Liesing<br />

an rund 30 Armeen weltweit.<br />

Ende Dezember hatte RMMV im<br />

Rahmen der Rheinmetall Defence<br />

Talks 2018 die internationale Fachpresse<br />

und damit auch Militär <strong>Aktuell</strong><br />

nach Wien geladen. Teil der mehrtägigen<br />

Veranstaltung war auch eine<br />

Werksbesichtigung in Liesing mit<br />

Geschäftsführer Bernhard Pöltl, der<br />

dabei weitere Zahlen nannte. Demnach<br />

können im Werk aktuell bis<br />

zu 3.000 verschiedene ungeschützte<br />

TGM/S- und gehärtete HX-Systeme<br />

pro Jahr gefertigt werden – und das<br />

mit teils sehr unterschiedlichen größeren<br />

und kleineren Spezifikationen.<br />

Spezialwünsche gäbe es von Streitkräften<br />

jedenfalls jede Menge, so<br />

Pöltl, der als eine Stärke seines Betriebs<br />

die Planung, Entwicklung und<br />

Realisierung dieser Sonderwünsche<br />

beschreibt.<br />

Zu sehen gab es im Werk zahlreiche<br />

schwere Lkw mit teils exotischen<br />

Tarnmustern, vor allem aber für die<br />

australische Armee bestimmte Fahrzeuge.<br />

„Down Under“ hat 2013 insgesamt<br />

2.536 HX-Laster bis 2020<br />

zum Preis von 1,25 Milliarden Euro<br />

bestellt und vergangenen Juli in einer<br />

zweiten Tranche um 430 Millionen<br />

Euro nochmals 1.044 Stück bis 2024.<br />

Parallel dazu werden in Liesing derzeit<br />

2.408 HX2-Fahrzeuge für die<br />

deutsche Bundeswehr (bis 2023) gefertigt,<br />

215 Lkw für Schweden und<br />

bis zu 2.000 für Norwegen (bis 2026).<br />

Zudem werden vom größten einzelnen<br />

Eurofighter-Gegengeschäft aus<br />

dem Jahr 2005 über 7.500 HX- und<br />

SX-Modelle für die britische Armee<br />

momentan 382 Fahrzeuge auf ein<br />

Hakenladesystem-Kit umgerüstet.<br />

Auch das Bundesheer zählt in Liesing<br />

<strong>neu</strong>erdings wieder zu den Auftraggebern.<br />

Nachdem die Flotte jahrelang<br />

ausgedünnt wurde, laufen nun<br />

Aufträge zur Beschaffung von gehärteten<br />

schweren Bergefahrzeugen,<br />

geländegängigen gehärteten Lkw,<br />

von Mannschaftstransport-, Fahrschul-<br />

sowie Tanklöschfahrzeugen.<br />

Die ersten 50 von insgesamt 140<br />

TGM 14.280 4×4 mit Fahrschulausstattung<br />

und Wechselaufbausystem<br />

wurden bereits am 12. Dezember<br />

durch Verteidigungsminister Mario<br />

Kunasek an die Truppe übergeben.<br />

Darunter auch einige Mammut-<br />

Fahrzeuge. Diese auch als TEP90<br />

bekannten ABC-Dekontaminationssysteme<br />

hat das Heer mit zwei unterschiedlichen<br />

Trägersystemen bestellt.<br />

Acht Fahrzeuge werden auf TGS 8×8<br />

(ungeschützt) aufgebaut, zwei auf<br />

HX244M 8×8 (gehärtet). Im Rahmen<br />

des sogenannten Mobilitätspakets,<br />

das Teil des im August 2018 verabschiedeten<br />

Katastrophenschutzpakets<br />

ist, sollen bis zum Jahr 2020<br />

weitere 65 TGM 14.280 4×4, Schwerlastschlepper<br />

und ein mittleres Bergefahrzeug<br />

zum Preis von insgesamt<br />

30 Millionen Euro zulaufen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


EINSATZ MIT<br />

WEITBLICK.<br />

WIR SCHÜTZEN ÖSTERREICH.


0 6 6 s c h l u s s p u n k t<br />

RUSSLAND VS. EU & USA<br />

FERNBEZIEHUNG<br />

Militärische Großmanöver in Grenznähe, brisante Diskussionen über Abrüstungsverträge und<br />

wüste Tweets aus dem Weißen Haus . Wie zerrüttet ist die Beziehung zwischen Russland und dem<br />

Westen wirklich? Eine vermeintlich schwierige Frage, auf die Russland-Experte Gerhard Mangott,<br />

Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck, eine eindeutige Antwort<br />

hat: „Welche Beziehung? Das Verhältnis des Westens zu Russland ist auf der Nulllinie angelangt!“<br />

Die beziehungen zwischen Russland<br />

und den usa, aber auch der eu,<br />

sind in eine sackgasse geraten.<br />

Die eu hat im märz 2014 nach der besetzung<br />

der krim den institutionalisierten<br />

Dialog mit Russland abgebrochen und ab<br />

Juli 2014 sektorale – handel, Finanzen und<br />

Investitionen betreffende – sanktionen<br />

gegen Russland verhängt. ein ende dieser<br />

sanktionen wird es nur geben, wenn<br />

Russland die bestimmungen des minsker<br />

abkommens von 2015 umsetzt. Davon ist<br />

allerdings Russland wie die ukraine weit<br />

entfernt. Die eu droht in der sackgasse<br />

dauerhafter sanktionen festzustecken.<br />

In den usa hat sich die russlandfreundliche<br />

linie von präsident trump nicht durchgesetzt.<br />

trump hatte wiederholt betont,<br />

wie gut es wäre, mit Russland auszukommen.<br />

trump hatte allerdings nie ein konzept,<br />

wie das Verhältnis zu Russland verbessert<br />

werden könnte; eine Roadmap<br />

fehlte von anfang an. Dazu kam, dass sich<br />

trump angesichts der zahlreichen untersuchungen<br />

über eine mögliche Zusammenarbeit<br />

seiner mitarbeiter mit russischen<br />

behörden und personen (collusion)<br />

keine entgegenkommenden Gesten an<br />

Russland erlauben konnte. Jedes entgegenkommen<br />

hätte den chor derer bestärkt,<br />

die ihn als von Russland abhängig<br />

einstufen. Der wichtigste Faktor aber, warum<br />

es trotz der ankündigungen trumps<br />

keine annäherung zwischen Russland und<br />

den usa gegeben hat, ist das Wirken von<br />

Vetoakteuren im sicherheitskabinett<br />

trumps (pompeo, bolton, mattis) und darüber<br />

hinaus. Vor allem eine breite überparteiliche<br />

koalition im kongress stemmte<br />

sich hartnäckig dagegen. Im august 2017<br />

wurden mit dem countering american<br />

adversaries through sanctions act die<br />

sanktionen gegen Russland verschärft<br />

und die bisherigen sanktionen erlangten<br />

„In der EU, in den USA<br />

und in Russland gibt es<br />

derzeit kein Rezept,<br />

wie die Beziehungen<br />

aus der Sackgasse<br />

geführt werden<br />

können.“<br />

Gesetzeskraft. sie können von trump nur<br />

mit Zustimmung des kongresses aufgehoben<br />

werden. Derzeit wird im kongress<br />

der Defending american security against<br />

kremlin aggression act diskutiert, der<br />

unter anderem harsche Finanzsanktionen<br />

gegen russische banken vorsieht – wie<br />

auch verpflichtende sekundäre sanktionen<br />

gegen unternehmen aus der eu, die<br />

mit Russland im energiesektor zusammenarbeiten.<br />

betroffen davon wäre vor allem<br />

der bau der Gasleitung nord stream 2.<br />

Im Raum steht ein <strong>neu</strong>es nukleares Wettrüsten<br />

der usa und Russland. Die beiden<br />

verbliebenen Rüstungskontrollabkommen<br />

stehen vor dem aus. Die usa kündigten<br />

am 2. Februar den InF-Vertrag, der<br />

bodengestützte marschflugkörper und<br />

ballistische Raketen mit einer Reichweite<br />

von 500 bis 5.500 kilometer verboten<br />

hatte. Russland kündigte den Vertrag am<br />

tag danach. beide seiten werfen einander<br />

die Verletzung des Vertrages vor. eine<br />

einigung in den verbleibenden monaten<br />

der kündigungsfrist scheint nahezu ausgeschlossen.<br />

Gefährdet ist auch der Fortbestand des<br />

new start aus 2010, der strategische<br />

offensivsysteme reduziert hat. Die usa<br />

scheinen, anders als Russland, nicht geneigt,<br />

den 2021 auslaufenden Vertrag um<br />

fünf Jahre zu verlängern. läuft auch dieser<br />

Vertrag aus, gäbe es erstmals seit 1972<br />

kein rechtsverbindliches Rüstungskontrollabkommen<br />

zwischen beiden staaten.<br />

nach der jüngsten qualitativen nuklearen<br />

aufrüstung könnte dann eine quantitative<br />

aufrüstung die Folge sein.<br />

Weder in der eu noch in den usa, aber<br />

auch nicht in Russland gibt es derzeit ein<br />

konzept, wie die beziehungen aus der<br />

sackgasse geführt werden könnten.<br />

es fehlen Vertrauen, aber auch der mut,<br />

durch einen „grand bargain“ aus dieser<br />

sackgasse auszubrechen.<br />

Foto s : G e t t y I m aG e s , b e I G e st e l lt<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


TAG DER MILIZ<br />

15. Juni <strong>2019</strong><br />

Festveranstaltung<br />

Rathausplatz St. Pölten<br />

ab 1000 Uhr<br />

MILIZ. STOLZ, DABEI ZU SEIN!


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