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hinnerk April/Mai 2019

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6 GESELLSCHAFT<br />

POLITIK<br />

§175: Entschädigung auch<br />

für U-Haft und Verfahren<br />

Drei Tage nach dem 25. Jahrestag<br />

der Bundestagsentscheidung,<br />

den Paragrafen 175 und<br />

damit die staatliche Verfolgung<br />

Homosexueller aus dem Strafgesetzbuch<br />

zu streichen, trat am<br />

13. März eine neue Entschädigungsregelung<br />

in Kraft.<br />

Bundesjustizministerin Katarina Barley<br />

(SPD) gab die Neuregelung für das „Gesetz<br />

zur strafrechtlichen Rehabilitierung<br />

der nach dem 8. <strong>Mai</strong> 1945 wegen einvernehmlicher<br />

homosexueller Handlungen<br />

verurteilten Personen“ (StrRehaHomG)<br />

bekannt und erfüllte damit ein Versprechen,<br />

das die Bundestagsabgeordneten<br />

Johannes Kahrs und Karl-Heinz Brunner<br />

(beide SPD) Ende vergangenen<br />

Jahres gegeben<br />

hatten.<br />

SCHON EIN VERFAHREN<br />

ZERSTÖRTE LEBENS-<br />

PLANUNGEN<br />

Die Nichtentschädigung<br />

von Menschen, die durch<br />

eine Untersuchungshaft Job,<br />

Karriere und damit Einkommen<br />

und bis heute Rentenverluste<br />

hinnehmen mussten, war einer der<br />

größten Kritikpunkte an der bisherigen<br />

Fassung des StrRehaHomG. Das<br />

Ministerium begründet die heute in Kraft<br />

getretene Richtlinie damit, dass „nicht<br />

erst eine Verurteilung, sondern bereits die<br />

Strafverfolgung wegen einvernehmlicher<br />

homosexueller Handlungen aus heutiger<br />

Sicht als unvereinbar mit dem freiheitlichen<br />

Menschenbild des Grundgesetzes<br />

zu bewerten ist.“ Daher können Personen,<br />

die in Untersuchungshaft waren, nun eine<br />

Entschädigung in Höhe von 1.500 Euro<br />

je angefangenes Jahr erlittener Freiheitsentziehung<br />

erhalten. Davon unabhängig<br />

gibt es 500 Euro Entschädigung für jedes<br />

gegen eine Person eingeleitete Ermittlungsverfahren.<br />

1.500 Euro Entschädigung<br />

können auch Personen erhalten, die<br />

im Zusammenhang mit den damaligen<br />

strafrechtlichen Verboten einvernehmlicher<br />

homosexueller Handlungen unter<br />

außergewöhnlich negativen Beeinträchtigungen<br />

zu leiden hatten.<br />

KEIN SCHADENSERSATZ –<br />

BETRAG SYMBOLISCH<br />

In der Meldung des Justizministeriums<br />

wird darauf aufmerksam gemacht, dass die<br />

Geldleistung nicht als Schadensersatz zu<br />

verstehen sei. Es gehe vor dem Hintergrund<br />

einer gesellschaftlichen Solidarität um eine<br />

symbolische Anerkennung erlittener Beeinträchtigungen.<br />

ANTRAG ÜBER BISS UND<br />

DAS BMJV MÖGLICH<br />

Gegenüber <strong>hinnerk</strong> stellte die „Bundesinteressenvertretung<br />

schwuler Senioren“ BISS<br />

klar, dass sie sich weiter für die Betroffenen<br />

einsetze, die vom Gesetz unberücksichtigt<br />

blieben. Menschen, die zum Beispiel<br />

Nachteile im Öffentlichen Dienst oder in der<br />

Privatwirtschaft erlitten haben, aus der Bundeswehr<br />

geflogen sind und beispielsweise<br />

ohne Verurteilung zu Unrecht von der Polizei<br />

verfolgt und inhaftiert wurden, können sich<br />

unter der bekannten Hotline 0800 1752017<br />

über Entschädigungsmöglichkeiten beraten<br />

und unterstützen lassen. Die Hotline wird<br />

vom Bundesjustizministerium und vom<br />

Bundesfamilienministerium gefördert. *ck<br />

Die Richtlinie sowie alle Informationen<br />

zur Entschädigung und ihrer<br />

Beantragung sind auch unter<br />

www.bundesjustizamt.de/rehabilitierung<br />

zu finden. Das Bundesamt für Justiz<br />

bietet ebenfalls eine telefonische<br />

Beratung unter der Telefonnummer<br />

0228 9941040 an.<br />

POLITIK<br />

Danke, Johannes!<br />

Für die SPD-Fraktion ging Anfang März in Sachen queerer Sichtbarkeit in der<br />

Parlamentsarbeit eine Ära zu Ende. 2008 wurde Johannes Kahrs der erste Sprecher<br />

für die Belange von Lesben und Schwulen der Fraktion. Ab sofort übernimmt<br />

Karl-Heinz Brunner aus dem bayerischen Wahlkreis Neu-Ulm die Sprecherfunktion.<br />

Johannes Kahrs verabschiedete sich mit einem Rückblick auf Erreichtes:<br />

„Mein großes Ziel war es immer, die rechtliche Diskriminierung gleichgeschlechtlicher<br />

Paare zu beenden. Der Weg dorthin war kein leichter,<br />

angesichts der ständigen Blockadehaltung durch CDU/CSU. Mit dem Antidiskriminierungsgesetz,<br />

der Rehabilitierung der nach § 175 StGB verurteilten<br />

Homosexuellen, bis hin zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche<br />

Paare konnten wir dieses Ziel letztlich Schritt für Schritt erreichen. Mein<br />

ganz persönlicher Höhepunkt war dann die Hochzeit mit meinem Mann im<br />

vergangenen Jahr.“<br />

Die <strong>hinnerk</strong> Redaktion bedankt sich beim Wahlkreisabgeordneten Mitte, Johannes<br />

Kahrs, für elf Jahre queeres Engagement mit Herz und Schnauze. *ck

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