Rezension zu: - Verlag für Gesprächsforschung
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Zu beachten sind alle Personenbezeichnungen außer durch "ich", auch wenn die Personen<br />
nicht genau bezeichnet werden (z.B. nur durch "se" oder "die").<br />
Bei der Bearbeitung der Aufgaben wurden die Gruppenmitglieder gebeten, genau<br />
<strong>zu</strong> beobachten und <strong>zu</strong> beschreiben, nicht <strong>zu</strong> bewerten und nicht als Erstes ihre<br />
eigenen Emotionen oder ihre eigene Betroffenheit <strong>zu</strong> thematisieren. Das fiel nicht<br />
immer leicht, wurde aber von den Teilnehmer/innen doch als sinnvoll angesehen,<br />
<strong>zu</strong>mal auf diese Weise eine solide Grundlage <strong>für</strong> die anschließende psychodramatische<br />
Bearbeitung der Erzählung geschaffen wurde, die dann eine Auseinanderset<strong>zu</strong>ng<br />
mit wertenden und emotionalen Aspekten ermöglichte.<br />
Aus der Kleingruppenarbeit ergab sich einerseits ein differenziertes Bild der<br />
Erzählstruktur und -dynamik, das die einschneidenden Veränderungen im Leben<br />
der Erzählerin deutlich machte (Aufgabe <strong>für</strong> Gruppe I). Dabei wurde auch der Unterschied<br />
zwischen dem chronologischen Ablauf der erzählten Ereignisse und der<br />
Reihenfolge beim Erzählen herausgearbeitet (Gruppe III). Andererseits wurden<br />
die Darstellung emotionaler Beteiligung der Erzählerin und die Beziehungen zwischen<br />
ihr und anderen am Ereignis beteiligten Personen beschrieben (Gruppe II<br />
und Gruppe IV).<br />
Die Ergebnisse der Kleingruppenarbeit wurden anschließend in der Gesamtgruppe<br />
vorgestellt und diskutiert. Am Ende der Transkriptarbeit wurde Friederike<br />
gefragt, welche Erkenntnisse sie aus der eigenen Bearbeitung ihrer Erzählung<br />
oder durch Gedanken und Hinweise der Gruppenteilnehmer/innen gewonnen hatte.<br />
Obwohl sie eigentlich über ihre Asthma-Anfälle, deren Auslöser und deren<br />
Auswirkungen Bescheid wusste, wurde ihr aufgrund der Beobachtungen <strong>zu</strong> den<br />
eigenen Darstellungsmitteln doch noch einmal sehr deutlich, wie überfallartig die<br />
Pollenallergie aufgetreten war und ihr Leben verändert hatte. Die Erfahrung, welche<br />
Macht die Allergie über sie gewinnen kann und wie sehr sie ihr ausgeliefert<br />
ist, und das Gefühl von Hilflosigkeit in Zeiten der Krankheit beeinträchtigten auch<br />
ihr Selbstbild von einer gesunden, dynamischen und sportlichen Frau. Es wurde<br />
ihr noch einmal bewusst, welche Gefühle sie in solchen Augenblicken entwickelte<br />
und wie wichtig es <strong>für</strong> sie war, mit therapeutischer Hilfe immer besser mit dieser<br />
Allergie umgehen <strong>zu</strong> lernen.<br />
Überlegungen dieser Art zeigen, dass Transkriptarbeit in einer Institution wie<br />
der TelefonSeelsorge sich nicht im Beobachten, Beschreiben und Systematisieren<br />
erschöpft, sondern auch mit Selbsterfahrung <strong>zu</strong> tun hat. Die TelefonSeelsorger/innen<br />
gewinnen durch die Analyse Erkenntnisse über ihr eigenes Gesprächsverhalten,<br />
sie erleben ihre eigene emotionale Beteiligung beim Erzählen belastender<br />
Ereignisse wie z.B. einer Krankheit und erfahren am eigenen Beispiel, dass<br />
Erzählen mehr ist als das sprachliche Rekonstruieren von Fakten, dass Vergangenes<br />
immer <strong>zu</strong>gleich interpretiert, oft auch re-interpretiert wird (vgl. Gülich<br />
2005, 2007). Es wird deutlich, dass Erzählen – auch wiederholtes Erzählen derselben<br />
Geschichte – ein Schritt <strong>zu</strong>r Verarbeitung von Erlebnissen und Erfahrungen<br />
ist (vgl. Lucius-Hoene 2001); diese Qualität kann im Beratungsgespräch genutzt<br />
werden.