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4*** <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 93 · D ienstag, 23. April 2019<br />
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Politik<br />
NACHRICHTEN<br />
HeikoMaas verbündet<br />
sich mit Angelina Jolie<br />
Außenminister Heiko Maas will<br />
Deutschlands derzeitigen Vorsitz im<br />
UN-Sicherheitsrat dazu nutzen, größereAufmerksamkeit<br />
auf den Schutz<br />
vonFrauen vorsexueller Gewalt in<br />
Konflikten zu lenken. Dabei erfährt<br />
der SPD-Politiker prominente Unterstützung:<br />
Gemeinsam mit der US-<br />
Schauspielerin und Menschenrechtsaktivistin<br />
Angelina Jolie hat<br />
Maas für die Dienstag-Ausgabe der<br />
Washington Post einen Gastbeitrag<br />
verfasst, in dem beide die Stärkung<br />
vonFrauenrechten anmahnen. Am<br />
Dienstag will Maas das Thema persönlich<br />
in den UN-Sicherheitsrat in<br />
NewYorkeinbringen. (RND)<br />
Bundestagsvize: Schäuble<br />
erteilt der AfD eine Abfuhr<br />
Bundestagspräsident Wolfgang<br />
Schäuble hat die Position der AfD zurückgewiesen,<br />
sie habe einen Anspruch<br />
auf einen Vizepräsidentenposten<br />
im Parlament.„Es gibt keinen<br />
Rechtsanspruch“, sagte der CDU-<br />
Politiker der dpa. Es gebe lediglich<br />
eine „Verabredung“ in der Geschäftsordnung<br />
des Bundestags,<br />
dass jede Fraktion einen Kandidaten<br />
vorschlagen könne.Die AfD ist bislang<br />
mit drei Bewerberndaran gescheitert,<br />
einen Vizepräsidentenposten<br />
zu bekommen. Keiner vonihnen<br />
erhielt die erforderliche Mehrheit.<br />
(dpa)<br />
Trump klagt gegen Einsicht<br />
in seine Finanzverhältnisse<br />
US-Präsident Donald Trump geht<br />
vorGericht gegen das Bestreben der<br />
Opposition nach Einsicht in seine Finanzverhältnisse<br />
vor. Mitder am<br />
Montag bei einem Bundesgericht in<br />
Washington eingereichten Klage<br />
wollen Trump und der vonseinen<br />
Söhnen geleitete Trump-Konzern<br />
eine verbindliche Aufforderung aus<br />
dem Repräsentantenhaus abschmetternlassen,<br />
Geschäfts- und<br />
Finanzdokumente für die parlamentarische<br />
Prüfung vorzulegen. (dpa)<br />
Mehr Menschen nehmen an<br />
Ostermärschen teil<br />
Das Motto der Märsche lautete: „Abrüsten<br />
statt aufrüsten –Atomwaffen verbieten“ DPA<br />
Beiden traditionellen Ostermärschen<br />
sind nach Schätzungen der<br />
Organisatoren wieder etwas mehr<br />
Menschen auf die Straße gegangen.<br />
DieZahl der Teilnehmer nehme bereits<br />
seit 2014 kontinuierlich zu und<br />
sei auch in diesem Jahr leicht angestiegen,<br />
teilte das NetzwerkFriedenskooperativeamMontag<br />
mit. In<br />
rund 100 Städten protestierten<br />
mehrereTausend Menschen für<br />
Frieden und Abrüstung. (AFP)<br />
Mehrheit der Deutschen hält<br />
Enteignungen für falsch<br />
DieMehrheit der Menschen in<br />
Deutschland hält die Enteignung privaterWohnungsunternehmen<br />
nicht<br />
für ein geeignetes Mittel, um bezahlbarenWohnraum<br />
zu schaffen. In einer<br />
repräsentativen Umfrage vonInfratest<br />
Dimap im Auftrag derWelt am<br />
Sonntag sagten das 70 Prozent der<br />
Befragten. 23 Prozent halten eine Enteignung<br />
demnach für ein„gutes“<br />
oder„sehr gutes“ Mittel. (dpa)<br />
Anhänger von Ikrem Imamoglu jubeln am Sonntag in Istanbul dem neu ernannten Bürgermeister der türkischen Metropole zu. Der bedankt sich für die Unterstützung. AP/EMRAH GUREL<br />
Das Drama von Istanbul<br />
In der türkischen Metropole regiert die Opposition –solange Erdogan keine Neuwahlen erzwingt. Eine Analyse<br />
VonFrank Nordhausen<br />
Die Übernahme Istanbuls<br />
durch die säkulare Opposition<br />
ist eine historische<br />
Zäsur. Allein die<br />
Tatsache, dass der Sozialdemokrat<br />
Ikrem Imamoglu jetzt die wichtigste<br />
türkische Metropole regiert, bedeutet<br />
eine Zeitenwende für die Türkei,<br />
auch wenn seine Ernennung unter<br />
Vorbehalt erfolgte. 25Jahre lang beherrschten<br />
Islamisten die 16-Millionen-Stadt,<br />
und sie tun sich schwer,<br />
ihre knappe Niederlage bei den<br />
Kommunalwahlen vor drei Wochen<br />
zu akzeptieren; noch ist nicht entschieden,<br />
ob sie sich mit ihrer Forderung<br />
nach Neuwahlen beim Hohen<br />
Wahlrat durchsetzen. Wenn das<br />
Mandat aber Bestand hat, wird die<br />
Opposition den Dauerherrscher Recep<br />
Tayyip Erdogan von einer starken<br />
eigenen Machtbasis aus unter<br />
Druck setzen können.<br />
Erdogan selbst hatte immer wieder<br />
betont, dass der Verlust Istanbuls,<br />
woerseine politische Karriere<br />
1994 begann, den Anfang vom Ende<br />
seiner Herrschaft bedeute. Neben<br />
dem Gesichtsverlust hat die Niederlage<br />
auch rein praktisch für ihn dramatische<br />
Folgen. Istanbul erwirtschaftet<br />
ein Drittel der gesamten<br />
Wirtschaftsleistung des Landes. Aus<br />
den Multimilliarden-Megaprojekten,<br />
aus unzähligen Immobiliendeals<br />
und Firmenkonzessionen flossen<br />
jene Gelder an die AKP, mit denen<br />
sie ihre Wahlkampagnen, die<br />
Zuwendungen an die Armen, ihre<br />
Medienmaschine und diverse Islam-<br />
Überfall: Der Chef der türkischen<br />
Oppositionspartei<br />
CHP,Kemal Kilicdaroglu, ist<br />
am Sonntag auf der Beerdigung<br />
eines Soldaten angegriffen<br />
worden. Seine Leibwächter<br />
brachten ihn in Sicherheit.<br />
Stiftungen finanzierte.Weil die Stadt<br />
eigentlich unverzichtbar ist für seinen<br />
Machterhalt, wirkt der Präsident<br />
jetzt so nervös.Doch dieWahrheit ist<br />
unleugbar: Die Mehrheit in Istanbul<br />
und anderen Metropolen folgt dem<br />
„Boss“ nicht mehr. Die Wirtschaftskrise<br />
trifft die Menschen hart. Sie<br />
möchten eine anderePolitik.<br />
Schmutzig und polarisierend<br />
ANGRIFF AUF OPPOSITIONSFÜHRER<br />
Festnahmen: Die Polizei hat<br />
am Montag sechs Verdächtigefestgenommen.<br />
Einer<br />
davonsei Mitglied der islamisch-konservativen<br />
Regierungspartei<br />
AKP,schrieb Parteisprecher<br />
Ömer Celik am<br />
Sonntag auf Twitter.<br />
Distanzierung: Es werde ein<br />
Ausschlussverfahren gegen<br />
den Verdächtigen eingeleitet.<br />
Präsident Recep Tayyip Erdoganteilte<br />
via Twitter mit: „Wir<br />
können Gewalt niemals gutheißen.<br />
Wirsind gegenjede<br />
Artvon Terror und Gewalt.“<br />
Erdogan hatte auch nicht damit gerechnet,<br />
dass die traditionell zerstrittene<br />
Opposition sich auf gemeinsame<br />
Kandidaten einigen würde.<br />
Schon gar nicht hatte er ein grunderneuertes<br />
Auftreten der sozialdemokratischen<br />
Oppositionspartei CHP<br />
erwartet, die in Istanbul mit Ikrem<br />
Imamoglu einen Bewerber präsentierte,der<br />
alle Attacken abperlen ließ.<br />
Während der Präsident einen<br />
schmutzigen, polarisierenden Wahlkampf<br />
führte,tratihm Imamoglu mit<br />
einer versöhnlichen und prodemokratischen<br />
Kampagne entgegen. Am<br />
Wahlabend und in der Zeit danach<br />
agierte er selbstbewusst und organisierte<br />
eine 17-tägige Demokratiewache<br />
in Istanbul, um während der<br />
Nachzählungen die Wahlurnen zu<br />
beschützen. Trotz Massenfestnahmen<br />
und Medienpropaganda engagierten<br />
sich Tausende Menschen.<br />
Die amtliche Bürgermeister-Urkunde<br />
verleiht Imamoglu nun einen<br />
Helden-Nimbus,der ihm nur schwer<br />
wieder zu nehmen sein wird. Sollte<br />
Erdogan jetzt Druck auf den Hohen<br />
Wahlrat ausüben, um Neuwahlen zu<br />
erzwingen, macht er Imamoglu zum<br />
Märtyrer und riskiert, dass die Opposition<br />
noch mehr Stimmen holt. Derzeit<br />
schwankt der Präsident offenbar<br />
zwischen der Anerkennung der Niederlage,die<br />
ihm dringend nötiges internationales<br />
Renommee eintragen<br />
würde, und dem Machtreflex zu<br />
Neuwahlen, mit dem er letztlich<br />
seine eigene Legitimität unterhöhlt.<br />
Zur Freude der Zigarettenindustrie<br />
Die größere Frage im Drama von Istanbul<br />
ist ohnehin, ob demokratisch<br />
an die Macht gelangte Islamisten bei<br />
ihrer Abwahl einen friedlichen Übergang<br />
erlauben. DieAKP macht dabei<br />
keine gute Figur, sie bemängelt Verfahrensprobleme,<br />
obwohl sie selbst<br />
den Wahlprozess vollständig kontrolliert.<br />
Doch es gärt auch in der<br />
Partei. Altgediente AKP-Funktionäre<br />
widersprechen plötzlich der offiziellen<br />
Linie. Sie warten nur auf den<br />
richtigen Zeitpunkt, um eine neue<br />
konservativePartei zu gründen.<br />
In jedem Fall muss der Präsident<br />
damit leben, dass ihm in Imamoglu<br />
ein gefährlicher politischer Konkurrent<br />
erwächst. Die Opposition weiß<br />
nun, dass sie Erdogan gemeinsam<br />
schlagen kann –aber auch, dass sie<br />
dafür die Stimmen der kurdischen<br />
Minderheit braucht. Die taktische<br />
Empfehlung der prokurdischen<br />
HDP für die gemeinsamen Oppositionskandidaten<br />
hat den Sieg gebracht.<br />
Die Zukunft des Landes<br />
hängt jetzt daran, ob es der revitalisierten<br />
Opposition gelingt, sich in<br />
den Städten selbst zu erneuern, die<br />
kurdischen Forderungen zu berücksichtigen<br />
und die tiefe Polarisierung<br />
zu überwinden. Ihre Möglichkeiten<br />
sind zwar beschränkt, denn Erdogan<br />
regiertdie Türkei völlig unangefochten<br />
und hat die CHP-Bürgermeister<br />
bereits als „lahme Enten“ verspottet.<br />
Aber es ist gut möglich, dass er sie<br />
damit erneut unterschätzt. Denn<br />
Imamoglu und Co. haben jetzt nicht<br />
nur Zugriff auf Ressourcen, sie verkörpern<br />
auch die Hoffnung auf eine<br />
Rückkehr zur Demokratie.<br />
Die große Koalition plant beim Tabakwerbeverbot weitreichende Ausnahmen –etwa für elektrische Glimmstängel<br />
VonTimot Szent-Ivanyi<br />
Wenn Politiker extrabetonen, ein<br />
Vertrag werde „eins zu eins“<br />
umgesetzt, sollte man misstrauisch<br />
werden. Häufig genug wirdmit dieser<br />
Formulierung nämlich verschleiert,<br />
dass das Ergebnis anders aussehen<br />
wird, als die Öffentlichkeit glaubt. Genau<br />
das passiert gerade bei der Debatte<br />
um die Ausweitung des Werbeverbots<br />
für Tabakprodukte. Sohatte<br />
die für den Verbraucherschutz zuständige<br />
stellvertretende Fraktionsvorsitzende<br />
der Union im Deutschen<br />
Bundestag, Gitta Connemann (CDU),<br />
voreinigen Tagen exakt diese Formulierung<br />
benutzt, als sie auf das internationale<br />
Abkommen der Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) zum<br />
Tabakwerbeverbot angesprochen<br />
wurde.<br />
Subtext: Nach jahrelangem Streit<br />
wirdDeutschland bald als letztes EU-<br />
Land die Plakatwerbung für Tabakprodukte<br />
verbieten und die Kinowerbung<br />
erheblich einschränken. Was<br />
Connemann allerdings nicht gesagt<br />
hat: Dasdeutsche Verbot wirderhebliche<br />
Lücken haben. Nach den letzten<br />
Plänen der Koalition soll dieWerbung<br />
für E-Zigaretten und möglicherweise<br />
auch für sogenannte Tabakerhitzer<br />
weiterhin möglich sein. Für Tabak-<br />
Konzerne und Werbeindustrie wäre<br />
das eine gute Nachricht, fließen die<br />
Marketing-Etats inzwischen ohnehin<br />
zum großen Teil in die Bewerbung<br />
elektrischer Glimmstängel.<br />
Verantwortlich dafür, dass<br />
Deutschland den völkerrechtlich verbindlichenWHO-Vertrag<br />
bisher nicht<br />
umgesetzt hat, ist die Union. Deren<br />
früherer Fraktionschef Volker Kauder<br />
(CDU) hatte sich zusammen mit dem<br />
Wirtschaftsflügel auf einen Parteitagsbeschluss<br />
von 2015 berufen,<br />
nachdem grundsätzlich keine neuen<br />
Verbote für die Wirtschaft beschlossen<br />
werden sollen. Mit diesem Argu-<br />
ment wurde in der vergangenen<br />
Wahlperiode ein sehr weitgehender<br />
Gesetzentwurf des damaligen Landwirtschaftsministers<br />
Christian<br />
Schmidt (CSU) für ein Tabakwerbeverbot<br />
blockiert, das auch die E-Zigarette<br />
eingeschlossen hatte.<br />
SPD will dem Deal zustimmen<br />
Kauder-Nachfolger Ralph Brinkhaus<br />
(CDU) wollte nun das leidige Thema<br />
endlich erledigen. Der Kompromiss<br />
sah vor: Der WHO-Vertrag könne<br />
doch umgesetzt werden, schließlich<br />
wurde er schon 2005 ratifiziert–also<br />
zehn Jahre vor dem Parteitagsbeschluss<br />
von 2015. Neue Rauchprodukte<br />
seien von dem Werbeverbot<br />
aber ausgenommen, die habe es<br />
schließlich bei Abschluss des WHO-<br />
Vertrags noch gar nicht gegeben.<br />
Nach Informationen der <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Zeitung</strong> (RND) ist die SPD bereit, sich<br />
auf den Deal einzulassen, damit es<br />
überhaupt Fortschritte in der leidigen<br />
Angelegenheit gibt. Damit wäreWerbung<br />
für E-Zigaretten, bei denen<br />
Flüssigkeiten verdampft werden, weiter<br />
erlaubt. Diskutiertwirdnun noch,<br />
ob auch die sogenannten Erhitzer,bei<br />
denen Tabak verdampft wird, vom<br />
Verbot ausgenommen bleiben.<br />
Für Ärztepräsident Frank Ulrich<br />
Montgomery sind die Ausnahmen<br />
nicht hinnehmbar. „Wir begrüßen,<br />
dass endlich Bewegung in die Debatte<br />
um ein Tabakwerbeverbot<br />
kommt. Die große Koalition darf<br />
aber nicht auf halbem Wege stehen<br />
bleiben, sondern muss endlich Nägel<br />
mit Köpfen machen“, sagte<br />
Montgomery der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
(RND). „Notwendig ist ein umfassendes<br />
Werbeverbot für alle Rauchprodukte,<br />
und dazu gehören nicht<br />
nur die herkömmlichen Zigaretten,<br />
sondern auch E-Zigaretten oder sogenannte<br />
Tabakerhitzer“, so der Ärztepräsident<br />
weiter.Auch sie seien gesundheitsschädlich.<br />
Kinderschutz<br />
geht vor<br />
Datenschutz<br />
CDU fordert von Barley<br />
Nachbesserung beim Gesetz<br />
VonThoralf Cleven<br />
Justizministerin Katarina Barleywill Kinder<br />
im Internet besser schützen. DPA<br />
Nach dem von Bundesjustizministerin<br />
Katarina Barley (SPD)<br />
vorgelegten Gesetzentwurf zur Strafbarkeit<br />
des sogenannten Cybergroomings<br />
verlangt die Union weitere<br />
Schritte bei der Bekämpfung des sexuellen<br />
Kindesmissbrauchs.„DerGesetzentwurf<br />
ist ein wichtiger Schritt<br />
bei der Bekämpfung sexuellen Missbrauchs,<br />
aber nicht ausreichend“,<br />
sagte CDU/CSU-Vizefraktionschefin<br />
Nadine Schön der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
(RedaktionsnetzwerkDeutschland).<br />
„Wir brauchen nicht die eine<br />
Maßnahme, sondern ein ganzes<br />
Maßnahmenbündel. Für einen wirksamen<br />
Schutz von Kindern und Jugendlichen<br />
benötigen wir eine gemeinsame,<br />
ressortübergreifende<br />
Strategie,die weit über die wichtigen<br />
Maßnahmen im strafrechtlichen Bereich<br />
hinausgehen“, sagte Schön. Sie<br />
forderte den Ausbau der Hilfesysteme<br />
für Betroffene und die Verstärkung<br />
vonPräventionsangeboten.<br />
Die CDU-Politikerin unterstützt<br />
die Forderungen vieler Ermittler,<br />
durch computergeneriertes Material<br />
in das „Darknet“ und Tauschplattformen<br />
für Kinderpornografie zu gelangen.<br />
„Datenschutz darf nicht<br />
über dem Kinderschutz stehen“,<br />
sagte Schön. „Daher brauchen wir<br />
dieVorratsdatenspeicherung vonTelekommunikations-Verbindungsdaten<br />
und eine Meldepflicht für Internet<br />
Service Provider bei Verdacht auf<br />
Kinderpornografie.“<br />
Justizministerin Barley hatte in<br />
der vergangenen Woche einen Gesetzentwurf<br />
in die Ressortabstimmung<br />
gegeben, der die Strafen für<br />
Kindesmissbrauch im Internet verschärfen<br />
soll. Künftig soll auch der<br />
Versuch der Anbahnung eines Kontaktes<br />
zu einem Kind strafbar sein,<br />
wenn der Täter statt mit einem Kind<br />
mit verdeckten Ermittlern zu tun<br />
hat. Ermittler würden so mehr Möglichkeiten<br />
erhalten, Tätern auf die<br />
Spur zu kommen. Cybergrooming ist<br />
das gezielte Ansprechen von Kindern<br />
imInternet mit dem Ziel sexueller<br />
Kontakte. Wer einem Kind Bilder<br />
schickt, um es später zu sexuellen<br />
Handlungen zu bringen, kann<br />
mit Haft von drei Monaten bis zu<br />
fünf Jahren bestraft werden. Auch<br />
wenn kein Kind zum Opfer werde,<br />
zeige der Täter „die Absicht, ein Kind<br />
durch Einflussnahme über das Internet<br />
zu sexuellen Handlungen zu<br />
bringen oder die Situation zu nutzen,<br />
um Kinderpornografie herzustellen<br />
oder sich daran Besitz zu verschaffen“,<br />
heißt es in Barleys Gesetzentwurf.<br />
Er enthält außerdem eine Klarstellung<br />
zum Straftatbestand der sexuellen<br />
Belästigung. Künftig soll sexuelle<br />
Belästigung immer als solche<br />
geahndet werden und nicht als Körperverletzung<br />
oder Beleidigung.<br />
Laut aktueller Polizeilicher Kriminalstatistik<br />
wurden im vergangenen<br />
Jahr 13 683 Kinder als Opfer von sexuellem<br />
Missbrauch registriert. Die<br />
Dunkelziffer, sagen Fachleute, sei<br />
viel höher. Einige werfen deutschen<br />
Behörden vor, bei der Unterstützung<br />
von Opfern sexuellen Kindesmissbrauchs<br />
zu versagen.