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4 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 104 · D ienstag, 7. Mai 2019<br />
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Das Jahr 1989<br />
Kontrollaktion:<br />
Wahlbeobachter verfolgen<br />
am Abend des<br />
7. Mai 1989 in 1000<br />
Wahllokalen in 50 Städten<br />
der DDR die Stimmauszählung,hier<br />
im Wahllokal 802<br />
im Ernst-Thälmann-Parkin<br />
Ost-Berlin.<br />
KLAUS MEHNER/ULLSTEIN BILD<br />
Auf diesen Taghaben sich so<br />
viele Menschen mit so viel<br />
Sorgfalt vorbereitet. Selbst<br />
das Wetter spielt mit, die<br />
Sonne strahlt verheißungsvoll. An<br />
Straßen hängen Fahnen, die zur<br />
Wahl aufrufen; von Plakaten lächeln<br />
Bürger,prangen Losungen wie„DDR<br />
–mein Vaterland“, „Den Kandidaten<br />
der Nationalen Front Verantwortung<br />
und Vertrauen“, „Arbeite mit, plane<br />
mit, regieremit“.<br />
Erich Honecker,DDR-Staats- und<br />
SED-Parteichef, geht mit seiner Frau<br />
wählen. Fidel geht es zu in dem<br />
Wahllokal in Berlin-Niederschönhausen.<br />
Das bezeugt das Bild eines<br />
Fotografen, welches das SED-Zentralorgan<br />
Neues Deutschland (ND)<br />
tags darauf veröffentlicht. Miteinem<br />
Siegerlächeln steckt Honecker seinen<br />
Wahlzettel in die Urne.<br />
Monatelang hat die politische<br />
Führung zwölf Millionen wahlberechtigte<br />
Bürger auf die Kommunalwahl<br />
vorbereitet. Es geht darum,<br />
273 445 Kandidaten auf Volksvertretungen<br />
zu verteilen. Landesweit sind<br />
mehr als eine Million Wahlvorstände<br />
und Wahlhelfer im Einsatz. Wassoll<br />
da schiefgehen?<br />
Mario Schatta geht nicht wählen,<br />
obwohl es DDR-Bürgerpflicht ist<br />
und die Obrigkeit bei Missachtung<br />
gerne nachhilft. Angespannt sitzt der<br />
Diakon der Evangelischen Kirche<br />
Hohenschönhausen-Nord anjenem<br />
Morgen beim Frühstück mit seiner<br />
Familie. Der 26-Jährige hat Angst,<br />
nicht um sich, sondern um seine<br />
Ehefrau und seine Kinder, zwei, vier<br />
und fünf Jahre alt; er muss damit<br />
rechnen, dass Mitarbeiter des Ministeriums<br />
für Staatssicherheit (MfS) sie<br />
im Laufe des Tages abholen.<br />
Monatelang hat Schatta sich auf<br />
die Wahlen vorbereitet, zusammen<br />
mit MitgliederndesWeißenseer Friedenskreises,den<br />
er 1983 mitbegründet<br />
hat, und mit vielen anderen,<br />
überwiegend in der Kirche organisierten<br />
Bürgerrechtlern. Alle werden<br />
von ihrem gesetzlich verbürgten<br />
Recht der Wahlkontrolle Gebrauch<br />
machen. Erstmals republikweit.<br />
Was weder Honecker noch<br />
Schatta noch sonst jemand an jenem<br />
Sonntagmorgen, dem 7. Mai 1989,<br />
ahnt: Der Tag wird mit einem Paukenschlag<br />
enden, der die DDR nachhaltig<br />
erschüttert.<br />
„Es muss demokratisch aussehen“<br />
Wahlen in der DDR dienten offiziell<br />
der „Stärkung der sozialistischen<br />
Staatsmacht und der weiteren Entfaltung<br />
und Vervollkommnung der<br />
sozialistischen Demokratie“. Obwohl<br />
sie als frei, gleich und geheim<br />
deklariertwaren, schloss die alternativlose<br />
Einheitsliste „Nationale<br />
Front“ (SED,Blockparteien, Massenorganisationen)<br />
eine Entscheidung<br />
zwischen verschiedenen Kandidaten<br />
aus. Esging nur darum, dass die<br />
Wähler der Liste zustimmten, indem<br />
sie die Wahlscheine einmal falteten<br />
und in die Wahlurne steckten. So<br />
gingen die Bürger nicht zumWählen,<br />
sondern, wie Volkes Mund spottete,<br />
Zahlen<br />
gegen<br />
Zahlen<br />
DDR-Bürgerrechtler überführten<br />
vor dreißig Jahren die SED der<br />
systematischen Wahlfälschung.<br />
Mit weitreichenden Folgen.<br />
Eine Rekonstruktion der Ereignisse<br />
siv,wie ich es zuvor noch nicht erlebt<br />
hatte“, erinnert sich Mario Schatta.<br />
„Es war klar:Hier muss etwas passieren!<br />
Das Land wird sonicht länger<br />
existieren können.“<br />
Mit Repressalien hatte die politische<br />
Führung dieser Stimmung Auftrieb<br />
gegeben: Im November 1987<br />
ließ sie die Umwelt-Bibliothek stürmen,<br />
eine Informations- und Begegnungsstätte<br />
für Oppositionelle in<br />
den Räumen der Zionsgemeinde in<br />
Berlin-Mitte; im Januar 1988 ließ sie<br />
Bürger festnehmen, die bei der<br />
Kundgebung zum Gedenken an Karl<br />
Liebknecht und Rosa Luxemburgfür<br />
Demokratie demonstrierten; im November<br />
1988 ließ sie die sowjetische<br />
Zeitschrift Sputnik verbieten, weil sie<br />
über die Perestroika berichtete.<br />
Das Maß an Unzufriedenheit in<br />
der Bevölkerung zeigt sich nach Veröffentlichung<br />
des Wahlaufrufs Ende<br />
Januar 1989: 230 000 Eingaben erhalten<br />
die Staatsorgane, 40000 nehmen<br />
direkt Bezug auf dieWahl, so viele wie<br />
noch nie und fast doppelt so viele wie<br />
vor der Wahl 86. Bürger mahnen<br />
längst geforderte Reparaturen an<br />
Mietshäusernund fällige Wohnungszuweisung<br />
an, bitten um die Genehmigung<br />
für eineWestreise oder für die<br />
Ausreise.Vieles wird positiv beschieden,<br />
um potenzielle Wahlverweigerer<br />
zu beschwichtigen und missliebige<br />
Bürger loszuwerden.<br />
Die führenden Genossen in Ost-<br />
Berlin verschließen sich Reformen,<br />
ihre sozialistischen Brüder öffnen<br />
VonMichael Brettin<br />
sich ihnen: Budapest gibt im Februar<br />
das Machtmonopol der KP auf und<br />
geht zum Mehrparteiensystem über;<br />
Moskau lässt bei der Wahl der Volksdeputierten<br />
im März erstmals zwischen<br />
mehreren Kandidaten entscheiden;<br />
Warschau legalisiert im<br />
Aprildie Gewerkschaft Solidarnosc.<br />
Die Kommunalwahl steht also<br />
unter keinem guten Stern. Ein„Bund<br />
unzufriedener Bürger“ verteilt Mitte<br />
Februar in Neubrandenburg einen<br />
„Wahlaufruf“, in dem es heißt: „Sind<br />
Sieunzufrieden mit: Versorgung von<br />
Wohnungen, Möbeln, Kraftfahrzeugen,<br />
Industriewaren, Südfrüchten,<br />
dem Lohngefüge? Dann gehen Sie<br />
nicht zur Wahl. Unser Ziel: Wahlbeteiligung<br />
50 Prozent.“<br />
Das Flugblatt einer „Demokratischen<br />
Initiative“ fordert Leipziger<br />
Bürger auf, sich am Wahlabend auf<br />
dem Altmarkt zu einem „alternativen<br />
Volksbegehren“ zu treffen. Eine Urne<br />
stehe bereit, in die man „als Zeichen<br />
der Ablehnung der bestehenden<br />
Wahlordnung und Wahlpraxis“ ein<br />
weißes Blatt Papier stecken könne.<br />
Bürgerrechtler klären in Infoblättern<br />
über das Wahlrecht auf, auch<br />
darüber, wie Wähler gegen die Einheitsliste<br />
stimmen können. Ein<br />
Wahlzettel gilt als Gegenstimme,<br />
wenn der Wähler die Namen aller<br />
Kandidaten durchgestrichen oder<br />
das ganzeBlatt durchkreuzt hat –das<br />
steht in einem vertraulichen Schreiben<br />
von Wahlleiter Egon Krenz an<br />
die Wahlkommissionen. Ein Zettel,<br />
zum„Zettelfalten“.WereineWahlkabine<br />
nutzte –nicht jedes Wahllokal<br />
hatte eine –, machte sich verdächtig.<br />
Die betreffende Person musste damit<br />
rechnen, dass sie registriert und<br />
ihr Verhalten der Staatssicherheit,<br />
den Kommunalbehörden und der<br />
Arbeitsstätte gemeldet wird.<br />
Die Wahlergebnisse hinsichtlich<br />
Ja-Stimmen und Beteiligung lagen<br />
stets über 99 Prozent, sie standen<br />
schon vorher fest. Ab der ersten<br />
Volkskammerwahl im Oktober 1950<br />
war systematische Wahlfälschung<br />
gang und gäbe, hatte doch bei der<br />
Wahl zum Volkskongress im Mai<br />
1949 ein Drittel der Wähler gegen die<br />
Einheitsliste gestimmt. Es galt<br />
fortan, was Walter Ulbricht nach seiner<br />
Rückkehr aus dem Exil in Moskau<br />
1945 gefordert hatte: „Es muss<br />
demokratisch aussehen, aber wir<br />
müssen alles in der Hand haben.“<br />
Mario Schatta nimmt sich in seiner<br />
Mittagspause Zeit für ein Gespräch<br />
über die Kommunalwahl vor<br />
dreißig Jahren. Zurückgelehnt sitzt<br />
der heute 56-Jährige in einem Sessel<br />
im Wohnzimmer seiner Altbauwohnung<br />
inWeißensee.Sein Arbeitsplatz<br />
befindet sich eine Etage tiefer,erhat<br />
dortseine Praxis für systemische Supervision.<br />
Durch die Fenster strahlt<br />
die Sonne. Es ist, wie damals, ein<br />
schöner Frühlingstag.<br />
„Wir vom Weißenseer Friedenskreis<br />
hatten schon im August 1988<br />
beschlossen, bei der nächsten Wahl<br />
die Auszählung zu überprüfen. Wir<br />
wollten die Verlogenheit des Systems,<br />
das Vorgaukeln eines Sozialismus,<br />
der nie gelebt wurde, entlarven“,<br />
erzählt Schatta. „Ich habe das<br />
Projekt bei einer Tagung von ,Frieden<br />
konkret‘ vorgestellt und musste<br />
feststellen: Viele andere Kreise hatten<br />
die Wahlkontrolle von unten<br />
auch schon geplant.“<br />
Einer dieser Kreise befand sich in<br />
der Gemeinde der Samariterkirche<br />
in Friedrichshain, wo der Pfarrer Rainer<br />
Eppelmann wirkte. Schon bei<br />
der Volkskammerwahl 1986 hatten<br />
dort ansässige Bürgerrechtler Wahllokale<br />
kontrolliert. „Wir haben damals<br />
mit unserer Aktion nicht rechtzeitig<br />
genug begonnen, eine Wahlkontrolle<br />
fand daher nur in einigen<br />
wenigen Wahllokalen statt“, sagt Eppelmann,<br />
76, im Telefongespräch.<br />
„Wir konnten Wahlbetrug lediglich<br />
behaupten, aber nicht beweisen.“<br />
Dassollte 1989 anders sein.<br />
Frühjahr 1989. Unmut gärt inder<br />
Bevölkerung, auch beeinflusst von<br />
den Erwartungen, welche die Reformen<br />
in anderen sozialistischen Staaten,<br />
allen voraninder UdSSR, geweckt<br />
haben. In einer streng geheimen internen<br />
Information des MfS vom25. August<br />
1988 heißt es,die Bevölkerung beklage<br />
„diskontinuierlich ablaufende<br />
Produktionsprozesse“ und „anhaltende<br />
Probleme in der bedarfs-, sortiments-<br />
und qualitätsgerechten Versorgung“<br />
sowie „teilweise absinkendes<br />
Versorgungsniveau im Dienstleistungs-<br />
und medizinischen Bereich“.<br />
„Die Stimmung in der Bevölkerung<br />
war angespannt und so offenauf<br />
dem einzelne oder mehrereKandidaten<br />
gestrichen sind, gilt als Ja-<br />
Stimme.<br />
Die Staatssicherheit registriert<br />
103 Vorkommnisse, die gegen die<br />
Wahl gerichtet sind. Überrascht ist<br />
sie nicht, über die Aktivitäten in der<br />
Bürgerrechtsszene ist sie bestens informiert.<br />
Siehat schon im Dezember<br />
1988 die Partei davor gewarnt, gegen<br />
dasWahlgesetz zu verstoßen; die Gegenseite<br />
würde das ausnutzen.<br />
DasSystem wappnet sich. Mitder<br />
Aktion „Symbol 89“ soll die Stasi die<br />
Wahllokale und den technischen Ablauf<br />
wie die Datenverarbeitung sichern.<br />
Nur systemtreue Kandidaten<br />
stehen auf der Einheitsliste.Die Freiwillige<br />
Feuerwehr, der Verband der<br />
Kleingärtner und Kaninchenzüchter<br />
sowie Ausländer dürfen erstmals<br />
welche aufstellen, Friedens- und<br />
Umweltgruppen nach wie vorkeine.<br />
Die der Partei genehmen Kandidaten<br />
stellen sich bei Wählerversammlungen<br />
der Öffentlichkeit. Die<br />
Treffen laufen mancherorts aus dem<br />
Ruder:Bürger schimpfen über kommunale<br />
Missstände, beklagen nicht<br />
erfüllte Wahlversprechen, zweifeln<br />
an der sozialistischen Demokratie<br />
im Land. Es gelingt ihnen sogar,Kandidaten<br />
abzulehnen. Die Versammlungen<br />
werden daraufhin in kleinen<br />
Räumen und mit zuverlässigen Genossen<br />
abgehalten oder kurzfristig<br />
verschoben oder geheim gehalten.<br />
Auch die Standorte vonWahllokalen<br />
werden verheimlicht.<br />
Am frühen Nachmittag des 7. Mai<br />
1989 begibt sich Mario Schatta auf<br />
das Gelände der Stephanus-Stiftung<br />
an der Albertinenstraße in Weißensee.<br />
Dort, in der Wohnung einer<br />
Freundin, hat der Friedenskreis ein<br />
Büro eingerichtet. Acht Mitglieder<br />
sollen die Wahlbeobachtungen und<br />
die Stimmauszählungen koordinieren.<br />
Das Gelände hat mehrere Zuund<br />
Abgänge, was eine Kontrolle<br />
durch die Stasi erschwert; und es gehört<br />
zur Kirche, was ein Eingreifen<br />
der Stasi weniger wahrscheinlich<br />
macht. Die hat sich bereits postiert,<br />
lässt aber jeden passieren.<br />
Die vergangenen Wochen verbrachte<br />
der Friedenskreis hauptsächlich<br />
damit, Wahllokale ausfindig<br />
zu machen. „Der Bezirk gab keine<br />
Adressen heraus,die waren vomMfS<br />
instruiert“, sagt Schatta. „Wir wussten,<br />
drei Tage vor der Wahl müssen<br />
die Lokale mit einem Schild gekennzeichnet<br />
sein. Also haben wir uns<br />
eine Karte von Weißensee besorgt<br />
und sind die Straßen abgeradelt. Ein<br />
oder zwei sind mit dem Auto unterwegs<br />
gewesen. Außerdem haben wir<br />
Gemeindemitglieder gebeten, uns<br />
Bescheid zu geben, wenn sie ein<br />
Wahllokal sehen.“ Eine Liste mit 66<br />
Wahllokalen entstand. Noch heute<br />
ärgertsich Schatta, dass sie ein einziges<br />
Wahllokal nicht ausfindig gemacht<br />
haben. Es befand sich auf<br />
dem Gelände der BereitschaftspolizeiamBlankenburger<br />
Pflasterweg.<br />
DieBürgerrechtler stellen sich am<br />
Wahlnachmittag die bange Frage:<br />
Werden sich genug Wahlbeobachter<br />
melden? In jedem Wahllokal sollen<br />
bestenfalls drei Personen die Stimmauszählung<br />
kontrollieren. Schatta<br />
selbst geht nicht, er fürchtet: „Wenn<br />
ich jetzt hier rausgehe, dann<br />
schnappt die Stasi mich als strategischen<br />
Kopf weg.“<br />
Nach und nach treffen Wahlbeobachter<br />
ein. Jeder bekommt ein Lokal<br />
zugelost, um zu verhindern, dass<br />
sich Stasi-Mitarbeiter in Grüppchen<br />
auf Kontrolle begeben. Aufvorbereiteten<br />
Zetteln sind Name und Adresse<br />
des Wahllokals,Wahlberechtigte,abgegebene<br />
Stimmen, gültige Stimmen,<br />
Gegenstimmen und ungültige<br />
Stimmen zu vermerken.<br />
Wahlbeobachter schwärmen aus<br />
Mehrere Hundert Wahlbeobachter<br />
schwärmen aus, inOst-Berlin und<br />
Leipzig, in Potsdam, Dresden, Rostock,<br />
Karl-Marx-Stadt, Plauen, insgesamt<br />
in rund 50 Städten und Gemeinden.<br />
Mancher Gruppe wirddas<br />
Recht auf Zutritt verwehrt oder erschwert.<br />
Es gelingt trotzdem, die<br />
Stimmauszählung in 1000 Wahllokalen<br />
zu kontrollieren.<br />
Rainer Eppelmann begibt sich in<br />
ein Wahllokal unweit der Samariterkirche,nicht<br />
nur,umzuwählen –gegen<br />
die Einheitsliste –, sondernauch,<br />
um zu kontrollieren. Es ist das zweite<br />
Mal, dass er wählt, das erste Mal war<br />
1962, da war er 19 Jahre alt. „Ich bin<br />
damals ins Wahllokal gegangen und<br />
habe gefragt: Wasmuss ich machen,<br />
wenn ich mit keinem Kandidaten auf<br />
der Liste einverstanden bin?“, sagt<br />
Eppelmann. Alle durchstreichen, bekam<br />
er zur Antwort. Er suchte die<br />
Wahlkabine auf, die ganz hinten im<br />
Raum stand, und strich alle Namen.<br />
Als die Wahllokale um 18 Uhr<br />
schließen, lassen sich die Wahlbeobachter<br />
mit einschließen. Auch Eppelmann:<br />
„Die Wahlhelfer stülpten<br />
die Urne um und zählten die Zettel<br />
aus,und wir schrieben mit.“<br />
Das provisorische Büro des Weißenseer<br />
Friedenskreises an der Albertinenstraße<br />
füllt sich im Verlauf<br />
des Abends mit zurückkehrenden<br />
Wahlbeobachtern. Die Bürgerrechtler<br />
notieren Zahl auf Zahl auf Zahl.<br />
Die Gegenstimmen liegen in manchem<br />
Wahllokal im zweistelligen Bereich.<br />
Schatta ist wie elektrisiert, er<br />
denkt sich: „Mal sehen, was der<br />
Krenz nachher im Fernsehen sagt.“<br />
Wahlleiter Krenz verkündet das<br />
offizielle Wahlergebnis in der Spätausgabe<br />
der Aktuellen Kamera.<br />
Schatta verfolgt die Nachrichtensendung<br />
mit Mitgliedern anderer Friedenskreise<br />
in der Gemeinde der Elisabethkirche<br />
in der Invalidenstraße<br />
in Mitte. Zwischen 250 und 300 Bürgerrechtler<br />
haben sich dort eingefunden,<br />
um die Ergebnisse ihrer<br />
Wahlkontrollen zusammenzufassen.<br />
Es war,erinnertsich Schatta, ein<br />
„wilder Austausch“.<br />
Nicht weniger wild wird es, als<br />
Krenz das vorläufige Gesamtergebnis<br />
verkündet. Von „einem eindrucksvollen<br />
Votum“ für die Kandidaten<br />
der Nationalen Front spricht<br />
er, von 98,85 Prozent Ja-Stimmen.