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WAS MACHT ...<br />
Das letzte-Seite-Interview:<br />
„Frau Kluth, ich biete Ihnen an,<br />
ich mache ein Solo.“<br />
Zusammen mit ihrem späteren<br />
Ehemann Karlheinz Calenberg<br />
bildete Monika Kluth eines<br />
der bundesweit bekanntesten<br />
Moderatorenduos im Radio.<br />
Auf der Hansawelle prägten sie die<br />
Sendungen „Bremen Eins am Wochenende“<br />
und die Morgenshow „Bremer<br />
Kaffeepott“ von Mitte der 70er bis in die<br />
90er Jahre hinein. Im Interview spricht<br />
die Moderatorin über die Sendungen,<br />
ihre Ideen und ihren 1998 verstorbenen<br />
Ehemann.<br />
Wie geht es Ihnen zurzeit?<br />
Danke, mir geht es sehr gut. Ich interessiere<br />
mich für Kunst und Kultur, reise<br />
gerne und versuche Menschen, denen<br />
es nicht so gut wie mir geht, zu helfen.<br />
Seit vielen Jahre begleitete ich ein elfjähriges<br />
Mädchen, das an spinaler Muskelatrophie<br />
leidet. Dadurch habe ich<br />
Demut gelernt. Ich lese ab und zu vor,<br />
aber Radio oder ähnliches mache ich<br />
nicht mehr.<br />
Sie waren eine der Stimmen von Radio<br />
Bremen. Erinnern Sie sich noch, wie Sie<br />
zum Sender gekommen sind?<br />
Es war 1976. Ich war zu der Zeit Dolmetscherin<br />
und mit Karlheinz Calenberg<br />
befreundet. Bei einem Kegelabend sagte<br />
Karlheinz dann zu mir: „Mir gefällt<br />
deine Stimme, ich brauche jemand neues<br />
für eine Doppelmoderation samstags<br />
morgens. Hast Du Lust?“ Ich dachte,<br />
dass ich mir das ja mal angucken kann.<br />
Waren Sie aufgeregt vor Ihrer ersten<br />
Sendung?<br />
Und wie. Ich habe geschwitzt vor Aufregung<br />
und habe damals gedacht: „Wie<br />
gut, dass ich meinen anderen Job noch<br />
habe, hier bleibe ich nicht.“<br />
Und wie lief es dann?<br />
Ganz fürchterlich. Ich habe so getan,<br />
als sei ich über die Maßen gebildet und<br />
habe zum Beispiel erzählt, dass ich nur<br />
klassische Musik hören würde. Daraufhin<br />
kam Karlheinz ins Studio gestürmt,<br />
sagte zu mir, dass das ja alles gar nicht<br />
wahr sei, ich auch Elvis Presley und<br />
ähnliches hören würde und ich doch<br />
einfach ich selbst sein solle. Von dem<br />
Augenblick an klappte es.<br />
Foto: MÄR<br />
Und die Reaktionen?<br />
Es wurden massenhaft Blumensträuße<br />
für mich an der Rezeption abgegeben.<br />
Es war wunderbar, irgendwie hatten die<br />
Leute mich in ihr Herz geschlossen. Also<br />
dachte ich: „Okay, dann bleibe ich wohl<br />
beim Radio.“<br />
Und dann erfanden Sie den Bremer<br />
Kaffeepott …<br />
Das war die Idee von Karlheinz. Es gab<br />
die Überlegung, dass etwas Neues für<br />
die frühen Morgenstunden her musste.<br />
Wir waren ein Team von zehn Leuten<br />
und haben nach den Sendungen bis in<br />
die Nacht durchdiskutiert. Irgendwann<br />
nach sechs oder sieben Tagen sagte<br />
Karlheinz dann, dass er jetzt die Lösung<br />
habe und präsentierte den Bremer<br />
Kaffeepott.<br />
Wie war das Konzept der Sendung?<br />
Wir wollten die Menschen um eine Uhrzeit,<br />
in der man normalerweise noch ein<br />
bisschen missmutig ist, zu Hause abholen.<br />
Dazu gehörte, sie mit den aktuellen<br />
Tagesinformationen zu versorgen.<br />
Passierte also am Vortag etwas Spezielles,<br />
versuchten wir für den Morgen des<br />
nächsten Tages ein Interview mit beispielsweise<br />
einem Minister zu vereinbaren.<br />
Politik, Soziales, Sport, Musik – es<br />
gehörte alles zu unserem Programm.<br />
In Ihrer Samstagsendung führten Sie<br />
ein, dass vier Stunden vor dem Spiel<br />
mit dem damaligen Werder-Trainer, Otto<br />
Rehhagel, telefoniert wurde.<br />
Karlheinz und Otto waren befreundet.<br />
Aus einem Gespräch der beiden<br />
entstand die Idee. Ich wiederum hatte<br />
überhaupt nichts mit Fußball zu tun und<br />
immer nur gehofft, dass dieser Kelch an<br />
mir vorübergehen möge.<br />
Dann mussten Sie aber doch ran.<br />
Karlheinz war im Urlaub. Ich hatte mir<br />
über 20 Fragen notiert, um auch ja die<br />
eingeplanten drei Minuten zusammenzubekommen.<br />
Dann machte ich den<br />
Fehler, als erstes nach der Mannschaftsaufstellung<br />
zu fragen. Bei Otto Rehhagel<br />
ein Heiligtum, das er nie vorher<br />
verriet. Entsprechend groß war seine<br />
Empörung. Also versuchte ich mit ihm<br />
über seinen Urlaub zu sprechen. Das<br />
konnte ich ja wenigstens.<br />
Und die Reaktionen?<br />
Es gab sehr viele wütende Zuhörer – im<br />
Übrigen völlig zu Recht – da sie ja gar<br />
keine relevante Information zum Spiel<br />
bekommen hatten. Das nächste Gespräch<br />
mit Rehhagel lief übrigens völlig<br />
anders. Im Vorfeld sagte er zu mir: „Frau<br />
Kluth, ich biete Ihnen an, ich mache ein<br />
Solo.“ Und so kam es dann auch (lacht).<br />
Ein Markenzeichen Ihrer Sendungen<br />
war, dass sie sehr schnell reagieren<br />
konnten, wenn zum Beispiel Hörer bei<br />
Ihnen anriefen ...<br />
Genau, ich erinnere mich, als in der Silversternacht<br />
1981 ein Kollege zu uns ins<br />
Studio kam und sagte, dass er gerade<br />
einen Arzt aus Bolivien in der Leitung<br />
habe, der dringend Hilfe benötige. Dieser<br />
Arzt war Alexander Bendoraitis aus<br />
Guayaramerin in Bolivien. Er berichtete<br />
davon, dass dort eine große Cholera<br />
und Malaria Epidemie herrsche und er<br />
weder über ausreichend Medikamente<br />
noch über ein Krankenhaus verfüge.<br />
Also sagte Karlheinz damals live ins<br />
Radio: „Meine Damen und Herren, mit<br />
Ihrer Hilfe werden wir es schaffen, ein<br />
Hospital in Bolivien zu bauen.“ Es sind<br />
tatsächlich 500.000 Mark zusammengekommen.<br />
Das Hospital gibt es bis<br />
heute.<br />
Die Fragen stellte Martin Märtens.