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stadtmagazinjuli2016

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WAS MACHT ...<br />

Das letzte-Seite-Interview:<br />

„Frau Kluth, ich biete Ihnen an,<br />

ich mache ein Solo.“<br />

Zusammen mit ihrem späteren<br />

Ehemann Karlheinz Calenberg<br />

bildete Monika Kluth eines<br />

der bundesweit bekanntesten<br />

Moderatorenduos im Radio.<br />

Auf der Hansawelle prägten sie die<br />

Sendungen „Bremen Eins am Wochenende“<br />

und die Morgenshow „Bremer<br />

Kaffeepott“ von Mitte der 70er bis in die<br />

90er Jahre hinein. Im Interview spricht<br />

die Moderatorin über die Sendungen,<br />

ihre Ideen und ihren 1998 verstorbenen<br />

Ehemann.<br />

Wie geht es Ihnen zurzeit?<br />

Danke, mir geht es sehr gut. Ich interessiere<br />

mich für Kunst und Kultur, reise<br />

gerne und versuche Menschen, denen<br />

es nicht so gut wie mir geht, zu helfen.<br />

Seit vielen Jahre begleitete ich ein elfjähriges<br />

Mädchen, das an spinaler Muskelatrophie<br />

leidet. Dadurch habe ich<br />

Demut gelernt. Ich lese ab und zu vor,<br />

aber Radio oder ähnliches mache ich<br />

nicht mehr.<br />

Sie waren eine der Stimmen von Radio<br />

Bremen. Erinnern Sie sich noch, wie Sie<br />

zum Sender gekommen sind?<br />

Es war 1976. Ich war zu der Zeit Dolmetscherin<br />

und mit Karlheinz Calenberg<br />

befreundet. Bei einem Kegelabend sagte<br />

Karlheinz dann zu mir: „Mir gefällt<br />

deine Stimme, ich brauche jemand neues<br />

für eine Doppelmoderation samstags<br />

morgens. Hast Du Lust?“ Ich dachte,<br />

dass ich mir das ja mal angucken kann.<br />

Waren Sie aufgeregt vor Ihrer ersten<br />

Sendung?<br />

Und wie. Ich habe geschwitzt vor Aufregung<br />

und habe damals gedacht: „Wie<br />

gut, dass ich meinen anderen Job noch<br />

habe, hier bleibe ich nicht.“<br />

Und wie lief es dann?<br />

Ganz fürchterlich. Ich habe so getan,<br />

als sei ich über die Maßen gebildet und<br />

habe zum Beispiel erzählt, dass ich nur<br />

klassische Musik hören würde. Daraufhin<br />

kam Karlheinz ins Studio gestürmt,<br />

sagte zu mir, dass das ja alles gar nicht<br />

wahr sei, ich auch Elvis Presley und<br />

ähnliches hören würde und ich doch<br />

einfach ich selbst sein solle. Von dem<br />

Augenblick an klappte es.<br />

Foto: MÄR<br />

Und die Reaktionen?<br />

Es wurden massenhaft Blumensträuße<br />

für mich an der Rezeption abgegeben.<br />

Es war wunderbar, irgendwie hatten die<br />

Leute mich in ihr Herz geschlossen. Also<br />

dachte ich: „Okay, dann bleibe ich wohl<br />

beim Radio.“<br />

Und dann erfanden Sie den Bremer<br />

Kaffeepott …<br />

Das war die Idee von Karlheinz. Es gab<br />

die Überlegung, dass etwas Neues für<br />

die frühen Morgenstunden her musste.<br />

Wir waren ein Team von zehn Leuten<br />

und haben nach den Sendungen bis in<br />

die Nacht durchdiskutiert. Irgendwann<br />

nach sechs oder sieben Tagen sagte<br />

Karlheinz dann, dass er jetzt die Lösung<br />

habe und präsentierte den Bremer<br />

Kaffeepott.<br />

Wie war das Konzept der Sendung?<br />

Wir wollten die Menschen um eine Uhrzeit,<br />

in der man normalerweise noch ein<br />

bisschen missmutig ist, zu Hause abholen.<br />

Dazu gehörte, sie mit den aktuellen<br />

Tagesinformationen zu versorgen.<br />

Passierte also am Vortag etwas Spezielles,<br />

versuchten wir für den Morgen des<br />

nächsten Tages ein Interview mit beispielsweise<br />

einem Minister zu vereinbaren.<br />

Politik, Soziales, Sport, Musik – es<br />

gehörte alles zu unserem Programm.<br />

In Ihrer Samstagsendung führten Sie<br />

ein, dass vier Stunden vor dem Spiel<br />

mit dem damaligen Werder-Trainer, Otto<br />

Rehhagel, telefoniert wurde.<br />

Karlheinz und Otto waren befreundet.<br />

Aus einem Gespräch der beiden<br />

entstand die Idee. Ich wiederum hatte<br />

überhaupt nichts mit Fußball zu tun und<br />

immer nur gehofft, dass dieser Kelch an<br />

mir vorübergehen möge.<br />

Dann mussten Sie aber doch ran.<br />

Karlheinz war im Urlaub. Ich hatte mir<br />

über 20 Fragen notiert, um auch ja die<br />

eingeplanten drei Minuten zusammenzubekommen.<br />

Dann machte ich den<br />

Fehler, als erstes nach der Mannschaftsaufstellung<br />

zu fragen. Bei Otto Rehhagel<br />

ein Heiligtum, das er nie vorher<br />

verriet. Entsprechend groß war seine<br />

Empörung. Also versuchte ich mit ihm<br />

über seinen Urlaub zu sprechen. Das<br />

konnte ich ja wenigstens.<br />

Und die Reaktionen?<br />

Es gab sehr viele wütende Zuhörer – im<br />

Übrigen völlig zu Recht – da sie ja gar<br />

keine relevante Information zum Spiel<br />

bekommen hatten. Das nächste Gespräch<br />

mit Rehhagel lief übrigens völlig<br />

anders. Im Vorfeld sagte er zu mir: „Frau<br />

Kluth, ich biete Ihnen an, ich mache ein<br />

Solo.“ Und so kam es dann auch (lacht).<br />

Ein Markenzeichen Ihrer Sendungen<br />

war, dass sie sehr schnell reagieren<br />

konnten, wenn zum Beispiel Hörer bei<br />

Ihnen anriefen ...<br />

Genau, ich erinnere mich, als in der Silversternacht<br />

1981 ein Kollege zu uns ins<br />

Studio kam und sagte, dass er gerade<br />

einen Arzt aus Bolivien in der Leitung<br />

habe, der dringend Hilfe benötige. Dieser<br />

Arzt war Alexander Bendoraitis aus<br />

Guayaramerin in Bolivien. Er berichtete<br />

davon, dass dort eine große Cholera<br />

und Malaria Epidemie herrsche und er<br />

weder über ausreichend Medikamente<br />

noch über ein Krankenhaus verfüge.<br />

Also sagte Karlheinz damals live ins<br />

Radio: „Meine Damen und Herren, mit<br />

Ihrer Hilfe werden wir es schaffen, ein<br />

Hospital in Bolivien zu bauen.“ Es sind<br />

tatsächlich 500.000 Mark zusammengekommen.<br />

Das Hospital gibt es bis<br />

heute.<br />

Die Fragen stellte Martin Märtens.

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