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ME2BE CAMPUS 2019/01

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Gesucht: Gesellschaft mit<br />

Sinn fürs Klima<br />

Text Lutz Timm<br />

Foto © Jan Steffen, GEOMAR<br />

Helmholtz-Zentrum für<br />

Ozeanforschung Kiel<br />

Klimaforscher Prof. Mojib Latif fordert eine „breite Bewegung“ gegen den Klimawandel<br />

FRÜHJAHR <strong>2<strong>01</strong>9</strong><br />

No.1<br />

Mojib Latif, 64, ist Professor am<br />

Geomar Helmholtz-Zentrum für<br />

Ozeanforschung in Kiel und einer<br />

der führenden Klimaforscher in<br />

Deutschland. Im Campus-Interview<br />

erläutert der Wissenschaftler, warum<br />

er „Scientists for Future“ unterstützt,<br />

was er von einer CO2-Steuer hält<br />

und wieso die Schülerproteste<br />

nur ein Anfang sein können.<br />

Herr Professor Latif, auf einer Fridays-for-<br />

Future-Demo in Hamburg haben Sie eine<br />

Massenbewegung für mehr Klimaschutz<br />

gefordert und dafür kräftigen Applaus<br />

bekommen. Wieso geht der Protest gerade<br />

von der jungen Generation aus?<br />

Es liegt in der Natur der Sache, dass die jungen<br />

Menschen ihre Zukunft noch vor sich haben<br />

und wissen, dass sich die Lebensgrundlagen<br />

auf dieser Welt ohne Klimaschutz dramatisch<br />

verschlechtern würden. Nur wir Alten sehen<br />

das oft nicht so. Insofern ist es nur konsequent,<br />

wenn die junge Generation aufsteht,<br />

und das in einer Art und Weise, die ziemlich<br />

viel Aufmerksamkeit erreicht.<br />

Wieso flammen die Proteste gerade jetzt<br />

auf? Die Folgen des Klimawandels sind<br />

doch bereits seit Jahren bekannt.<br />

Die Klimaproblematik ist seit mehreren Jahrzehnten<br />

auf dem Tableau, aber jetzt gab es<br />

offenbar den berühmten Tropfen, der das Fass<br />

zum Überlaufen gebracht hat. Vielleicht war<br />

es der heiße und trockene Sommer im vergangenen<br />

Jahr. Möglicherweise waren es auch<br />

die Betrügereien in der Automobilindustrie.<br />

2<strong>01</strong>8 sind zumindest in Deutschland viele<br />

Dinge zusammengekommen, auch wenn der<br />

Ursprung der Bewegung in Schweden liegt...<br />

...bei Greta Thunberg, die ihre Regierung<br />

dazu bringen will, die Klimaschutzziele von<br />

Paris konsequent umzusetzen.<br />

Dabei ist Schweden uns mit einer CO2-Steuer<br />

voraus. Angela Merkel hat als Bundesumwelt-<br />

ministerin markige Worte gewählt und sich<br />

vor Gletschern in Grönland ablichten lassen.<br />

Davon ist nicht viel geblieben. Eine Klimakanzlerin<br />

ist sie nie gewesen.<br />

Ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz ist<br />

Deutschland wohl derzeit nicht.<br />

Nein. Und die Emissionen steigen global. Das<br />

kann man Angela Merkel nicht anlasten, aber<br />

Deutschland hat eine besondere Verantwortung.<br />

Die Welt blickt nach Deutschland. Wenn<br />

wir nicht vorangehen, dann werden andere<br />

Länder nicht folgen.<br />

Können Sie in der Politik ein neues<br />

Bewusstsein für ernsthaften Klimaschutz<br />

erkennen?<br />

Die Politik traut sich nicht, deswegen muss<br />

die Zivilgesellschaft das einfordern. Wir müssen<br />

uns aber auch ehrlich machen. Aktuelles<br />

Beispiel: Alle sind für Klimaschutz, aber keiner<br />

will die CO2-Steuer. Insofern muss man<br />

auch die Bevölkerung in die Pflicht nehmen.<br />

Müsste die Politik eine bessere Vermittlungsarbeit<br />

leisten?<br />

Das einzige probate Mittel ist, dem Ausstoß<br />

von Treibhausgasen einen Preis zu geben. Im<br />

Moment zahlen wir alle für die Schäden und<br />

insbesondere die nachfolgenden Generationen.<br />

Die Initiative Scientists for Future fordert,<br />

das Verursacherprinzip ‚sozialverträglich<br />

zu gestalten‘. Sie sind einer der rund<br />

27.000 Wissenschaftler, die sich mit einer<br />

Stellungnahme hinter die Fridays-for-Future-Bewegung<br />

gestellt haben. Warum?<br />

Ich bin unter anderem Präsident der Deutschen<br />

Gesellschaft Club of Rome und Vorstandsvorsitzender<br />

des deutschen Klimakonsortiums.<br />

Als Verbandsvertreter und auch als<br />

Person möchte ich deutlich machen, dass die<br />

Forderungen der jungen Leute absolut berechtigt<br />

sind. Es sind die gleichen Forderungen,<br />

die wir auch erheben. Wir wollen verdeutlichen,<br />

dass die Forderungen tatsächlich wissenschaftlich<br />

begründet sind.<br />

Wie wurde die Initiative aufgenommen?<br />

Sie hat zusätzliches Gewicht in die Debatte<br />

gebracht. Jetzt kann das keiner mehr so einfach<br />

abtun, wenn sehr viele führende Wissenschaftler<br />

sich hinter Fridays for Future stellen.<br />

Klingt so, als wäre Deutschland auf einem<br />

guten Weg.<br />

Aber es reicht nicht, dass jetzt die Schülerinnen<br />

und Schüler aufstehen und die Wissenschaftler<br />

das unterstützen. Es muss eine<br />

breite Bewegung in der Zivilgesellschaft<br />

geben, die die sozialen Fragen nicht aus den<br />

Augen verliert. Wir müssen versuchen, die<br />

Umweltfragen mit den sozialen und auch mit<br />

den ökonomischen Fragen zusammenzubringen.<br />

Letzten Endes gehört alles zusammen.<br />

Herr Professor Latif, vielen Dank für das<br />

Gespräch.<br />

Im Gespräch mit Jesta Brouns, Schulleiterin der<br />

Hamburger Design Factory International<br />

Interview mit dem Kieler Musiker, Labelchef und<br />

Produzenten Claudius Carstens<br />

Interview mit Helena Derheim,<br />

Gründerin der Firma<br />

‚WunschWimper‘ in Kiel<br />

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