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Drachenpost 111

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Düsseldorfer <strong>Drachenpost</strong> – Ausgabe <strong>111</strong> (3/2019) 38. Jahrgang<br />

ßenminister, hielt [schon] 2005 eine Rede, in der<br />

er viele Probleme ansprach, die Amerika schon<br />

damals Sorgen machten: dass China in Asien eine<br />

Vormachtstellung anstrebe; dass es sein Militär<br />

rapide modernisiere; dass es Marktbeherrschung<br />

statt Marktöffnung anstrebe. Zoellick prangerte<br />

den Diebstahl intellektuellen Eigentums und die<br />

Produktpiraterie an, die ans Herz von Amerikas<br />

Wissensindustrie gingen. Konkret kritisierte er<br />

bereits auch den chinesischen Handelsüberschuss,<br />

damals erst 162 Milliarden Dollar im Jahr,<br />

heute 375 Milliarden“ (ebd.). Dass die Amerikaner<br />

mit ihren Forderungen im Wirtschaftsdialog<br />

mit Peking die zentrale und oberste Norm der<br />

sinomarxistischen Weltanschauung unterminierten<br />

und Chinas weitere Modernisierung damit<br />

grundsätzlich in Frage stellten, wird in der westlichen<br />

Presse einschließlich der deutschen nur<br />

zaghaft angedeutet (Strategem Nr. 25: Die Balken<br />

stehlen und gegen morsche Stützen austauschen),<br />

eine offene und tiefe Auseinandersetzung mit<br />

dem Sinomarxismus findet in unserer Öffentlichkeit<br />

nicht statt. Vielmehr setzen Amerika und der<br />

Westen auf Polemik, was man als den Versuch<br />

werten kann, China in der Weltöffentlichkeit in<br />

ein schlechtes Licht zu rücken und damit eine<br />

langsame Schwächung seines stetig wachsenden<br />

Vormachtstrebens zu bewirken (Strategem Nr.<br />

19: Das Brennholz heimlich unter dem Kassel eines<br />

anderen wegnehmen bzw. Strategem Nr. 33:<br />

Das Strategem des Zwietrachsäens).<br />

Würde man sich im Westen die Mühe machen,<br />

den Sinomarxismus ernst zu nehmen und ihn zu<br />

einem vorrangigen, institutionell verankerten Forschungsinhalt<br />

machen, dann würde man z.B. erkennen,<br />

dass die oberste Norm des obrigkeitlichen<br />

Gesellschaftsführungssystems in der Volksrepublik<br />

China, der aktuelle sinomarxistische Hauptwiderspruch,<br />

der einer ganzen politischen Phase<br />

den Stempel aufdrückt, selbst strategemisches<br />

Potential besitzt. So schrieb der laut FAZ weltweit<br />

führende Forscher auf dem Gebiet der Strategemkunde,<br />

Prof. Dr. jur. Dr. phil. Harro von Senger, in<br />

Bezug auf die Verbindung von Strategem-Nr. 18:<br />

Will man eine Räuberbande unschädlich machen,<br />

muss man zuerst ihren Anführer fangen (qin zei<br />

qin wang) zum Prinzip der Festlegung eines jeweils<br />

eine ganze politische Phase bestimmenden<br />

Hauptwiderspruchs durch die Kommunistische<br />

Partei Chinas (KPCh): „In jeder Phase hat die politische<br />

Führung Chinas einen einzelnen der gleichzeitig<br />

bestehenden Widersprüche herauszugreifen<br />

und als den ‚Hauptwiderspruch‘ zu proklamieren.<br />

Alle Kräfte des Milliardenvolkes werden auf diesen<br />

Hauptwiderspruch konzentriert, was dann, wenn<br />

die chinesische Führung plötzlich einen neuen<br />

‚Hauptwiderspruch‘ definiert, zu den ‚gewaltigen<br />

Veränderungen in China‘ führt, von denen westliche<br />

China-Touristen staunend berichten.“ (von<br />

Senger, Harro: Strategeme – Lebens- und Überlebenslisten<br />

aus drei Jahrtausenden, 8. Aufl. [Bern,<br />

München, Wien 1992], S.436).<br />

Die intensive Auseinandersetzung mit der<br />

sinomarxistischen Hauptwiderspruchstheorie in<br />

Verbindung mit der alten Weisheit der List (36<br />

Strategeme) ist der Schlüssel für das Verständnis<br />

Chinas und seiner erfolgreichen strategemischen<br />

Gesellschaftspolitik. Denn wie sagte Henry<br />

Kissinger: „Wo die westliche Tradition Wert auf<br />

das entscheidende Kräftemessen legte und die<br />

heroische Tat betonte, legte das chinesische Ideal<br />

Wert auf Raffinesse, indirektes Vorgehen und<br />

die geduldige Akkumulation relativer Vorteile.“<br />

(Kissinger, Henry: China – Zwischen Tradition<br />

und Herausforderung, PantheonAusgabe Oktober<br />

2012, S.36). Er verglich dies mit den für die<br />

Kulturen typischen Spielen Schach und „Weiqi“<br />

bzw. „Go“.<br />

Der Sinologe Dr. Thomas<br />

Täubner promovierte 2004<br />

an der Albert-LudwigsUniversität<br />

Freiburg i. Br. auf der<br />

Grundlage der von seinem<br />

Doktorvater Prof. Dr. jur. Dr.<br />

phil. Harro von Senger entwickelten<br />

neuen Normativwissenschaft<br />

„SOZIAGOGIE (Wissenschaft von der<br />

Gesellschaftsführung)“ über das Thema „Lu Xun in<br />

der Volkrepublik China – Die gesellschaftsführende<br />

Funktion von Kunst und Literatur, dargestellt<br />

am Beispiel der chinesischen Lu Xun-Rezeption<br />

der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts“. Täubner<br />

leitet seit 2005 gemeinsam mit seiner Frau das<br />

Kultur-Institut CHINA FORUM – GALERIE T in<br />

der Stockhausen-Gemeinde Kürten im Bergischen<br />

Land (s. www.chinaforum-t-galerie.com).<br />

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