Berliner Zeitung 25.06.2019
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 144 · D ienstag, 25. Juni 2019 5 *<br />
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Politik<br />
Tödliche Kollision über der Seenplatte<br />
In einem Urlaubsgebiet in Mecklenburg-Vorpommern stoßen zwei Eurofighter bei einem Luftmanöver zusammen. Einer der Piloten stirbt<br />
VonWinfried Wagner<br />
und Carsten Hoffmann<br />
Einer der Eurofighter warnach der Kollision brennend über der mecklenburgischen Kleinstadt Malchow zu sehen.<br />
Zwei Rauchsäulen am Himmel<br />
zeugen am Montag<br />
vom schwersten Unglück<br />
der Luftwaffe in Deutschland<br />
seit Jahren. Nach einer Kollision<br />
in der Luft bei einer Luftkampfübung<br />
stürzen zwei Eurofighter in<br />
Mecklenburg-Vorpommern ab. Einer<br />
der Piloten wird von Rettern lebend<br />
aus einem Baum geborgen.<br />
Dem zweiten können Rettungsmannschaften<br />
nicht mehr helfen.<br />
Bei einer großen Suche wird seine<br />
Leiche gefunden.<br />
„Das sind Momente des Entsetzens,<br />
des Erstarrens, der Sprachlosigkeit“,<br />
sagt Verteidigungsministerin<br />
Ursula von der Leyen (CDU) wenige<br />
hundertMeter vomOrt des Absturzes<br />
mit tödlichen Folgen bei<br />
Nossentin entfernt. „Leider hat sich<br />
die Hoffnung für einen unserer Piloten<br />
nicht erfüllt.“ Am Tagder Trauer<br />
sei die Frage nach der Einsatzbereitschaft<br />
– möglichen Konsequenzen<br />
aus dem Absturz–zweitrangig.<br />
Die Politikerin ist mit dem Inspekteur<br />
der Luftwaffe, Ingo Gerhartz,<br />
sowie Landesinnenminister<br />
Lorenz Caffier (CDU) in das Unglücksgebiet<br />
gereist. Zusammen besuchen<br />
sie auch die Absturzstellen –<br />
ohne Journalisten.<br />
Trümmer regneten nach dem Zusammenstoß<br />
über das Gebiet am<br />
Fleesensee bei Malchow. Die Mecklenburger<br />
Seenplatte ist bei Touristen<br />
beliebt, die Campingplätze sind<br />
zu Beginn der Sommerferien gut gebucht.<br />
Fotos zeigen den Absturz einer<br />
brennenden Maschine.<br />
Die Polizei warnt via Twitter:<br />
„Bitte nicht nähern! Bitte machen Sie<br />
den Wegfür Rettungskräfte frei und<br />
umfahren Sie den Bereich“. Immerhin:<br />
„Beide #Eurofighter waren nicht<br />
bewaffnet“, twittertdie Luftwaffe.<br />
Gut zwei Stunden nach dem Unglück<br />
kreisen über dem 650-Seelen-<br />
Dorf Nossentiner Hütte mehrere<br />
Hubschrauber,Busse mit Hilfskräften<br />
von Katastrophenschutz und Bundeswehr<br />
fahren vor, Polizisten sperren<br />
Zugänge zu den Unfallstellen ab.<br />
Rostock<br />
Laage<br />
MECKLENBURG-<br />
VORPOMMERN<br />
Nossentiner<br />
Hütte Jabel Neubrandenburg<br />
Waren<br />
(Müritz)<br />
Fleesensee<br />
BRANDENBURG<br />
Neuruppin<br />
Anklam<br />
20 km<br />
BLZ/GALANTY; QUELLE: AFP<br />
Eurofighter vom Luftwaffengeschwader<br />
73 „Steinhoff“ starten in Laage. AFP<br />
DPA/OTHOMAS STEFFAN<br />
Auf den Gehwegen bilden sich<br />
Grüppchen, die Kunde vom Unglück<br />
spricht sich schnell herum. „Ich habe<br />
einen Doppelknall gehört und dann<br />
eine große schwarze Wolke gesehen“,<br />
sagt die Erzieherin eines Kindergartens<br />
etwa 400 Metervon einer der Absturzstellen<br />
entfernt. „Alle haben<br />
große Angst gehabt.“<br />
DiedreiMaschinen seien kurzvor<br />
14 Uhr unbewaffnet zu einem<br />
Übungsflug gestartet, berichtet Inspekteur<br />
Gerhartz.Nach etwa 20 Minuten<br />
sei es aus ungeklärter Ursache<br />
zu dem Zusammenstoß gekommen.<br />
„Das ist für die Luftwaffe ein tiefer<br />
Schock“, sagt der oberste Luftwaffenoffizier.Seitüber<br />
15 Jahren werde<br />
der Eurofighter geflogen. „Wir haben<br />
mittlerweile mehr als 100 000 Flugstunden<br />
insgesamt geflogen. Das ist<br />
der erste Flugunfall dieser Art.“<br />
Der typischerweise einsitzige Jet<br />
ist 15,9 Meter lang und fliegt mit<br />
zweifacher Schallgeschwindigkeit.<br />
Er kann sowohl für Luft-Luft- als<br />
auch für Luft-Boden-Kämpfe bewaffnet<br />
werden. Beim Taktischen<br />
Luftwaffengeschwader 73 in Laage<br />
bei Rostock sind rund 25 Eurofighter<br />
stationiert. Hauptaufgabe des Geschwaders<br />
ist die Ausbildung der<br />
deutschen Eurofighter-Piloten.<br />
Nach ihrer fliegerischen Grundausbildung<br />
in den USA werden sie in<br />
Laage speziell auf den europäischen<br />
Kampfjet geschult.<br />
400 Meter bis zu einer Kita<br />
Bei Bedarf ist das Geschwader gemeinsam<br />
mit zwei anderen Jagdverbänden<br />
auch für die Sicherung des<br />
deutschen Luftraums zuständig. Für<br />
das sogenannte „Air Policing“ steht<br />
eine Alarmrotte bereit, die auf Anweisung<br />
eines Nato-Gefechtsstandes<br />
eingesetzt werden kann.<br />
In Nossentiner Hütte steht Edeltraut<br />
Kurth in ihrem Garten und<br />
blickt ungläubig in Richtung eines<br />
400 Meterentfernten Feldes,wokurz<br />
zuvor eine der beiden Maschinen<br />
niedergegangen war.„Wenn man so<br />
etwas einmal erlebt hat, möchte<br />
man nicht mehr, dass hier solche<br />
Tiefflugübungen noch stattfinden“,<br />
sagt die 66-Jährige. (dpa)<br />
Die Folgen der<br />
Erdogan-Ära<br />
Istanbuls künftigen Bürgermeister erwartet ein schweres Erbe<br />
VonFrank Nordhausen<br />
Diesmal hat niemand widersprochen.<br />
Anders als bei der später<br />
annullierten Oberbürgermeisterwahl<br />
Ende März hat der türkische<br />
Hohe Wahlrat (YSK) den Wiederholungssieg<br />
von Ekrem Imamoglu in<br />
Istanbul am Montag anstandslos anerkannt.<br />
Zu überwältigend fiel am<br />
Sonntag das Votum der Bürger für<br />
den Kandidaten der Oppositionsallianz<br />
aus. Demnach erreichte Imamoglu<br />
54,21 Prozent der Stimmen,<br />
der prozentual höchste Wahlsieg aller<br />
Zeiten bei einer Oberbürgermeisterwahl<br />
am Bosporus. Der Kandidat<br />
der Regierungspartei AKP vonPräsident<br />
Recep Tayyip Erdogan, Binali<br />
Yildirim, unterlag mit 44,99 Prozent.<br />
Hatte der konservative Sozialdemokrat<br />
Imamoglu von der Oppositionspartei<br />
CHP am 31. März äußerst<br />
knapp mit 13 729 Stimmen Vorsprung<br />
gewonnen, so konnte er den<br />
Abstand diesmal mit 805 415 Stimmen<br />
massiv ausbauen. Dasbedeutet,<br />
dass auch viele Erdogan-Anhänger<br />
die Seiten wechselten. Von„Erdogan-<br />
Müdigkeit“ spricht das exiltürkische<br />
Nachrichtenportal Ahvalnews.<br />
Probleme der Millionen-Metropole<br />
Noch kann Imamoglu sein Amt wegen<br />
diverser Einspruchsfristen, über<br />
die der YSK entscheidet, nicht antreten.<br />
Nach der Märzwahl hatte die AKP<br />
eine Flut von Beschwerden eingelegt<br />
und Erdogan den YSK mit massivem<br />
Druck zur Neuwahlentscheidung getrieben.<br />
Sollte Erdogan mit dem Gedanken<br />
gespielt haben, Imamoglus<br />
Sieg erneut anzufechten, so durchkreuzte<br />
Yildirim dies mit dem schnellen<br />
Eingeständnis seiner Niederlage.<br />
Imamoglu erklärte, erwolle sich<br />
jetzt ganz auf die Probleme der 16-<br />
Millionen-Metropole konzentrieren.<br />
Die sind gewaltig. Unter den Großstädten<br />
der Welt gehört Istanbul<br />
nach 25 Jahren Erdogan- und AKP-<br />
Herrschaft in punkto Lebensqualität<br />
zu den Schlusslichtern.<br />
Im Wahlkampf hatte Imamoglu<br />
neben der eskalierenden wirtschaftlichen<br />
Krise und der extrem ungleichen<br />
Vermögensverteilung die Vetternwirtschaft<br />
und Korruption der<br />
AKP-Eliten vor allem im Bausektor<br />
zum Thema gemacht.<br />
Wie der Staatspräsident auf die<br />
Herausforderung reagieren könnte,<br />
lassen erste Indizien erkennen. Die<br />
oppositionelle Nachrichtenwebseite<br />
OdaTV meldete am Montag, in den<br />
letzten Tagen habe die Istanbuler Interimsverwaltung<br />
erhebliche Immobilien-<br />
und Vermögenswerte auf Ministerien<br />
in Ankaraübertragen. Doch<br />
stellt sich die Frage, obesklug ist, Istanbul<br />
Ressourcen wegzunehmen,<br />
denn die Stadt ist der Wirtschaftsmotor<br />
der Türkei und erzeugt rund ein<br />
Drittel des Nationaleinkommens.<br />
Noch hält Erdogan zwar alle Zügel<br />
in der Hand, doch ist es ironischerweise<br />
das von ihm durchgesetzte<br />
semi-diktatorische Präsidialsystem,<br />
das ihm ein zu hartes Vorgehen<br />
gegen Imamoglu verbietet. Jede<br />
Maßnahme, die er ergreift, fällt unfreiwillig<br />
stets auf ihn selbst zurück.<br />
Zufall oder nicht –amMontag begann<br />
bei Istanbul der Prozess gegen<br />
den Philanthropen Osman Kavala<br />
und andereAngeklagte wegen angeblichen<br />
Umsturzversuchs bei den regierungskritischen<br />
Gezi-Protesten<br />
2013. Mitderen gewaltsamer Niederschlagung<br />
begann Erdogans Absturz<br />
in die Autokratie.<br />
Inzwischen hat die Suche nach<br />
den Schuldigen innerhalb der Regierungspartei<br />
begonnen. Der Istanbuler<br />
AKP-Chef Bayram Senocak trat am<br />
Montag zurück. Die zunehmende<br />
Unruhe in der Partei wird das nicht<br />
dämpfen.Viele politische Beobachter<br />
sind überzeugt, dass vorgezogene<br />
Neuwahlen unausweichlich sind.<br />
Dann hängt alles davon ab,obesder<br />
Opposition gelingt, die beispiellose<br />
Geschlossenheit vonIstanbul auf landesweiteWahlen<br />
zu übertragen.<br />
Frank Nordhausen beneidet<br />
Imamoglu nicht um den<br />
Job, der ihm bevorsteht.<br />
29.JUNI 2019,13UHR<br />
BRANDENBURGER TOR<br />
MIT JÖRGHOFMANN (ERSTERVORSITZENDERDER<br />
IG METALL), JASMIN GEBHARDT (IG METALL JUGEND),<br />
VERENABENTELE (VDK), ULRICH LILIE (DIAKONIE),<br />
OLAF TSCHIMPKE (NABU)<br />
igmetall.de/fairwandel<br />
MUSIK VON:<br />
CLUESO, JORIS,<br />
SILLY, CULCHA<br />
CANDELA,<br />
BERLIN BOOM<br />
ORCHESTRA<br />
DASKULTURPROGRAMM BEGINNT<br />
UM 11:00 UHR<br />
SEI DABEI!<br />
#FairWandel