2019/28 - unternehmen - Ausgabe 68
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Gespräch im ehemaligen<br />
Gewächshaus, das heute<br />
für Seminare und<br />
Meetings genutzt wird:<br />
Firmenchefin Edith<br />
Strassacker und Alexander<br />
Bögelein, Redaktionsleiter<br />
des Magazins<br />
Unternehmen!<br />
Das Interview führte<br />
Alexander Bögelein,<br />
Redaktionsleiter<br />
Unternehmen [!]<br />
Dokumentation:<br />
Ronja Gysin<br />
Fotos:<br />
Marc Hörger<br />
Giacento Carlucci<br />
Macht die Loyalität zu Mitarbeitern und Standorten<br />
den Wandel in Familienbetrieben schwerer?<br />
Ja, ich denke schon. Man hängt an dem, was man<br />
selbst und die Familie erschaffen hat. Es ist ein großer<br />
Schritt zuzugeben, dass man nicht mehr alles<br />
selbst machen kann. Und natürlich ist die Bindung zu<br />
den Mitarbeitern groß. Ihnen im direkten Gespräch<br />
zu sagen: Du musst gehen, ist weitaus schwieriger als<br />
in Konzernen, wo es anonymer zugeht. Trotzdem:<br />
Auch diese weniger schönen Situationen gehören<br />
zum Unternehmertum.<br />
Wie stellen Sie sicher, dass eine ähnliche Situation<br />
nicht wiederkommt?<br />
Wir beobachten sehr genau und sehen, wo es für uns<br />
hingeht. Sollte etwas in die falsche Richtung laufen,<br />
können wir nun viel früher gegensteuern.<br />
Natürlich gibt es keine Garantie.<br />
Niemand weiß sicher, wie<br />
sich Märkte verändern und ob sich<br />
für geplante Leistungen die richtigen<br />
Kunden finden. Doch diese Unsicherheit<br />
betrifft nicht nur uns,<br />
sondern jedes Unternehmen.<br />
Im Feld der<br />
Architektur<br />
sehe ich noch<br />
großes Potenzial<br />
für uns.<br />
Wo sehen Sie Potenziale für<br />
Strassacker?<br />
Zuerst einmal in unseren angestammten Märkten,<br />
sowohl im sakralen Bereich als auch im Kunstbereich.<br />
Zudem treiben wir die Internationalisierung<br />
voran. Speziell sind wir gerade intensiv dabei, den<br />
Export in Richtung USA zu erschließen. Auch Architekturprojekte<br />
könnten ein Wachstumsfeld sein.<br />
An welche Regionen denken Sie da?<br />
Bereits vor 15 Jahren haben wir unsere Fühler auf<br />
dem arabischen Markt ausgestreckt, weil dort viel<br />
gebaut wird und eine hohe Affinität zu Bronze und<br />
Ornamenten besteht. Unser bisher größtes Projekt<br />
war die Al-Haram-Moschee in Mekka, für die wir die<br />
Portale geliefert haben. Um den Auftrag stemmen zu<br />
können, haben wir damals die eigenständige Firma<br />
Strassacker Project gegründet, die auf Konstruktion,<br />
Metallbearbeitung und Projektmanagement spezialisiert<br />
ist. Zusätzlich haben wir eine Stahlbaufirma<br />
übernommen, auch diese agiert unabhängig.<br />
Was ist der Grund dafür?<br />
So können wir nun alles von der Konstruktion über<br />
die Technologie, die künstlerische Gestaltung und<br />
den Guss aus einer Hand liefern. Das ist weltweit einmalig.<br />
Diese besondere Kombination war auch einer<br />
der Gründe warum wir den Auftrag für die orthodoxe<br />
Kathedrale in Bukarest bekommen haben. Die<br />
Großkirche steht kurz vor der Fertigstellung. Wir<br />
wurden mit 27 technisch sehr anspruchsvollen, elektrisch<br />
betriebenen Toren und deren Verzierungen –<br />
Engel, Heilige, Ornamente – beauftragt.<br />
Im Feld der Architektur ist<br />
sicher noch vieles möglich, das sehe<br />
ich erhebliches Potenzial. Unser<br />
großer Vorteil ist, dass wir die Konstruktion,<br />
Technik und künstlerische<br />
Arbeit anbieten. Bei diesen<br />
Projekten stehen wir erst am Anfang.<br />
Strassacker ist 100 Jahre alt. Was geht Ihnen als Firmenchefin<br />
so durch den Kopf, wenn sie die Feierlichkeiten<br />
vorbereiten?<br />
Mein Urgroßvater hat 1919 nach der Rückkehr aus<br />
dem Ersten Weltkrieg seinen Arbeitsplatz verloren.<br />
Aus der Sorge um die Existenz und der Arbeitslosigkeit<br />
hat er das Unternehmen gegründet. Das Durchhaltevermögen,<br />
das mein Urgroßvater bewiesen hat,<br />
ist tief in unserer Kultur verankert – und es hilft uns,<br />
wenn Schwierigkeiten auftreten. Je mehr ich mich im<br />
Zuge des Jubiläums mit der Firmengeschichte und<br />
seinen Lebensumständen beschäftige, umso mehr<br />
wünsche ich mir, ich hätte meinen Urgroßvater kennenlernen<br />
können. Er wird mir mehr und mehr zum<br />
Vorbild.