Berliner Kurier 06.08.2019
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10 BERLIN *<br />
Barbara, die Süße<br />
von Schöneiche<br />
BarbaraBorck (72) zeigt ihrebeeindruckende Zucker-Sammlung<br />
Von<br />
FLORIAN THALMANN<br />
Diese Zucker-Würfel stammen<br />
aus Polizeikantinen.<br />
Sammlerstück:<br />
Diese Würfelzucker-<br />
Packung ist aus<br />
dem Jahr 1935.<br />
Schöneiche – Dass Rentner<br />
Zucker haben, ist nichts besonderes<br />
–imFall von Barbara<br />
Borck ist aber alles etwas<br />
anders: Die 72-Jährige ist Zuckersammlerin,<br />
bewahrt in<br />
Schränken und Aktenordnern<br />
in ihrem Haus in Schöneiche<br />
knapp 100 000 Würfelzucker-Päckchen,<br />
Zuckertütchen<br />
und Zucker-Sticks<br />
auf. KURIER ließ sich von ihr<br />
das süße Hobby erklären.<br />
Oben: Werbe-<br />
Zuckertütchen,<br />
die von<br />
Zahnärzten<br />
kommen.<br />
Rechts: Eine<br />
Zucker-<br />
Packung<br />
aus Namibia.<br />
Die 72-<br />
Jährige in ihrem<br />
„Zucker-Zimmer“ –<br />
hier lagertingroßen<br />
Schränken und<br />
Schubladen ihre<br />
Sammlung.<br />
BarbaraBorck hat<br />
über die Jahre<br />
knapp 100000<br />
Zucker-<br />
Päckchen<br />
gesammelt<br />
Fotos: Gerd Engelsmann<br />
100000 Zucker-Päckchen sind<br />
eine ganze Menge –grob überschlagen<br />
lagert Barbara Borck<br />
in ihrer Wohnung mehr als eine<br />
Tonne Zucker. „Und auf dem<br />
Dachboden habe ich weitere<br />
20000 Exemplare, die ich noch<br />
einsortieren muss“, sagt sie.<br />
Hinzu kommen Exponate, die<br />
eigentlich nicht zur Sammlung<br />
gehören: Zuckerhüte, Zuckerdosen<br />
und Zuckerzangen.<br />
Borcks Leben dreht sich um<br />
den Zucker, der Anstoß für die<br />
Leidenschaft kam 1984. „Damals<br />
arbeitete ich als Ausbilderin<br />
bei Gamat. Ich musste auf<br />
Krankenbesuch zu einem Mitarbeiter<br />
–und sah bei ihm eine<br />
Glasvase, die mit eingepackten<br />
Zuckerwürfeln gefüllt war. Das<br />
gefiel mir so, dass ich auch mit<br />
dem Sammeln begann, aber<br />
nur, weil ich es dekorativ fand.“<br />
Erst Jahre später, lange nach<br />
der Wende, las sie in der Zeitung<br />
von einer Zuckersammlerin<br />
und von einem Klub –2007<br />
wurde die Leidenschaft fürs<br />
Sammeln erst richtig entfacht.<br />
Immer mehr Fachwissen eignete<br />
Borck sich an. „Ich wusste<br />
am Anfang ja gar nicht, was Zucker<br />
in verschiedenen Landessprachen<br />
heißt“, sagt sie. „Ich<br />
begann, mir Zucker von Reisen<br />
mitzubringen, alle Freunde und<br />
Bekannten wurden gebeten, im<br />
Urlaub danach zu gucken.“<br />
Borck ließ sich gern davon<br />
überraschen, wie vielfältig die<br />
Motive auf den Packungen sind.<br />
Die Rentnerin reist sehr viel,<br />
zieht in jedem Urlaub durch<br />
Cafés. „Wenn ich auf dem Tisch<br />
eine Streudose stehen sehe,<br />
gehe ich gar nicht rein.“ Findet<br />
sie Zucker, erzählt sie von ihrer<br />
Sammlung und fragt, ob sie sich<br />
Tütchen mitnehmen darf.<br />
„Manche haben sich da sehr affig<br />
–sie sagen, dass ich erst einen<br />
Kaffee kaufen muss. Aber<br />
ich kann ja nicht den ganzen<br />
Tag Kaffee trinken! Wenn ich<br />
fünf Euro auf den Tisch lege,<br />
geht es meistens auch so.“<br />
100000 Zucker-Päckchen hat<br />
sie in Ordnern und Schubladen<br />
einsortiert, geordnet nach Län-<br />
Allein die <strong>Berliner</strong> Zucker-Sammlung<br />
vonBorck umfasst Hunderte Würfel.<br />
An diese Zuckerwürfel können sich<br />
viele DDR-Bürger noch erinnern.<br />
Ebenfalls in der Kollektion:<br />
erotische Zucker-Päckchen<br />
dern, Themengebieten und Abbildungen.<br />
„Und damit habe ich<br />
wenig –esgibt Kollegen, die<br />
mehr als 200 000 Stück gesammelt<br />
haben.“ Ihr Zucker kommt<br />
aus 151 Ländern auf der Welt.<br />
„In Kanada musste ich am Flughafen<br />
sogar 50 Euro für Übergepäck<br />
bezahlen“, sagt sie und<br />
lächelt. Die Tütchen und Würfelchen,<br />
die sie doppelt hat,<br />
tauscht sie auf Zuckersammler-<br />
Treffen. „Es ist schade, dass ich<br />
mit meinen 72 Jahren noch zu<br />
den jüngsten Sammlern gehöre,<br />
es kommt nur sehr wenig Nachwuchs.“<br />
Aktuell gebe es in Berlin<br />
rund 100 Sammler, sagt sie.<br />
In ihrem Haus in Schöneiche<br />
hat Borck sogar ein Zucker-<br />
Zimmer eingerichtet. Wer aber<br />
denkt, dass sie hier sitzt, um ihre<br />
Würfel anzuschauen, der<br />
irrt: „Dafür habe ich keine<br />
Zeit.“ Denn sie ist auch sonst<br />
aktiv, betreibt Nordic Walking<br />
und nimmt an Frauengruppen<br />
teil. „Den Zucker, den ich überhaupt<br />
nicht brauche, weil ich<br />
ihn schon habe, nehme ich mit<br />
dorthin.“ Dann kommt er hin,<br />
wo er hingehört: In den Kaffee.<br />
Aber nur bei den anderen. „Ich<br />
mag keinen Zucker im Kaffee.“<br />
Infos: www.zuckersammler.de