Berliner Kurier 06.08.2019
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SEITE19<br />
BERLINER KURIER, Dienstag, 6. August 2019<br />
Hasselhoff<br />
mein Berlin!<br />
The Hoff schwärmt von seinen Lieblingsorten in der Hauptstadt<br />
Grenze flohen, auf die Leinwände<br />
projiziert. Als ich „Heroes“<br />
das erste Mal sang, erntete ich<br />
viel Kritik, die ich so nie erwartet<br />
hätte. Von Gotteslästerung<br />
war da die Rede und davon, dass<br />
ein Sunnyboy wie ich Bowies<br />
Lied nicht singen sollte.<br />
Aber das konnten Sie nicht<br />
nachvollziehen?<br />
Nein, denn meine Version ist<br />
echt gut. Sie ist auf Englisch und<br />
auf Deutsch. Tylor Bates, der die<br />
Musik von „Guardians of the Galaxy“<br />
und die letztenzwei Marilyn-Manson-Alben<br />
verantwortete,<br />
hat daran Hand angelegt.<br />
Er ist ein guter Freundvon mir.<br />
Er hatte den Song überhaupt<br />
erst vorgeschlagen. Und ich<br />
fand, dass „Heroes“ das perfekte<br />
Sequel zu „Looking for freedom“<br />
ist –auch weil es in Berlin<br />
aufgenommen wurde. Ich verbinde<br />
mit Berlin Frieden, Freiheit<br />
und Helden! Also passt es!<br />
Letztendlich hat uns das Szenario<br />
bei den Konzerten recht gegeben:<br />
Bei dem Stück nahmen<br />
die Zuschauer die Handys aus<br />
den Taschen und verschmolzen<br />
zu einem See aus Lichtern.<br />
NachdemSie vor 2018 bekräftigten,<br />
dass Sie nicht verantwortlich<br />
für den Mauerfall<br />
seien ...<br />
Das bin ich auch nicht!<br />
... hatte die Miniatur-Ausstellung<br />
„Little Big City Berlin“<br />
Ihre Statue vorrübergehend<br />
entfernt.<br />
Eine Ausstellung ist eine Ausstellung<br />
–die können tun und<br />
lassen,was sie wollen. Wenn jemand<br />
mich aus der Geschichte<br />
rausnehmen will –bitteschön!<br />
Aber ich kenne die Wahrheit.<br />
Wenn man nach Leipzig geht,<br />
nach Dresden oder irgendeinen<br />
anderenOrtinOst-Deutschland<br />
und fragt, was sie sangen, bevor<br />
die Mauer fiel, werden sie sagen:<br />
„I’ve been looking for freedom“.<br />
Wusste ich damals davon? Nein!<br />
Fotos: dpa<br />
Fand ich es toll, als ich davonerfuhr?<br />
Ja! „Looking for freedom“<br />
war das Lied der Hoffnung für<br />
die Ost-Deutschen –auf die Art<br />
habe ich Geschichte geschrieben.<br />
Haben Sie einen Lieblingsplatz<br />
in Berlin?<br />
Natürlich das Brandenburger<br />
Tor. Ich muss aber auch das Hotel<br />
Adlon nennen,woich immer<br />
gerne bin, in meiner Suite sitze<br />
und rübergucke zu dem Platz,<br />
wo ich ’89 gesungen habe.<br />
Sie lieben Deutschland, oder?<br />
Klar! Ich habe eine enorme<br />
Musikkarriere in Deutschland<br />
hingelegt! Da gibt es viele einmalige<br />
Erinnerungen. Das geht<br />
so weit,dass, wenn das deutsche<br />
Nationalteam spielt, ich immer<br />
das Trikot des DFB trage. Entweder<br />
schickt mir jemand eins<br />
oder ich kaufe es selbst. Ich jubele<br />
lautstark, wenn ein Tor<br />
fällt. Einmal habe ich sogar meine<br />
Hunde als WM-Orakel missbraucht.<br />
Ich kaufte zwei Bälle –<br />
einen für Deutschland und einen<br />
für Argentinien und schmiss<br />
sie ins Wasser. Und ich fragte<br />
meine Hunde: „Welches Team<br />
wird gewinnen?“ Und dann gingen<br />
sie ins Wasser und brachten<br />
den deutschen Ball zurück. Und<br />
es stimmte:Sie gewannen! Aber<br />
ich erwarte einfach immer, dass<br />
die Deutschen gewinnen – in<br />
der regulären Spielzeit, denn ich<br />
hasse Elfmeterschießen!<br />
Am 3. Oktober spielen Sie<br />
wieder in Berlin. Wie fühlt<br />
sich das an, wenn vor Ihnen<br />
Leute in blinkenden Lederjacken<br />
oder Rettungswesten<br />
auf Stühlen stehen, Bier trinken,<br />
jeden ihrer Songs mitsingen<br />
und irgendwann dann sogar<br />
Polonaise machen?<br />
Das gibt mir eine unglaubliche<br />
Energie! Wenn mich Leute fragen,<br />
wo ich meine Energie mit<br />
67 hernehme, antworte ich: „Ich<br />
gehe einfach nur raus auf die<br />
Bühne und blicke ins Publikum.“<br />
The Hoff will Menschen näher<br />
zusammenbringen. Wie<br />
nehmen Sie derzeit das gesellschaftliche<br />
Klima wahr?<br />
Es sind traurige Zeiten. Ich<br />
verstehe einfach nicht, was gerade<br />
vor sich geht in der Welt, in<br />
Amerika, in Europa. Es ist nicht<br />
mehr dasselbe wie damals, als<br />
ich aufwuchs. Alle liebten einander.<br />
Wir wollten die Tour erst<br />
„Reunification Tour“ nennen<br />
und den Tourstart auf den 3. Oktober<br />
legen. Dann überlegte ich<br />
mir, sie besser „Freedom! The<br />
Journey continues“ zu betiteln.<br />
Denn jeder sucht nach der eigenen<br />
Freiheit und einem Weg aus<br />
dem Hass und der Dunkelheit.<br />
Es gibt zu viele Menschen, die<br />
einfachnichtglücklich sind und<br />
nicht wissen, warum. Es ist<br />
wichtig, dass wir mehr miteinander<br />
reden.<br />
Und das machen Sie?<br />
Klar! Einfach mal den fremden<br />
Nachbarn fragen: „Hallo! Wer<br />
bist du? Warum trägst du die<br />
Burka?“ Ich habe so viele Leute<br />
mit Burkas getroffen, von Kuwait<br />
über Abu Dhabi bis Katar!<br />
und alle sagten mir: „Wir lieben<br />
dich!“ Oder: „Ich hatte ein Poster<br />
von dir in meinem Zimmer!“<br />
Und alles, was ich in dem Moment<br />
von ihnen sah, waren ihre<br />
Augen. Dann sag ich schon mal:<br />
„Das ist lustig, denn jetzt wo wir<br />
reden, kann ich nicht mal mehr<br />
dein Gesicht sehen wegen der<br />
Burka. Aber es ist okay. Du<br />
kennst mich, du bist mein Fan.<br />
Willkommen, gib mir eine Umarmung!<br />
Wen kümmert’s.“ Das<br />
tut gut!<br />
Interview: Katja Schwemmers