ERZFREUNDE – Das Sachsen-Sonderheft zum Welterbe Erzgebirge
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
46<br />
KREATIVSZENE<br />
Wer Glück hat, der wird von irgendwoher<br />
mitgenommen: Franziska Heinze,<br />
eine 30-jährige Modedesignerin, die<br />
seit gut neun Jahren in der 15 000 Einwohner<br />
zählenden Stadt im oberen<br />
Erzgebirgskreis lebt, holt mich in Zwickau<br />
mit dem Auto ab. Wir haben uns hier<br />
verabredet. In Schneeberg will mir die<br />
junge Designerin Einblicke in eine Welt<br />
eröffnen, von der ich vorher noch nie<br />
Der Holzgestalter Markus<br />
Weber ist der einzige „echte“<br />
<strong>Erzgebirge</strong>r in dem kleinen<br />
Freundeskreis<br />
„Die ganze Region ist heute durchlöchert<br />
wie ein Schweizer Käse.“ Franziska<br />
Heinze lacht. Man merkt es<br />
der eigentlich aus der Nähe von Dresden<br />
stammenden Modemacherin an: Sie<br />
lebt gern in der historischen Stadt der<br />
einstigen Steiger und Bergbeamten. An<br />
der kleinen Schneeberger Fakultät für<br />
Angewandte Kunst hat sie vor einigen<br />
Jahren ihren Bachelor in Modedesign<br />
gemacht; in den alten Häusern rund<br />
um den Kirchplatz wohnen ihre Freunde.<br />
Wegziehen? Warum? „Man lernt in<br />
dieser anregenden Abgeschiedenheit zu<br />
improvisieren. Wenn man in Schneeberg<br />
etwas vermisst, dann muss man aus<br />
dem Knick kommen und die Dinge<br />
selbst in die Hand nehmen.“<br />
Die 30-Jährige vermisst ohnehin nur<br />
wenig: einen guten Studentenkeller<br />
vielleicht, ein größeres Atelier für ihre<br />
selbst entwickelte Upcycling-Mode,<br />
vor allem aber ein junges Festival für<br />
Design und Kunsthandwerk. So etwas<br />
wäre wirklich ein Traum. Nur müsste<br />
es etwas ganz Besonderes sein: etwas<br />
Frisches, Buntes <strong>–</strong> eine Art culture clash<br />
in der Provinz. Und da dies in der Stadt<br />
Design ist Feinarbeit.<br />
Die Fakultät in Schneeberg<br />
ist für alle Gestaltungsideen<br />
bestens<br />
ausgestattet<br />
Thekla Nowak hat einst in<br />
Schneeberg Textildesign<br />
studiert. Ihre Vorliebe gilt der<br />
Arbeit am Webstuhl<br />
gehört habe <strong>–</strong> ein Eldorado für Kreative<br />
nämlich soll diese einstige Bergmannsstadt<br />
sein; vielleicht sogar eine Art Bauhaus<br />
auf dem Lande?<br />
Die Straßen jedenfalls werden zu sehends<br />
schmaler; die Menschen am<br />
Wegesrand langsamer. „Schneeberg liegt<br />
wirklich weit vom Schuss“, sagt Heinze,<br />
drückt das Gaspedal ihres Kleinwagens<br />
noch einmal durch und nimmt Kurs<br />
auf ein altes Pochwerk im sogenannten<br />
Neustädtler Revier <strong>–</strong> einem lang gezogenen<br />
Quartier am südlichen Ende<br />
der Stadt, wo einst fleißige Bergleute<br />
über 400 Jahre hinweg Silber- und<br />
Kobalterze abgebaut haben. Ganze<br />
270 Kilo Silber hätten sie während des<br />
15. Jahrhunderts aus dem kalten Berg<br />
geschürft.