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Berliner Kurier 21.09.2019

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*<br />

POLITIK<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

Von<br />

Rasmus<br />

Buchsteiner<br />

Wegdes geringsten<br />

Widerstandes<br />

Lange wardieser 20. September<br />

im Terminkalender<br />

der Politikrot markiert<br />

alsTag, an dem die Bundesregierung<br />

im Kampfgegen die<br />

Erderwärmung echteHandlungsfähigkeitbeweist.Stattdessen<br />

legt sie nach durchverhandelter<br />

Nacht ein bestenfalls<br />

halb fertigesKonzept<br />

vor: Weder vonder Mehrwertsteuer-Senkung<br />

beider<br />

Bahn noch vom Ölheizungsverbot<br />

ab 2026 oder dem<br />

Emissionshandel fürVerkehr<br />

und Gebäude sind große CO 2 -<br />

Einsparungen zu erwarten.<br />

Dieses Klimapaketist keine<br />

Zumutung. Im Gegenteil:<br />

Viele werden von den Fördermilliarden<br />

profitieren:<br />

beim Bahnfahren, beim Austausch<br />

alter Heizungen, beim<br />

Kauf eines E-Autos, durch<br />

höhere Pendlerpauschalen.<br />

Die GroKo geht denWeg des<br />

geringsten Widerstands<br />

durch die politische Mitte.<br />

Zur Wahrheit gehört aber,<br />

dass das kaum reichenwird,<br />

um die Klimaziele zu erreichen.<br />

So wiedas Versagen<br />

bisheriger Regierungen, vor<br />

allemunter AngelaMerkel,<br />

zum Handlungsdruckvon<br />

heuteführte, so haben die Beschlüsse<br />

dieses 20. September<br />

schon jetzt den Druck auf<br />

kommende Regierungen erhöht.<br />

MANN DESTAGES<br />

Pawel Ustinow<br />

Er war nur zufällig zur falschen<br />

Zeit am falschen Ort:<br />

der russische Schauspieler<br />

Pawel Ustinow. Er war am<br />

3. August<br />

am Rande<br />

einer nicht<br />

genehmigten<br />

Kundgebung<br />

mit<br />

Polizeigewalt<br />

festgenommen<br />

worden. Ein<br />

Polizist hatte<br />

vor Gericht<br />

ausgesagt, Ustinow habe<br />

ihm die Schulter ausgekugelt.<br />

Der Uniformierte erhielt<br />

eine Beförderung, Ustinow<br />

am Montag dreieinhalb Jahre<br />

Straflager. Jetzt kam er<br />

nach massiven Protesten frei.<br />

Foto: Sergei Fadeichev/dpa<br />

Fotos: F. Gaertner, D. Peled/imago, A. Heimken, A.-S. Galli, G. Fuller, L.Jin-Man, B. Marquez/dpa, Y. Yamazaki/Getty<br />

Welt schwänzt<br />

für Klimaschutz<br />

Fridays for Future: Hunderttausende Demonstranten gehen von Australien<br />

bis Europa gegen die Erderwärmung auf die Straße<br />

Canberra –Es ist ein weltweiter<br />

Weckruf: Rund um den<br />

Globus haben gestern mehrere<br />

Hunderttausend Menschen<br />

für mehr Klimaschutz<br />

demonstriert. Einem Aufruf<br />

der Jugendbewegung Fridays<br />

for Future zum globalen<br />

Streik folgten allein in Australien<br />

rund 300 000 Menschen,<br />

wie die Veranstalter von<br />

„School Strike4Climate“ mitteilten.<br />

Sie fordern vor dem<br />

Weltklimagipfel sofortiges<br />

Handeln zum Schutz der Umwelt,<br />

damit sie eine Zukunft<br />

haben.<br />

Auch in Deutschland war der Zulauf<br />

groß: In Berlin gingen nach<br />

Organisatoren-angaben 270 000<br />

Menschen auf die Straße, in<br />

Hamburg waren es laut Polizei<br />

45 000, in Bremen gut 30 000. In<br />

München beteiligten sich 25 000<br />

Menschen, und selbst inkleineren<br />

Städten wie Münster und<br />

Freiburg waren es rund 20 000.<br />

Insgesamt waren in Dutzenden<br />

Städten mehr als 570 Aktionen<br />

und Demonstrationen angemeldet.<br />

Auf Plakaten waren Slogans<br />

zu lesen wie „Ihr habt verschlafen,<br />

wir sind aufgewacht“, „Hört<br />

auf, uns zu verKOHLEn“, „Es<br />

gibt keinen Planeten B“ oder<br />

„Autos, Bye, bye“. Vereinzelt<br />

wurden von Gruppen wie Ex-<br />

Foto: citynewstv/dpa<br />

tinction Rebellion Straßen blockiert,<br />

unter anderem in Frankfurt<br />

undBerlin.<br />

Für die internationale Streikwoche,<br />

die nun begonnen hat,<br />

waren Proteste in mehr als 2900<br />

Städten in über 160 Staaten angekündigt.<br />

Fridays for Future appellierte<br />

erstmals auch an alle Erwachsenen,<br />

sich anzuschließen.<br />

Die von der Schwedin Greta<br />

Thunbergangestoßene Klimabewegung<br />

wird von Schülern und<br />

Studenten getragen. Sie fordern<br />

von der Politik mehr Ehrgeiz im<br />

Kampf gegen die Erderhitzung<br />

und die drohende Klimakatastrophe.<br />

Vor allem müsse gemäß<br />

dem Pariser Klimaabkommen<br />

die globale Erwärmung auf unter<br />

1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen<br />

Zeit eingedämmt<br />

werden.<br />

Adressat der Protestaktionen<br />

in Deutschland war auch das Klimakabinett<br />

der Bundesregierung,<br />

das am Freitag Eckpunkte<br />

für mehr Klimaschutz vorlegte<br />

(siehe Extratext). Auf die Beschlüsse<br />

reagierte Fridays for<br />

Future auf Twitter mit Kritik.<br />

Die Aktivistin Luisa Neubauer<br />

schrieb: „Während Hunderttausende<br />

klimastreiken, einigt sich<br />

die GroKo anscheinend auf einen<br />

Deal, der in Ambitionen und<br />

Wirksamkeit jenseits des politisch<br />

und technisch Machbaren<br />

Teilnehmer der Fridays-for-Future-Demonstration füllen den Jungfernstieg<br />

und Ballindamm an der Hamburger Binnenalster.<br />

liegt.“ Und weiter: „Das ist heute<br />

kein Durchbruch, das ist ein<br />

Skandal.“<br />

Für Deutschland fordert Fridays<br />

for Future unter anderem,<br />

schon bis Jahresende alle Subventionen<br />

für fossile Energieträger<br />

wie Öl und Kohle zu streichen,<br />

ein Viertel der Kohlekraft<br />

abzuschalten und eine Steuer auf<br />

Treibhausgasemissionen zu erheben.<br />

Die Bewegung bekommt<br />

breite Unterstützung. Mit dabei<br />

sind Umwelt- und Entwicklungsorganisationen<br />

wie Greenpeace<br />

und Brot fürdie Welt, aber<br />

auch die Evangelische Kirche,<br />

die Gewerkschaft Verdi und der<br />

Deutsche Kulturrat. Auch viele<br />

Bürger wünschen sich ein Umsteuern<br />

in der Klimapolitik. Laut<br />

ARD-„Deutschlandtrend“ sind<br />

knapp zwei Drittelder von Infratest<br />

Dimap befragten Bundesbürger<br />

(63 Prozent) der Meinung,<br />

dass der Klimaschutz Vorrang<br />

haben sollte, selbst wenn<br />

dies derWirtschaft schade.<br />

Begonnen hatte der globale<br />

Streik in der Nacht mit Demonstrationen<br />

in Australien. Zehntausende<br />

Schüler blieben dort dem<br />

Unterricht fern. In der Stadt Alice<br />

Springs legten sich Hunderte<br />

Menschen auf den Boden und<br />

stellten sich tot. Die Schwedin<br />

Thunberg, die zurzeit in den USA<br />

ist, demonstriert seit vergange-

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