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*<br />
POLITIK<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Rasmus<br />
Buchsteiner<br />
Wegdes geringsten<br />
Widerstandes<br />
Lange wardieser 20. September<br />
im Terminkalender<br />
der Politikrot markiert<br />
alsTag, an dem die Bundesregierung<br />
im Kampfgegen die<br />
Erderwärmung echteHandlungsfähigkeitbeweist.Stattdessen<br />
legt sie nach durchverhandelter<br />
Nacht ein bestenfalls<br />
halb fertigesKonzept<br />
vor: Weder vonder Mehrwertsteuer-Senkung<br />
beider<br />
Bahn noch vom Ölheizungsverbot<br />
ab 2026 oder dem<br />
Emissionshandel fürVerkehr<br />
und Gebäude sind große CO 2 -<br />
Einsparungen zu erwarten.<br />
Dieses Klimapaketist keine<br />
Zumutung. Im Gegenteil:<br />
Viele werden von den Fördermilliarden<br />
profitieren:<br />
beim Bahnfahren, beim Austausch<br />
alter Heizungen, beim<br />
Kauf eines E-Autos, durch<br />
höhere Pendlerpauschalen.<br />
Die GroKo geht denWeg des<br />
geringsten Widerstands<br />
durch die politische Mitte.<br />
Zur Wahrheit gehört aber,<br />
dass das kaum reichenwird,<br />
um die Klimaziele zu erreichen.<br />
So wiedas Versagen<br />
bisheriger Regierungen, vor<br />
allemunter AngelaMerkel,<br />
zum Handlungsdruckvon<br />
heuteführte, so haben die Beschlüsse<br />
dieses 20. September<br />
schon jetzt den Druck auf<br />
kommende Regierungen erhöht.<br />
MANN DESTAGES<br />
Pawel Ustinow<br />
Er war nur zufällig zur falschen<br />
Zeit am falschen Ort:<br />
der russische Schauspieler<br />
Pawel Ustinow. Er war am<br />
3. August<br />
am Rande<br />
einer nicht<br />
genehmigten<br />
Kundgebung<br />
mit<br />
Polizeigewalt<br />
festgenommen<br />
worden. Ein<br />
Polizist hatte<br />
vor Gericht<br />
ausgesagt, Ustinow habe<br />
ihm die Schulter ausgekugelt.<br />
Der Uniformierte erhielt<br />
eine Beförderung, Ustinow<br />
am Montag dreieinhalb Jahre<br />
Straflager. Jetzt kam er<br />
nach massiven Protesten frei.<br />
Foto: Sergei Fadeichev/dpa<br />
Fotos: F. Gaertner, D. Peled/imago, A. Heimken, A.-S. Galli, G. Fuller, L.Jin-Man, B. Marquez/dpa, Y. Yamazaki/Getty<br />
Welt schwänzt<br />
für Klimaschutz<br />
Fridays for Future: Hunderttausende Demonstranten gehen von Australien<br />
bis Europa gegen die Erderwärmung auf die Straße<br />
Canberra –Es ist ein weltweiter<br />
Weckruf: Rund um den<br />
Globus haben gestern mehrere<br />
Hunderttausend Menschen<br />
für mehr Klimaschutz<br />
demonstriert. Einem Aufruf<br />
der Jugendbewegung Fridays<br />
for Future zum globalen<br />
Streik folgten allein in Australien<br />
rund 300 000 Menschen,<br />
wie die Veranstalter von<br />
„School Strike4Climate“ mitteilten.<br />
Sie fordern vor dem<br />
Weltklimagipfel sofortiges<br />
Handeln zum Schutz der Umwelt,<br />
damit sie eine Zukunft<br />
haben.<br />
Auch in Deutschland war der Zulauf<br />
groß: In Berlin gingen nach<br />
Organisatoren-angaben 270 000<br />
Menschen auf die Straße, in<br />
Hamburg waren es laut Polizei<br />
45 000, in Bremen gut 30 000. In<br />
München beteiligten sich 25 000<br />
Menschen, und selbst inkleineren<br />
Städten wie Münster und<br />
Freiburg waren es rund 20 000.<br />
Insgesamt waren in Dutzenden<br />
Städten mehr als 570 Aktionen<br />
und Demonstrationen angemeldet.<br />
Auf Plakaten waren Slogans<br />
zu lesen wie „Ihr habt verschlafen,<br />
wir sind aufgewacht“, „Hört<br />
auf, uns zu verKOHLEn“, „Es<br />
gibt keinen Planeten B“ oder<br />
„Autos, Bye, bye“. Vereinzelt<br />
wurden von Gruppen wie Ex-<br />
Foto: citynewstv/dpa<br />
tinction Rebellion Straßen blockiert,<br />
unter anderem in Frankfurt<br />
undBerlin.<br />
Für die internationale Streikwoche,<br />
die nun begonnen hat,<br />
waren Proteste in mehr als 2900<br />
Städten in über 160 Staaten angekündigt.<br />
Fridays for Future appellierte<br />
erstmals auch an alle Erwachsenen,<br />
sich anzuschließen.<br />
Die von der Schwedin Greta<br />
Thunbergangestoßene Klimabewegung<br />
wird von Schülern und<br />
Studenten getragen. Sie fordern<br />
von der Politik mehr Ehrgeiz im<br />
Kampf gegen die Erderhitzung<br />
und die drohende Klimakatastrophe.<br />
Vor allem müsse gemäß<br />
dem Pariser Klimaabkommen<br />
die globale Erwärmung auf unter<br />
1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen<br />
Zeit eingedämmt<br />
werden.<br />
Adressat der Protestaktionen<br />
in Deutschland war auch das Klimakabinett<br />
der Bundesregierung,<br />
das am Freitag Eckpunkte<br />
für mehr Klimaschutz vorlegte<br />
(siehe Extratext). Auf die Beschlüsse<br />
reagierte Fridays for<br />
Future auf Twitter mit Kritik.<br />
Die Aktivistin Luisa Neubauer<br />
schrieb: „Während Hunderttausende<br />
klimastreiken, einigt sich<br />
die GroKo anscheinend auf einen<br />
Deal, der in Ambitionen und<br />
Wirksamkeit jenseits des politisch<br />
und technisch Machbaren<br />
Teilnehmer der Fridays-for-Future-Demonstration füllen den Jungfernstieg<br />
und Ballindamm an der Hamburger Binnenalster.<br />
liegt.“ Und weiter: „Das ist heute<br />
kein Durchbruch, das ist ein<br />
Skandal.“<br />
Für Deutschland fordert Fridays<br />
for Future unter anderem,<br />
schon bis Jahresende alle Subventionen<br />
für fossile Energieträger<br />
wie Öl und Kohle zu streichen,<br />
ein Viertel der Kohlekraft<br />
abzuschalten und eine Steuer auf<br />
Treibhausgasemissionen zu erheben.<br />
Die Bewegung bekommt<br />
breite Unterstützung. Mit dabei<br />
sind Umwelt- und Entwicklungsorganisationen<br />
wie Greenpeace<br />
und Brot fürdie Welt, aber<br />
auch die Evangelische Kirche,<br />
die Gewerkschaft Verdi und der<br />
Deutsche Kulturrat. Auch viele<br />
Bürger wünschen sich ein Umsteuern<br />
in der Klimapolitik. Laut<br />
ARD-„Deutschlandtrend“ sind<br />
knapp zwei Drittelder von Infratest<br />
Dimap befragten Bundesbürger<br />
(63 Prozent) der Meinung,<br />
dass der Klimaschutz Vorrang<br />
haben sollte, selbst wenn<br />
dies derWirtschaft schade.<br />
Begonnen hatte der globale<br />
Streik in der Nacht mit Demonstrationen<br />
in Australien. Zehntausende<br />
Schüler blieben dort dem<br />
Unterricht fern. In der Stadt Alice<br />
Springs legten sich Hunderte<br />
Menschen auf den Boden und<br />
stellten sich tot. Die Schwedin<br />
Thunberg, die zurzeit in den USA<br />
ist, demonstriert seit vergange-