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Berliner Zeitung 08.10.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 233 · D ienstag, 8. Oktober 2019 – S eite 18 *<br />

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Sport<br />

Der Bundestrainer lässt natürlich fahren: Joachim Löw bei der Ankunft im Teamhotel der deutschen Nationalmannschaft.<br />

AFP/FASSBENDER<br />

Die Grenzen des Klassikers<br />

Ausgerechnet im Prestigeduell gegen Argentinien sieht sich Bundestrainer Joachim Löw aufgrund der vielen Ausfälle und Absagen zur Improvisation gezwungen<br />

VonFrank Hellmann, Dortmund<br />

Natürlich ist den Erinnerungsstücken<br />

an die Heldentaten<br />

der deutschen<br />

Nationalmannschaft im<br />

Fußballmuseum von Dortmund ein<br />

besonderer Platz gewidmet. Speziell<br />

beleuchtet, multimedial inszeniert.<br />

So liegt der Schuh, mit dem Mario<br />

Götze inder 113. Minute im WM-Finale<br />

2014 gegen Argentinien den<br />

Siegtreffer für Deutschland erzielte,<br />

nicht nur dreckverklumpt hinter Glas.<br />

Sondernaus dem Hintergrund ertönt<br />

mitunter der Originalkommentar<br />

von ARD-Mann TomBartels: „Mach<br />

iiiiiiihhhhn.“ Götze spielt allerdings<br />

keine Rolle, wenn die DFB-Auswahl<br />

in Dortmund nun mal wieder gegen<br />

Argentinien (Mittwoch, 20.45 Uhr/<br />

RTL) antritt. So lang kann die Ausfallliste<br />

gar nicht werden, dass sich Bundestrainer<br />

Joachim Löw noch einmal<br />

an den Siegtorschützen vonRio erinnert,<br />

denn der 27-Jährige bestreitet ja<br />

nicht einmal mehr bei Borussia Dortmund<br />

die wichtigen Spiele. Und ob<br />

die Westfalen ihn über die Saison behalten,<br />

ist ebenso fraglich.<br />

Und auch für dessen Mannschaftskameraden<br />

Mats Hummels<br />

bleibt die Tür zur Nationalmannschaft<br />

definitiv zu. „An ihn habe ich<br />

nicht gedacht. Ich habe vor einigen<br />

Wochen gesagt, dass wir erst mal unseren<br />

Wegmit den jungen Spielern<br />

gehen. Es gibt jetzt keine Veranlassung,<br />

den Mats zu nominieren“,<br />

sagte Löw nach der Ankunft am Hotel<br />

l’Arrivee im Dortmunder Süden.<br />

Wenn der 59-Jährige am heutigen<br />

Dienstag im Fußballmuseum über<br />

seine Alternativen spricht, werden<br />

andere Namen behandelt. Wie die<br />

nachnominierten Neulinge Suat Serdar<br />

und Nadiem Amiri. Diesen Sommer<br />

U21-Vize-Europameister. AndereSpielertypen<br />

als Götze.<br />

Und doch hatte Löw mit ihnen<br />

noch nicht für ein Prestigeduell geplant,<br />

das in seiner persönlichen<br />

Prioritätenliste für die Gestaltung<br />

des Umbruchs weit oben angesiedelt<br />

war. Der stets reizvolle Vergleich gegen<br />

die Argentinier, bei der WM in<br />

Russland übrigens im Achtelfinale<br />

vom späteren Weltmeister Frankreich<br />

an selber Stelle in der Tartarenstadt<br />

Kasan eliminiert, wo auch<br />

Reisen: Bayern München<br />

muss Lucas Hernández trotz<br />

einerVerletzung nun doch zur<br />

französischen Nationalmannschaft<br />

reisen lassen.<br />

Der Weltmeister soll in Paris<br />

vomÄrzteteam der Equipe<br />

Tricolore an seinem verletzten<br />

Knie untersucht werden,<br />

teilte der deutsche Rekordmeister<br />

mit.<br />

Löws Ensemble im letzten Vorrundenspiel<br />

gegen Südkorea Schiffbruch<br />

erlitt, ist eines der ganz wenigen<br />

Freundschaftsspiele,die der Terminkalender<br />

noch zulässt.<br />

„Einspielen hat bei der jungen<br />

Mannschaft Priorität!“ Diesen Satz<br />

formulierte der Südbadener am<br />

10. September nach dem 2:0-Pflichtsieg<br />

gegen Nordirland in Belfast mit<br />

BAYERN KONTRA FRANKREICH<br />

Anweisen: „Ich bin irritiert<br />

über das Verhalten des französischen<br />

Verbandes“, sagte<br />

Bayern-Vorstandschef Karl-<br />

Heinz Rummenigge. Der FC<br />

Bayern hatte dem französischen<br />

Verband nach dem<br />

1:2 gegendie TSG Hoffenheim<br />

mitgeteilt, dass<br />

Hernández aufgrund der<br />

Blessur bleiben müsse.<br />

Hinweisen: Obwohl die Fifa-<br />

Statuten das Vorgehen der<br />

Franzosen ermöglichen, ist<br />

der FC Bayern verärgert. „Ich<br />

möchte darauf hinweisen“,<br />

sagte Rummenigge, „dass<br />

Hernández aufgrund seiner<br />

Verletzung weder gegenTottenham<br />

noch gegenHoffenheim<br />

im Kader stehen<br />

konnte.“<br />

einem solchen Nachdruck, um deutlich<br />

zu machen, dass er einen Monat<br />

später keine Experimente machen<br />

wolle. Doch auf einmal ist Improvisation<br />

gefragt. Leroy Sané, Antonio<br />

Rüdiger, Leon Goretzka, Nico<br />

Schultz, Julian Draxler und Thilo<br />

Kehrer sowie Torwart Kevin Trapp<br />

waren wegen teils langwieriger Verletzungen<br />

gar nicht berufen worden,<br />

doch dann trudelte eine Absage<br />

nach der anderen ein.<br />

Am Sonntag sagten Toni Kroos<br />

und Jonas Hector wegen muskulärer<br />

Probleme ab, Timo Werner klagt seit<br />

Montag über einen grippalen Infekt,<br />

Ilkay Gündogan hat sich eine Muskelverletzung<br />

zugezogen und Matthias<br />

Ginter hat eine Schulterluxation erlitten.<br />

WasLöw dazu veranlasste, kurzfristig<br />

auch noch den Freiburger Robin<br />

Koch und den Hoffenheimer Sebastian<br />

Rudy nach Dortmund zu bestellen.<br />

Der Bundestrainer, der<br />

eigentlich mittels Einzelanalysen und<br />

flachen Hierarchien den Konkurrenzkampf<br />

schärfen wollte,muss jetzt aus<br />

der Noteine Tugend machen.<br />

Einsatzchance für Herthas Stark<br />

Kai Havertz, zuletzt in den Länderspielen<br />

nicht wirklich benötigt, hat<br />

Gelegenheit, seine Anlagen gegen<br />

ausgebuffte Gegner unter Beweis zu<br />

stellen. Niklas Stark darf inder Abwehr<br />

auf erste Einsatzminuten in der<br />

A-Nationalmannschaft hoffen, und<br />

vielleicht kommt im Angriff auch<br />

Luca Waldschmidt zum Zuge, dem<br />

Löw offenbar bereits mehr zutraut<br />

als dessen Vereinstrainer in Freiburg<br />

Christian Streich. Unddann ist da in<br />

letzter Instanz auch noch Marc-<br />

André ter Stegen, der nach einem<br />

zwischenzeitlich absurd anmutenden<br />

Theater um die Hierarchie im<br />

deutschen Tormal wieder den Vorzug<br />

vor Manuel Neuer bekommt.<br />

„Gegen Argentinien spielt das Ergebnis<br />

nicht die allerwichtigste Rolle“,<br />

sagt Löw,der jetzt voneiner „Weiterbildungsgeschichte<br />

für die jungen<br />

Spieler“ spricht.<br />

Ein Muster ohne Wert ist deswegen<br />

der Leistungsvergleich gegen die<br />

Südamerikaner, die auf ihren gesperrten<br />

Weltfußballer Lionel Messi<br />

verzichten müssen, deshalb noch<br />

lange nicht, aber der Erkenntnisgewinn<br />

dürfte sich in Grenzen halten.<br />

Zumal Löw ja auch noch eine gesunde<br />

Elffür das EM-Qualifikationsspiel<br />

in Tallinn gegen Estland (Sonntag,<br />

20.45 Uhr/RTL) zusammenbekommen<br />

muss.„Gegen Estland werden<br />

wir gewinnen, unabhängig<br />

davon mit welcher Mannschaft“,<br />

versprach der Bundestrainer. Mario<br />

Götze wird eralso auch dann nicht<br />

brauchen.<br />

Späte Versöhnung<br />

Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft will das bewegte Jahr 2019 erfolgreich beenden: in Griechenland die Pflicht erfüllen, in England den Fortschritt vorführen<br />

VonFrank Hellmann<br />

ÄltereTouristen mögen es beruhigend<br />

finden, wenn die jüngere<br />

Generation den guten Stadtplan<br />

nicht ganz verschmäht. Gerade bei<br />

den technikaffinen deutschen Fußball-Nationalspielerinnen,<br />

die mittlerweile<br />

gefühlt jeden Schritt einer<br />

Auslandsreise digital dokumentieren.<br />

Um sich in Thessaloniki zurechtzufinden,<br />

haben Lina Magull,<br />

Lena Oberdorf, Giulia Gwinn und<br />

Klara Bühl vor dem Spaziergang in<br />

der griechischen Hafenstadt jedoch<br />

mal die Köpfe über einem Faltplan<br />

zusammengesteckt, der im Teamhotel<br />

auslag. Bietet vielleicht doch die<br />

bessereOrientierung zu den zahlreichen<br />

Zeugnissen aus der römischen,<br />

byzantinischen und osmanischen<br />

Geschichte.<br />

Dass die DFB-Frauen im EM-<br />

Qualifikationsspiel gegen Griechenland<br />

(Dienstag, 14 Uhr/ZDF) vonihrem<br />

Weg abkommen, ist nach drei<br />

durchgängig einseitigen Begegnungen<br />

nicht zu erwarten. Mit der optimalen<br />

Punkteausbeute und dem sagenhaften<br />

Torverhältnis von 26:0 ist<br />

der nächste Pflichtsieg eher Formsache.<br />

Frauenfußball fristet bei den<br />

Hellenen noch ein Mauerblümchendasein,<br />

die Hauptstadtvereine<br />

Olympiakos Piräus, AEK oder Panathinaikos<br />

Athen weigern sich standhaft,<br />

Frauenteams zu unterhalten. Es<br />

gibt nur drei Ligen, alles auf bescheidenem<br />

Niveau. Erst auf sanften<br />

Druck der Dachorganisation (Uefa)<br />

hat der griechische Fußballverband<br />

angefangen, erste Entwicklungsprogramme<br />

ins Leben zu rufen. Das<br />

Geld kommt aus den Uefa-Fördertöpfen.„Wir<br />

sind gegen Deutschland<br />

der klare Außenseiter“, sagt Nationaltrainer<br />

Antonis Prionas. Das Duell<br />

gibt es erstmals.<br />

Entspannte Arbeitsatmosphäre: Martina Voss-Tecklenburg<br />

DPA/GOLLNOW<br />

wartet wieder ein defensiv orientierter<br />

Gegner.“ Am Wochenende war<br />

noch keine deutsche Spielerin in der<br />

Lage, sich über die Griechinnen zu<br />

Insofernist es gar nicht überheblich,<br />

dass Bundestrainerin Martina<br />

Voss-Tecklenburg keine übermäßigen<br />

Warnungen ausspricht. „Uns eräußern.<br />

Die Trainerin kündigt nach<br />

dem 8:0 gegen die Ukraine „vier,fünf<br />

Veränderungen“ an, um die Belastung<br />

zu steuern. Vermutlich erhält<br />

Melanie Leupolz, über die Weltmeisterschaft<br />

von der Führungskraft zur<br />

Reservistin abgestuft, mal wieder<br />

das Vertrauen von Beginn an. Ansonsten<br />

geht es darum, den Prozess<br />

der Erneuerung und Verjüngung mit<br />

dem nächsten konzentrierten und<br />

engagierten Auftritt der jungen<br />

Gardevoranzutreiben.<br />

Klassiker im Wembley-Stadion<br />

Vordem letzten Pflichtspiel des Jahres<br />

besteht die Bundestrainerin beinahe<br />

darauf, dass es in 2019 ungeachtet<br />

des frühen WM-Ausscheidens<br />

und der verpassten Olympia-Qualifikation„mehrheitlich<br />

Aufs“ gab.Um<br />

diese These zu bestätigen, wäre ein<br />

erfolgreicher Jahresabschluss am<br />

9. November hilfreich, wenn sich<br />

England und Deutschland im<br />

Wembleystadion in einem Freundschaftsspiel<br />

duellieren, das bald die<br />

Maßstäbe verrückt. Der englische<br />

Verband (FA) als Ausrichter der<br />

Frauen-Europameisterschaft 2021<br />

schaffte es, bereits jetzt sage und<br />

schreibe 77 000 Karten abzusetzen.<br />

Ansporn auch für Voss-Tecklenburg:<br />

„Das ist einfach grandios, dass<br />

wir solch ein tolles Spiel am Ende des<br />

Jahres haben. Es ist etwas ganz Besonderes,<br />

imVorfeld der EM in England<br />

sein zu dürfen. Gegen Deutschland<br />

ist immer ein Klassiker, egal in<br />

welcher Sportart und welchem Bereich.“<br />

Die 51-Jährige freut sich<br />

„mega“ auf das stimmungsvolle<br />

Kontrastprogramm zum eher tristen<br />

Alltag in der EM-Qualifikation, der<br />

vermutlich auch heute durch ein<br />

ziemlich leeres Kleanthis-Vikelidis-<br />

Stadion, der Heimstätte von Aris<br />

Thessaloniki, bezeugt wird.

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