MEDorganizer - MEDI Deutschland
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wichtigsten Knackpunkte aus seiner Sicht:<br />
• Trotz der neu eingeräumten<br />
Freizügigkeit bleibt das<br />
Gesamthonorar gedeckelt.<br />
Zusätzliche Gewinne des Einzelnen sind<br />
damit nur zu Lasten der Kollegen möglich.<br />
Der Betrieb von so genannten Nebenbetriebsstätten<br />
in nicht unterversorgten<br />
Bereichen erfordert einen er <br />
höhten zeitlichen und Investitionsaufwand.<br />
Dem stehen keine gesetzgeberischen<br />
Zuflüsse in die ambulante Versorgung<br />
gegenüber – der Anreiz, die<br />
neue Freizügigkeit zunutzen, beschränkt<br />
sich zunächst also auf mögliche strategische<br />
Vorteile. Dies läuft nach Ansicht<br />
Ramollas auf einen Verdrängungswettbewerb<br />
hinaus, der mittelfristig weder<br />
die persönliche Unternehmenssituation<br />
noch die Patientenversorgung verbessert.<br />
• Vertragsärzte und MVZ werden<br />
unterschiedlich behandelt.<br />
MVZ können in unbeschränkter Zahl<br />
Ärzte anstellen, während Vertragsärzte<br />
bei der Anstellung von mehr als drei<br />
bzw. vier angestellten Ärzten in eine<br />
Beweispflicht der persönlichen Leitung<br />
der Praxis genommen werden. Diese<br />
Beweislast trifft ein Medizinisches Versorgungszentrum<br />
nicht.<br />
• MVZ dürfen sich mit anderen<br />
MVZ örtlich und überörtlich<br />
zusammenzuschließen.<br />
Das wird den Verdrängungswettbewerb<br />
zwischen institutionellen Leistungsanbietern<br />
und Vertragsärzten in der GKV<br />
verstärken.<br />
• Die so genannte Kick–Back–<br />
Konstellation wirkt nachteilig auf<br />
wirtschaftlich sinnvolle Lösungen<br />
von Teilgemeinschaftspraxen.<br />
Es wird Gynäkologen nicht möglich<br />
sein, hinsichtlich der Zytologie mit einem<br />
Pathologen eine Teilleistungsgemeinschaft<br />
einzugehen. Gleiches gilt für<br />
Orthopäden, die hinsichtlich der Kernspintomographie<br />
mit einem Radiologen<br />
eine Teilleistungsgemeinschaft anstreben.<br />
„Gerade diese Teilleistungsgemeinschaften<br />
wären jedoch interessant<br />
und könnten einen Schritt in<br />
gesuNdHeitsPolitik <strong>MEDI</strong>times<br />
Richtung Medizin aus einer Hand bedeuten“,<br />
kritisiert Ramolla.<br />
Besonders institutionelle Gründer von<br />
MVZ werden die vertragsärztlichen Änderungen<br />
nach seiner Meinung mit großem<br />
Interesse betrachten und die Liberalisierung<br />
positiv bewerten. Das Gleiche gilt<br />
für Vertragsärzte, die mit ihren Kollegen<br />
unter gedeckelten Honorarbedingungen<br />
in einen Verdrängungswettbewerb treten<br />
und sich Marktanteile sichern wollen. Für<br />
Vertragsärzte in überversorgten und auch<br />
in eher ländlichen Kreisen werden durch<br />
die Neuregelungen dagegen eher Probleme<br />
bei der Patientenversorgung und<br />
auch bei der Nachfolgersuche bekommen.<br />
Ramollas Fazit: In der Summe betrachtet<br />
wird das VÄG nachhaltigste Veränderungen<br />
in der ambulanten Versorgungslandschaft<br />
bewirken, die speziell in<br />
weniger dicht besiedelten, nicht unterversorgten<br />
Landstrichen eher zu einer<br />
Verschlechterung beitragen werden.“<br />
Ärzte haben keine echten<br />
Expansionsmöglichkeiten<br />
Auch beim Vorsitzenden der Freien<br />
Ärzteschaft, Martin Grauduszus, löst das<br />
VÄG alles andere als Euphorie aus.<br />
„Dieses Gesetz dient nicht den Ärzten“,<br />
sagt Grauduszus. Denn die große Mehrheit<br />
der Vertragsärzte sei bei den Rahmenbedingungen<br />
der vergangenen Jahre<br />
nicht in der Lage gewesen, Rücklagen zu<br />
bilden. Damit haben sie auch keine Expansionsmöglichkeiten<br />
– im Unterschied<br />
zu institutionellen Investoren und Großkonzernen,<br />
die nach seiner Erwartung<br />
ambulante medizinische Zentren gründen<br />
und sich Marktanteile sichern werden.<br />
„Und diese Investoren haben als<br />
oberstes Interesse Profit, im Gegensatz<br />
zu niedergelassenen Ärzten. Damit wird<br />
das System dem Markt frei gegeben“,<br />
sagt Grauduszus.<br />
Für den Patienten kann er darin keinen<br />
Vorteil erkennen: „Es wird nicht besser<br />
und nicht günstiger.“ Vom Gesetzgeber<br />
fordert er, die Rahmenbedingungen<br />
für einen Wettbewerb auf Augenhöhe zu<br />
schaffen. Wichtigstes Instrument bleibt<br />
für ihn die freie Arztwahl, als „Schutz vor<br />
einem Umlenken der Patientenströme“<br />
in die Zentren.<br />
2<br />
Auch Verfassungsrechtler<br />
üben Kritik<br />
Neben Kritik aus vertragsärztlicher Sicht<br />
gibt es auch Bedenken des Verfassungsrechtlers<br />
Professor Helge Sodan. Der Direktor<br />
des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht<br />
(DIGR) bezweifelt, ob der<br />
Bund die Gesetzgebungsbefugnis hat,<br />
um derart nachhaltig in die Regelungen<br />
zur Berufsausübung von Vertragsärzten<br />
einzugreifen – ähnliche Bedenken hatte<br />
übrigens auch schon der Bundesrat geäußert.<br />
Dieser hatte im Gesetzgebungsverfahren<br />
vorgeschlagen, für die im VÄG<br />
genannten berufsrechtlichen Regelungen<br />
jeweils den Vorrang des Berufsrechts<br />
durch eine Einfügung des Vorbehalts landesrechtlicher<br />
Vorschriften klarzustellen.<br />
Die Bundesregierung hatte dem widersprochen<br />
und sich damit im Gesetzgebungsverfahren<br />
durchsetzen können.<br />
„Die Gesetzgebungszuständigkeit des<br />
Bundes für die Sozialversicherung kann<br />
kein 'Freibrief' sein, um sich über formal<br />
zum Vertragsarztrecht gehörende Vorschriften<br />
der Sache nach in das den<br />
Ländern obliegende Berufsausübungsrecht<br />
der Ärzte und Zahnärzte einzumischen“,<br />
sagte Sodan der <strong>MEDI</strong>TIMES . Er<br />
kündigte auch an, dass sich das DIGR der<br />
Frage annehmen und diese juristisch<br />
prüfen wird.<br />
Der <strong>MEDI</strong> Verbund fühlt sich von der<br />
Kritik in seiner skeptischen Haltung zum<br />
VÄG bestätigt. <strong>MEDI</strong> Chef Dr. Werner<br />
Baumgärtner hatte von Beginn an vor<br />
dem mit dem VÄG verbundenen Paradigmenwechsel<br />
gewarnt. „Der Vertragsarzt<br />
wird dann nur noch Teil einer Behandlungskette<br />
sein, während er bisher<br />
im Mittelpunkt der Behandlung stand.“ Er<br />
befürchtet ein „Aushungern“ speziell der<br />
Facharztpraxen ( siehe auch Interview auf<br />
Seite 19 ). Vom Staat werden nur noch<br />
angestellte Ärzte als „gute Ärzte“ betrachtet,<br />
da er auf diese mehr Einfluss ausüben<br />
kann als auf Freiberufler. Hausärzte<br />
sollen zum Gate–Keeper degradiert wer <br />
den, der von seiner Zwei–Zimmer–Praxis<br />
aus Patienten in die MVZ überweist –<br />
diese Aussichten hatten weder Bundesge<br />
sundheitsministerium noch die KBV in<br />
ihren Werbebroschüren beschrieben.<br />
Dirk Schnack