Berliner Kurier 02.01.2020
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
14 BERLIN BERLINER KURIER, Donnerstag, 2. Januar 2020<br />
Hooligans<br />
Dasneue Netzwerk der Gewalt<br />
Vermummte Hooligans<br />
beim Erstliga-Derby<br />
Union Berlin gegen<br />
Hertha BSC am<br />
2. November.Einige<br />
Anhänger laufen<br />
auch bei rechten<br />
Demos mit.<br />
Fotos: imago/König/Mang<br />
DieZahlder Krawall-Fans ist wieder gestiegen. Besonders „Wannseefront“ und „Kaliber 030“ fallen auf<br />
Von<br />
CHRISTIAN GEHRKE<br />
Berlin – Union und Hertha<br />
spielen Erstliga-Fußball, es<br />
könnte so schön sein. Doch<br />
von den Rängen fliegen Raketen.<br />
Hooligans versuchen,<br />
den Platz zu stürmen. Es sind<br />
Szenen purer Gewalt, wie<br />
beim Stadtderby in der Alten<br />
Försterei. Die Zahl dieser Gewalt-Fans<br />
ist gestiegen. Die<br />
Szene ist organisiert und<br />
auch vernetzt mit Neonazis.<br />
Die Ermittler führen genau<br />
Buch über die Krawallmacher<br />
in den Stadien: Aktuell haben<br />
sie in Berlin 955 gewaltbereite<br />
und 255 gewaltsuchende Fußballanhänger<br />
erfasst. Macht zusammen<br />
1210. Im März 2019<br />
waren es noch 1194 (KURIER<br />
berichtete). Davor waren die<br />
Zahlen lange rückläufig, jetzt<br />
steigen sie wieder an.<br />
Einzelne Anhänger sollen<br />
auch rechtsextrem sein und bei<br />
Demos wie „Hooligans gegen<br />
Salafisten“ mitlaufen. Die Polizei<br />
erfasst Gewalt-Fans in der<br />
Datei „Szenekunde Sport“ und<br />
aktualisiert diesen Datensatz<br />
ständig. Die Grünen-Politikerin<br />
June Tomiak fragte beim Senat<br />
nach. Die Innenverwaltung gab<br />
die Antwort. Tomiak spricht<br />
im KURIER von einer „bedrohlichen<br />
Problematik“. Chaoten<br />
gibt es bei nahezu allen <strong>Berliner</strong><br />
Fußballclubs. Weder Union<br />
noch Hertha noch der BFC Dynamo<br />
können sich freisprechen.<br />
Doch die Polizei hat laut Verwaltung<br />
zwei Gruppen ganz besonders<br />
auf dem Schirm: „Kaliber<br />
030“ nennen sich etwa 55<br />
Krawallmacher von Hertha<br />
BSC. Sie sollen auch beim Derby<br />
gegen Union die Raketen aus<br />
dem Gästeblock aufs Spielfeld<br />
geschossen haben. 16 Anhänger<br />
sind gewaltbereit, 39 gewaltsuchend.<br />
Im zurückliegenden<br />
Jahr haben die Mitglieder von<br />
„Kaliber 030“ mehrere Straftaten<br />
begangen, darunter Beleidigung,<br />
Bedrohung und Sachbeschädigung.<br />
Die zweite Gruppe nennt sich<br />
„Wannseefront“, ebenfalls etwa<br />
20 Hertha-Anhänger. Sieben<br />
von ihnen gelten als gewaltbereit,<br />
ein Anhänger als gewaltsuchend.<br />
Aber: Sie haben<br />
2019 keine Straftaten begangen,<br />
haben keinen Kontakt zu Neonazis.<br />
Doch die Hooligans kennen<br />
sich trotzdem gut: Mitunter<br />
kommen Gewalttäter aus<br />
anderen Städten nach Berlin,<br />
um Ärger zu machen. Beim<br />
Derby Union gegen Hertha sollen<br />
sich laut Senat auch Gewalt-<br />
Fans von Energie Cottbus, BFC<br />
Dynamo und Mönchengladbach<br />
befunden haben, insgesamt<br />
65. „Der Verdacht, dass<br />
nicht nur vereinseigene Hools<br />
an dem Spiel beteiligt waren,<br />
hat sich bestätigt“, so June Tomiak.<br />
Die Ermittlungen seien<br />
aber noch nicht abgeschlossen.<br />
Die Datei „Szenekunde Sport“<br />
ist bei Fußballfans umstritten.<br />
Ihr Vorwurf: Die Polizei würde<br />
die Zahlen nur schätzen –und<br />
das nicht vorurteilsfrei. Personen,<br />
die in der Datei erfasst<br />
werden, würden nicht immer<br />
darüber informiert, sagen Fanbeauftragte.