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LIUDGER Ausgabe Januar 2020

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Interview<br />

GRENZEN,<br />

DIE VERÄNDERN<br />

DR. JOCHEN REIDEGELD ZIEHT KONSEQUENZEN<br />

Jochen Reidegeld auf dem Friedhof der Gefallenen des Kampfes gegen den IS in Kobane<br />

Von Ann-Christin Ladermann<br />

Vor fünf Jahren hat er den Verein „Aktion Hoffnungsschimmer“ mitbegründet, der Flüchtlingen –<br />

insbesondere Jesiden im Nordirak und in Syrien – hilft. Was Dr. Jochen Reidegeld bei seinen Reisen in<br />

die Grenzgebiete erlebt, bringt den ehemals stellvertretenden Generalvikar und jetzt leitenden Pfarrer<br />

in Steinfurt an seine eigenen Grenzen.<br />

Ihren Namen konnte man in den vergangenen Wochen an verschiedenen Stellen lesen. Zum einen<br />

haben Sie im September mit der „Aktion Hoffnungsschimmer“ ein Flüchtlingslager im Nordosten<br />

Syriens besucht, zum anderen wurde bekannt gegeben, dass Sie das Bischöfliche Generalvikariat<br />

verlassen und leitender Pfarrer in der Pfarrei St. Nikomedes in Steinfurt werden. Hängen diese beiden<br />

Anlässe miteinander zusammen?<br />

Reidegeld: Ja. Bei meinen Besuchen in Syrien und im Irak bin ich mit so viel Leid konfrontiert worden,<br />

habe existenzielle Situationen erlebt und Grenzerfahrungen gemacht. Das hat bei mir Fragen aufgeworfen,<br />

was ich mit meinem Leben anfangen möchte, was mir wirklich wichtig ist und wofür ich brenne.<br />

Daraufhin habe ich den Bischof gebeten, wieder in die Seelsorge zurückgehen zu dürfen.<br />

Wie kann man sich auf eine Reise in Krisenregionen vorbereiten?<br />

Reidegeld: Man muss die Sicherheitslage mit den Projektpartnern vor Ort besprechen, kann sich aber<br />

letztlich nicht vollständig darauf vorbereiten. Erst vor Ort spürt man: Es gibt keine Garantie.<br />

Ein Menschenleben zählt in dieser Region quasi nichts. Man muss damit rechnen, dass es einen Bombenanschlag<br />

oder Luftangriff gibt. Ich muss zugeben: Diese Erkenntnis trifft einen wie einen Schlag.<br />

Zusätzlich muss man viele bürokratische Hürden überwinden, beispielsweise um an die entsprechenden<br />

Visa zu kommen. Denn die Regierungen sehen es nicht gerne, wenn man als Europäer einreist – das gilt<br />

zum Teil für den Irak und noch mehr für Syrien.<br />

Ist es für Sie als Priester gefährlicher, in diese Gebiete zu reisen, als für Menschen anderer Berufsgruppen?<br />

Reidegeld: Ja, als Priester ist man für bestimmte Gruppen ein bevorzugtes Ziel. Darum sollte man auch<br />

nicht immer sofort als Priester zu erkennen sein. In der vergangenen Woche ist auf einer Strecke, wo wir im<br />

September noch unterwegs waren, ein Priester von einer IS-Schläferzelle erschossen worden. Das macht<br />

nachdenklich, aber: Ich lebe vielleicht zwei Wochen mit diesem Risiko, die Menschen dort jeden Tag.<br />

Das kann man nicht miteinander vergleichen. Was mich viel stärker belastet, ist die Tatsache, dass ich die<br />

Menschen kenne, die durch den völkerrechtswidrigen Angriff der Türkei auf das Gebiet vertrieben worden sind.<br />

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