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LIUDGER Ausgabe Januar 2020

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Praxisbeispiele<br />

Hier steht eine Kapitleüberschrift<br />

EINE GEMEINDE<br />

FÜR DEN MOMENT<br />

INSTAGRAM-FORMAT #MONTAGSKERZE<br />

BRINGT BITTEN DER NUTZER VOR GOTT<br />

„INFLUENCER FÜR GOTT“<br />

HANNO ROTHER IST SEELSORGER IN EINER VIRTUELLEN COMMUNITY<br />

Von Gudrun Niewöhner<br />

Von Ann-Christin Ladermann<br />

„Für meine Schwester Johanna.“ „Für alle Paare mit einem unerfüllten Kinderwunsch.“ „Dass es Oma<br />

Heidi jetzt besser geht und die Familie Kraft und Ruhe findet.“ „Für meinen Freund und mich, dass wir es<br />

noch schaffen, unsere Beziehung zu retten.“ „Für eine gute und harmonische neue Woche.“<br />

Es sind Bitten, die den 5.370 Abonnenten des institutionellen Instagram-Kanals @bistummuenster am<br />

Herzen liegen. Kleine und große Bitten – unverstellt und echt formuliert. Seit rund zwei Jahren bekommen<br />

die Nutzer jeden Montag die Möglichkeit, ihre Anliegen anonym mitzuteilen. Sie antworten damit auf das<br />

Format #montagskerze, das jeden Montag in der Instagram-Story des Bistums dazu einlädt. Am Ende steht<br />

das Versprechen „Am Nachmittag zünden wir eine Kerze an für eure Bitten.“<br />

Pastoralreferent Mathias Albracht, in der Medien- und Öffentlichkeitsabteilung<br />

des Bistums für die Verkündigungsformate zuständig, weiß,<br />

warum die #montagskerze den Nerv der Instagram-Community trifft:<br />

„Uns erreichen viele Bitten von Menschen in Grenzsituationen –<br />

konfrontiert mit Krankheit und Tod, mit Prüfungen, Beziehungsproblemen,<br />

aber auch mit Geburt oder Liebesglück. Wir bieten ihnen an, das, was sie<br />

beschäftigt, in einen Rahmen zu bringen – in den Kontext des Gebets.“<br />

„Wofür soll die #montagskerze heute brennen?“ lautet die Einladung<br />

über den Fragebutton. Rund 70 Bitten erreichen die Verantwortlichen im<br />

Schnitt, die Antworten werden tagsüber in der Story ergänzt.<br />

Vor Feiertagen oder zu besonderen Anlässen sind es deutlich mehr:<br />

Bis zu 100 Folien – das durch Instagram vorgegebene Limit – erscheinen<br />

dann in der Story. Für Albracht sind die Zahlen ein Zeichen dafür, dass das<br />

Format die Menschen erreicht: „Kirche ist schon immer da entstanden,<br />

wo Menschen waren. Wir dürfen nicht warten, bis die Kirchen wieder<br />

voller werden, sondern müssen dort präsent sein, wo Menschen sich mit<br />

ihren Sorgen, Sehnsüchten und Gebeten aufhalten. Und das sind auch<br />

die sozialen Netzwerke.“<br />

Beendet wird jede #montagskerze mit einem kurzen Video, in dem<br />

eine Hand ein Opferlicht entzündet. „Das Format lässt eine Gemeinde für<br />

den Moment entstehen“, verdeutlicht der Pastoralreferent. „Ich kann mit<br />

denen fühlen, die ihre Bitte über Instagram mitteilen und weiß: Ich stehe<br />

mit dieser Person und den vielen anderen Nutzern vor dem gleichen<br />

Gott, dem wir gemeinsam unsere Anliegen anvertrauen.“<br />

Die meisten Mitglieder seiner virtuellen<br />

Community kennt Hanno Rother nur aus dem<br />

Chat. Und trotzdem ist unter den 1.300, die es<br />

inzwischen sind, eine Gemeinschaft entstanden,<br />

in der munter miteinander geplaudert und<br />

kontrovers diskutiert wird – über Gott, die Welt<br />

und andere Themen. Drei- bis fünfmal in der<br />

Woche setzt sich der Kaplan an der Jugendburg<br />

Gemen, der nach Ostern Pfarrer in Recklinghausen<br />

wird, vor die PC-Kamera. Meistens abends, nach<br />

Ende aller dienstlichen Verpflichtungen, oder<br />

freitagmorgens, wenn er frei hat. Seelsorge 2.0.<br />

Wer den Burgkaplan sucht, findet ihn im Stream auf<br />

seinem eigenen Kanal unter twitch.tv/kirchendude.<br />

Kirchendude, Rothers Name im Netz, ist in<br />

der Szene längst bekannt. Angefangen hat alles<br />

vor ein paar Jahren mit seiner Leidenschaft für<br />

„Pen & Paper“, eine Mischung aus Online-Gesellschaftsspiel,<br />

Erzählung und Improvisationstheater.<br />

Die Mitwirkenden schlüpfen in fiktive Rollen und<br />

erleben so abenteuerliche Geschichten.<br />

Ein Spielleiter setzt den Handlungsrahmen.<br />

Die Zuschauer können sich per Live-Chat und<br />

Twitter beteiligen. „Nach den Übertragungen habe<br />

ich viele positive Rückmeldungen bekommen“,<br />

erinnert sich Rother. „Mit der katholischen Kirche<br />

haben viele nichts am Hut, aber mich als Typen<br />

fanden sie anscheinend ganz cool“, fügt er mit<br />

einem Schmunzeln an. Diese Sympathieerklärungen<br />

wollte der Burgkaplan pastoral nutzen.<br />

Und als social-media- und gaming-affiner Theologe<br />

lag die Idee eines eigenen Streams ziemlich nahe.<br />

„Es geht dabei nicht um Antworten“, erklärt<br />

Rother. Die Community-Mitglieder, die übrigens<br />

aus der gesamten Bundesrepublik und teilweise<br />

aus Österreich kommen, wollen darüber sprechen,<br />

besser gesagt schreiben, was sie bewegt:<br />

„Ich möchte deutlich machen, dass wir als<br />

Christen eine Botschaft haben, dass unsere<br />

Werte gut für das Miteinander in der Welt sind.“<br />

Bei Glaubensfragen teilt Rother auch persönliche<br />

Zweifel, persönliches Unverständnis, aber auch seine<br />

große Hoffnung und sein großes Gottvertrauen.<br />

„Wer eine Haltung hat und Argumente bringt, der<br />

wird in der Szene akzeptiert“, weiß Rother.<br />

Das allerwichtigste: „Man muss authentisch sein.“<br />

Drei, vier Stunden sind ruckzuck vorbei,<br />

wenn Rother vor dem Computer sitzt.<br />

Zeitverschwendung ist das nicht:<br />

„Ich mache Lobbyarbeit für die Kirche,<br />

ich bin so etwas wie ein Influencer,<br />

ein Werbeträger, für Gott.“<br />

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