Christkatholisch_2020-04
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Christkatholisch 4/2020 Hintergrund
7
Unterschiede
Das Johannes-Evangelium ist vermutlich
am Ende des 1. Jahrhunderts
nach Christus (zwischen 90–100 n.
Chr.) entstanden und ist damit das
jüngste der vier Evangelien. Deutlich
unterscheidet es sich von den drei anderen
Evangelien, die man aufgrund
der Verwendung gleicher Quellen
auch als die drei synoptischen (vom
griechischen Wort Synopse = Zusammenschau)
Evangelien bezeichnet.
Das Johannes-Evangelium ist dagegen
ein äusserst eigenständiges Werk.
Die Unterschiede zu den Evangelien
nach Markus, Matthäus und Lukas
zeigen sich bereits im unterschiedlichen
Ablauf der Jesusgeschichte. So
zieht Jesus dem Johannes-Evangelium
gemäss nicht nur einmal, sondern
öfters mit seinen Jüngern nach Jerusalem.
Die Austreibung der Händler
aus dem Tempel, die in den drei synoptischen
Evangelien sozusagen den
Auftakt der Passionsgeschichte bildet,
finden wir bei Johannes gleich zu
Beginn des Evangeliums.
Auch in der Passionsgeschichte finden
sich markante Unterschiede. So
fehlt bei Johannes der Bericht des
Abendmahles. An dessen Stelle wird
jedoch – und nur bei ihm – davon berichtet
wie Jesus seinen Jüngern die
Füsse wäscht und sie auffordert, es
ihm zukünftig gleich zu tun. Auch
datiert, Johannes die Hinrichtung
Jesu anders, nämlich am Rüsttag d. h.
am Tag vor dem Passafest. Bei den anderen
drei Evangelisten wird das
Abendmahl als Passamahl gefeiert
und die Kreuzigung Jesu findet damit
am Tag des Passafestes selbst statt.
Letztlich sind solche Aspekte allerdings
Details. Gravierender sind andere
Unterschiede zwischen Johannes
und den drei anderen Evangelisten.
Die johanneische Sprache
Das Johannes-Evangelium ist in einer
an sich sehr einfachen, aber doch
gleichwohl auch sehr geheimnisvollen
Sprache abgefasst. Die Reden Jesu
etwa im Johannes-Evangelium sind
deutlich länger als in den anderen
drei Evangelien. In diesen spricht Jesus
vor allem in knappen, markanten
Sprüchen und Gleichnissen zu den
Jüngern beziehungsweise zur Menge.
Bei Johannes ist vielfach eine geradezu
kreisende Denkbewegung in den
Texten zu sehen, Jesus spricht in veränderter
Form immer wieder den
gleichen Gedankengang aus. Dies
verleiht den Reden Jesu im Johannes-
Evangelium einen stark meditativen
Charakter. Typisch für die johanneische
Sprache ist auch die starke Verwendung
von Dualismen. Diese Sprache
lebt von starken Gegensätzen
(Licht oder Finsternis, Leben oder
Tod, Gott oder Teufel etc.).
Die Juden im Johannes-
Evangelium
Der wirkungsgeschichtlich wohl problematischste
Aspekt des Johannes-
Evangeliums ist seine Darstellung der
Juden. Zwar stellt auch das Johannes-
Evangelium in aller Deutlichkeit fest,
dass Jesus ein Jude war und das Heil
von den Juden ausgehe. Deutlich stärker
als die anderen Evangelien wird
die Jesusgeschichte aber als eine Geschichte
der Konfrontation zwischen
Jesus und den Juden dargestellt. Der
Begriff der «Juden» taucht dabei – so
etwa im Passionsbericht – viel pauschalisierender
auf als bei den anderen
drei Evangelisten. Leider wurden
so diese kritischen Passagen im Johannes-Evangelium
oft als Anlass
und Grundlage judenfeindlicher Äusserungen
genommen. Historisch lassen
sich die judenkritischen Passagen
des Evangeliums damit erklären, dass
das Johannes-Evangelium in einer
Zeit entstanden ist, in der sich das
Christentum zunehmend vom Judentum
ablöste, und Christen teilweise
auch aus den Synagogen ausgegrenzt
und ausgeschlossen wurden.
Die hohe Christologie
des Johannes-Evangeliums
Vielleicht der auffälligste Unterschied
des Johannes-Evangeliums gegenüber
den anderen drei Evangelien zeigt
sich im Jesusbild, das gezeichnet
wird. Bereits im sehr berühmten Prolog
des Johannes-Evangeliums (Joh
1,1-18) wird Jesus als der fleischgewordene
«Logos», das fleischgewordene
Wort gedeutet. Von den ersten
Zeilen des Evangeliums an wird so
die göttliche Natur Jesu proklamiert.
Auch in den Gebeten Jesu mit seinem
«Vater» drückt sich ein tiefes Gefühl
der Verbundenheit und Intimität aus.
Die Gebete von Jesus mit seinem Vater
wirken wie ein Gespräch auf Augenhöhe.
Jesus ist sich im ganzen Johannes-Evangelium
seiner Herkunft
und Bestimmung klar bewusst, Zweifel
daran, wie sie sich zumindest ansatzweise
bei den anderen Evangelisten
noch finden lassen, gibt es keine.
Vielleicht am klarsten kommt das in
den sogenannten sieben «Ich-bin-
Am Anfang war
das Wort... Beginn
des griechischen
Johannes-Evangeliums.