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Corona-Skandal in Tirol: Spur zu ÖVP

Hotelier und Politiker Hörl vom Wirtschaftsbund soll interveniert haben

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4 Innenpolitik<br />

Neue Freie Zeitung<br />

Nicht wegen Kle<strong>in</strong>igkeiten<br />

e<strong>in</strong> Spital aufsuchen<br />

Im NFZ-Interview erläutert Prof. Dr. Friedrich Gill, Frauenarzt und<br />

Endokr<strong>in</strong>ologe, der <strong>zu</strong>r Zeit <strong>in</strong> Wiener Spitälern „<strong>Corona</strong>-Dienst“<br />

tut, se<strong>in</strong>e Erfahrungen mit der Bewältigung der Krise und se<strong>in</strong>e Forderungen<br />

an die politischen Verantwortlichen.<br />

Herr Doktor Gill, wie sieht es <strong>in</strong><br />

der Praxis mit den <strong>Corona</strong>-Maßnahmen<br />

der Bundesregierung aus,<br />

also <strong>in</strong> ihrer Privatpraxis und im<br />

Krankenhaus?<br />

Gill: Die bis jetzt getroffenen<br />

Maßnahmen s<strong>in</strong>d sehr wohl begründet<br />

und berechtigt. Denn die<br />

Österreicher gehen bemerkenswert<br />

leger mit derartigen Infektionskrankheiten<br />

um. Das zeigt sich<br />

auch dar<strong>in</strong>, dass sich gerade e<strong>in</strong>mal<br />

acht Prozent gegen Influenza impfen<br />

haben lassen, der auch jährlich<br />

an die 2.000<br />

Menschen aus<br />

den gleichen<br />

Risikogruppen<br />

<strong>zu</strong>m Opfer fallen<br />

wie jetzt<br />

bei Covid-19.<br />

Laut Auskunft der Österreichischen<br />

Gesundheitskasse (ÖGK)<br />

s<strong>in</strong>d ca. 90 Prozent der Arztord<strong>in</strong>ationen<br />

geöffnet, aber natürlich mit<br />

verkürzten Öffnungszeiten. In me<strong>in</strong>er<br />

gynäkologischen Praxis s<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong> etwa 16 Patient<strong>in</strong>nen pro Tag<br />

derzeit angemeldet, statt der 50 <strong>zu</strong><br />

„normalen Zeiten“.<br />

Das heißt die Informationen der<br />

Bundesregierung zeigen Wirkung?<br />

Gill: Ja und ne<strong>in</strong>. Bei ausländischen<br />

Bürgern hat sich das<br />

noch nicht so herumgesprochen.<br />

Sie kommen <strong>zu</strong> jeder Tages- und<br />

Nachtzeit <strong>in</strong> die Krankenhäuser,<br />

<strong>zu</strong>meist mit mehreren Angehörigen,<br />

um sich wegen kaum nennenswerter<br />

Beschwerden behandeln<br />

lassen <strong>zu</strong> wollen, anstatt den<br />

Hausarzt auf<strong>zu</strong>suchen oder – bei<br />

Symptomen, die auf e<strong>in</strong>e <strong>Corona</strong>-Infektion<br />

h<strong>in</strong>deuten – die Telefon-Hotl<strong>in</strong>e<br />

1450 <strong>zu</strong> wählen.<br />

Wie sieht es mit den Bed<strong>in</strong>gungen<br />

für Ärzte und Pflegepersonal<br />

aus? Die Ärztekammer beklagt<br />

hier den Mangel an Schutzmasken<br />

und -bekleidung.<br />

Gill: Im Wiener Wilhelm<strong>in</strong>enspital<br />

war beim ersten Nachtdienst<br />

am Dienstag der Vorwoche<br />

so gut wie ke<strong>in</strong>e<br />

geeignete Ausrüstung vorhanden.<br />

Trotz Rücksprache<br />

mit der Krankenhaushygieniker<strong>in</strong><br />

– die behauptete,<br />

„Wir brauchen dr<strong>in</strong>gend<br />

Schutzbekleidung<br />

<strong>in</strong> den Spitälern.“<br />

e<strong>in</strong>e völlig geeignete und sichere<br />

Ausstattung sei vorhanden – wurden<br />

schlussendlich gerade zwei<br />

Masken und drei nicht geeignete<br />

Schutzmäntel nachgebracht! Im<br />

Gegensatz da<strong>zu</strong> war die Ausstattung<br />

im Kaiser-Franz-Josef-Spital<br />

von Anfang an vorzüglich und<br />

auch die Kooperation mit dem <strong>zu</strong>ständigen<br />

Verantwortlichen funktionierte.<br />

Das krasse Gegenteil davon<br />

lieferten die Patientenanwälte<br />

mit ihrer Kritik an der Ärzteschaft<br />

ab. Dass diese jetzt uns Ärzten<br />

die Schuld geben,<br />

dass wir<br />

nicht genügend<br />

Schutzbekleidung<br />

auf Vorrat<br />

„gebunkert“<br />

haben, ist e<strong>in</strong>fach<br />

ärgerlich, da wir als freiwillig<br />

Diensthabende natürlich e<strong>in</strong>er <strong>zu</strong>sätzlichen<br />

Ansteckungsgefahr ausgesetzt<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Was gehört Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach<br />

noch verbessert?<br />

Gill: Zuerst e<strong>in</strong>mal die notwendige<br />

Schutzbekleidung für Ärzte<br />

und Pflegepersonal. Weiters wäre<br />

es <strong>in</strong> dieser Ausnahmesituation<br />

wichtig, die Bevölkerung über offene<br />

Ord<strong>in</strong>ationen <strong>zu</strong> <strong>in</strong>formieren,<br />

um die unnötigen Kontakte <strong>in</strong> den<br />

Krankenhäusern <strong>zu</strong> m<strong>in</strong>imieren.<br />

Denn sonst ist die Bevölkerung<br />

gezwungen, <strong>in</strong> die Spitäler <strong>zu</strong> pilgern,<br />

und das führt die Ziele der<br />

Ausgangsbeschränkung gerade <strong>in</strong><br />

diesem hochgefährdeten<br />

Bereich ad<br />

absurdum.<br />

Foto: privat<br />

Foto: EU/Mario Salerno<br />

Thema<br />

der<br />

Woche<br />

Anschober gegen A<br />

Trotz gegenteiliger Empfehlung der WHO testet Ös<br />

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt stark vom <strong>Corona</strong>-Virus<br />

betroffenen Ländern flächendeckende Tests <strong>zu</strong>r Ermittlung<br />

der tatsächlichen Infektionen. Österreich will h<strong>in</strong>gegen an se<strong>in</strong>em<br />

Verfahren festhalten und dieses, so die letzte Meldung, auf 15.000 Tests<br />

pro Tag erhöhen, wenn die Ressourcen dafür „vorhanden“ s<strong>in</strong>d.<br />

Die Anzahl der <strong>Corona</strong>virus-<br />

Infektionen <strong>in</strong> Österreich wächst<br />

weiter – allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerem<br />

Tempo. Der Zeitraum, <strong>in</strong> dem sich<br />

die Zahl der Infizierten verdopple,<br />

sei von 2,3 auf mehr als vier Tage<br />

gestiegen, erläuterte Clemens Auer<br />

vom Gesundheitsm<strong>in</strong>isterium vergangenen<br />

Montag <strong>in</strong> der „ZIB2“.<br />

Dies hat aber die Kritik an der<br />

verhältnismäßigen niedrigen Zahl<br />

der getesteten Personen nicht <strong>zu</strong>m<br />

Verstummen gebracht. Gesundheitsm<strong>in</strong>ister<br />

Rudolf Anschober hat<br />

der Forderung nach flächendeckenden<br />

Testungen prompt e<strong>in</strong>e Absage<br />

erteilt, weil sie „aufgrund der Ressourcen<br />

nicht umsetzbar“ sei.<br />

Beschränkung der Tests bleibt<br />

Getestet werden also weiterh<strong>in</strong><br />

nur Verdachtsfälle laut Falldef<strong>in</strong>ition<br />

oder Entscheidung des niedergelassenen<br />

Arztes, aber vor allem<br />

alle Gesundheitsberufe. Im Laufe<br />

der vergangenen Woche wurde die<br />

Testkapazität von 1.000 bis 1.500<br />

Testungen pro Tag <strong>in</strong> zehn Labors<br />

Zwei Männer <strong>in</strong> der Kritik: Deutschlands Ges<br />

scher Amtskollege Rudolf Anschober (r.): kei<br />

auf 2.000 bis 4.000 Tests pro Tag <strong>in</strong><br />

20 Labors verdoppelt.<br />

Die Beschränkung stieß bei<br />

FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert<br />

Hofer auf Unverständnis: „Die<br />

Weltgesundheitsorganisation empfiehlt<br />

flächendeckende Tests. Nur<br />

wenn man weiß, wie viele Menschen<br />

tatsächlich das Virus <strong>in</strong> sich<br />

tragen und es damit auch weitergeben<br />

können, können die Bemühungen<br />

im Kampf gegen die weitere<br />

Verbreitung optimiert werden. Ich<br />

verstehe die ablehnende Haltung<br />

des Gesundheitsm<strong>in</strong>isters <strong>in</strong> dieser<br />

Frage absolut nicht.“<br />

Fehlende Schutzausrüstung<br />

FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard<br />

Kaniak wies <strong>zu</strong>dem darauf<br />

h<strong>in</strong>, dass es <strong>in</strong> jedem Bundesland<br />

e<strong>in</strong>e andere Umset<strong>zu</strong>ng der bundesweiten<br />

Richtl<strong>in</strong>ie <strong>zu</strong>r <strong>Corona</strong>-<br />

Austestung gebe.<br />

Er fordert den Gesundheitsm<strong>in</strong>ister<br />

auf, für e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />

Umset<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> sorgen: „Denn sonst<br />

s<strong>in</strong>d die vorliegenden Statistiken

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