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Waffenmarkt-Intern 11/2010 • 5<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

in meinem Lieblingshotel waren<br />

die Gäste leger, aber ihr<br />

Reichtum und ihre Gediegenheit<br />

immer offensichtlich. "Bessere Gesellschaft"<br />

eben. Diesmal waren im weißen Saal unter<br />

den Kristall-Lüstern beim Dinner aber leider<br />

auch Männer zu entdecken, die T-Shirts mit<br />

lustigen Aufschriften trugen – man kennt<br />

dieses Klientel ...<br />

Ich erwartete die phantasiereichen Kreationen<br />

des alten Chefkochs. Aber statt zum Beispiel<br />

"salziges Karamelleis in süßer Tomatenkonfitüre"<br />

im tiefen Teller bekam ich eine<br />

einfache Mascarpone-Creme – die aber in<br />

einem Schokokörbchen mit Feenhaar und<br />

mit sonst allerlei Schnickschnack. Was vorher<br />

als toller Inhalt und ohne Schnörkel daherkam,<br />

war mutiert zu tollen Schnörkeln<br />

ohne viel Inhalt. Wie meinte der Kellner: "Die<br />

Gäste wollen diese trendige Küche."<br />

"Geiz ist die Armut der Reichen."<br />

Während meiner früheren Besuche rissen<br />

sich alle ein Bein aus. Bei einem Frühstücks-<br />

Tischgespräch bekam ein Kellner mit, daß<br />

ich mir Kerzen wünschte. Ich hatte die Bitte<br />

gar nicht "offiziell" ausgesprochen, dennoch<br />

stand was auf dem Couchtisch, als ich etwas<br />

später aufs Zimmer kam? Ja, Kerzen!<br />

Diesmal ging ich an die Rezeption und bat<br />

um eine simple Tüte. Bewegungslos blieb<br />

das Mädchen an ihrem Platz stehen, schaute<br />

mir in die Augen und sagte: "Ach, vielleicht<br />

könnten Sie den Wäschesack in Ihrem Zimmer<br />

nehmen."<br />

Am schlimmsten war aber das Personal, das<br />

so genau wußte, wie die Gäste so wären und<br />

gerne mit ihren Einschätzungen prahlten.<br />

Früher wurde der Kamin angemacht, sobald<br />

einer das Kaminzimmer betrat. Jetzt hieß es:<br />

"Machen wir erst ab 17.00 Uhr, wenn ein Gast<br />

es will." Die<br />

Aufgüsse in<br />

der Sauna<br />

waren flüchtig und lieblos.<br />

"Wissen Sie, das wird<br />

nicht so angenommen,<br />

die Leute<br />

wollen<br />

mehr unsere Massagen." Ab dem Moment<br />

fühlte ich mich an der See wie in der Waffenbranche.<br />

Da bekomme ich auch manchmal<br />

mit, wie in Geschäften mit Kunden über<br />

Kunden geredet wird. Die Händler scheinen<br />

immer ganz genau zu wissen, wie die Kunden<br />

so sind. "Ja, die Billigheimer oder die Beratungs-Klau-Leute<br />

werden immer mehr!" oder<br />

"Man gebe mir Luxus – auf alles<br />

Notwendige kann ich verzichten."<br />

Oscar Wilde<br />

"Das wird nicht verlangt" oder ähnliches. Komisch<br />

nur, daß gleichzeitig darüber geklagt<br />

wird, daß immer weniger Kunden kämen.<br />

Wenn man sie so genau kennt, dann müßte es<br />

doch ein Leichtes sein, sie zu halten, oder?<br />

Ich kenne Jäger und Schützen (manche rufen<br />

sogar in der Redaktion von Waffenmarkt-Intern<br />

/ Messermarkt-Intern an, um<br />

nach "guten" Fachhändlern zu fragen), die<br />

enttäuscht sind von der Leistung im Geschäft:<br />

"Der wollte das nicht besorgen."<br />

oder "Der klagte ewig über das Waffengesetz<br />

und hatte dann die Munition nicht vorrätig."<br />

oder "Der zog nur über Frankonia her und<br />

verweigerte die Reparatur."<br />

Hand aufs Herz! Erkennen Sie sich wieder?<br />

Erzählen Sie Ihren Kunden auch, wie schwer<br />

es ist, heutzutage ein Waffengeschäft zu<br />

führen? Statt den Leuten ein einmaliges Einkaufserlebnis<br />

bei Ihnen zu bieten? Ziehen<br />

Sie besserwisserisch über Kunden<br />

her – so daß der, der vor<br />

Ihnen steht, annehmen<br />

muß, auch verunglimpft<br />

zu werden,<br />

sobald<br />

er Sie verlassen hat? Hand aufs Herz!<br />

Schummeln Sie auch ein bisschen bei der<br />

Lagerhaltung? So daß Ihr Geschäft zwar<br />

hübscher dekoriert ist als sonst, aber aus Liquiditätsgründen<br />

eben doch nicht so gut bestückt?<br />

Und glauben Sie auch, daß die Kunden<br />

das nicht merken?<br />

Bitte: Die Kunden merken das. Immer. Die<br />

riechen das. Und haben dann immer weniger<br />

Lust, bei Ihnen zu kaufen. Vielleicht sollte man<br />

weniger darüber sprechen, wie die Kunden so<br />

sind und mehr darüber, ob man seinen Job<br />

noch brillant und mit Herzblut macht, nämlich<br />

den Kunden was zu bieten für ihr Geld.<br />

Wenn sich in "meinem" Hotel nichts ändert,<br />

fahre ich trotz Meerblick vom Bett und goldenem<br />

Stuck nämlich nicht mehr hin.<br />

Und Sie haben bald auch nur noch die Leute<br />

mit den lustigen Sprüchen auf den T-Shirts<br />

im Laden, die nach Sonderangeboten und<br />

Gutscheinen fragen …<br />

Und das wollen wir doch nicht,<br />

meint Ihre

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