20 KULTUR ROSA INTERVIEW VON PRAUNHEIM: „ Marlene Dietrich beeindruckte mich “ FOTO: M. RÄDEL
KULTUR 21 1942 wurde Deutschlands wohl umstrittenster Regisseur („Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“, „Darkroom – Tödliche Tropfen“, „Die Jungs vom Bahnhof Zoo“, ...) und Homo-Aktivist geboren: Rosa von Praunheim. Seine Kunst und Polemik sorgten für Skandale, die Deutschland veränderten. Allein durch den anfangs genannten Film gründeten sich fünfzig neue Schwulengruppen! Wir trafen ihn im Deutschen Theater, wo er uns von seinen Plänen erzählte und Privates verriet. Welches war dein bestes Lebensjahrzehnt? Das kann ich so einfach nicht sagen. Jeder Mensch hat mehrmals am Tag unterschiedliche Stimmungen. Es gibt glückliche Momente, wenn man wahrgenommen wird. Etwa meine Ehrenauszeichnung beim „Max Ophüls Preis“ im Januar. Und wenn ein Stück, ein Film gut läuft, dann werden die Sorgen weniger. Du sorgst dich? Jeder freischaffende Künstler sorgt sich darum, die Miete nicht zahlen zu können. Dadurch, dass ich sehr produktiv bin, arbeite ich aber immer an bis zu zehn Projekten gleichzeitig, manche laufen, manche nicht. Man muss immer wieder kämpfen. Ermüdet das? Ich bin jetzt fünfzig Jahre im Beruf und muss weiterarbeiten. Und mach es gerne! Ich bekomme eine kleine Rente, es ist aber gut, dass ich arbeiten muss, das hält jung. Bist du jetzt gelassener als früher? Ja und nein. Die Ängste sind aber mitunter sehr groß, das ändert sich nicht. Ich weiß nur, dass das Kreative, das Malen, das Schreiben, dass das ein großes Geschenk ist. Wie siehst du die jetzige Szene, etwa Formate wie „Prince Charming“. Ich finde ALLES gut, was Sichtbarkeit schafft. In Deutschland habe ich mich immer bemüht, Schwule ins Fernsehen zu bringen. Egal, wie trivial ein Format ist, es ist wichtig, dass Schwule wahrgenommen werden. Gehst du denn schwul aus? Ich war nie ein Partygänger, aber ich war früher natürlich überall mal in Berlin. Ich war nie ein Nachtschwärmer. Dass man Freitag bis Montag durchfeiert, ist ja eine neue Entwicklung. Es würde mir keinen Spaß machen, ich nehme keine Drogen und trinke nicht. Was für Musik hörst du zu Hause? Nichts. Ich bin eher musikfeindlich! Wenn, dann höre ich schräge Musik, keinen Pop. Thailändische Militärmusik, DDR- Politsongs, auch polnische Chansons. Elvis habe ich einmal live gesehen, das bleibt natürlich in Erinnerung. Oder Marlene Dietrich beeindruckte mich live sehr! Was jetzt noch nicht spruchreif ist, aber ich arbeite gerade an einem Film über Rex Gildo, da steht weniger seine Musik, eher sein Leben im Fokus. Aber die Musik von Juwelia finde ich wunderbar. Fühlst du dich genug gewürdigt von der queeren Welt? Man soll sich nicht zu wichtig nehmen. Aber ich freue mich, wenn ich wahrgenommen werde. Ich gehe nicht jeden Tag auf den Balkon und winke um 2 Uhr den applaudierenden Massen zu. (grinst) Du kommst gerade aus einem Termin mit dem Intendanten. Ja, seit zwei Jahren läuft hier am Deutschen Theater mein Musical „Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht“ sehr erfolgreich. Anfang des Jahres habe ich den Theatertage-Wettbewerb gewonnen, aus über 170 Werken wurde mein Stück über Friedrich den Großen und Adolf Hitler, „Hitlers Ziege oder die Hämorrhoiden des Königs“, ausgewählt. Da bin ich schon etwas stolz. Am 20. <strong>Juni</strong> ist hier die Uraufführung, jetzt geht es so langsam an die Vorbereitung. Stichwort Wettbewerb. Hast du das noch nötig? Es hat sich so ergeben, dass ich das Stück fertig hatte ... und habe es einfach mal eingereicht. Ich hatte nicht damit gerechnet zu gewinnen. Zweifel am eigenen Werk? Nein, Aber es gibt ja so viele gute Stücke. Jetzt bin ich stolz, dass ich als „alter Hase“ da mit jungen „Hasen“ konkurrieren konnte. Wie schwul wird „Hitlers Ziege oder die Hämorrhoiden des Königs“ denn? Es geht um Hitlers Sexualität, oder seine Nicht-Sexualität. Und um die Homosexualität Friedrich des Großen, auch wenn Historiker diese gerne verschweigen. Zu Hitler gibt es ja verschiedene Forschungen zu seinen Männerbeziehungen. Erst mit Ende dreißig hatte er ersten Kontakt zu Frauen, davor war Hitler sogar recht frauenfeindlich. Das Böse schlechthin, Hitler, auch noch schwul, schadet das nicht der Szene? Die Zeit ist vorbei, dass man aus taktischen Gründen Fakten verschweigt. Nach fünfzig Jahren Emanzipation kann man es sich leisten, auch böse Schwule zu zeigen, nicht nur die guten. Hitler war eben auch Mensch. Kein Mensch wird als Monster geboren, man entwickelt sich dazu. *Interview: Michael Rädel www.rosavonpraunheim.de