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Hospizbegleiter/innen erzählen von ihrem Ehrenamt

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Ines Geschichte

Die Aufgabe, die mich am meisten seelisch und zeitlich gefordert hat, war die Trauerbegleitung

einer jungen Frau. Gleichzeitig war diese Begleitung meine größte Erfahrung über Schmerz und

Mut und Verzweiflung.

Als ich das erste Mal Kontakt zu ihr hatte – ich nenne sie Ines – wusste ich nur, dass diese Frau

zweimal geschieden war und vier Kinder hat. Zuletzt lebten sie und ihre Kinder mit ihrer Jugendliebe

zusammen. Nun war ihr Lebensgefährte gestorben. Dies waren meine einzigen Informationen.

So machte ich mich 2007 auf den Weg zu ihr.

Ich hatte mich telefonisch bei ihr angemeldet. Mein erster Besuch verlief wie folgt:

Ines macht mir die Tür auf und ich stelle mich vor. Sie lässt mich im Türrahmen stehen und läuft

laut weinend in die Wohnung zurück. Da stehe ich nun - zugegeben ziemlich ratlos. Nach dem ersten

Schreck gehe ich ihr nach und setze mich neben sie. An ein Gespräch ist nicht zu denken. Sie

weint sich die Seele aus dem Leib, und ich halte ihre Hand und lasse sie weinen. Eine ewige Stunde

lang. Ab und zu kommt eines der Kinder oder die Oma dazu und geht dann wieder. Irgendwann

beginnt Ines langsam zu erzählen und so erfahre ich ihre Geschichte.

Nach den beiden Scheidungen, die nicht einfach waren, traf sie durch Zufall ihre Jugendliebe wieder.

Sie waren ein Paar als Ines 16 Jahre alt war und es funkte sofort wieder zwischen ihnen. Er zog

zu ihr und ihren Kindern. Es war das erste Mal, dass es ihnen gut ging. Nach einem Jahr ist er gestorben

und das ist nun die Situation. Ich höre ihr zu und bemühe mich, ganz bei ihr zu sein. Was

soll ich selbst sagen? Es kann alles nur falsch oder für ihren Schmerz zu klein sein. Wir verabreden

weitere Besuche einmal in der Woche. Außerdem kann sie mich zu jeder Zeit per E-Mail erreichen.

Ines meldet sich die folgende Woche nicht bei mir. Also fahre ich wie verabredet zu ihr. Sie weint

und erzählt diesmal viel. Sie ist 33 Jahre, ihre Kinder sind 12, 10, 8 und 4 Jahre alt. Den Kindern und

ihr ging es das erste Mal in ihrem Leben richtig gut. Sie hatten keine Angst und waren glücklich.

Ihre Kinder kommen auch diesmal immer wieder zu uns und bleiben einige Zeit bei uns sitzen. Ich

höre ihr zu und tröste sie. Wir verabreden uns für die nächste Woche, und ich fahre nach Hause.

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