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Hospizbegleiter/innen erzählen von ihrem Ehrenamt
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Interviewerin: Diese „Stories“ – machen sie dir Angst zuweilen?
Eberhard Freundt: Nein, sie machen mir keine Angst, aber sie stimmen mich oft sehr nachdenklich.
Insgesamt kann ich sagen, die Hospizarbeit hat mich bereichert und jede Begleitung hat Spuren in
mir hinterlassen, auch wenn ich ihre Namen nach so vielen Jahren teilweise vergessen habe, ihre
Gesichter aber sehe ich noch vor mir.
Mit Manfred bin ich immer erst einkaufen gegangen, immer nach demselben Plan, was wir in welcher
Reihenfolge gekauft haben, dann sind wir zur Sparkasse gefahren, um zu „gucken“, ob noch
alles Geld da ist, man weiß ja nie. Ich durfte alles über ihn wissen, sogar dass er den Leichnam seiner
Frau, auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin, der Wissenschaft zur Verfügung gestellt hatte, um
die Bestattungskosten zu sparen.
Interviewerin: Also bist du dann schon sehr vertraut mit manchen Menschen gewesen?
Eberhard Freundt: Ich denke ja, denn ich war oft der einzige Mensch, mit dem sie sich einmal in der
Woche unterhalten konnten.
Eine besondere Begleitung war für mich „Emil“ 1 , den ich über Monate hinweg regelmäßig besuchte.
Zwei Ereignisse sind mir unvergesslich. Das eine war in der Adventszeit. Um mir zu beweisen, wie
fit er geistig noch sei, wollte er mir eine kleine Freude bereiten und sagte mir fehlerfrei und ohne
zu stottern das Gedicht von Ludwig Uhland auf: „Die Kapelle“ oder auch „Der Hirtenknabe“. Ich war
tief berührt. Da lag ein alter sterbender Mann und schenkte mir ein Gedicht. Wo kann man so etwas
schon erleben? Wer das Gedicht nicht kennt, sollte es mal lesen. Das zweite Ereignis kam für mich
überraschend, als er mich fragte, ob ich ihm nicht ein Mittel besorgen könnte, um ihn endlich von
seinem Leiden zu erlösen. „Ihr habt da doch so Mittelchen....“
Emil hatte Parkinson und hochgradig Halluzinationen. Als ich ihm sagte, dass ich mich dabei strafbar
machen könnte, ließ er traurig und enttäuscht von seiner Bitte ab. Das Einzige, was ich ihm als
Trost sagen konnte, war: „Emil, du kannst an meiner Hand sterben, aber nicht durch meine Hand.“
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