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KÖHLMEIER, Märchen aus Corona-Zeiten_Leseprobe 2020

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Der kleine Stefan wollte nicht so recht, blieb stehen und sah seinen<br />

Opa fragend an. Der aber nickte mit dem Kopf und meinte nur „Na,<br />

komm schon“, nahm ihn an der Hand, und gemeinsam gingen sie in<br />

die Küche.<br />

Katharina hatte offenbar ein schlechtes Gewissen. Jedenfalls hielt sie<br />

den Blick auf den Boden gerichtet, als ihr Großvater auf sie zukam. „Du<br />

weißt genau, Katharina, dass du nicht mit fremden Menschen in eine<br />

fremde Wohnung gehen sollst!“<br />

Katharina wagte immer noch nicht, aufzuschauen und dem Opa in<br />

die Augen zu blicken. Da kam ihr die alte Frau zu Hilfe. „Haben Sie<br />

Nachsicht. Es schüttete. Das Kind stand vor der H<strong>aus</strong>tür und war tropfnass.<br />

Und ihr Kätzchen hatte Hunger.“<br />

„Welches Kätzchen?“, fragte der Großvater.<br />

„Was für ein Kätzchen?“, wiederholte fast gleichzeitig der kleine Stefan<br />

die Frage – allerdings an Katharina gerichtet.<br />

„Na, die Lotti!“, rief Katharina und hatte die Betroffenheit ob der<br />

mahnenden Worte des Großvaters schon wieder vergessen. Sie rutschte<br />

von der Couch auf den Boden, schaute unter die alten Polster, griff dann<br />

hinein und holte das kleine Kätzchen hervor.<br />

„Wau!“, rief Stefan. „Süß!“<br />

„Sie heißt Lotti und gehört mir! Ich hab’ sie gefunden, ich ganz allein!“,<br />

rief Katharina und drückte das Kätzchen fest an ihre Brust, als<br />

Stefan es zu streicheln versuchte.<br />

„Die gehört nicht dir, Katharina“, sagte der Großvater. „Du hast sie<br />

zwar gefunden. Aber gehören tut sie jemand anderem. Und der vermisst<br />

sie vielleicht schon. Also sollten wir versuchen, ihn zu finden.“<br />

Wenngleich der Großvater das keinesfalls vorwurfsvoll meinte oder gar<br />

böse wirkte, war Katharina den Tränen nah.<br />

„Nur mit der Ruhe!“, mischte sich die alte Frau Lili ein. „Ich mach’<br />

uns jetzt eine Kanne Tee, vielleicht hört es dann auf zu regnen, und wir<br />

schauen weiter. Mal sehen, vielleicht kannst du es ja doch behalten, dein<br />

Kätzchen.“ Lili nahm Kräuter <strong>aus</strong> einer Dose, gab sie in eine Kanne und<br />

schüttete <strong>aus</strong> dem Topf, der auf dem Herd stand, heißes Wasser darüber.<br />

Dann suchte sie vier Tassen zusammen und stellte sie mit zwei Löffeln<br />

und einer Dose mit Zucker auf das kleine Tischchen.<br />

Katharina und Stefan kosteten kurz und ließen den Tee sofort stehen.<br />

„Salbei“, sagte die alte Frau. „Sehr gesund!“ Aber den beiden wollte der<br />

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