KÖHLMEIER, Märchen aus Corona-Zeiten_Leseprobe 2020

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„Nana“, lallte der Huber geistesabwesend. „Nana“, wiederholte er fast sprachlos. Er schien plötzlich verwirrt, war gar nicht mehr laut und polternd wie kurz zuvor. Ohne ein weiteres Wort, den Mund halb offen, die Augen weit in die Ferne gerichtet, taumelte er wie ein Nachtwandler <strong>aus</strong> der Polizeistube. Ein paar Minuten saß er auf seinem Traktor, und mancher Vorbeikommende wunderte sich wahrscheinlich über den verwahrlosten Mann, der mit offenem Mund auf dem Gefährt saß, stumm die Lippen bewegte und still vor sich hinmurmelte. Schließlich wackelte der Huberbauer zurück in die Polizeistube, stellte sich vor den Oberpolizisten und sagte: „Keinen Tropfen Alkohol mehr! Nie mehr! Versprochen!“ Dabei hob er drei Finger der rechten Hand zum Schwur. „Beim Gedenken an meine Selige! Ich schwör’s!“ Dann schaute er den alten Mann, den Großvater, und den Mann vom Tierschutzverein an: „Verzeihung! Tut mir leid!“ Eine Stunde später traf der Großvater bei Lili ein, vom Oberpolizisten persönlich dorthin chauffiert. „Opa!“, liefen ihm Stefan und Katharina entgegen. Hinter den beiden eine Schar von Katzen und Lili, die alte Frau. In der Küche, in der im Herd noch immer Feuer prasselte, musste man bei jedem Schritt vorsichtig sein, damit man nicht einer der Katzen aufs Fell stieg. Die Kinder und Lili erzählten dem Großvater, was zuletzt alles passiert war. Wie die Katzen sie zum Huberhof geführt hatten, um das Kälbchen zu retten. Wie Lili den Huberbauern vom Hof gelockt hatte. Wie Stefan und Katharina die Kühe und Schweine befreit hatten. Der Großvater lächelte: „Ah! Jetzt versteh’ ich!“ Und er erzählte, wie zuvor der Huberbauer zur Polizeidienststelle gekommen und was alles passiert war. Und dass der Huberbauer schließlich versprochen hatte, keinen Tropfen Alkohol mehr zu trinken. Nie mehr! • Und tatsächlich! Von dem Tag an, von der Stund’ an, war der Huberbauer trocken! Und blieb es! Er begann seine Wohnung zu putzen, den Hof zu säubern. Hin und wieder schaute Lili, die gutmütige alte Frau, vorbei und half ihm da und dort. 30
Hin und wieder kamen auch der Großvater und die beiden Kinder auf Fahrrädern vorbei, das Kätzchen Lotti in Katharinas Körbchen. Auch sie griffen zu, halfen mit, wo sie konnten. Und eines Tages schafften sie sogar, den Huberbauer soweit zu bringen, dass er in die Stadt fuhr und sich Zähne, ein neues Gebiss, machen ließ. 31
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