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KÖHLMEIER, Märchen aus Corona-Zeiten_Leseprobe 2020

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Am nächsten Morgen standen die drei schon um fünf Uhr früh auf.<br />

Stefan und Katharina schlüpften in die Kleider von gestern, schnappten<br />

sich ein Stück Brot und wollten schon los. Der Großvater hielt sie<br />

zurück. Sie mussten sich waschen und die Zähne putzen. So viel Zeit<br />

müsse sein, meinte er.<br />

Mit gottlob nur schwer verständlichem Gemurmel gingen die beiden<br />

Kinder ins Bad, während der Großvater das Frühstück zubereitete.<br />

Das war dann schneller als schnell verschlungen. Katharina nahm Lotti,<br />

und alle vier gingen zu den Fahrrädern. Der Großvater bat sie, noch<br />

kurz zu warten. Er ging in die Werkstatt und kam mit Blechschere, Zange,<br />

Arbeitshandschuhen und einer großen Taschenlampe zurück. „Los<br />

geht’s!“, rief er. „Ich vor<strong>aus</strong>, hinter mir Katharina und am Ende Stefan!<br />

Und dreht die Lichter auf!“<br />

Als sie am Hof vom Huberbauer ankamen, war dort alles trist und<br />

duster. Das Brüllen der Kühe, das Schreien der Schweine waren aber<br />

wieder zu hören – lauter, schrecklicher noch als am Vortag. Wohl deshalb,<br />

weil rundum Nacht herrschte und keine anderen Laute zu vernehmen<br />

waren. Sie stellten die Fahrräder ab. Katharina nahm Lotti <strong>aus</strong><br />

dem Körbchen, setzte das Kätzchen nur kurz auf den Boden, weil sie<br />

den Schal, den sie um den Hals gewickelt hatte, abnehmen wollte; sie<br />

war beim Radfahren ins Schwitzen geraten. Aber kaum stand Lotti am<br />

Boden, rannte sie auch schon davon. „Lotti!“, rief Katharina. Und nochmals:<br />

„Lotti!“<br />

„Psst! Leise!“, raunte der Großvater. Er nahm die Taschenlampe und<br />

leuchtete dem Kätzchen hinterher. So sahen sie gerade noch, wie Lotti<br />

im Gebäude verschwand, <strong>aus</strong> dem das Klagen der Kühe und Schweine<br />

kam. Der Großvater leuchtete weiter Richtung Stall und ging voran.<br />

Hinter ihm Katharina und Stefan. Als sie im Stall waren, klangen<br />

die Schreie der Kühe und Schweine noch lauter, noch erbärmlicher als<br />

zuvor. Der Großvater leuchtete ganz nach hinten im Stall, von wo <strong>aus</strong><br />

Lotti laut miaute. Die drei – Katharina, Stefan und Otto-Opa – eilten im<br />

Schein der Taschenlampe auf das rufende Kätzchen zu. Lotti stand neben<br />

einem kleinen Kalb und leckte über den Kopf des jungen Tiers, das<br />

im Dreck lag und sich kaum mehr rührte.<br />

„Oh, mein Gott!“, murmelte Katharina.<br />

„Du liebe Güte!“, flüsterte Stefan.<br />

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