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KÖHLMEIER, Märchen aus Corona-Zeiten_Leseprobe 2020

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ter und heftiger von Mal zu Mal – acht-, neun-, zehnmal. Sie wollten<br />

schon zur nächsten Tür gehen, als sie eine Stimme hörten. Ein Fluchen<br />

und Schimpfen war’s. Schließlich wurde die Tür, an die der Großvater<br />

zuvor geklopft hatte, aufgerissen; ein vollkommen verwahrloster Mann<br />

wurde sichtbar. Die Haare standen ihm zu Berg, mehrere Zähne fehlten,<br />

Dreckflecken prangten im Gesicht und am Hals. Er hielt eine Flasche<br />

in der Hand, mit der er herumfuchtelte, während er weiterfluchte und<br />

schimpfte und kaum verständlich fragte, was sie denn wollten, warum<br />

sie ihn störten.<br />

Katharina bekam es mit der Angst zu tun, auch Stefan fühlte sich<br />

nicht mehr wohl in seiner Haut. Doch Großvater blieb ruhig. „Meine<br />

Enkeltochter hat ganz in der Nähe ein kleines Kätzchen gefunden. Wir<br />

wollten nur fragen, ob diese Katze vielleicht ihnen gehört.“ Dabei zeigte<br />

Großvater auf das Kätzchen, das Katharina fest an die Brust gedrückt<br />

hielt.<br />

Der Mann nahm einen kräftigen Schluck <strong>aus</strong> der Flasche, rülpste laut<br />

und heftig und meinte: „Ach ja, eine vom letzten Wurf. Hab’ sie rübergeworfen<br />

ins Feld. Gefällt mir nicht! Tigerkatzen bringen Unglück! Drei<br />

andere hab’ ich in der Jauchegrube ertränkt. Die fressen mich ja arm, die<br />

Sauviecher!“ Wieder tat er einen Schluck. Und wieder rülpste er laut.<br />

„Dann darf ich die Katze behalten?“, fragte Katharina vorsichtig und<br />

kleinlaut.<br />

Der Mann torkelte hin und her, starrte auf das Kätzchen in Katharinas<br />

Armen und brummte dann schwer verständlich: „Gut, sehn Euro,<br />

nein, swanzig Euro, und wir san kwitt!“<br />

Katharina schaute Opa an. Der zog die Brieftasche <strong>aus</strong> der Hose,<br />

nahm einen Zehneuroschein und drückte ihn dem Mann in die Hand.<br />

„Hier! Kannst dir die nächste Flasche Schnaps kaufen. Und jetzt kommt,<br />

Kinder!“<br />

Auf dem Weg nach H<strong>aus</strong>e kamen sie – Katharina, Stefan und der<br />

Otto-Opa – wieder bei der alten Frau Lili vorbei, die vor dem H<strong>aus</strong> die<br />

vom Regen und Sturm angerichtete Unordnung zusammenräumte. Ob<br />

sie Lust auf eine weitere Tasse Tee hätten, fragte sie.<br />

„Nein, danke!“, riefen die Kinder wie <strong>aus</strong> einem Mund. Otto-Opa<br />

erklärte Lili, wo sie den Besitzer des Kätzchens gefunden haben. Und<br />

fragte, ob sie diesen Mann kenne.<br />

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