Mitteilungen DMG 03 / 04 2005 - Deutsche Meteorologische ...
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Vor 100 Jahren flogen die ersten Wetterdrachen<br />
über Lindenberg<br />
Hans Steinhagen<br />
Vor einem Jahrhundert, am 4. April 1905 nahm das<br />
Königlich Preußische Aeronautische Observatorium<br />
Lindenberg, dessen Gründer Richard Aßmann war,<br />
seine praktische Arbeit auf. Damals spielten sich<br />
in dem Grenzgebiet zwischen den beiden Dörfern<br />
Lindenberg und Herzberg im Landkreis Beeskow-<br />
Storkow seltsame Dinge ab. Auf den Kalkbergen<br />
versuchten Männer aus Berlin, die nur wenige Tage<br />
zuvor in die noch nicht ganz fertiggestellten Wohnhäuser<br />
am Nordrand Lindenbergs eingezogen waren,<br />
fieberhaft Drachen und Ballone aufsteigen zu<br />
lassen. Als am Morgen des 4. April nur ein schwacher<br />
Westwind von 2 m/s über das wolkenbedeckte<br />
Land strich, entschied sich Aßmann, die erste Sondierung<br />
um 10:29 Uhr mit einem 10 m 3 großen, mit<br />
Wasserstoff gefüllten Kugelballon auszuführen. Ein<br />
unter dem Ballon angebrachtes Messgerät registrierte<br />
Temperatur, Feuchte und Druck in verschiedenen<br />
Höhen über dem Erdboden. Da das für das Auflassen<br />
von Drachen und Fesselballonen speziell konstruierte<br />
drehbare Windenhaus zu diesem Zeitpunkt<br />
noch nicht fertiggestellt war, mussten die Männer<br />
Abb. 1: Erster Drachenaufstieg am 5. April 1905 in Lindenberg.<br />
den Draht von einer Handwinde abwickeln, um den<br />
daran befestigten Kugelballon aufsteigen zu lassen.<br />
In nur 7 Minuten erreichte der Ballon die Wolkendecke<br />
in 870 m Höhe. Die Messgeräte registrierten<br />
hier eine Temperatur von –1° und eine Feuchtigkeit<br />
von 90 %, während am Boden Werte von 6° und<br />
68 % gemessen wurden. Am darauffolgenden Tag<br />
hatte sich die Wetterlage geändert. Ein kräftiger<br />
Westwind wehte mit 8 m/s. Das war ideales Dra-<br />
forum<br />
Abb. 2: Start eines Lindenberger Normaldrachens (oben) und eines Lindenberger<br />
Schirmdrachens (unten).<br />
chenwetter, so dass Aßmann einen kleinen Drachen<br />
mit einer Fläche von 4 m 2 als Träger für die meteorologischen<br />
Messgeräte einsetzte. Der Drachen erreichte in<br />
400 m Höhe die tiefliegende Wolkendecke. Dann war<br />
er den Blicken der Beobachter durch die Wolken entzogen.<br />
Jedoch konnte der Meteograph um 12:20 Uhr in<br />
einer Höhe von 1310 m eine Temperatur von 9,2° und<br />
eine Windgeschwindigkeit bis 15 m/s registrieren.<br />
Mit diesen ersten Aufstiegen eines Kugelballons und<br />
eines Drachens begannen in Lindenberg vor einem<br />
Jahrhundert die regelmäßigen Wetterbeobachtungen<br />
der freien Atmosphäre und die hundertjährige Erfolgsgeschichte<br />
eines weltbekannten meteorologischen Observatoriums,<br />
dessen Aufgabe von Anfang an bis heute<br />
die Erforschung der freien Atmosphäre war und ist.<br />
Wie kam man nun vor hundert Jahren dazu, gerade in<br />
Lindenberg ein Aeronautisches Observatorium zu errichten?<br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>03</strong>/<strong>04</strong> <strong>2005</strong><br />
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