22.12.2012 Aufrufe

Mitteilungen DMG 03 / 04 2005 - Deutsche Meteorologische ...

Mitteilungen DMG 03 / 04 2005 - Deutsche Meteorologische ...

Mitteilungen DMG 03 / 04 2005 - Deutsche Meteorologische ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

14<br />

forum<br />

Die von Richard Aßmann von 1888 bis 1899 organisierten<br />

Berliner wissenschaftlichen Luftfahrten mit<br />

Freiballonen hatten der Meteorologie eindrucksvoll<br />

den Weg in die dritte Dimension eröffnet und zum<br />

Verständnis über die Schichtung der Atmosphäre beigetragen.<br />

Aßmann, der zu diesem Zeitpunkt als Vorsteher<br />

der Abteilung für Gewitter und außerordentliche<br />

atmosphärische Vorkommnisse am <strong>Meteorologische</strong>n<br />

Institut in Berlin agierte, entwickelte den Plan zur<br />

kontinuierlichen Sondierung der freien Atmosphäre<br />

mittels Drachen und Drachenballonen, um mit diesen<br />

Daten die Wetterprognose substanziell zu verbessern.<br />

Dazu wurde am 1. April 1899 am <strong>Meteorologische</strong>n<br />

Institut in Berlin zunächst eine Aeronautische Abteilung<br />

und ein Jahr darauf in Berlin-Tegel nördlich des<br />

heutigen Kurt-Schumacherdamms das Aeronautische<br />

Observatorium gegründet und bereits am 1. Oktober<br />

1899 mit den ersten Sondierungen begonnen. Aßmann<br />

und seine Mitstreiter begegneten jedoch einer Vielzahl<br />

von Schwierigkeiten, die bald zu einer ernüchternden<br />

Bilanz führten. So stellte sich heraus, dass durch den<br />

anliegenden Kiefernwald der Wind abgeschwächt wurde<br />

und darüber meist Luftwirbel auftraten, die den Start<br />

von Drachen außerordentlich erschwerten und teilweise<br />

unmöglich machten. Man versuchte nun spezielle<br />

Drachen zu entwickeln, die bei den schwierigen Bedingungen<br />

günstigere Eigenschaften aufwiesen. Aber die<br />

Drachenherstellung blieb lange Jahre ein Kunsthandwerk.<br />

Als der tägliche Umgang mit den Drachen und Drachenballonen<br />

und die Vervollkommnung der Materialien<br />

zu zufriedenstellenden Ergebnissen führte, stellten<br />

sich andere Hindernisse in den Weg, die die Existenz<br />

dieser gerade geschaffenen Einrichtung bedrohten. So<br />

wurden bei den Drachenaufstiegen die sogenannten<br />

Abreißer zu einem ernsthaften Problem, weil der Drachendraht<br />

bei großem Zug oft an seiner schwächsten<br />

Stelle riss. Die Drachen flogen dann auf und davon und<br />

mussten durch aufwändige Drachenjagden gesucht<br />

und heimgeführt werden. Nicht in jedem Fall konnten<br />

die Mitarbeiter des Observatoriums bei derartigen Drachenjagden<br />

vor Ort sein. So kam es wiederholt dazu,<br />

dass sich die Knaben von Reinickendorf in erbitterten<br />

Schlägereien um die Drachen und deren Messgeräte<br />

stritten, weil für deren Auffindung eine Belohnung<br />

ausgesetzt war. Gefährlich wurde es, wenn der widerspenstige<br />

Drachendraht in wilden Schlingen von dem<br />

noch in der Luft befindlichen Drachen über den Boden<br />

geschleift wurde. So schlang sich am 26. Juli 1900<br />

eine Drahtschlinge um das Bein des drachenjagenden<br />

elfjährigen Richard Stolpe. Durch den plötzlichen<br />

starken Zug des Drachen durchtrennte der Draht den<br />

Unterschenkel bis auf den Knochen. Nach mehreren<br />

Krankenhausaufenthalten seines Sohnes klagte der Vater<br />

Stolpe für seinen Sohn eine lebenslange Rente ein.<br />

Allerdings wies das Gericht diese Klage ab.<br />

<strong>Mitteilungen</strong> <strong>03</strong>/ <strong>04</strong> <strong>2005</strong><br />

Bei den Drachenaufstiegen<br />

in Berlin-<br />

Tegel stellten die<br />

Oberleitungen der<br />

Straßenbahnen ein<br />

weiteres Gefahrenpotenzial<br />

dar. Seit<br />

1898 erfolgte ein<br />

rasanter Ausbau<br />

des Straßenbahnnetzes,<br />

das nach der<br />

Jahrhundertwende<br />

auch die AußenbezirkeReinickendorf<br />

und Tegel<br />

erreichte. Obwohl<br />

die Grosse Berliner<br />

Strassenbahn- Abb. 3: Start eines Fesselballons für die<br />

Gesellschaft auf Sondierung bei windschwachen Wetter-<br />

ihre Kosten in Reilagen.nickendorf und Tegel<br />

Schutzvorrichtungsanlagen errichten ließ, die<br />

im Falle eines Drachen-Abreißers den niederfallenden<br />

Draht von den Oberleitungen der<br />

Straßenbahn abhalten sollten, kam es am 4. März<br />

19<strong>03</strong> zu einem schweren Unglücksfall, als ein<br />

Drachengespann mit 4 Drachen abriss. Der Drachendraht<br />

legte sich über die Straßenbahn- und<br />

Telefonleitungen und verletzte eine Telefonistin<br />

des Fernsprech-Vermittlungsamtes Reinickendorf-<br />

Ost lebensgefährlich. Bei Kurzschlüssen fielen<br />

wiederholt meterlange Stücke des brennenden bzw.<br />

weißglühenden Drahtes auf die Straße herab und<br />

stellten eine ernsthafte Gefahr für Bewohner und<br />

Passanten dar.<br />

Schließlich kam es auch mit den anliegenden militärischen<br />

Einrichtungen zu einer Vielzahl von Zwischenfällen.<br />

Dies betraf einerseits die Truppenübungen<br />

auf dem militärischen Gelände, wo sich Pferde<br />

in den niedergefallenen Drachendrähten verhedderten<br />

und zu Schaden kamen. Andererseits begann das<br />

Luftschiffer-Bataillon 1902 in Tegel mit Ballonexperimenten<br />

zur militärischen Nutzung der drahtlosen<br />

Telegraphie. In der Folge kam es zu Verschlingungen<br />

militärischer Fesselballone mit den Drachendrähten<br />

des Observatoriums. Als das Kriegsministerium<br />

zu Beginn des Jahres 1902 den Eigenbedarf<br />

des Observatoriumsgeländes für seine militärischen<br />

Erprobungen der drahtlosen Telegraphie erkannte,<br />

kündigte es kurzerhand den Pachtvertrag des gerade<br />

aufgebauten Aeronautischen Observatoriums in Berlin-Tegel.<br />

So war Aßmann gezwungen, sich einen<br />

neuen Platz für seine Experimente zu suchen, den<br />

er nach langem Suchen endlich in Lindenberg fand.<br />

Das Preußische Abgeordnetenhaus stimmte auf seiner<br />

52. Sitzung am 14. April 19<strong>04</strong> dem Neubau eines

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!