März 2021 - coolibri
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INTERVIEW<br />
Klappt doch<br />
Poetryisnot dead.Jason Bartsch istein lebender Beweis dafür.<br />
Die einen lernenfürs Abi–der gebürtige Solinger bereist schon<br />
die knartschenden Bretter der Nation undsackt mit18Jahren<br />
denPreis fürNachwuchstalenteein.Seitdemgeht’sschnurstracksRichtungRuhm<br />
und Erfolg,auchmit eigenerMusik.<br />
Christopher Filipecki hatmit demWahl-Bochumerüber unterschiedlichsteEmotionen<br />
im Lockdown gesprochen.<br />
JasonBartsch<br />
Foto: Jakob Kielgass<br />
<strong>2021</strong> läuft. Merkstduschon einenUnterschied zu 2020?<br />
Ja,eswirdanstrengender. Ichhab‘das Gefühl, dass derzweite, harte<br />
Lockdown mirpersönlichnochnäher geht als dererste. Eine richtige Ausdauerprobe<br />
gerade.Währenddessen vielebereits im ersten Lockdown<br />
letzten<strong>März</strong>ihreProblemehatten, geht es beimir jetzterstrichtig los. Ich<br />
habekeine Lust mehr spazierenzugehen,ich finde spazierenscheiße<br />
undhasse alles daran. Leider nützt dasAlles nichts.Ich hoffe, dass nach<br />
derdunkelsten Finsternis bald wieder Lichtkommt.Beruflich sehe ichda<br />
keinen Unterschied zumVorjahr.Die Live-KulturfindetseitOktober gar<br />
nichtmehrstatt,Streaming-Veranstaltungenfunktionieren selten –nur<br />
dann,wennsie richtiggut gemacht sind.Und selbst,wennsie gutgemacht<br />
sind,zeigen sieeigentlich nurauf,was gerade wirklich fehlt. Interaktionenzwischen<br />
Künstlern undPublikum zum Beispiel.<br />
Wiehat sich das Arbeiten seit <strong>März</strong>2020für dich verändert?<br />
Als Musikerhastdumehrere Phasen.Die erstebeginntdamit,<br />
dass du Songsschreibst undvorbereitest. Dasist eine schöne<br />
Phase, dienormalerArbeitrecht nahekommt.Meine Band undich sind<br />
da diszipliniertund machendas wirklichregelmäßigund vernünftig.Dann<br />
kommt diePhase,die ichtotal hasse, dasist diegesamte Aufnahme –<br />
auch wenn sieein paar schöneMomente haben kann –und besonders<br />
dasVerkaufen,Investieren unddie Promo. Ichhasse echtalles daran. Allein<br />
derGedanke, dass ichMusikvideosmachenmuss, machtmichaggressiv<br />
undindem Moment möchteich für immeraufhören. Aber dann<br />
kommt dieTour, unddafür arbeitet man! Dasmacht so Spaß.Die Leutezu<br />
sehen, wiesie dieLiederhörenund mitsingenund dasKennenlernendieserLeute<br />
isteinfach dasSchönste–undgenau daswurde mittendrin abgeschnitten.<br />
Stimmt,deinAlbum „EineIdeefür das Klappenaller Dinge“ kamAnfang<br />
Januar. Nichtder besteZeitpunkt…<br />
Obwohl dieTournicht so stattfindenkonnte, war dieAlbumveröffentlichunggenau<br />
zum richtigenMoment, weil ichnochnie so vieleLeute hatte,<br />
diemichsupportet haben undhintermir standen. Je länger manwartet,<br />
destohöher wirdauch derAnspruchandie Songs. Manchmal sollte man<br />
Sachen auch einfachgut sein lassenund raushauen, stattpermanent zu<br />
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verbessern undzuschieben. Dann lieber dasPublikum dabeizusehen lassen,<br />
wieich mich entwickele.Ich möchteeinegeringe Schwelle zwischen<br />
denZuschauernund mir.Ich habeviele Kollegenanihrer eigenenPerfektion<br />
zerschellensehen,einfach, weil sienicht loslassenkönnenund immer<br />
alles nochmalüberarbeiten.<br />
„Alleinder Gedanke, dass ich<br />
Musikvideos machen muss,<br />
machtmichaggressiv.“<br />
Immerhin konntenein paar Gigs mitden Songsstattfinden!<br />
WirhattenriesigesGlück undkonnten denerstenTourblock bisMitte Februar<br />
noch spielen.Der,der im <strong>März</strong>/April laufen sollte,wurde verschoben<br />
undwirdessogar weiterhin.Der ZusatzblockimHerbstwurde komplett<br />
abgesagt.Bei spontanenoderauch vorrausschauenden Absagen, dienötigsind,<br />
binich auch absolut verständnisvollund zeigemichflexibel.<br />
Schlimm istes, wenn dann diewenigen möglichen,gut<br />
organisiertenKonzerteauch noch abgesagt<br />
werden müssen, weil andere Faktoren dazu<br />
kommen.Beispielsweise eine Beschwerde vonAnwohnernwegender<br />
Lautstärke.Ich weiß,dasssolche<br />
Absagenein paar Freundeund Kollegenvon<br />
mir finanziellechttreffen,weilsie eh schon an derArmutsgrenzeleben.<br />
Ichhabeschnell für mich akzeptiert,dassdie Pandemie eineinschneidendesErlebnis<br />
ist, dassichübereinelange Zeit ziehen wird. Daszuakzeptieren,hat<br />
mir geholfen, mitden ganzen Absagenauch emotionalbesser<br />
umgehenzukönnen. Dadurchkonnten wir im Sommer dann auch schon<br />
mitdem Schreiben neuerSongs wieder anfangen…<br />
Ach, ihrarbeitetschon am 3. Album?<br />
Ja,wir habeneinfachwiedervorne angefangen.Die schöne Tourphasehabenwir<br />
quasiübersprungenund direkt wieder mitPhase eins begonnen,<br />
für diewir dafür jetzt aber eben viel mehr Zeit haben.Wir nehmen unsdiese<br />
auch undprobierenvielaus.Und ichmache zum Glücknicht nurMusik,<br />
sondern genausoanderes.Beispielsweise habeich wieder angefangen zu<br />
studieren.<br />
Ichhabegemerkt,dassmichCoronadermaßen drögegemacht hatund<br />
ichirgendwas machenmusste. DieEntscheidungzustudieren, war genau<br />
dierichtigeund hatmir in denletzten Monatensehrgutgetan. Es hatauch<br />
geholfen, nochmalzusehen,dassvon Kultur zu lebenzwar einwahrgewordener<br />
Traumist,esabernicht dieeinzige Welt ist, dieeinem etwasgebenkann.