Bildungspraxis 01/2021
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AUSBILDUNG<br />
ANTONIUS<br />
KAPPE,<br />
61 Jahre, ist Ausbildungsleiter<br />
des<br />
Ausbildungszentrums<br />
im Chemiepark Marl<br />
in Nordrhein-Westfalen,<br />
der vom Unternehmen<br />
Evonik<br />
betrieben wird.<br />
„Im März 2020 wurden auch wir durch die erste Corona-Welle überrascht. Vier Wochen lang lernten<br />
fast alle unserer 650 Azubis im Homeoffice, nur die wichtigsten prüfungsrelevanten Lehrgänge fanden<br />
unter strengen Vorkehrungen im Ausbildungszentrum statt. Zum Glück hatten wir bereits seit<br />
2<strong>01</strong>7 allen neuen Auszubildenden, vom Chemikant bis zur Bürokauffrau, ein Tablet zur Verfügung<br />
gestellt und seit 2002 eine E-Learning-Plattform, auf der alle Lerninhalte auch in digitalisierter Form<br />
verfügbar sind. Dennoch: Es war nicht einfach, denn bei uns geht es vor allem um die Vermittlung<br />
praktischer Kompetenzen, die man nur ansatzweise am Bildschirm vermitteln kann. Seit dem Sommer<br />
arbeiten wir in Wechselschichten, die Azubis arbeiten den halben Tag zu Hause und die andere<br />
Hälfte bei uns. So können wir die Gruppen klein halten. Bei uns gelten strenge Vorschriften, wir<br />
haben schon seit September Maskenpflicht eingeführt und es gilt, mindestens zwei Meter Abstand zu<br />
halten. Wer Kontakt mit Infizierten hatte oder selbst positiv getestet ist, muss erst einmal zu Hause<br />
bleiben. Das bedeutet, dass wir derzeit ziemlich flexibel sein müssen. Zum Glück zeigen die letzten<br />
Prüfungen, dass die Auszubildenden trotz der Veränderungen gut lernen. Auszubildende, das Ausbildungspersonal<br />
und nicht zuletzt auch die Berufskollegs, alle sind trotz der Situation hoch motiviert<br />
und leisten gute Arbeit. Wir haben ohnehin seit jeher eine sehr enge Verbindung zu den Schulen und<br />
nutzen diese für die Abstimmung der Ausbildungsinhalte. Nach Corona wird es schwierig sein, alle,<br />
Auszubildende wie Ausbildungspersonal, wieder an die normalen Abläufe zu gewöhnen. Das ist es,<br />
was durch Corona derzeit am meisten fehlt – eine Routine der Abläufe und eine feste Struktur.“<br />
WINFRIED BOLDT,<br />
63 Jahre, ist gelernter<br />
Schilder- und Lichtreklamenhersteller<br />
und Maler.<br />
Er unterrichtet Gestaltung<br />
und Sport am Regionalen<br />
Berufsbildungszentrum<br />
Flensburg Eckener Schule.<br />
„Wie letztes Jahr haben wir diesen Winter wegen Corona<br />
auf Fernlernen umgestellt. Das läuft am Beruflichen<br />
Gymnasium auch ganz gut. Einige Schülerinnen<br />
und Schüler lieben es sogar – oft die, die sonst eher<br />
schüchtern sind. Viele Schülerinnen und Schüler finden<br />
aber, dass es zu viele Aufgaben gibt einige Lehrkräfte<br />
in den Videokonferenzen weniger erklären.<br />
Das wollen wir ändern. Zudem ist es für die Jugendlichen<br />
schwierig, konzentriert zu bleiben, wenn sie<br />
den ganzen Tag am Laptop sitzen. An der Berufsfachschule<br />
ist es momentan noch schwieriger – denn dort<br />
gibt es eine herausfordernde Schülerklientel, die wir<br />
ausbildungsreif machen müssen. Die Schülerinnen<br />
und Schüler kommen oft aus schwierigen Verhältnissen,<br />
hatten an ihrer alten Schule Schwierigkeiten oder<br />
haben psychische Probleme. Vielen fehlt die direkte<br />
persönliche Anleitung sehr. Die kann ich aber nur begrenzt<br />
bieten, auch wenn ich mit meiner Dokumentenkamera<br />
versuche, was ich kann. Außerdem fällt<br />
vielen die Selbstorganisation schwer, zudem ist ihre<br />
technische Ausstattung oft schlechter und manche<br />
sind auch weniger motiviert. Einige Schüler/-innen,<br />
die normalerweise durchgekommen wären, werden<br />
mir dieses Schuljahr verloren gehen, das kann ich<br />
jetzt schon absehen. Das finde ich sehr schade.“<br />
MOANA BAUER,<br />
41 Jahre, ist Ausbilderin in der Filiale einer Drogeriekette<br />
in München. Zudem ist sie Prüferin bei der IHK.<br />
„Wir bilden in unserer Filiale derzeit zwei Drogistinnen im<br />
ersten und zweiten Lehrjahr aus. Wir hatten unsere Filiale<br />
im ersten und zweiten Lockdown durchgehend offen, sodass<br />
wir die Ausbildung nicht stark umstellen mussten. Wir<br />
achten darauf, Abstand zu halten und uns nicht unnötig in<br />
kleinen Räumen aufzuhalten. Unterweisungen und das Besprechen<br />
von Fachberichten werden in der Regel im Besprechungsraum<br />
durchgeführt. Hier achten wir darauf, dass alle<br />
Masken tragen und wir regelmäßig lüften. Die Auszubildenden<br />
zu Hause an ihren Berichten arbeiten zu lassen, hat sich<br />
für uns nicht bewährt – gerade im ersten Lehrjahr brauchen<br />
sie persönliche Anleitung und es ist besser, wenn wir Fragen<br />
direkt beantworten können. Mittlerweile haben wir uns ganz<br />
gut an die Situation gewöhnt. Schwieriger ist die Lage in der<br />
Berufsschule: Gute Schülerinnen und Schüler kommen mit<br />
Schulschließungen und Fernlernen klar, aber einige werden<br />
sicher auch zurückfallen. Da unsere Filiale in einem Einkaufszentrum<br />
liegt, haben wir jetzt durch die Schließungen<br />
anderer Geschäfte weniger Kunden. Für die Ausbildung ist<br />
das nicht unbedingt schlecht, denn bei bestimmten Themenbereichen<br />
kann man mehr in die Tiefe gehen.“<br />
Fotos: privat (3)<br />
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