Filmakademie Baden-Württemberg Campus Magazin 20/21
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ALUMNI IM FOKUS<br />
wird oft zu schnell gejammert. Natürlich verkompliziert<br />
diese neue Situation Vieles und infolgedessen geht<br />
es langsamer voran als unter „normalen“ Bedingungen.<br />
Dies ist zum Beispiel bei meiner aktuellen Produktion<br />
der Fall, da sie fast ausschließlich in einem Flugzeug<br />
spielt. Cast und Crew befinden sich hier für 10 Stunden<br />
und mehr auf engstem Raum. Die Mund- und Nasebedeckungen<br />
machen es natürlich nicht leichter, an den sowieso<br />
schon begrenzten Sauerstoff zu kommen. Ich bin<br />
jedoch davon überzeugt, dass das Tragen der Masken essenziell<br />
ist, vor allem, wenn Abstandsregeln nicht eingehalten<br />
werden können.<br />
versuchen wir stets, so viel Vorbereitungszeit wie möglich<br />
mit allen Departments einzuräumen. Erst erarbeiten<br />
wir gemeinsam ein visuelles Konzept. Dann erstelle ich<br />
in Abstimmung mit Burhan die Storyboards sowie eine<br />
detaillierte Auflösung für den gesamten Film. Von hier<br />
an gibt es keine Zufälle mehr oder zumindest wissen wir<br />
ziemlich genau, wo die Reise hingehen soll.<br />
NOCH EINMAL ZU BERLIN ALEXANDERPLATZ: AB<br />
WELCHEM PROJEKTSTADIUM WARST DU INVOL-<br />
VIERT UND WIE LIEF DIE ARBEIT AB?<br />
Verhältnismäßig spät! Regisseur Burhan Qurbani und ich<br />
arbeiten schon seit langem miteinander und normalerweise<br />
bin ich ab der ersten Idee in seine Projekte involviert.<br />
Seit unserem gemeinsamen Studium an der FABW<br />
haben wir viele Kurzfilme und drei Spielfilme miteinander<br />
gedreht. Außerdem sind wir privat gut befreundet.<br />
Nach WIR SIND JUNG, WIR SIND STARK hatten wir<br />
eine „Beziehungskrise“. Burhan wollte sich nach neuem<br />
Input und einem neuen Kameramann umsehen. Ich<br />
war ebenfalls der Meinung, dass das keine schlechte Idee<br />
sei. Als Kameramann wächst du daran, mit vielen verschiedenen<br />
Regisseuren zu arbeiten. Es hilft dir sozusagen,<br />
deinen Horizont zu erweitern. Für Regisseure trifft<br />
dies genauso zu.<br />
Letztlich ergab es sich, dass wir bei unseren privaten<br />
Treffen doch über das Projekt redeten und irgendwann<br />
war ich wieder an Board. Zu diesem Zeitpunkt hatte<br />
Burhan bereits fantastische Vorarbeit geleistet und einen<br />
Ordner mit über 4.000 Mood-Bildern gesammelt. Ich<br />
musste nur noch das Drehbuch durchgehen und die jeweiligen<br />
Stimmungen aus den Bildern auswählen. Das<br />
war die perfekte Diskussionsgrundlage für alle weiteren<br />
kreativen Entscheidungen und die Konzeption des visuellen<br />
Stils mit den anderen Departments. Burhan und<br />
ich lieben es, Filme am Reißbrett zu gestalten. Deshalb<br />
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DER ROMAN BERLIN ALEXANDERPLATZ IST EIN<br />
KLASSIKER, VON RAINER WERNER FASSBINDER<br />
UND PHIL JUTZI VERFILMT. BESONDERS FASS-<br />
BINDERS FILME ZEICHNETEN SICH JA DURCH ÄU-<br />
SSERST LANGE KAMERAEINSTELLUNGEN IN EI-<br />
NER OFT BEDRÜCKENDEN KAMMERSPIELARTIGEN<br />
ATMOSPHÄRE AUS. WIE KAM ES ZU DEINEM FIL-<br />
MISCHEN LOOK? WARUM DIESE GRELLBUNTEN<br />
FARBEN IM GEGENSATZ ZU DEN OFT ENTSÄTTIG-<br />
TEN BILDERN DES NEUEN DEUTSCHEN FILMS?<br />
„Gegensatz“ ist hier das Schlüsselwort. Es ging darum,<br />
einen Kontrast zu den bereits existierenden Filmen zu<br />
schaffen. Die beiden vorangegangen Verfilmungen sind<br />
historisch, die eine schwarz-weiß und die andere, für<br />
ihre Zeit, ungewöhnlich dunkel. Wir wollten eine moderne<br />
Geschichte im Berlin der Gegenwart erzählen<br />
und dem Film einen gewissen Glanz geben, der den Zuschauer<br />
magisch anzieht. Es ist ein Drama über einen<br />
schwarzen Geflüchteten, was kaum aktueller und wichtiger<br />
sein könnte. Aber wen interessiert das noch? Wie<br />
die Motte, die vom hellen Schein angezogen wird und<br />
sich am glühenden Kern verbrennt, wollten wir den Zuschauer<br />
mit einem drama-untypischen Look anlocken.<br />
Das, was er am Ende bekommt, ist vielleicht nicht das,<br />
was er anfangs erwartet hat.