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doktorinwien 2021/07

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SERVICE MEDIZIN<br />

Anorektale Fehlbildungen<br />

Helping Hands<br />

Carlos A. Reck-Burneo ist Facharzt für Kinderchirurgie mit Spezialisierung in pädiatrischen Kolorektalerkrankungen.<br />

Er schenkt Kindern Lebensqualität und macht sich für das Thema anorektale<br />

Fehlbildungen stark, welches oft mit Scham behaftet und deswegen noch weitgehend unbekannt ist.<br />

Von Kathrin McEwen<br />

► Angefangen hat es, wie so oft im<br />

Leben, mit einem Zufall. Carlos<br />

A. Reck-Burneo, in Ecuador geboren,<br />

hat während seiner Medizinausbildung<br />

in Südamerika auch eine Zeit in einem<br />

großen Kinderspital auf der Kinderchirurgie<br />

verbracht, da sei ihm das erste<br />

Mal der Bereich anorektale Fehlbildungen<br />

aufgefallen, „besonders, dass er<br />

unterversorgt war und man oft nicht<br />

recht wusste, was zu tun war“. Dabei<br />

lernte er einen Spezialisten aus den<br />

USA kennen, bei dem er dann auch eine<br />

Zeit lang ausgebildet wurde. Nach und<br />

nach wurde ihm bewusst, dass dieser<br />

Bereich sowohl medizinisch als auch<br />

chirurgisch für ihn sehr interessant und<br />

herausfordernd war. Als er dann nach<br />

Österreich kam, sah er, dass es auch hier<br />

noch an Fachleuten mangelte und erkannte,<br />

dass er mit seinem Wissen auch<br />

in anderen Ländern helfen konnte.<br />

geboren werden, und Harnröhre, Vagina<br />

und Rektum rekonstruiert werden<br />

müssen. Dieses Spektrum mache diese<br />

Fachspezialisierung auch so herausfordernd,<br />

denn „es geht nicht nur um die<br />

Operation, sondern auch besonders um<br />

das Davor und Danach“. Manchmal<br />

reiche eine Operation bei Neugeborenen,<br />

bei anderen Fällen seien zumindest<br />

drei notwendig.<br />

lebens lange Behandlung benötigen“,<br />

erzählt der Kinderchirurg.<br />

Bei leichteren Fällen könne man das<br />

Problem gleich nach der Geburt korrigieren,<br />

bei komplexeren Fällen wird<br />

zunächst ein Stoma gemacht, um dann<br />

eine eingehende Diagnostik vorzunehmen,<br />

in späteren Operationen zu korrigieren<br />

und letztendlich das Stoma<br />

zu verschließen. Anders als viele an-<br />

Breites Spektrum<br />

Unter dem Oberbegriff „anorektale<br />

Fehlbildungen“, auch anorektale Malformation<br />

oder Analatresie, sind angeborene<br />

Fehlbildungen des Mast-/Enddarms,<br />

Afters oder des Genitalbereichs<br />

zusammengefasst. Kinder, die mit einer<br />

anorektalen Fehlbildung geboren werden,<br />

haben keine anale Öffnung; das<br />

heißt, der Mastdarm beziehungsweise<br />

der After ist nicht oder nur unzureichend<br />

ausgebildet. Oft besteht eine<br />

Verbindung (Fistel) zwischen Mastdarm<br />

und den Harnwegen und/oder<br />

den Geschlechtsorganen. Außerdem<br />

kann auch die Schließmuskulatur ganz<br />

oder teilweise fehlen. „Es ist nicht eine<br />

Erkrankung, sondern es gibt ein Spektrum<br />

von einfachen bis sehr komplexen<br />

Ausprägungen“, erklärt der Kinderchirurg.<br />

Bekannt seien etwa auch die<br />

sogenannten „Kloakenfehlbildungen“.<br />

Von dieser Fehlbildung sind Mädchen<br />

betroffen, die mit nur einem Ausgang<br />

Carlos A. Reck-<br />

Burneo: „Es geht<br />

nicht nur um die<br />

Operation, sondern<br />

auch besonders<br />

um das Davor und<br />

Danach.“<br />

Meist entstehen diese Fehlbildungen<br />

in der Frühphase der Schwangerschaft,<br />

aber über die genaue Ursache ist wenig<br />

bekannt. Bisher gibt es auch keine<br />

medizinischen Studien, die eine genetische<br />

Abhängigkeit belegen. „Es ist<br />

nicht bekannt, dass dieses Problem mit<br />

einem speziellen genetischen Defekt<br />

oder Krankheit verbunden ist, aber es<br />

gibt manche Assoziationen, wo dann<br />

verschiedenen Fehlbildungen auftreten“,<br />

so Reck-Burneo.<br />

Seltene Erkrankung<br />

Die Analatresie oder anorektale Fehlbildung<br />

gehört zu den seltenen Erkrankungen<br />

und kommt bei einem<br />

von 3500 bis 5000 Neugeborenen<br />

vor. „Wir behandeln am AKH Wien<br />

im Jahr um die vier bis fünf Fälle<br />

von Neugeborenen und zehn bis 15<br />

Fälle von Kindern, die oft woanders<br />

schon vorbehandelt wurden, aber eine<br />

dere Fehlbildungen ist die Analatresie<br />

selbst bisher im vorgeburtlichen Ultraschall<br />

aber nicht zuverlässig zu erkennen.<br />

Dadurch werden Eltern von der<br />

Diagnose meist überrascht und sind<br />

nicht darauf vorbereitet, dass ihr Kind<br />

mit einer Fehlbildung geboren wird.<br />

Manchmal lassen sich während der<br />

Schwangerschaft Begleitfehlbildungen,<br />

wie zum Beispiel zwei statt drei Nabelschnurgefäße,<br />

eine statt zwei Nieren,<br />

fehlgebildete Nieren, eine auffällige<br />

Entwicklung der Blase, des Genitals<br />

oder des Herzens, eine Fehlbildung der<br />

Wirbelsäule oder ein erweiterter Darm<br />

feststellen. Diese Fehlbildungen treten<br />

häufig zusammen mit einer Analatresie<br />

auf und können auf eine anorektale<br />

Fehlbildung hinweisen. Carlos A.<br />

Reck-Burneo: „Aber den Schweregrad<br />

und die genaue Art der Fehlbildungen<br />

kann man erst diagnostizieren, wenn<br />

das Kind geboren ist.“<br />

Fotos: Helping Hands for Anorectal Malformations<br />

28 doktor in wien <strong>07</strong>_08_<strong>2021</strong>

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