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SERVICE MEDIZIN<br />
Anorektale Fehlbildungen<br />
Helping Hands<br />
Carlos A. Reck-Burneo ist Facharzt für Kinderchirurgie mit Spezialisierung in pädiatrischen Kolorektalerkrankungen.<br />
Er schenkt Kindern Lebensqualität und macht sich für das Thema anorektale<br />
Fehlbildungen stark, welches oft mit Scham behaftet und deswegen noch weitgehend unbekannt ist.<br />
Von Kathrin McEwen<br />
► Angefangen hat es, wie so oft im<br />
Leben, mit einem Zufall. Carlos<br />
A. Reck-Burneo, in Ecuador geboren,<br />
hat während seiner Medizinausbildung<br />
in Südamerika auch eine Zeit in einem<br />
großen Kinderspital auf der Kinderchirurgie<br />
verbracht, da sei ihm das erste<br />
Mal der Bereich anorektale Fehlbildungen<br />
aufgefallen, „besonders, dass er<br />
unterversorgt war und man oft nicht<br />
recht wusste, was zu tun war“. Dabei<br />
lernte er einen Spezialisten aus den<br />
USA kennen, bei dem er dann auch eine<br />
Zeit lang ausgebildet wurde. Nach und<br />
nach wurde ihm bewusst, dass dieser<br />
Bereich sowohl medizinisch als auch<br />
chirurgisch für ihn sehr interessant und<br />
herausfordernd war. Als er dann nach<br />
Österreich kam, sah er, dass es auch hier<br />
noch an Fachleuten mangelte und erkannte,<br />
dass er mit seinem Wissen auch<br />
in anderen Ländern helfen konnte.<br />
geboren werden, und Harnröhre, Vagina<br />
und Rektum rekonstruiert werden<br />
müssen. Dieses Spektrum mache diese<br />
Fachspezialisierung auch so herausfordernd,<br />
denn „es geht nicht nur um die<br />
Operation, sondern auch besonders um<br />
das Davor und Danach“. Manchmal<br />
reiche eine Operation bei Neugeborenen,<br />
bei anderen Fällen seien zumindest<br />
drei notwendig.<br />
lebens lange Behandlung benötigen“,<br />
erzählt der Kinderchirurg.<br />
Bei leichteren Fällen könne man das<br />
Problem gleich nach der Geburt korrigieren,<br />
bei komplexeren Fällen wird<br />
zunächst ein Stoma gemacht, um dann<br />
eine eingehende Diagnostik vorzunehmen,<br />
in späteren Operationen zu korrigieren<br />
und letztendlich das Stoma<br />
zu verschließen. Anders als viele an-<br />
Breites Spektrum<br />
Unter dem Oberbegriff „anorektale<br />
Fehlbildungen“, auch anorektale Malformation<br />
oder Analatresie, sind angeborene<br />
Fehlbildungen des Mast-/Enddarms,<br />
Afters oder des Genitalbereichs<br />
zusammengefasst. Kinder, die mit einer<br />
anorektalen Fehlbildung geboren werden,<br />
haben keine anale Öffnung; das<br />
heißt, der Mastdarm beziehungsweise<br />
der After ist nicht oder nur unzureichend<br />
ausgebildet. Oft besteht eine<br />
Verbindung (Fistel) zwischen Mastdarm<br />
und den Harnwegen und/oder<br />
den Geschlechtsorganen. Außerdem<br />
kann auch die Schließmuskulatur ganz<br />
oder teilweise fehlen. „Es ist nicht eine<br />
Erkrankung, sondern es gibt ein Spektrum<br />
von einfachen bis sehr komplexen<br />
Ausprägungen“, erklärt der Kinderchirurg.<br />
Bekannt seien etwa auch die<br />
sogenannten „Kloakenfehlbildungen“.<br />
Von dieser Fehlbildung sind Mädchen<br />
betroffen, die mit nur einem Ausgang<br />
Carlos A. Reck-<br />
Burneo: „Es geht<br />
nicht nur um die<br />
Operation, sondern<br />
auch besonders<br />
um das Davor und<br />
Danach.“<br />
Meist entstehen diese Fehlbildungen<br />
in der Frühphase der Schwangerschaft,<br />
aber über die genaue Ursache ist wenig<br />
bekannt. Bisher gibt es auch keine<br />
medizinischen Studien, die eine genetische<br />
Abhängigkeit belegen. „Es ist<br />
nicht bekannt, dass dieses Problem mit<br />
einem speziellen genetischen Defekt<br />
oder Krankheit verbunden ist, aber es<br />
gibt manche Assoziationen, wo dann<br />
verschiedenen Fehlbildungen auftreten“,<br />
so Reck-Burneo.<br />
Seltene Erkrankung<br />
Die Analatresie oder anorektale Fehlbildung<br />
gehört zu den seltenen Erkrankungen<br />
und kommt bei einem<br />
von 3500 bis 5000 Neugeborenen<br />
vor. „Wir behandeln am AKH Wien<br />
im Jahr um die vier bis fünf Fälle<br />
von Neugeborenen und zehn bis 15<br />
Fälle von Kindern, die oft woanders<br />
schon vorbehandelt wurden, aber eine<br />
dere Fehlbildungen ist die Analatresie<br />
selbst bisher im vorgeburtlichen Ultraschall<br />
aber nicht zuverlässig zu erkennen.<br />
Dadurch werden Eltern von der<br />
Diagnose meist überrascht und sind<br />
nicht darauf vorbereitet, dass ihr Kind<br />
mit einer Fehlbildung geboren wird.<br />
Manchmal lassen sich während der<br />
Schwangerschaft Begleitfehlbildungen,<br />
wie zum Beispiel zwei statt drei Nabelschnurgefäße,<br />
eine statt zwei Nieren,<br />
fehlgebildete Nieren, eine auffällige<br />
Entwicklung der Blase, des Genitals<br />
oder des Herzens, eine Fehlbildung der<br />
Wirbelsäule oder ein erweiterter Darm<br />
feststellen. Diese Fehlbildungen treten<br />
häufig zusammen mit einer Analatresie<br />
auf und können auf eine anorektale<br />
Fehlbildung hinweisen. Carlos A.<br />
Reck-Burneo: „Aber den Schweregrad<br />
und die genaue Art der Fehlbildungen<br />
kann man erst diagnostizieren, wenn<br />
das Kind geboren ist.“<br />
Fotos: Helping Hands for Anorectal Malformations<br />
28 doktor in wien <strong>07</strong>_08_<strong>2021</strong>