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doktorinwien 2021/07

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SERVICE STEUER<br />

Ordinationen<br />

Veräußerung ohne Umsatzsteuer<br />

Das Finanzministerium hat bei Einführung der Umsatzsteuerbefreiung für Ärztinnen und<br />

Ärzte und andere Heilberufe im Jahr 1997 per Erlass verfügt, dass die Veräußerung von nicht mehr<br />

benötigten Praxisgegenständen sowie auch der ganzen Praxis ohne Umsatzsteuer erfolgen kann.<br />

Von Wolfgang Leonhart<br />

► Das Bundesfinanzgericht (2. Instanz<br />

im Abgabenverfahren) hat<br />

im Jahr 2014 (BFG vom 28.02.2014,<br />

RV/210<strong>07</strong>56/2012) erstmalig konträr<br />

zu der Rechtsmeinung des Finanzministeriums<br />

entschieden. Konkret ging es<br />

um die Veräußerung der Daten der Patientenkartei<br />

durch einen (Kassen-)<br />

Arzt für Allgemeinmedizin.<br />

Divergierende Judikatur<br />

Das Bundesfinanzgericht entschied,<br />

dass die entgeltliche Übertragung der<br />

Patientenkartei eine sonstige Leistung<br />

darstellt. Da demnach das strittige<br />

Hilfsgeschäft keine Lieferung eines<br />

Gegenstands darstellt, ist nach Ansicht<br />

des BFG der Befreiungstatbestand des<br />

§ 6 (1) 26 UStG, der die Lieferung von<br />

Gegenständen zur Voraussetzung hat,<br />

bereits aus diesem Grund nicht erfüllt<br />

und die Umsatzsteuerbefreiung nicht<br />

gegeben. Bei Verkäuferinnen und Verkäufern<br />

führt dies im Ergebnis zur Umsatzsteuerpflicht,<br />

bei Käuferinnen und<br />

Käufern steht im Regelfall kein Vorsteuerabzug<br />

zu.<br />

Unklarheit teilweise behoben<br />

Ärztinnen, Ärzte<br />

und deren Rechtsberaterinnen<br />

und<br />

Rechtsberater standen<br />

daher bei einer<br />

Ordinationsveräußerung<br />

vor der Frage,<br />

ob hinsichtlich<br />

Umsatzsteuer der<br />

Rechtsansicht des<br />

Finanzministeriums<br />

oder der Judi katur<br />

des Bundesfinanzgerichts<br />

zu folgen ist.<br />

Die aus dieser divergierenden<br />

Rechtslage<br />

resultierende<br />

Unsicherheit wurde<br />

Leonhart: „Ob<br />

die Judikatur der<br />

Rechtmeinung des<br />

Finanzministeriums<br />

folgt, bleibt abzuwarten.“<br />

allerdings ab 1. Jänner 2017 durch die<br />

Ausweitung der Kleinunternehmerregelung<br />

im Umsatzsteuergesetz in vielen<br />

Fällen ausgeglichen, da ab diesem<br />

Zeitpunkt bei Ärztinnen und Ärzten<br />

für die Veräußerung der Ordination<br />

die Anwendung der Umsatzsteuer-<br />

Kleinunternehmerbefreiung ungeachtet<br />

der Höhe der erzielten Honorare<br />

aus ärztlicher Heilbehandlung in Betracht<br />

kommt:<br />

Das Umsatzsteuergesetz sieht vor, dass<br />

Unternehmerinnen und Unternehmer,<br />

die Umsätze bis maximal 35.000 Euro<br />

jährlich erzielen (bis 2020: 30.000 Euro),<br />

als sogenannte Kleinunternehmer<br />

von der Umsatzsteuer befreit sind. Von<br />

der Umsatzsteuer befreite Einnahmen,<br />

darunter jene aus ärztlicher Heilbehandlung,<br />

werden für die Berechnung<br />

der 35.000-Euro-Kleinunternehmergrenze<br />

nicht berücksichtigt.<br />

Der Kaufpreis, der bei Verkauf der<br />

Arztpraxis für die Ablöse des Patientenstocks<br />

(der Patientenkartei) sowie<br />

des sonstigen Praxisinventars bezahlt<br />

wird, wird daher bei Ermittlung der<br />

35.000-Euro-Grenze (bis 2020: 30.000<br />

Euro) nicht berücksichtigt. Die Ge-<br />

schäftsveräußerung im Ganzen kann<br />

daher ungeachtet der Höhe des erzielten<br />

Kaufpreises unter die Umsatzsteuer-<br />

Kleinunternehmerbefreiung (§ 6 (1) 27<br />

UStG) fallen.<br />

Zur Veranschaulichung<br />

Ein Beispiel: Ein Arzt erzielt von Jänner<br />

bis September 2020 in der Ordination<br />

Honorarumsätze aus ärztlicher<br />

Heilbehandlung von 200.000 Euro<br />

und veräußert die Praxis samt Patientenkartei<br />

mit Stichtag 30. September<br />

2020 an einen Kollegen um einen<br />

Kaufpreis von 70.000 Euro. Umsätze<br />

aus anderen Aktivitäten liegen nicht<br />

vor. Ergebnis: Der für die Ordinationsveräußerung<br />

erzielte Kaufpreis<br />

fällt aufgrund der Rechtslage ab 2017<br />

unter die Umsatzsteuer-Kleinunternehmerbefreiung,<br />

da er bei Ermittlung<br />

der 35.000-Euro-Grenze (bis 2020:<br />

30.000 Euro) nicht zu berücksich -<br />

tigen ist.<br />

Eine andere Konstellation liegt vor,<br />

wenn neben den umsatzsteuer -<br />

freien Einnahmen (§ 6 (1) 19 UStG)<br />

aus ärztlicher Heilbehandlung umsatzsteuerpflichtige<br />

Einnahmen über<br />

der Grenze für die Anwendbarkeit<br />

der Umsatzsteuer-Kleinunternehmerregelung<br />

wie beispielsweise Einnahmen<br />

aus einer gewerblichen Tätigkeit<br />

oder Vermietung von Wohnungen<br />

vorliegen. In diesem Fall muss zur<br />

Erlangung der Umsatzsteuerfreistellung<br />

des Praxisverkaufs auf eine durch<br />

das Finanzministerium kürzlich in den<br />

Umsatzsteuer-Richtlinien getroffene<br />

Regelung zurückgegriffen werden:<br />

Neue Regelung bei Richtlinien<br />

Die Lieferung und Entnahme von Gegenständen<br />

ist gemäß § 6 (1) 26 UStG<br />

steuerbefreit, wenn die Unternehmer<br />

für diese Gegenstände keinen Vorsteuerabzug<br />

vornehmen konnte und<br />

Foto: fizkes/iStock<br />

34 doktor in wien <strong>07</strong>_08_<strong>2021</strong>

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