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SERVICE STEUER<br />
Ordinationen<br />
Veräußerung ohne Umsatzsteuer<br />
Das Finanzministerium hat bei Einführung der Umsatzsteuerbefreiung für Ärztinnen und<br />
Ärzte und andere Heilberufe im Jahr 1997 per Erlass verfügt, dass die Veräußerung von nicht mehr<br />
benötigten Praxisgegenständen sowie auch der ganzen Praxis ohne Umsatzsteuer erfolgen kann.<br />
Von Wolfgang Leonhart<br />
► Das Bundesfinanzgericht (2. Instanz<br />
im Abgabenverfahren) hat<br />
im Jahr 2014 (BFG vom 28.02.2014,<br />
RV/210<strong>07</strong>56/2012) erstmalig konträr<br />
zu der Rechtsmeinung des Finanzministeriums<br />
entschieden. Konkret ging es<br />
um die Veräußerung der Daten der Patientenkartei<br />
durch einen (Kassen-)<br />
Arzt für Allgemeinmedizin.<br />
Divergierende Judikatur<br />
Das Bundesfinanzgericht entschied,<br />
dass die entgeltliche Übertragung der<br />
Patientenkartei eine sonstige Leistung<br />
darstellt. Da demnach das strittige<br />
Hilfsgeschäft keine Lieferung eines<br />
Gegenstands darstellt, ist nach Ansicht<br />
des BFG der Befreiungstatbestand des<br />
§ 6 (1) 26 UStG, der die Lieferung von<br />
Gegenständen zur Voraussetzung hat,<br />
bereits aus diesem Grund nicht erfüllt<br />
und die Umsatzsteuerbefreiung nicht<br />
gegeben. Bei Verkäuferinnen und Verkäufern<br />
führt dies im Ergebnis zur Umsatzsteuerpflicht,<br />
bei Käuferinnen und<br />
Käufern steht im Regelfall kein Vorsteuerabzug<br />
zu.<br />
Unklarheit teilweise behoben<br />
Ärztinnen, Ärzte<br />
und deren Rechtsberaterinnen<br />
und<br />
Rechtsberater standen<br />
daher bei einer<br />
Ordinationsveräußerung<br />
vor der Frage,<br />
ob hinsichtlich<br />
Umsatzsteuer der<br />
Rechtsansicht des<br />
Finanzministeriums<br />
oder der Judi katur<br />
des Bundesfinanzgerichts<br />
zu folgen ist.<br />
Die aus dieser divergierenden<br />
Rechtslage<br />
resultierende<br />
Unsicherheit wurde<br />
Leonhart: „Ob<br />
die Judikatur der<br />
Rechtmeinung des<br />
Finanzministeriums<br />
folgt, bleibt abzuwarten.“<br />
allerdings ab 1. Jänner 2017 durch die<br />
Ausweitung der Kleinunternehmerregelung<br />
im Umsatzsteuergesetz in vielen<br />
Fällen ausgeglichen, da ab diesem<br />
Zeitpunkt bei Ärztinnen und Ärzten<br />
für die Veräußerung der Ordination<br />
die Anwendung der Umsatzsteuer-<br />
Kleinunternehmerbefreiung ungeachtet<br />
der Höhe der erzielten Honorare<br />
aus ärztlicher Heilbehandlung in Betracht<br />
kommt:<br />
Das Umsatzsteuergesetz sieht vor, dass<br />
Unternehmerinnen und Unternehmer,<br />
die Umsätze bis maximal 35.000 Euro<br />
jährlich erzielen (bis 2020: 30.000 Euro),<br />
als sogenannte Kleinunternehmer<br />
von der Umsatzsteuer befreit sind. Von<br />
der Umsatzsteuer befreite Einnahmen,<br />
darunter jene aus ärztlicher Heilbehandlung,<br />
werden für die Berechnung<br />
der 35.000-Euro-Kleinunternehmergrenze<br />
nicht berücksichtigt.<br />
Der Kaufpreis, der bei Verkauf der<br />
Arztpraxis für die Ablöse des Patientenstocks<br />
(der Patientenkartei) sowie<br />
des sonstigen Praxisinventars bezahlt<br />
wird, wird daher bei Ermittlung der<br />
35.000-Euro-Grenze (bis 2020: 30.000<br />
Euro) nicht berücksichtigt. Die Ge-<br />
schäftsveräußerung im Ganzen kann<br />
daher ungeachtet der Höhe des erzielten<br />
Kaufpreises unter die Umsatzsteuer-<br />
Kleinunternehmerbefreiung (§ 6 (1) 27<br />
UStG) fallen.<br />
Zur Veranschaulichung<br />
Ein Beispiel: Ein Arzt erzielt von Jänner<br />
bis September 2020 in der Ordination<br />
Honorarumsätze aus ärztlicher<br />
Heilbehandlung von 200.000 Euro<br />
und veräußert die Praxis samt Patientenkartei<br />
mit Stichtag 30. September<br />
2020 an einen Kollegen um einen<br />
Kaufpreis von 70.000 Euro. Umsätze<br />
aus anderen Aktivitäten liegen nicht<br />
vor. Ergebnis: Der für die Ordinationsveräußerung<br />
erzielte Kaufpreis<br />
fällt aufgrund der Rechtslage ab 2017<br />
unter die Umsatzsteuer-Kleinunternehmerbefreiung,<br />
da er bei Ermittlung<br />
der 35.000-Euro-Grenze (bis 2020:<br />
30.000 Euro) nicht zu berücksich -<br />
tigen ist.<br />
Eine andere Konstellation liegt vor,<br />
wenn neben den umsatzsteuer -<br />
freien Einnahmen (§ 6 (1) 19 UStG)<br />
aus ärztlicher Heilbehandlung umsatzsteuerpflichtige<br />
Einnahmen über<br />
der Grenze für die Anwendbarkeit<br />
der Umsatzsteuer-Kleinunternehmerregelung<br />
wie beispielsweise Einnahmen<br />
aus einer gewerblichen Tätigkeit<br />
oder Vermietung von Wohnungen<br />
vorliegen. In diesem Fall muss zur<br />
Erlangung der Umsatzsteuerfreistellung<br />
des Praxisverkaufs auf eine durch<br />
das Finanzministerium kürzlich in den<br />
Umsatzsteuer-Richtlinien getroffene<br />
Regelung zurückgegriffen werden:<br />
Neue Regelung bei Richtlinien<br />
Die Lieferung und Entnahme von Gegenständen<br />
ist gemäß § 6 (1) 26 UStG<br />
steuerbefreit, wenn die Unternehmer<br />
für diese Gegenstände keinen Vorsteuerabzug<br />
vornehmen konnte und<br />
Foto: fizkes/iStock<br />
34 doktor in wien <strong>07</strong>_08_<strong>2021</strong>