59.3 Geher in der Sackgasse
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LEICHTATHLETIK
ein verblichenes Banner «Gratulation unserem Olympiasieger schwoz».
Alex Schwazer hat die Insignien seines Erfolgs bei seiner Mutter zurückgelassen,
die Urkunden und Pokale vor dem Verstauben bewahrt.
Im Wohnzimmer, im Flur, überall im Hause Schwazer verteilt sich die
erfolgreiche Vergangenheit des Sohnes.
Sein Glück findet Alex Schwazer, der nun Hobbyläufer trainiert,
nicht mehr ausschliesslich im Sport. Nach Rio ist die Nachricht,
dass er Vater wird, seine Rettung. Ida. Im September 2019 heiratet Alex
seine Kathrin. An Schwazers Wohnzimmerwand hängt ein gemaltes
Bild, lebensgross. Er hält darauf seine Frau und seine Tochter schützend
im Arm. Im Oktober 2020 wird er zum zweiten Mal Vater. Noah.
Der Geher ist wieder an einem Ziel angekommen. Nur lag es anderswo
als gedacht.
April 2021: Die letzten Wochen hatten es in sich für Schwazer. Er
tritt beim Festival di Sanremo auf, dem wichtigsten TV-Event Italiens.
Der Ausschuss für Kultur, Bildung und Sport der Abgeordnetenkammer
fordert die Regierung und das nationale olympische Komitee auf, bei
den internationalen Sportgremien vorstellig zu werden, damit Schwazer
an den Olympischen Spielen in Tokio teilnehmen kann. Eine dementsprechende
Online-Petition wird Anfang Mai von über 73 000 Menschen
unterstützt. Für den Sommer ist ein Buch von Sandro Donati angekündigt,
Alex und die grosse Verschwörung, das auch zu einer Fernsehserie
werden soll. Denn für eine Figur interessieren sich die Menschen ein
kleines bisschen mehr als für einen gefallenen Helden. Für den gefallenen
Helden, der wieder aufsteht.
Schwazer will gehen. Nicht irgendwann. Diesen Sommer. Im Herbst
2019 hat er mit Donati wieder mit dem Training begonnen. Fünf Stunden
täglich, auf dem Radweg längs der Autobahn, wo er die ersten
Schritte seiner Karriere unternahm. Sein Ziel: die Olympischen Spiele
von Tokio. Seine Anwälte haben beim Schweizer Bundesgerichtshof
einen Antrag auf Aussetzung der Wettkampfsperre eingereicht. Nur
das oberste Gericht der Schweiz kann ein Urteil des Internationalen
Sportgerichtshofs in Lausanne aufheben. Doch der Tag im Mai, an dem
Schwazer sich für den Qualifikationswettbewerb über 50 Kilometer in
Tschechien anmelden müsste, verstreicht. Ohne Post aus der Schweiz.
Bis Ende Juni könnte er sich noch über 20 Kilometer qualifizieren.
Die Zeit läuft wieder einmal gegen Alex Schwazer.
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