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59.3 Geher in der Sackgasse

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LEICHTATHLETIK

es spritzen muss. Am besten in die Armvene, weil es dort weniger lange

nachweisbar ist. Epo hat einen zeitnahen Effekt, daher nimmt er es erst

im März 2012, qualifiziert sich damit für Olympia in London. «Ich ekelte

mich vor mir selbst», erinnert er sich Jahre später.

Als ein Blutwert nach einer kaderinternen Kontrolle auffällig

ist, gesteht Schwazer Pierluigi Fiorella sein Doping. Der Arzt des Nationalkaders

war früher selbst ein Spitzen-Geher im Studentensport.

Er rät Schwazer, jeden Tag ein Blutbild zu machen, um den Wert mit

möglichst vielen unauffälligen Vergleichswerten zu kaschieren. Damit

schützt der Arzt auch sich selbst. Im Juli ist Schwazer nervlich am Ende,

hat sich von allen isoliert. Er trainiert in Deutschland bei seiner Freundin,

der italienischen Eiskunstläuferin Carolina Kostner. In ihrem Badezimmer

spritzt er sich das Epo. Heute weiss er: «Ich war in einem Wahn

drin und bin fast gestorben vor Angst.» Niemand im Team scheint ihm

zu misstrauen, nur einen Mann macht Schwazers Verhalten stutzig:

Sandro Donati, Italiens Symbolfigur des sauberen Sports.

Es ist der 11. Juli 2012, als Donati eine Nachricht an einen Mitarbeiter

der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) verschickt, wie er das oft tut.

Er schildert darin seinen Verdacht gegenüber Schwazer, der in London

nicht im olympischen Dorf unterkommen will, sondern allein in einem

Stadthotel. Als am 30. Juli die Kontrolleure zu Hause bei Schwazer in

Südtirol klingeln, ist ihm klar, dass seine Probe positiv sein wird, am

Vortag hat er das letzte Mal gedopt. «Ich war froh, dass es vorbei war.»

Eine Woche später ist Schwazer überführt. Auf einer Pressekonferenz

entschuldigt er sich unter Tränen. Sein Blick weicht den Kameras aus,

dem Blitzlichtgewitter, er hält die Hände vors Gesicht, ist ein Bild des

Elends.

Schwazer wird für drei Jahre und neun Monate gesperrt. Der Staatsanwalt

ermittelt gegen ihn. Im Netz zirkulieren Unverständnis, Wut

und Häme. Er fliegt aus der Sportgruppe der Carabinieri, muss seine

Dienstwaffe abgeben. Er wendet sich vom Sport ab, beginnt ein Wirtschaftsstudium,

kellnert. Da seiner Freundin vorgeworfen wird, von

seinem Doping gewusst zu haben, wird auch sie gesperrt, für 21 Monate.

Die beiden trennen sich. Ende 2014 endet das Strafverfahren gegen

ihn mit einem Vergleich und einer achtmonatigen Bewährungsstrafe.

Schwazer beschliesst, es noch einmal mit dem Sport zu probieren.

Sauber. Mit der Hilfe eines Mannes, von dem Schwazer sagt, er sei

«24 Stunden am Tag im Krieg gegen Doping».

Sandro Donati ist heute 74 Jahre alt und von schmächtiger Statur.

Die braunen Haare trägt er seitlich gescheitelt. Bis 1976 trat er als Mit­

Illustration: Luca Schenardi

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