59.3 Geher in der Sackgasse
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GEHER IN DER SACKGASSE
wiederum muss bei der WM in Berlin 2009 aufgeben, weil er körperlich
und geistig ausgebrannt ist.
Sein Hauptsponsor, ein begeisterter Ausdauerathlet und sein
Fan, bietet ihm daraufhin an, einen Kontakt zu Michele Ferrari herzustellen,
weil dieser für sein strukturiertes Training bekannt sei. Der
Sportarzt ist da schon ein verurteilter Sportbetrüger, nachdem er über
Jahre die Radsportelite mit Dopingpräparaten versorgt hat. Zu Schwazer
aber will Ferrari nur gesagt haben: «Wenn du gut trainiert bist und dein
Gewicht niedrig hältst, gewinnst du auch ohne Doping.» Ferrari wird
später lebenslang im Sport gesperrt.
Schwazer hat zu Beginn der 2010er Jahre das Gefühl, besser
zu sein als seine Konkurrenten, die in seinen Augen nur gewinnen,
weil sie vollgepumpt sind mit unerlaubten Substanzen. Nach der EM
2010 in Barcelona erhält Schwazer als Zweiter rückwirkend Gold, weil
der Erstplatzierte, eine Russe, überführt wird. 2011 erzählen ihm russische
Athleten bei einem Bier während der WM in Südkorea, bei der
er Neunter wird, offen von ihren Bluttransfusionen, berichtet Schwazer.
Er nimmt Nahrungsergänzungsmittel, schläft vor seinem Elternhaus in
einem Sauerstoffzelt, aber beides bringt ihn nicht weiter. Schwazer hat
Angst, dass er zurückfällt. Zweiter zu werden, ist keine Option für ihn.
Warum soll ich der Einzige sein, der sich an die Regeln hält, denkt er
damals. Was folgt, ist die oft erzählte Geschichte vom Einzeldoper. Ob
sie stimmt, was Schwazer versichert, oder ob er ein System im Hintergrund
deckt, lässt sich nicht aufklären.
Es beginnt mit einer Testosteron-Crème, die Schwazer in
einer Online-Apotheke bestellt. Er trägt sie auf den Bauch auf, aber da
sie keinen Effekt erzielt, setzt er sie ab. Sein Ziel ist das Blutdopingmittel
Epo, das die Bildung roter Blutkörperchen anregt und so die Sauerstoffaufnahme
verbessert. Es steht seit 1990 auf der Dopingliste. Er
durchwühlt das Internet, in der Türkei sollen Dopingmittel rezeptfrei
erhältlich sein. Im September 2011 fliegt er von Wien nach Antalya.
In einer Apotheke bestellt er die Schachteln, 20 Minuten später liefert
sie ein Kurier tiefgekühlt auf einem Scooter. Das Epo-Mittel Eprex im
Wert von 1500 Euro. Der Präsident der Apothekerkammer von Antalya
wird diese Darstellung später in türkischen Medien anzweifeln.
Wenn Schwazer zurückdenkt, sind das die schäbigsten Szenen
seines Lebens. Am Telefon lügt er seine Familie und die Freundin an.
Sitzt allein im Hotelzimmer und überlegt, wie er das Epo während des
Rückflugs kühlen kann. Zu Hause versteckt er es in einer Schachtel
Vitamintabletten im Kühlschrank. Über Google Scholar lernt er, wie er
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Beim Bier erzählen die Russen ihm von Bluttransfusionen.