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59.3 Geher in der Sackgasse

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LEICHTATHLETIK

war der Wettkampf bis 2018 vorbei, seither folgt vor der Disqualifikation

noch eine Zeitstrafe. Schwazer wählt die Sportart als Jugendlicher, weil

in seiner Nähe eine Gruppe von Gehern trainiert. Und weil er gut darin

ist. «Was mich an diesem Sport am meisten fasziniert, ist die Distanz»,

sagt er einmal. So wie der Zehnkämpfer der vielseitigste Leichtathlet

ist und der 100-Meter-Sprinter der schnellste, so ist der Geher über

50 Kilometer der ausdauerndste. Was er zu Beginn seiner Karriere nicht

weiss: Ausdauer wird eine Eigenschaft sein, die ihm auch ausserhalb

des Sports abverlangt wird.

Mit 18 gewinnt Schwazer ohne spezifisches Training die Junior-

Italienmeisterschaft. Er tritt in die Sportgruppe der Carabinieri ein.

2005 wird er bei der WM in Helsinki unerwartet Dritter über 50 Kilometer.

Ein «unbeschreiblicher Glücksmoment», vielleicht der schönste

seines Sportlerlebens. Er ist der jüngste Leichtathlet Italiens, der eine

WM-Medaille holt. 2007 stellt er einen bis heute unangefochtenen

Italienrekord über 50 Kilometer auf. Schwazer gilt fortan als Ausnahmetalent.

Er ist eifrig und streng zu sich selbst. Italienische Medien

nennen ihn den «Soldaten».

Peking, 22. August 2008: Nach 24 Runden vor dem Leichtathletik­

Stadion und einer auf der Tartanbahn im «Vogelnest» von Peking läuft

Schwazer, Startnummer 2102, als Erster ins Ziel, presst die Hände vors

Gesicht, fällt vor Erschöpfung schluchzend auf die Knie. Bei 3 Stunden,

37 Minuten und 9 Sekunden stoppt die Zeit, olympischer Rekord.

Als Kind malt Schwazer die olympischen Ringe und sich selbst

ganz oben auf dem Siegerpodest. Als junger Erwachsener unterschätzt

er den Nachhall der Spiele. Der Verband, die Sponsoren, das Land Südtirol,

alle feiern sie ihren Volkshelden. Er bekommt einen Werbevertrag

von Ferrero, ein Nordic-Walking-Weg wird nach ihm benannt. Doch

geniessen kann er seinen Erfolg nicht. Schwazer hat sein sportliches

Lebensziel früh erreicht, mit 23. Was kann für einen Geher nach Olympiagold

noch kommen? Für seinen Trainer ein Vertrag mit der chinesischen

Nationalmannschaft. Schwazer trainiert zeitweise mit zehn Chinesen

in Piemont, hat morgens den Geruch von Algensuppe in der Nase und

fühlt sich vernachlässigt. Er würde eine Pause brauchen und macht

dennoch weiter. Alles ist ein Krampf. Je länger Schwazer Teil der Geher­

Szene ist, desto mehr versteht er: um ihn ein Dopingsumpf. Die Griechin

Athanasia Tsoumeleka, Olympiasiegerin von 2004: gedopt. Der Russe

Sergej Kirdjapkin, Weltmeister von 2005: gedopt. Der Spanier Francisco

Fernández, Europameister von 2006: gedopt. Die Russin Olga Kaniskina,

Weltmeisterin 2007 und Olympiasiegerin 2008: gedopt. Schwazer

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