Hänicher Bote | Juli-Ausgabe 2021
Hänicher Bote | Juli-Ausgabe 2021 mit dem gewerblichen Sonderthema "Tipps für den Sommer"
Hänicher Bote | Juli-Ausgabe 2021
mit dem gewerblichen Sonderthema "Tipps für den Sommer"
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16 HEIMATGESCHICHTE
(Gräfenhainichen/HäBo). Der Sattler
ist handwerklich gesehen der Vater
der Riemenschneider und Gürtler.
Der Gürtler arbeitete überwiegend
mit unedlen und in geringem Maße
auch mit edlen Metallen und wird oft
mit Riemern, Sattlern und Täschnern
verwechselt. Ein Gürtel aus Kettengliedern,
Ringen, Platten oder mit
Schnallen und Metallscheiben hat die
gleiche Funktion wie ein Ledergürtel.
Die Bezeichnung „Gürtler“ stammt
aus dem Mittelalter, das Handwerk
selbst lässt sich bis in die Bronzezeit
zurückverfolgen, als metallene Beschläge,
Schnallen und Schließen typische
Bestandteile der Kleidung waren.
Viele Jahrhunderte symbolisierte
die Gestaltung der Gürtel und Gürtelschnallen
Macht, Rang und Reichtum
des Trägers.
Als frühe Erzeugnisse der Gürtler
sind ferner Zaumzeuge und metallene
Beschläge für Pferdegeschirre und
Wagen zu nennen. Neben der Bronze
kannte man im Mittelalter bereits das
Messing, das in der Herstellung billiger
und in der Farbe dem Gold ähnlich
war und für unzählige Erzeugnisse der
Gürtler Verwendung fand. Auch andere
Kupferlegierungen wie Tombak
Hänicher Bote
Bote
21. Juli 2021
Historische Bauschlosserei und Schmiedewerkstatt
August Reinhard stellt alte Berufe vor – Teil 22: Gürtler und Gelbgießer
Gürtlerwerkzeuge 1770
(Rotmessing) und Albaka (Neusilber),
Eisen bzw. Stahl und Zinn (für die
Knopfherstellung) wurden verarbeitet.
Edelmetalle durften aufgrund der
Zunftgesetze nur zum Vergolden und
Versilbern der Erzeugnisse verwendet
werden.
Ideenreichtum, präzises handwerkliches
Können und künstlerisches
Einfühlungsvermögen zeichneten die
Arbeit des Gürtlers aus, die nahezu
alle in den übrigen Metallhandwerken
angewandten Techniken umfasste.
Er musste mit dem Gießen, Treiben,
Pressen, Drücken, Prägen, Gravieren,
Ziselieren und Punzieren bestens vertraut
sein; durch Falzen,
Bördeln, Nieten,
auch durch Hart- und
Weichlöten wurden die
Werkstücke dann zusammengefügt
und erhielten
durch Polieren,
Patinieren, Brünieren
und Versilbern oder
Vergolden ihren besonderen
Charakter.
Typische Gürtlererzeugnisse
waren: Beschläge
für Zimmertüren,
Fenster, Möbel,
Uniformen und Wehrgehänge,
Kirchengeräte
wie Weihrauchschiffchen, Kerzenleuchter
und Ewige-Licht-Ampeln,
Hausrat wie Dosen, Besteckgriffe,
Türklopfer, Deckel für Krüge, aber
auch Prunkgeschirr, Bügeleisen, Fahnenspitzen,
Knöpfe, Bijouteriewaren,
Orden, Ehrenzeichen, Beschläge und
Sperren für Büchereinbände, die bis ins
16. Jahrhundert von Klausurmachern
Wappen der Gürtler und Bronzewarenerzeuger
Quelle: wikimedia
ausgeführt wurden. Viele Gürtlererzeugnisse
waren über die praktische
Nutzanwendung hinaus schmückender
Zierrat, der von anderen Handwerkern,
etwa den Schneidern, den Sattlern und
den Tischlern, in ihren Arbeiten appliziert
wurden. Dies erforderte vom
Gürtler ein erhebliches Einfühlungsvermögen,
er kann daher zu den Kunsthandwerkern
gerechnet werden.
Zudem waren manche Gürtlerarbeiten
reine Luxusprodukte, die nur einen
begrenzten Abnehmerkreis fanden.
So hat das Gürtlerhandwerk in vielen
Kleinstädten überhaupt keinen Eingang
gefunden, in den größeren Städten
gab es nur wenige
Vertreter.
Zentren des Gürtlerhandwerks
hatten sich
in Nürnberg (1621
gab es dort bereits 36
Meister), Berlin und
Wien gebildet. In Wien
waren bereits um 1300
Gürtler tätig, und ab
1435 bildeten sie gemeinsam
mit den Bortenwirkern
eine Zeche
(= Zunft, andernorts
auch: Gilde oder Gaffel,
Amt – niederdeutsch,
Einung oder
Innung – sächsisch). In den großen
Städten haben sich aus dem Gürtlerhandwerk
einige besonders spezialisierte
Berufe herausgebildet, so etwa
der Metallknopfmacher (Knopfpresser
und -gießer) und Bügeleisenhersteller.
Auch die Gelbgießer (auch Grapenoder
Gropengießer) hatten ihre Wurzeln
im Gürtlergewerbe. Sie waren
Der Gürtler und der Gelbgießer als Tengelmann-Sammelbilder
Bilder: Vereinsarchiv
spezialisiert auf den Messingguss
kleinerer Gegenstände in Sand- oder
Lehmformen und die anschließende
Bearbeitung durch Abdrehen, Schaben,
Polieren und Verzieren sowie das
Versilbern und Vergolden. Als typische
Erzeugnisse können Leuchter,
Figuren, Rollen, Kessel, Beschläge,
Schnallen, kleine Glocken und Schellen,
Mörser, Fingerhüte, Reißfederstiele,
Wachsscheren, Messerstiele, Knöpfe
und dergleichen gelten.
Daneben fertigte der Gelbgießer typische
Rotgießarbeiten (Produkte aus
Kupfer und Zink), etwa Feuerspritzen,
Statuen, Kronleuchter, Tabernakel,
Grabplatten und Taugefäße.
Bereits im 18. Jahrhundert setzte die
Massenproduktion typischer Gürtlerund
Gelbgießerprodukte ein, die beide
Gewerke schließlich verdrängte.
Die Ausbildung als Gürtler ist im
Handwerk seit 1953 und in der Industrie
seit 1987 nicht mehr möglich.
Abgelöst wurde der Beruf durch den
Industriemechaniker der Fachrichtung
Geräte- und Feinwerktechnik sowie
Konstruktionsmechaniker/in der Fachrichtung
Feinblechbautechnik.
„Das Messing ist sein Gold“ – Dieses
Logo von Anna Streitel stellt eine Art
Zunftzeichen für den Beruf des Gelbgießers
dar.
Handwerkskundschaft der Gelbgießer aus dem Jahre 1795, ausgestellt in der Königlich Preussischen Residenz-Stadt Berlin.