CONNECT Magazin 21-03
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40 Gastkommentar<br />
Klimaneutralität als Karte und Kompass für<br />
die Zukunft der Mobilität in Deutschland<br />
Die Zukunft der Mobilität in Europa und Deutschland ist klimaneutral! Mit dem „Fit for 55“-Paket hat die EU-Kommission im Juli einen Vorschlag<br />
vorgestellt, wie Europa die Klimaziele 2<strong>03</strong>0 erreichen kann, um spätestens 2050 klimaneutral zu sein. Im Zuge dessen hat auch die Bundesregierung<br />
noch einmal die Klimaziele bis 2<strong>03</strong>0 verschärft und gesetzlich verankert, bis 2045 klimaneutral zu sein. Die nächste Bundesregierung<br />
wird Deutschland nach der Wahl auf Kurs bringen.<br />
Für chinesische, wie für alle anderen Unternehmen<br />
auch, heißt das vor allem eins: Wer<br />
auf dem Mobilitätsmarkt in Deutschland<br />
langfristig erfolgreich sein will, muss seine<br />
Angebote am Ziel der Klimaneutralität messen<br />
lassen. Klimaneutralität als Karte und Kompass<br />
für Unternehmen in der Mobilität wird weltweit<br />
rasant an Bedeutung gewinnen. Denn wenn wir<br />
die Ziele des Pariser Klimavertrags erreichen und<br />
damit die katastrophalen Folgen des Klimawandels<br />
für die Menschheit weltweit beschränken<br />
wollen, brauchen wir drei Dinge: Tempo,<br />
Tempo und noch einmal Tempo! Damit beschleunigen<br />
wir nicht nur beim Klimaschutz, sondern<br />
auch beim Rennen um die Zukunftsmärkte. Gerade<br />
das Bekenntnis von Staatspräsident XI Jinping<br />
vom Herbst 2020, dass China vor 2<strong>03</strong>0 den<br />
Emissionsgipfel überschreiten und 2060<br />
CO 2<br />
-neutral sein will, setzt neue Maßstäbe weit<br />
über den 14. Fünfjahresplan in China und weit<br />
über China hinaus.<br />
Für den Pkw schlägt die EU-Kommission vor, ab<br />
2<strong>03</strong>5 in Europa keine Pkw nur mit Verbrennungsmotor<br />
mehr neu zuzulassen. Die Erkenntnis, das<br />
sei das einzig belastbare Szenario auf dem Weg<br />
zur Klimaneutralität, setzt sich auch in der Automobilbranche<br />
durch. Immer mehr Marken kündigen<br />
an, bis spätestens 2<strong>03</strong>5 den Verkauf von<br />
Fahrzeugen nur mit Verbrennungsmotor in der<br />
EU zu beenden: Opel (bis 2028), Fiat, Ford und<br />
Volvo (alle bis 2<strong>03</strong>0), Audi (etwa bis 2<strong>03</strong>3), VW<br />
(bis spätestens 2<strong>03</strong>5). Für die neuen Elektrofahrzeuge<br />
wird dann immer wichtiger, dass Lieferketten,<br />
Herstellung und Betrieb über den gesamten<br />
Lebensweg des Fahrzeugs höchsten Nachhaltigkeitsstandards<br />
genügen müssen.<br />
Christian Hochfeld ist seit Februar 2016<br />
Direktor von Agora Verkehrswende. Davor<br />
leitete er bei der Deutschen Gesellschaft<br />
für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)<br />
das Programm für nachhaltigen Verkehr<br />
in China. Seit 2015 ist er Mitglied des<br />
Internationalen Beirats der chinesischen<br />
Plattform Elektromobilität (China EV100).<br />
Die Bundesregierung muss nach der Wahl im<br />
Herbst 20<strong>21</strong> alles daransetzen, um Deutschland<br />
zum Leitmarkt der klimaneutralen Mobilität zu<br />
entwickeln und damit den Klimaschutz als Chance<br />
zur Neuerfindung des Standorts für die (Auto-)<br />
Industrie zu nutzen. Dafür braucht es grundlegende<br />
Reformen, um den Umstieg auf Elektrofahrzeuge<br />
und den Aufbau der notwendigen<br />
Ladeinfrastruktur finanzieren und erleichtern zu<br />
können. Damit dies auch den gewünschten Beitrag<br />
für den Klimaschutz bringt, ist eine drastische<br />
Beschleunigung des Ausbaus der Stromerzeugung<br />
aus erneuerbaren Energien – haupt-<br />
sächlich aus Wind und Sonne – bis auf einen<br />
Anteil von etwa 70 Prozent bis zum Ende dieses<br />
Jahrzehnts erforderlich.<br />
Die Umstellung der Fahrzeugantriebe auf erneuerbare<br />
Energien, die Energiewende im Verkehr,<br />
wird aber allein nicht reichen. Es braucht<br />
auch die Mobilitätswende, die Verlagerung des<br />
Verkehrs, die Änderung unserer täglichen Routinen.<br />
Im Personenverkehr wird sich dafür die Verkehrsleistung<br />
im öffentlichen Verkehr bis 2<strong>03</strong>5<br />
verdoppeln. Auch der Fuß- und Radverkehr sowie<br />
neue Dienste wie geteilte und gepoolte Nutzung<br />
von Fahrzeugen nehmen deutlich zu. Darüber<br />
geht der Pkw-Anteil bis 2045 um 30 Prozent<br />
zurück. Im Güterverkehr wächst der Anteil des<br />
Schienengüterverkehrs bis 2<strong>03</strong>0 um etwa 45 Prozent,<br />
während der Straßengüterverkehr kaum<br />
wächst.<br />
In China entstehen bei der Mobilitäts- und<br />
Logistikwende schon heute eine Vielzahl von Innovationen.<br />
Denn der hohe Problemdruck gerade<br />
in den Mega-Citys – wie Luftverschmutzung und<br />
Staus – fordern und fördern schnelle Innovationen,<br />
von denen auch Europa und Deutschland<br />
profitieren können – vom Fahrradverleih bis zum<br />
Hochgeschwindigkeitszug und vom E-Scooter bis<br />
zum Elektrobus.<br />
Eines ist klar: Wir werden die Klimaziele gemeinsam<br />
erreichen - oder gar nicht! Von der Zusammenarbeit<br />
auf dem Weg zur klimaneutralen<br />
Mobilität können Politik und Unternehmen in<br />
China und Deutschland im fairen Wettbewerb<br />
voneinander lernen und profitieren – am besten<br />
sofort!<br />
Abb.: Agora Verkehrswende<br />
www.chk-de.org